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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 25.08.2004
Aktenzeichen: I Ws 278/04
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 463 Abs. 3 Satz 1
StPO § 454 Abs. 1
StPO § 454 Abs. 3 Satz 1
StGB § 67 d Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock

- 1. Strafsenat -

BESCHLUSS

Geschäftsnummer I Ws 278/04

In der Strafvollstreckungssache

Gegen

wegen Trunkenheit im Verkehr u. a.

hat der 1. Strafsenat dess Oberlandesgerichtes Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. D., den Richter am Oberlandesgericht H. sowie den Richter am Landgericht K.

auf die Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss der 23. Strafkammer - Große Strafvollstreckungskammer - des Landgerichts Stralsund vom 28.04.2004, durch den die weitere Vollziehung der durch Urteil des Landgerichts Stralsund vom ... - .. Kls ../.. - angeordneten Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist, nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

sowie des Untergebrachten und seines Verteidigers

am 25. August 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Untergebrachten als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wurde am 27.02.2002 aufgrund des Unterbringungsbefehls des Amtsgerichtes Greifswald vom 26.02.2002 - .. Gs ../.. - einstweilig in der Abteilung für forensische Psychiatrie des H.-Klinikums S. untergebracht. Am 23.01.2003 verurteilte ihn das Landgericht Stralsund wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Trunkenheit im Verkehr, Bedrohung in zwei Fällen, Sachbeschädigung und Verstoßes gegen Weisungen der Führungsaufsicht unter Einbeziehung der Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichtes Greifswald vom 12.04.2000 - .. Cs ../.. -, den Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichtes Stralsund vom 09.05.2000 - .. Ls ../.. - nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe, sowie den Strafen aus den Strafbefehlen der Amtsgerichte Neubrandenburg vom 24.10.2000 - .. Cs ../.. - und Ückermünde vom 12.12.2000 - .. Ds ../.. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Daneben ordnete es gemäß § 63 StGB seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Das Urteil ist seit dem 09.07.2003 rechtskräftig.

Im erstmalig durchzuführenden Prüfungsverfahren nach § 67 d Abs. 2 StGB bestellte der Vorsitzende der zuständigen Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stralsund nach Eingang der Stellungnahme des H.-Klinikums S. dem Untergebrachten mit Beschluss vom 24.03.2004 Rechtsanwalt K. zum Pflichtverteidiger. Er bat ihm und dem Untergebrachten gegenüber schriftlich um Mitteilung bis zum 23.04.2004, ob darauf verzichtet werden könne, die bevorstehende Anhörung durch die Kammer in voller Besetzung durchzuführen. In diesem Fall werde die Anhörung dem Berichterstatter als beauftragtem Richter übertragen werden. Dabei wies der Vorsitzende auf die Rechtsprechung des Senates, nach der eine Anhörung durch die ganze Kammer grundsätzlich erforderlich sei (Beschluss vom 10.07.2001 - I Ws 241/01 - NStZ 2002, 109) und die entgegenstehende Ansicht des HansOLG Hamburg (Beschluss vom 08.11.2002 - 2 Ws 186/02 - NStZ 2003, 389) hin. Mit Schriftsatz vom 08.04.2004 verzichtete der Verteidiger auf die Anhörung seines Mandanten durch die Kammer in voller Besetzung und erklärte sein Einverständnis mit der Anhörung durch den Berichterstatter.

Durch Beschluss vom 15.04.2004 übertrug daraufhin die Große Strafvollstreckungskammer die Anhörung des Untergebrachten einem Kammermitglied als beauftragtem Richter. Dieser führte die mündliche Anhörung, von der er ein Protokoll fertigte, am 28.04.2004 im Beisein des Oberarztes der forensischen Abteilung des H.-Klinikums S. K. durch. In dem Anhörungstermin erklärten der Untergebrachte und sein Verteidiger nochmals ihr Einverständnis mit der Anhörung durch den beauftragten Richter.

