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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 16.06.2008
Aktenzeichen: I Vollz(Ws) 5/07
Rechtsgebiete: StVollzG, StPO, GKG


Vorschriften:

StVollzG § 43 Abs. 6
StVollzG § 43 Abs. 9
StVollzG § 43 Abs. 11 Satz 3
StVollzG § 109 Abs. 3
StVollzG § 116 Abs. 1
StVollzG § 119 Abs. 5
StVollzG § 121 Abs. 1
StVollzG § 121 Abs. 4
StPO § 467
GKG § 52 Abs. 1
GKG § 52 Abs. 2
GKG § 52 Abs. 3
GKG § 60
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock - 1. Strafsenat - BESCHLUSS

I Vollz(Ws) 5/07

In der Strafvollzugssache

betreffend J. B.,

geboren am ... in S.,

zur Zeit in Strafhaft in der JVA ...,

wegen Freistellung von der Arbeitspflicht

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Rostock auf die Rechtsbeschwerde der Justizvollzugsanstalt ... vom 29.11.2007 gegen den Beschluss der 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Rostock vom 29.10.2007 - Az.: 11 StVK 458/07 (VollzG) - nach Anhörung des Antragsgegners am 16.06.2008 beschlossen:

Tenor:

1. Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers fallen der Staatskasse zur Last.

3. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.304,10 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beschwerdegegner verbüßt unter Anrechnung von Untersuchungshaft seit dem 13.09.1995 eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt ...; ein Entlassungszeitpunkt ist noch nicht bestimmt. Er hat während der Haft gearbeitet und zwischen dem 01.01.2001 (Zeitpunkt des Inkrafttretens der durch Art. 1 Nr. 2 und 9 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vom 27.12.2000 [BGBl. I, S. 2043] neu gefassten Vorschriften über die Anerkennung der von Strafgefangenen geleisteten Pflichtarbeit) und dem 12.09.2005 (Ablauf der ersten Dekade der Strafvollstreckung gemäß § 43 Abs. 11 Satz 3 StVollzG) einen Anspruch auf 26 Tage Freistellung von der Arbeit nach § 43 Abs. 6 StVollzG erworben.

Das Erreichen des Stichtages blieb sowohl dem Gefangenen wie auch der Arbeitsverwaltung der Haftanstalt, die bei der Fristberechnung zunächst die Dauer der Untersuchungshaft fälschlich unberücksichtigt gelassen hatte, bis zum 18.06.2007 verborgen. Erst an diesem Tag informierte die Haftanstalt den Antragsteller unter Hinweis darauf, man habe bislang fälschlich den 25.09.2007 als Stichtag angesehen, durch Übergabe des Formblatts "Aus-gleichsentschädigung an Gefangene nach Verbüßung von 10 Jahren der lebenslangen Freiheitsstrafe/Sicherungsverwahrung gemäß § 43 Abs. 11, Satz 3 StVollzG" darüber, dass er nach § 43 Abs. 6 StVollzG tatsächlich schon per 12.09.2005 einen Anspruch auf 26 Ausgleichstage erworben hätte, weshalb ihm, wenn er diese Tage nicht ganz oder teilweise in Form von Freistellung von der Arbeit (§ 43 Abs. 6 StVollzG) oder Arbeitsurlaub (§ 43 Abs. 7 StVollzG) in Anspruch nehme, eine mit 2.304,10 € errechnete Ausgleichsentschädigung gezahlt werden würde. Mit dem Formblatt wurde zugleich die Entscheidung des Gefangenen für eine dieser Alternativen abgefragt.

Statt seine Wahl zu treffen, bat der Beschwerdegegner am 25.06.2007 zunächst, die Entscheidung darüber, ob er statt des Geldes die Ausgleichstage in Anspruch nehme, auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben. Das lehnte die Arbeitsverwaltung am 27.06.2007 unter zutreffendem Hinweis darauf ab, ein solches Moratorium laufe den mit der Einführung des Zehnjahreszeitraums verfolgten gesetzgeberischen Intentionen zuwider. Daraufhin beantragte der Gefangene, der in absehbarer Zeit mit Lockerungsmaßnahmen rechnete, am 29.06.2007, die Ausgleichstage für Urlaube aus der Haft zu nutzen. Dem stimmte wiederum der zuständige Vollzugsleiter nicht zu, weil mit der Prüfung von Lockerungen in Form von Ausgang oder Urlaub erst begonnen und eine Eignung des Häftlings bislang nicht festgestellt worden sei. Nunmehr beantragte der Antragsteller am 01.08.2007, nur den auf den Zeitraum zwischen dem 19.11.2003 und dem 12.09.2005 entfallenden Teil der zu leistenden Ausgleichsentschädigung auf sein Eigengeld- und den Restbetrag auf sein Hausgeldkonto zu buchen, was unter Hinweis auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut, wonach die Entschädigung nur dem Eigengeldkonto gutgeschrieben werden kann, mit Bescheid der Arbeitsverwaltung vom 08.08.2007 ebenfalls abgelehnt wurde.

