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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 08.11.2005
Aktenzeichen: 8 W 41/05
Rechtsgebiete: BRAGO, Ermäßigungs-AnpassungsV, BVerfGG, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 134
BRAGO § 6
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 2
BRAGO § 6 Abs. 1 S. 2
Ermäßigungs-AnpassungsV § 1
BVerfGG § 13 Nr. 8a
BVerfGG § 31 Abs. 2 Satz 1
BVerfGG § 31 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 137
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

8 W 41/05

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sabin, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Meyer und den Richter am Oberlandesgericht Lüdtke

am 8. November 2005 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Rostock vom 29.10.2004, Az: 10 O 84/00, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin nach einem Beschwerdewert von 418,27 €.

Gründe:

Die gem. §§ 11 Abs. 1 RpflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 568, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die Beschwerde ist zulässig. Ausweislich der Erinnerungs- bzw. Beschwerdeschrift vom 24.11.2004 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin zwar persönlich das Rechtsmittel eingelegt, da sie die "Ich"-Form verwendet hat. Eine solche Beschwerde wäre unzulässig, denn diese steht nur der beschwerten Partei und nicht der Prozessbevollmächtigten zu (vgl. Herget in: Zöller, ZPO, 25. Auflage, § 104 Rdn. 11 [m.w.N.]). Nachdem die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 27.06.2005 jedoch klar gestellt hat, dass der Rechtsbehelf für die beschwerte Klägerin, eingelegt wurde, bestehen gegen die Zulässigkeit der Beschwerde keine Bedenken mehr.

II.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist im vorliegenden Verfahren zwar nicht gem. § 134 BRAGO allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des unbedingten Auftrages zur Durchführung des Berufungsverfahrens abzustellen (1.), vielmehr war für die Berechnung der Verhandlungsgebühr die Kürzungsregelung der Anlage I, Kap. III, Sachgeb. A, Abschn. III Ziff. 26 a S. 1 EinigungsV in Verbindung mit § 1 der Ermäßigungs-AnpassungsV aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 28.01.2003, Az.: 1 BVR 487/01 (NJW 2003, 737) nicht mehr anzuwenden (2.). Allerdings hat die Klägerin unberechtigt die Erhöhungsgebühr gem. § 6 BRAGO abgerechnet (3.), so dass die Beschwerde im Ergebnis keinen Erfolgt hat.

1. Zu Unrecht hat der Rechtspfleger im vorliegenden Verfahren gem. § 134 BRAGO die Vergütung nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des unbedingten Auftrages zur Durchführung des Berufungsverfahrens berechnet und folglich die 10 %ige Kürzung nach der Anlage I, Kap. III, Sachgeb. A, Abschn. III Ziff. 26 a S. 1 EinigungsV in Verbindung mit § 1 der Ermäßigungs-AnpassungsV auf die Ermittlung der gesamten Rechtsanwaltsgebühren für die zweite Instanz angewendet.

a) Nach § 134 BRAGO ist die Vergütung nur dann nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor In-Kraft-Treten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist. Eine solche liegt hier nicht vor.

b) Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 28.01.2003, Az.: 1 BVR 487/01 (NJW 2003, 737) die oben genannte Vorschrift des Einigungsvertrages mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt, gleichzeitig jedoch festgesetzt, dass die Regelung bis zum In-Kraft-Treten einer verfassungsgemäßen Neuregelung - längstens bis zum 31.12.2003 - weiter anzuwenden ist. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hatte gem. §§ 13 Nr. 8a, 31 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVerfGG Gesetzeskraft. Gleichwohl ist es einer Gesetzesänderung im Sinne von § 134 BRAGO nicht gleichzusetzen, da das Urteil seinerseits eine Regelung für den Zeitpunkt der Beachtung der Verfassungswidrigkeit der Regelung des Einigungsvertrages und damit quasi einer eigene Übergangsregelung enthält; insoweit geht das Urteil des Bundesverfassungsgericht als speziellere Regelung § 134 BRAGO vor.

2. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.01.2003 kann sich jedoch logischerweise nicht auf bereits bis zum 31.12.2003 entstandene Anwaltsgebühren beziehen. Für die Frage, ob die genannte Kürzungsregelung des Einigungsvertrages eingreift, ist daher der jeweilige Entstehungszeitpunkt der Gebühr ausschlaggebend. Würde sich die Höhe der Gebühren der beteiligten Rechtsanwälte (90 % oder 100 %) nach dem bloßen Zeitpunktes der Einreichung und/oder Bearbeitung des Kostenfestsetzungsantrages bzw. des Entscheidungszeitpunktes der jeweiligen Beschwerdeinstanz richten, würden sich vielfach rein zufällige Ergebnisse ergeben, wenn beispielsweise der zuständige Rechtspfleger Urlaub hat, erkrankt ist oder sich die Entscheidung aus einem anderen (unvorhersehbaren) Grund über den 31.12.2003 verzögert.

a) Die Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) hat das Landgericht daher nach der Anlage I, Kap. III, Sachgeb. A, Abschn. III Ziff. 26 a S. 1 EinigungsV in Verbindung mit § 1 der Ermäßigungs-AnpassungsV zu Recht um 10% reduziert.