Durch Beschluss vom 28.04.2004 ordnete die Große Strafvollstreckungskammer unter Mitwirkung des beauftragten Richters die weitere Vollziehung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Gegen diesen - seinem Pflichtverteidiger am 19.05.2004 zugestellten - Beschluss wendet sich der Untergebrachte mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde im Schriftsatz vom 25.05.2004, der am selben Tage beim Landgericht Stralsund eingegangen ist. Er macht im Wesentlichen geltend, er habe nach nunmehr zweijähriger Abstinenz in der geschlossenen Psychiatrie seine Alkoholabhängigkeit überwunden, so dass es an konkreten Anhaltspunkten für eine ungünstige Kriminalprognose fehle.

Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer Stellungnahme vom 21.06.2004 die Auffassung, dass die Übertragung der Anhörung auf den beauftragten Richter durch die Große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stralsund trotz des Einverständnisses des Untergebrachten rechtsfehlerhaft gewesen sei. Der Senat habe daher - seiner ständigen Rechtsprechung zu den Pflichten des Beschwerdegerichts folgend - den Beschwerdeführer zunächst selbst anzuhören und dann über die Fortdauer der Unterbringung zu entscheiden.

II.

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 25.05.2004 ist gemäß §§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 StPO, 67 d Abs. 2 StGB statthaft und - sie wurde form- und fristgerecht (§§ 306, 311 Abs. 2 StPO) angebracht - zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg, denn die Große Vollstreckungskammer des Landgerichts Stralsund durfte die Anhörung des Untergebrachten im vorliegenden Fall einem Kammermitglied als beauftragtem Richter übertragen und hat unter dessen Mitwirkung im Ergebnis zu Recht die Fortdauer der Unterbringung beschlossen.

1.

Der Senat hatte - auch ohne ausdrückliche Rüge (vgl. dazu OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 1997, 29) - von Amts wegen zu prüfen, ob die Vorschriften der §§ 454 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 463 Abs. 3 StPO, die vor einer Entscheidung über die Aussetzung der Unterbringung die mündliche Anhörung des Untergebrachten vorschreiben, richtig angewendet worden sind. Diese Prüfung, zu der Anlass bestand, weil die Anhörung vorliegend nicht durch den gesamten Spruchkörper, sondern (nur) durch den beauftragten Richter der Großen Strafvollstreckungskammer vorgenommen worden ist, hat keine durchgreifenden Verfahrensfehler aufgezeigt.

Allerdings liegt unter Beachtung der vom Senat in seinem Beschluss vom 10.07.2001 - I Ws 247/01 - (NStZ 2002, 109) aufgestellten Grundsätze, an denen er unverändert festhält, hier kein Fall vor, der die Kammer berechtigt hätte, die Anhörung auf den beauftragten Richter zu übertragen.

a)

Grundsätzlich ist die Anhörung des Untergebrachten im Falle der Entscheidungskompetenz eines Kollegialgerichtes durch alle zur Entscheidung berufenen Richter durchzuführen. Dies ergibt sich im Wesentlichen daraus, dass dem Untergebrachten durch die Anhörung nicht nur rechtliches Gehör gewährt werden soll, sondern sie darüber hinaus dem Zweck dient, dem zuständigen Gericht einen unmittelbaren persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen, was sich am besten verwirklichen lässt, wenn der voll besetzte Spruchkörper ihn anhört (Vgl. Senatsbeschluss vom 10.07.2001 - I Ws 247/01 - a.a.O.m.w.N.)

b)