Schlussendlich entschied sich der Antragsteller deshalb am 20.08.2007 durch Ankreuzen dieser Alternative auf dem Formblatt dafür, einen Antrag auf Freistellung von der Arbeit/Arbeitsurlaub zu stellen, den er am 22.08.2007 durch gesondertes Schreiben dahin konkretisierte, 14 der 26 Freistellungstage in der Zeit zwischen dem 01. und dem 19.10.2007 in Form von Freistellung von der Arbeit in Anspruch nehmen zu wollen. Zugleich bestätigte er auf dem Formular unterschriftlich, davon Kenntnis genommen zu haben, dass im Falle der Zahlung einer Ausgleichsentschädigung diese seinem Eigengeldkonto gutgeschrieben würde, wo sie ab dem Tag der Wertstellung in vollem Umfang pfändbar sei. Gerade dies wollte der Beschwerdegegner, der sich in Verbraucherinsolvenz befindet und zur Erlangung von Restschuldbefreiung alle ihm ab dem 19.11.2003 zustehenden, pfändbaren Forderungen an den Gläubigervertreter abgetreten hat, vermeiden.

Den Antrag vom 20.08.2007 gab der Gefangene noch am selben Tag zur Hauspost, über die er - zeitgleich mit der Konkretisierung vom 22.08.2007 - am 23.08.2007 bei der Arbeitsverwaltung einging. Bereits am 22.08.2007 hatte die zuständige Mitarbeiterin der Arbeitsverwaltung jedoch die Buchung der Ausgleichsentschädigung auf das Eigengeldkonto des Gefangenen vorgenommen, von wo das Geld am 23.08.2007 durch eine Mitarbeiterin der Eigengeldstelle anforderungsgemäß auf das Treuhandkonto des bereits vor dem 14.08.2007 über die anstehende Ausgleichzahlung informierten Insolvenzverwalters überwiesen wurde.

Gegen die Entscheidung der Haftanstalt zur Zahlung der Ausgleichsentschädigung stellte der Gefangene mit am 30.08.2007 beim Landgericht Rostock eingegangenen Schreiben vom 27.08.2007 Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 Abs. 3 StVollzG, dem die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 29.10.2007 - 11 StVK 458/07 (VollzG) - stattgegeben und die Antragsgegnerin dazu verpflichtet hat, dem Antragsteller die ihm zustehenden 26 Tage Freistellung von der Arbeit zu gewähren. Zur Begründung führte die Kammer u. a. aus, die von dem Gefangenen abgeforderte Entscheidung zwischen Freistellung von der Arbeit/Arbeitsurlaub oder Zahlung der Ausgleichsentschädigung sei nicht fristgebunden. Weder sei im Gesetz eine bestimmte Antragsfrist vorgesehen, noch habe die Vollzugsanstalt dem Antragsteller eine Frist gesetzt, innerhalb derer er sich für die die Freistellungsalternative hätte entscheiden müssen, um die Zahlung der in § 43 Abs. 11 Satz 3 StVollzG vorgesehenen Ausgleichsentschädigung abzuwenden. Die Arbeitsverwaltung hätte deshalb seine Entscheidung abwarten und sie, nachdem er sie am 20.08.2008 getroffen hatte, beachten müssen.