aa) Der Anspruch auf die Prozessgebühr entsteht, sobald der Rechtsanwalt von einer Partei zum Prozessbevollmächtigten in einem Prozessverfahren bestellt worden ist und er eine unter die Prozessgebühr fallende Tätigkeit ausgeübt hat (vgl. von Eicken in: Gerold/Schmidt/von Eicken/ Madert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, Kommentar, 15. Auflage, § 31 Rdn. 10 [m.w.N.]). In der Regel entsteht danach die Prozessgebühr bereits mit der Entgegennahme der ersten Information nach Erteilung des Auftrages. Es kommt nicht etwa darauf an, wann sich der Rechtsanwalt bei Gericht bestellt hat (vgl. von Eicken, a.a.O.). Für die Entstehung der Gebühr ist damit nur entscheidend, dass der Rechtsanwalt auftragsgemäß in der Rechtsmittelinstanz tätig geworden ist. Mit der einmal entstandenen Prozessgebühr werden alle Tätigkeiten abgegolten, die zu dem jeweiligen Rechtszug gehören, falls nicht für sie eine besondere Gebühr vorgesehen ist oder es sich um ein besonderes Verfahren handelt.

bb) Im vorliegenden Fall ist die Prozessgebühr, wie auch die Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Schriftsatz vom 17.06.05 ausgeführt hat, folglich am 18.11.02 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt galt die o. g. Ermäßigungsvorschrift noch, sodass die Prozessgebühr um 10 % zu ermäßigen war.

b) Dieses gilt jedoch nicht für die Verhandlungsgebühr gem. § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO. Diese setzt eine Tätigkeit der Parteien voraus, bei der sie vor dem Gericht den Rechtsstreit verhandeln, d. h. im Zivilprozess nach § 137 ZPO die Anträge stellen. Dieses ist hier ausweislich des Terminsprotokolls (Bl. 797 d.A.) am 28.05.04, d.h. nach der vom Verfassungsgericht festgesetzten Übergangsfrist, erfolgt. Es ist daher die geltend gemachte 6,5/10 Verhandlungsgebühr ohne die 10%ige Kürzung nach der o. g. Vorschrift zu bewilligen, d. h. um 39,39 € zu erhöhen.

3. Der Klägerin steht jedoch die beantragte Erhöhungsgebühr gem. § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO in Höhe von insgesamt 1.751,88 € netto (entspricht 4 x 3/10 von 13/10 der Prozessgebühr) nicht zu, so dass die Korrektur des Kostenfestsetzungsbeschlusses in Höhe von 39,39 € zu Gunsten der Klägerin zu unterbleiben hat..

a) Streitgegenstand der Beschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren ist der Saldo, so dass das Verschlechterungsverbot dem Austausch von Positionen bei unveränderten Endergebnis nicht entgegensteht (vgl. Gummer: Zöller, ZPO, 25. Auflage, § 572 Rdn. 40 m.w.N.).

b) Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft vom 29.01.2001 (BGHZ 146, 341) ist nach Ablauf einer gewissen Übergangszeit für die Anwendbarkeit von § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO jedenfalls beim Aktivprozess einer BGB-Gesellschaft kein Raum mehr (vgl. BGH, Beschl. vom 05.01.2004 - Az. II ZB 22/02). Vorliegend ist die BGB-Gesellschaft im Aktivprozess als Berufungsklägerin aufgetreten. Zwar werden im Rubrum der Berufung noch alle Gesellschafter einzeln aufgeführt, gleichwohl wurde aus der Berufungsbegründung deutlich, dass die Kläger die Forderung als Gesamthandsgläubiger geltend machen, was für die BGB-Gesellschaft vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu deren Parteifähigkeit typisch war (vgl. auch § 718 Abs. 1 BGB). Insoweit war durch eine Rückfrage gem. § 139 ZPO zu klären, ob die Kläger gleichwohl als Einzelpersonen oder trotz des missverständlichen Rubrums als BGB-Gesellschaft auftreten. Nach der Korrektur des Rubrums im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht war allerdings klargestellt, dass es sich hier um einen Gesellschaftsprozess handelt. Da die BGB-Gesellschaft in Wahrheit nur als solche auftritt, lag keine Mehrheit von Auftraggebern vor und es kam folglich eine Erhöhungsgebühr nicht in Betracht (vgl. Hartmann in: Kostengesetze, 32. Auflage, § 6 BRAGO Rdn. 7 "BGB-Gesellschaft").

III.

1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO und der Beschwerdewert aus § 47 Abs. 1 GKG.

2. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

a) Die Frage der Anwendbarkeit von § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO bei einem Aktivprozess einer BGB-Gesellschaft hat der Bundesgerichtshofes bereits entschieden (s.o.).

b) Im Übrigen hat die Sache im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Anlage I, Kap. III, Sachgeb. A, Abschn. III Ziff. 26 a S. 1 EinigungsV in Verbindung mit § 1 der Ermäßigungs-AnpassungsV entgegen der Ansicht der Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung. Eine solche läge nur vor, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden wäre, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten wäre (h M; vgl. BGH NJW 2003, 2319; Gummer in: Zöller, ZPO, 25. Auflage, § 543 Rdn. 11 [m.w.N.]). Dieses ist vorliegend nicht der Fall. Diese Rechtsfrage betrifft nur wenige Fälle, denn sie ist nur dann entscheidungserheblich, wenn die 10%ige Kürzung ausschließlich auf Satz 1 der genannten Regelung des Einigungsvertrages zurückzuführen ist, gleichzeitig der unbedingte Auftrag vor dem 01.01.2004 erteilt wurde und die Verhandlung erst nach dem 31.12.2003 beendet wurde. Es sind daher lediglich für eine kurze Übergangsfrist wenige relevante Fälle zu erwarten, sodass die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht vorliegen. Darüberhinaus wäre die Anwendbarkeit der Kürzungsregelung aus dem Einigungsvertrag letztlich aufgrund der unberechtigten Gewährung der Erhöhungsgebühr gem. § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO auch nicht entscheidungserheblich (vgl. Gummer in: Zöller, ZPO, 25. Auflage, § 543 Rdn. 6a [m.w.N.]).



Ende der Entscheidung

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