In besonderen Fällen kann jedoch ausnahmsweise auch die Anhörung durch den beauftragten Richter dem Gesetz genügen. Das ist namentlich dann der Fall, wenn den im Zuge einer mündlichen Anhörung zu gewinnenden Erkenntnissen im Vergleich zu den sonstigen entscheidungserheblichen Feststellungen nach der Sachlage nur geringe Bedeutung zukommt, etwa weil das Kollegialgericht den Untergebrachten in voller und unveränderter Besetzung relativ zeitnah vor einer neuerlichen Entscheidung schon einmal angehört hat, ohne dass sich die Sachlage seitdem wesentlich verändert hätte, oder weil die Anhörung keine wesentlichen Erkenntnisse verspricht, weil mit dem Untergebrachten keine Verständigung möglich ist. Daneben können aber auch die Bedeutung der Sache und die Schwierigkeit der zu treffenden Entscheidung eine Rolle spielen (vgl. Senatsbeschluss vom 10.07.2001 - I Ws 247/01 - a.a.O.m.w.N.).

c)

Gemessen an diesen Kriterien war die Große Strafvollstreckungskammer vorliegend gehindert, die Anhörung des Untergebrachten auf ein Kammermitglied als beauftragten Richter zu übertragen, denn sie hatte sich, da es sich um die erstmalige Überprüfung der Unterbringung nach § 67 d Abs. 2 StGB handelte, in voller Kammerbesetzung noch keinen unmittelbaren persönlichen Eindruck vom Untergebrachten verschaffen können. Da zudem eine Verständigung mit ihm ohne weiteres möglich ist, kam den im Rahmen einer mündlichen Anhörung zu gewinnenden Erkenntnissen im Vergleich zu weiteren entscheidungsrelevanten Feststellungen auch ersichtlich eine erhebliche Bedeutung zu.

2.

Die Entscheidung, die Anhörung des Untergebrachten einem Kammermitglied als beauftragten Richter zu übertragen, ist hier dennoch nicht zu beanstanden, weil der Untergebrachte wirksam auf seine Anhörung durch die Große Strafvollstreckungskammer in voller Besetzung verzichtet hat.

a)

Ein solcher Verzicht ist grundsätzlich möglich.

Die mündliche Anhörung verwirklicht das Verfassungsgebot der Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG. Dabei normiert Art. 103 Abs. 1 GG das Recht, aber nicht die Pflicht sich zu äußern (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. 1 Rn. 81; Nolte, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG, 4. Aufl. Art. 103 Abs. 1 Rn. 38; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 Abs. 1 Rn. 54; Degenhart, in: Sachs, GG, 2. Aufl., Art. 103 Abs. 1 Rn. 27). Das Recht auf mündliche Anhörung steht danach allein dem Untergebrachten zu und es unterliegt seiner Dispositionsbefugnis, ob und wie er es wahrnimmt (vgl. Bringewat, Strafvollstreckung, § 454 StPO Rn. 47; Wegner, MDR 1981, 617, 620). Das Gericht kann die mündliche Anhörung gegen den Willen des Untergebrachten nicht erzwingen; er kann vielmehr durch ausdrückliche und eindeutige Erklärung auf die mündliche Anhörung verzichten (BGH NJW 2000, 1663; OLG Celle StV 1988, 259; OLG Düsseldorf NStZ 1987, 524; KG, Beschlüsse vom 28.12.2000 -5 Ws 770/00- und 02.05.2001 -5 Ws 212/01-; Wegener, a.a.O.; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 454 Rn. 30; Wendisch, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 454 Rdnr. 47).

Ein solcher ausdrücklicher Verzicht auf die Inanspruchnahme des Rechtes auf rechtliches Gehör begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, sofern die Erklärung des Äußerungsberechtigten frei von Willensmängeln ist und er die Konsequenzen seiner Erklärung überschauen kann (Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. 1 Rn. 82; Nolte, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG, 4. Aufl. Art. 103 Abs. 1 Rn. 39).