Gegen diese ihr am 02.11.2007 förmlich zugestellte Entscheidung der Strafvollstreckungs-kammer richtet sich die am 29.11.2007 beim Landgericht eingegangene Rechtsbeschwerde der Justizvollzugsanstalt ... vom selben Tag, der sich die Antragsgegnerin mit Stellungnahme vom 03.06.2008 angeschlossen hat. Beide sind der Auffassung, mit Ablauf der Zehnjahresfrist des § 43 Abs. 11 Satz 3 StVollzG sei die Ausgleichzahlung ohne weiteres Ermessen - auch was den Zeitpunkt betreffe - dem Eigengeldkonto des Gefangenen gutzuschreiben, sofern dieser - wie hier - vor Fristablauf keinen abweichenden Antrag gestellt habe. Dabei beruft sich die Antragsgegnerin für ihre Rechtsauffassung auf den Beschluss des Senats vom 23.07.2007 - I Vollz (Ws) 1/06 - (NStZ-RR 2008, 62 f.) sowie auf den Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 01.12.2005 - 5 Ws 482/04 Vollz - (NStZ-RR 2006, 123 ff.). In beiden Entscheidungen werde ausgeführt, aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 43 Abs. 11 Satz 3 StVollzG folge, dass die Gutschrift der Ausgleichsentschädigung nach Ablauf des Zehnjahreszeitraums von Amts wegen und unabhängig von einem Antrag des Gefangenen unverzüglich nach Eintreten der Auszahlungsvoraussetzungen vorzunehmen sei. Dies habe die Strafvollstreckungskammer verkannt. Die Frage, ob einem unter die Regelung des § 43 Abs. 11 Satz 3 StVollzG fallenden Gefangenen nach Ablauf der Zehnjahresfrist überhaupt noch ein Wahlrecht zustehe, oder ob es sich dabei zugleich um eine Ausschlussfrist handelt, sei höchstrichterlich noch nicht entschieden, weshalb die Rechtsbeschwerde nach § 116 Abs. 1 StVollzG zur Fortbildung des Rechts zuzulassen sei.

II.

Die form-und fristgerecht angebrachte Rechtsbeschwerde erfüllt die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG.

Die Rechtsfrage, ob das auch einem zu lebenslanger Haft oder Sicherungsverwahrung Verurteilten zustehende Wahlrecht zwischen Freistellung von der Arbeit/Arbeitsurlaub (§ 43 Abs. 7 StVollzG) oder Zahlung der Ausgleichsentschädigung (§ 43 Abs. 11 Satz 3 StVollzG) innerhalb der Zehnjahresfrist des § 43 Abs. 11 Satz 3 StVollzG wirksam ausgeübt worden sein muss, andernfalls von Gesetzes wegen nur noch die unverzüglich und von Amts wegen vorzunehmende Zahlung der Ausgleichsentschädigung auf das Eigengeldkonto möglich ist, ist - soweit ersichtlich - bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden. Sie ist jedenfalls für den hier interessierenden Fall, dass der Gefangene/Sicherungsverwahrte als Folge fehlender oder unzutreffender Informationen durch die Haftanstalt weder den Fristablauf noch sein Wahlrecht kannte und dieses deshalb bis zum Stichtag auch nicht ausüben konnte, zu verneinen.

1.

Weil bei Gefangenen mit lebenslanger Freiheitsstrafe und bei Sicherungsverwahrten - wie im vorliegenden Fall - der Entlassungszeitpunkt regelmäßig noch nicht bestimmt ist und die konkrete Möglichkeit besteht, dass sie nie entlassen werden, so dass damit auch eine Anrechnung von Freistellungstagen auf den Entlassungszeitpunkt nach § 43 Abs. 9 StVollzG ausgeschlossen wäre, trifft § 43 Abs. 11 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 10 Nr. 1 StVollzG für diese Personen eine Sonderregelung. Sie besteht darin, dass ihnen, wenn sie ihre Freistellungstage nicht in der Anstalt verbringen wollen ("Zellenurlaub") und Urlaub außerhalb der Haftanstalt ("Arbeitsurlaub", § 43 Abs. 7 StVollzG) nicht genehmigt erhalten, die bis dahin fällige Ausgleichszahlung jeweils nach Verbüßung von zehn Jahren der lebenslangen Freiheitsstrafe oder Sicherungsverwahrung zum Eigengeld gutgeschrieben wird.

Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass damit aus rechtspolitischen Erwägungen verhindert werden soll, dass Lebenszeitgefangene und Sicherungsverwahrte deutlich mehr Tage zur Vorverlegung der Entlassung ansparen können als Gefangene mit zeitigen Freiheitsstrafen. Weil Folge eines pauschalen Ausschlusses der haftzeitverkürzenden Anrechnung aber gewesen wäre, dass gerade die Gruppe der besonders schwer verurteilten Straftäter bei der Entlassung stattdessen eine erhebliche Ausgleichsentschädigung in Geld erhalten hätte, was - auch aus fiskalischen Erwägungen - ebenfalls unerwünscht ist, wurde der Zielkonflikt dergestalt gelöst, dass nach jeweils zehn Jahren Verbüßungsdauer eine Zwischenabrechnung erfolgt. Bis dahin angesparte aber nicht in Anspruch genommene Ausgleichstage werden durch Zahlung einer Entschädigung auf das Eigengeldkonto abgegolten, wodurch es weder zu einer Kumulation haftzeitverkürzender Freistellungstage noch zu einer Ansparung zeitlich und in ihrer Höhe schwer kalkulierbarer Geldforderungen gegen den Justizfiskus kommen kann (vgl. zu den Einzelheiten KG Berlin, NStZ-RR 2006, 123 ff. m. w. Nachw.).

2.

Bei dem in § 43 Abs. 11 Satz 3 StVollzG festgelegten Zehnjahresturnus handelt es sich gleichwohl nur um die Festlegung des maßgebenden Abrechnungsintervalls und nicht um eine gesetzliche Ausschlussfrist, nach deren Ablauf das Wahlrecht des Gefangenen/Untergebrachten zwischen Freistellung von der Arbeit/Arbeitsurlaub oder Zahlung der Ausgleichsentschädigung automatisch untergeht.

a)

Weder der Entscheidung des Berliner Kammergerichts noch derjenigen des Senats, auf die sich die Beschwerdeführerin für ihre gegenteilige Auffassung beruft, ist Gegenteiliges zu entnehmen.

Im erstgenannten Verfahren ging es nur um die Berechnung der Zehnjahresfrist und die davon zu trennende Frage der erstmaligen Entstehung des Ausgleichanspruchs nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung.

In seinem Beschluss vom 23.07.2007 hat sich der hiesige Senat nur dazu verhalten, nach welcher konkreten Sanktion sich die Berechnung der Dekadenfrist richtet, wenn mehrere lebenslange Freiheitsstrafen im Wege der Anschlussvollstreckung nacheinander zu verbüßen sind.

Jeweils nur in diesen sachlichen Zusammenhängen sind die Aussagen beider Gerichte zu verstehen, nach Ablauf der Frist des § 43 Abs. 11 Satz 3 StVollzG und damit zu einem bestimmten und unverrückbaren Zeitpunkt habe die Gutschrift der Ausgleichsentschädigung unabhängig von einem Antrag des Gefangenen unverzüglich und von Amts wegen zu erfolgen. Damit ist jedoch keine Aussage dazu getroffen worden, ob und gegebenenfalls wann der Gefangene/Sicherungsverwahrte von der Haftanstalt über den Stichtag, die Anzahl der bis dahin angefallenen Freistellungstage, seine Auswahlmöglichkeiten und die Höhe einer gegebenenfalls zu zahlenden Ausgleichsentschädigung zu informieren ist, und welche Folge das Unterbleiben einer solchen Unterrichtung hat.

b)

Nachdem der Lebenszeitgefangene/Sicherungsverwahrte jedenfalls bis zum Erreichen des Stichtages noch entscheiden kann, ob er statt des Geldes lieber Freistellung von der Arbeit oder - soweit im Einzelfall möglich - Hafturlaub in Anspruch nimmt und auch die endgültige Berechnung der Freistellungstage oder der alternativ zu leistenden Ausgleichszahlung erst zu diesem Zeitpunkt möglich ist, erscheint ein Automatismus, wonach sofort nach Verstreichen des Zehnjahresfrist die Ausgleichszahlung erfolgt, rechtsstaatlich nur dann zulässig, wenn der Berechtigte sowohl über den Stichtag und die ihm dann zustehenden Alternativen wie auch über alle für seine Entscheidung maßgebenden Umstände rechtzeitig informiert wurde und gleichwohl keine oder jedenfalls keine abweichende Wahl getroffen hat.