Kann aber der Untergebrachte unter den dargelegten Voraussetzungen grundsätzlich wirksam auf die Anhörung als solche verzichten, so kann nicht zweifelhaft sein, dass ihm auch ein Verzicht auf die Anhörung durch die Große Strafvollsteckungskammer in voller Besetzung möglich sein muss (vgl. Wegener, a.a.O.).

aa)

Insoweit teilt der Senat nicht die Ansicht des OLG Düsseldorf (NStZ-RR 2002, 191), wonach ein von der Strafvollstreckungskammer herbeigeführter Verzicht des Untergebrachten auf die Anhörung vor der gesamten Kammer für diese stets unbeachtlich ist.

Allerdings greift es zu kurz, wenn das Landgericht Stralsund die Bedenken des Oberlandesgerichts Düsseldorf, es müsse auch nur der Anschein vermieden werden, durch ein Beharren auf einer Anhörung vor der ganzen Kammer verscherze sich der Untergebrachte deren Wohlwollen, in seinem Beschluss vom 28.04.2004 unter Hinweis auf ein "zweifelhaftes Verständnis vom richterlichen Berufsbild" abtut. Es geht hier nicht darum, den Richtern ein unzulässiges Einwirken auf den Untergebrachten zu unterstellen, sondern das Verhalten aus seiner Sicht zu beurteilen: Unter Berücksichtigung seiner Erkrankung und der Unterbringungssituation darf für ihn nicht der Eindruck der unzulässigen Einflussnahme entstehen.

bb)

Der Senat geht entgegen dem OLG Düsseldorf davon aus, dass diesem Eindruck grundsätzlich schon ausreichend dadurch begegnet werden kann, dass über die bloße Anfrage hinaus, ob auf die Anhörung durch die Kammer in voller Besetzung verzichtet werde, kein Einfluss auf die Entscheidung des Untergebrachten ausgeübt und sichergestellt wird, dass er im Prüfungsverfahren durch einen Verteidiger vertreten ist. Dieser kann die Folgen der Verzichtserklärung übersehen und seinen Mandanten entsprechend beraten, bevor er sie für ihn abgibt oder verweigert.

cc)

Auch wenn unter Beachtung dieser Grundsätze ein wirksamer Verzicht des Untergebrachten vorliegt, kann es allerdings dennoch geboten sein, eine mündliche Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer in vollständiger Besetzung durchzuführen. Die Anhörung dient - wie bereits dargelegt - neben der Gewährung rechtlichen Gehörs auch dazu, dem zuständigen Gericht einen unmittelbaren persönlichen Eindruck von dem Untergebrachten zu verschaffen. Diesem Gesichtspunkt kann im Einzelfall im Hinblick auf die Bedeutung der Sache und die Schwierigkeit der zu treffenden Entscheidung so überragende Bedeutung zukommen, dass der Verzicht des Untergebrachten auf die Anhörung durch die Kammer in voller Besetzung daneben unbeachtlich ist (zu weitgehend allerdings Bringewat a.a.O. Rn. 40).

b)

An Vorstehendem gemessen, hat der Untergebrachte seinen Verzicht hier wirksam erklärt.

Der Vorsitzende der Großen Strafvollstreckungskammer hat ihm am 24.03.2004 zunächst einen Pflichtverteidiger bestellt und ihn und seinen Verteidiger dann schriftlich gebeten, innerhalb eines Monates mitzuteilen, ob auf die Anhörung durch die Kammer in vollständiger Besetzung verzichtet werden könne. In diesem Fall werde die Anhörung dem Berichterstatter als beauftragtem Richter übertragen. Diese Verfahrensweise ist nicht zu beanstanden. Eine weitergehende Einflussnahme der Kammer auf die Entscheidung des Untergebrachten hat im Folgenden nicht stattgefunden. Anwaltlich beraten hat der Untergebrachte sodann mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 08.04.2004 den Verzicht auf eine Anhörung vor der Kammer in voller Besetzung erklärt.

Da ein Fall, der ausnahmsweise dennoch die Anhörung durch das vollständige Kollegialgericht gebieten würde, nicht vorliegt, war die Kammer berechtigt, die Anhörung des Untergebrachten durch Beschluss vom 15.04.2004 dem Berichterstatter als beauftragtem Richter zu übertragen.

c)

Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 28.04.2004 ist auch ordnungsgemäß gefasst worden.

Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft war der beauftragte Richter ohne weiteren "Übertragungsbeschluss" berechtigt, neben dem Verurteilten auch den Sachverständigen Oberarzt K. im Termin am 28.04.2004 anzuhören. Mit der Übertragung der Anhörung des Verurteilten auf den beauftragten Richter war dieser für die konkrete Durchführung des Termins zuständig. Er selbst konnte entscheiden, ob er sich in diesem Anhörungstermin neben der mündlichen Äußerung des Verurteilten auch der seines behandelnden Arztes als weiterem Erkenntnismittel bediente.

Der beauftragte Richter hat auch - nachdem er die Anhörung des Verurteilten durchgeführt hatte - an dem Kammerbeschluss vom 28.04.2004 mitgewirkt, so dass diese Entscheidung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zustande gekommen.

3.

Auch in der Sache selbst hat die sofortige Beschwerde des Verurteilten keinen Erfolg, da die Große Strafvollstreckungskammer im Ergebnis zu Recht die Fortdauer seiner Unterbringung beschlossen hat.

a)

Gemäß § 67 d Abs. 2 i. V. m. § 67 e Abs. 2 StGB setzt das Gericht nach Ablauf der Überprüfungsfrist die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Dabei wirken verbleibende Zweifel im Bereich der Prognoseentscheidung zu Ungunsten des Täters.

aa)

Die in diesem Sinne erforderliche günstige Kriminalprognose kann dem Untergebrachten, wie die Große Strafvollstreckungskammer im Ergebnis zu Recht ausgeführt hat, derzeit nicht gestellt werden.

Der Untergebrachte leidet nach dem Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. O. vom 24.03.2002 i. V. m. seiner ergänzenden forensisch-psychiatrischen Stellungnahme vom 30.12.2002 - beides war Grundlage der Unterbringungsentscheidung des Landgerichts Stralsund vom 23.01.2003 - an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung, die einhergeht mit einer Impulskontrollstörung, mangelnder Emotionskontrolle und Frustrationsintoleranz. Daneben besteht eine schwere Alkoholabhängigkeit, wobei der langjährige Alkoholmissbrauch bereits zu einer irreversiblen Hirnschädigung geführt hat. Diese Diagnose wird durch die Stellungnahme der ihn behandelnden Ärzte vom 12.03.2004 bestätigt, die dem Untergebrachten, der sich seit dem 27.02.2002 in der Abteilung für Forensische Psychiatrie des H.-Klinikums S. befindet, zudem eine wesentliche Entwicklung im Maßregelvollzug abspricht. So habe mit dem Untergebrachten bis heute nicht seine Alkoholproblematik aufgearbeitet werden können. Er zeige insgesamt eine mangelnde Therapiebereitschaft, fühle sich durch Therapiemaßnahmen regelrecht bedroht und wolle unbedingt in den Strafvollzug verlegt werden.

bb)

Vor dem Hintergrund dieser fachmedizinischen Einschätzungen und der Äußerung des Untergebrachten in der Anhörung vor dem beauftragten Richter der Großen Strafvollstreckungskammer am 28.04.2004 kommt eine Aussetzung der Maßregel derzeit nicht in Betracht.