Wird es hingegen - wie hier - aus von der Haftanstalt zu vertretenden Gründen versäumt, den Gefangenen rechtzeitig zu unterrichten und zu befragen, kann dies nicht zur Folge haben, dass er mit Ablauf des in § 43 Abs. 11 Satz 3 StVollzG geregelten Abrechnungs-zeitraums gleichwohl seines Anhörungs- und Wahlrechtes verlustig geht. Vielmehr muss ihm dann unverzüglich nachdem das Versäumnis bemerkt wurde, unter Mitteilung aller maßgebenden Umstände Gelegenheit gegeben werden, seine Entscheidung zu treffen, die, wenn sie zulässig erfolgt, auch noch nachträglich zu beachten und zu befolgen ist.

Die Justizvollzugsanstalt ... hat das vorliegend offenbar nicht anders gesehen, denn sie hat den Antragsteller sofort nach Aufdeckung ihres Irrtums am 18.06.2007 durch Übergabe des betreffenden Formblattes informiert und seine Entscheidung abgefragt, obwohl der Stichtag (12.09.2005) bereits um rund 21 Monate überschritten war. Mit der in ihrer Rechtbeschwerde vorgenommenen Argumentation, nach Ablauf des Zehnjahreszeitraums sei nur noch die unverzügliche Leistung der Ausgleichszahlung möglich und zulässig, eine nachträgliche Ausübung des Wahlrechts des Gefangenen scheide dann von Gesetzes wegen aus, setzen sich deshalb sowohl die Haftanstalt wie auch die Beschwerdeführerin in Widerspruch zur tatsächlichen Vorgehensweise.

Das Wahlrecht des Beschwerdegegners war vorliegend bis zum 23.08.2007 auch nicht dadurch verfristet oder verwirkt, dass er zunächst um unbestimmten Aufschub gebeten und, nachdem ein solcher zu Recht abgelehnt worden war, um Verwendung der ihm zustehenden Ausgleichstage für von ihm in Kürze erwartete Lockerungen in Form von Urlaub gebeten hatte, deren Prüfung bereits eingeleitet worden sei. Gleiches gilt für seinen nachfolgenden Antrag, nur den von seiner Verbraucherinsolvenz nicht tangierten Teil der Ausgleichsentschädigung seinem Eigengeld- und den Rest seinem Hausgeldkonto gutzuschreiben.

Das dem Antragsteller am 18.06.2007 übermittelte Formblatt sieht keine Frist zur Stellungnahme vor. Auch hat sich die Haftanstalt zu allen zwischen dem 25.06. und dem 01.08.2007 gestellten Anträgen des Gefangenen explizit durch abschlägige Bescheide geäußert, ohne ihn wenigstens jetzt unter ultimativer Fristsetzung aufzufordern, sich endlich zwischen den beiden für ihn allein in Betracht kommenden Alternativen zu entscheiden, andernfalls ohne weitere Nachfragen die Ausgleichszahlung angewiesen werde. Beides wäre durch ein kurzes Informationsgespräch zeitnah möglich gewesen. Nachdem ihm auch im letzten, der Zahlung der Ausgleichsentschädigung vorausgehenden Bescheid vom 08.08.2007 weder eine Erklärungsfrist gesetzt, noch mitgeteilt worden war, dass es nun zur Zahlung kommen werde, weshalb man sich schon mit dem Gläubigervertreter des Insolvenzverfahrens in Verbindung gesetzt habe, konnte der Gefangene bei Abgabe seines abschließenden - zulässigen - Antrages auf "Zellenurlaub" zur Hauspost am 20.08.2007 darauf vertrauen, dass dieser Berücksichtigung finden werde.

3.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Rostock hat deshalb zu Recht befunden, dass die Haftanstalt verpflichtet ist, dem Gefangenen die ihm für die erste Haftdekade zustehenden 26 Freistellungstage zu gewähren. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde war zwar zur Klärung der aufgeworfenen Frage zuzulassen; sie ist jedoch aus den vorstehenden Erwägungen unbegründet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 1 und 4 StVollzG, § 467 StPO.

Bei der Festsetzung des Gegenstandswertes für das Rechtsbeschwerdeverfahren hat sich der Senat nach §§ 60, 52 Abs. 1 bis 3 GKG an dem von der Vollzugsanstalt mit 2.304,10 EUR errechneten geldwerten Äquivalent der streitgegenständlichen Freistellungstage orientiert (so auch KG Berlin a.a.O.).

IV.

Diese Entscheidung des Senats ist endgültig, § 119 Abs. 5 StVollzG.

Ende der Entscheidung

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