Soweit der Untergebrachte geltend macht, er habe seine Alkoholabhängigkeit überwunden, weil er seit nunmehr zwei Jahren keinen Alkohol mehr getrunken habe, offenbart dies, dass er seine Erkrankung nicht realistisch einzuschätzen vermag. Die erzwungene Abstinenz ist allein vor dem Hintergrund der geschützten Bedingungen in der forensischen Psychiatrie zu sehen. Der Sachverständige Dr. med. O. hatte bereits im Rahmen seines in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Stralsund am 23.01.2003 erstatteten Gutachtens ausgeführt, dass die Abstinenz des Untergebrachten im H.-Klinikum S. ohne begleitende therapeutische Maßnahmen ohne jede Wirkung sei und er auf freiem Fuß zwangsläufig wieder Alkohol trinken und in seinen antisozialen Lebensstil verfallen werde, den er bereits stark verinnerlicht habe. An dieser Einschätzung, die, wie sich aus seiner Äußerung im Anhörungstermin am 28.04.2004 ergibt, auch der den Untergebrachten im H.-Klinikum S. behandelnde Oberarzt K. teilt, hat sich durch die fehlende Aufarbeitung der Alkoholabhängigkeit nichts geändert.

Der Angeklagte neigt, wie viele der von ihm seit 1979 immer wieder begangenen Straftaten zeigen, unter Alkoholeinfluss zu erheblicher Gewaltanwendung. Seinen Alkoholkonsum jedoch kann er ohne therapeutische Hilfe, die anzunehmen er sich derzeit weigert, nicht ausreichend kontrollieren, so dass außerhalb der geschlossenen psychiatrischen Einrichtung die Begehung weiterer erheblicher Straftaten zu erwarten ist.

Auch die Verhältnismäßigkeit der Maßregel steht derzeit nicht in Frage. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Persönlichkeitsstörung des Untergebrachten und seine leichte Debilität einem schnellen Therapieerfolg entgegenstehen und dass der Unterbringungsentscheidung lediglich Straftaten aus dem Bereich der leichten bis mittleren Kriminalität zugrunde gelegen haben.

Die Entscheidung der Großen Strafvollstreckungskammer ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

b)

Allerdings hat sich die Kammer - worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hinweist - in ihrem Beschluss fehlerhaft lediglich mit der Stellungnahme des H.-Klinikums S. und der Anhörung des den Verurteilten behandelnden Oberarztes auseinandergesetzt. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Senates (vgl. Beschluss vom 20.08.2002 - I Ws 336/03 -) unzureichend. Danach ist die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens und die Anhörung des Sachverständigen nur dann entbehrlich, wenn

ein ausführliches Prognosegutachten vorliegt, zu dem der Sachverständige bereits in Anwesenheit des Untergebrachten angehört worden ist,

eine psychiatrische Stellungnahme des Maßregelkrankenhauses nach §§ 454 Abs. 1 Satz 2, 463 Abs. 3 Satz 1 StPO (in der Regel ein Behandlungsbericht der Klinikärzte) vorliegt, die sich zur Aktualität des vorliegenden Gutachtens äußert und auf etwaige Veränderungen der Anknüpfungstatsachen hinweist und

die Gründe des die Fortdauer des Maßregelvollzuges anordnenden Beschlusses sich zu den beiden vorgenannten Voraussetzungen verhalten.

An dem Letztgenannten fehlt es hier, denn das noch fortschreibungsfähige ausführliche forensisch-psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Dr. med. O. vom 24.03.2002, ergänzt durch seine Stellungnahme vom 30.12.2002, das der Verurteilung und Unterbringung des Verurteilten zugrunde lag und zu dem der Sachverständige in der Hauptverhandlung am 23.01.2003 angehört worden ist, findet in dem Beschluss der Großen Strafvollstreckungskammer keine Erwähnung.

Da allerdings die Stellungnahme der behandelnden Ärzte des H.-Klinikums S. vom 12.03.2004 ausdrücklich auf dieses Gutachten Bezug nimmt, sich zu dessen Aktualität äußert und darlegt, dass die für dieses Gutachten bedeutsamen Anknüpfungstatsachen sich im Behandlungszeitraum nicht verändert haben, konnte der Senat - da die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens nach den oben genannten Kriterien nicht geboten war - die Begründung der Entscheidung der Großen Strafvollstreckungskammer insoweit nachholen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.



Ende der Entscheidung

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