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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 08.10.2004
Aktenzeichen: I Ws 303/04
Rechtsgebiete: StPO, JGG


Vorschriften:

StPO § 464 Abs. 1
StPO § 464 Abs. 3 Satz 1
StPO § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz
StPO § 472 Abs. 1
StPO § 473 Abs. 1
StPO § 473 Abs. 1 Satz 1
JGG § 55
JGG § 55 Abs. 2
JGG § 55 Abs. 2 Satz 1
JGG § 74
JGG § 109 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock - 1. Strafsenat - BESCHLUSS

I Ws 303/04

In der Strafsache

wegen schweren Raubes u.a.

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichtes Rostock durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. D. sowie die Richter am Oberlandesgericht R. und K. auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Kostenentscheidung im Urteil der 23. Kammer - als Jugendkammer - des Landgerichts Stralsund vom 07.05.2004, soweit dem Verurteilten dadurch die im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Nebenklägers auferlegt worden sind, nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft Rostock und des Beschwerdeführers

am 8. Oktober 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Stralsund - 41 Ls 493/02 - hat den zur Tatzeit Heranwachsenden Beschwerdeführer am 14.11.2003 u.a. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, begangen zum Nachteil des Nebenklägers, zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren 9 Monaten verurteilt.

Gegen dieses Urteil legten sowohl die Staatsanwaltschaft, soweit es den Beschwerdeführer betraf, als auch dieser selbst Berufung ein, wobei er sein Rechtsmittel von vornherein auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte und erklärtermaßen die Verhängung einer Jugendstrafe anstrebte, deren Vollstreckung noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Mit Vorlage der Akten an das Berufungsgericht erklärte die Staatsanwaltschaft ebenfalls die Beschränkung ihres Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch mit dem Ziel einer höheren Bestrafung.

In der Hauptverhandlung vor der Kammer am 07.05.2004 nahm die Staatsanwaltschaft sodann mit Zustimmung des Beschwerdeführers ihre Berufung zurück. Mit Urteil vom selben Tage änderte das Landgericht das erstinstanzliche Urteil dahingehend ab, dass der Beschwerdeführer zu der Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen wurden der Staatskasse auferlegt, die dem Nebenkläger im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen jedoch entsprechend § 472 Abs. 1 StPO dem Beschwerdeführer.

Gegen diese in seiner Anwesenheit verkündete Auslagenentscheidung richtet sich die mit am 10.05.2004 beim Landgericht eingegangenem Schreiben seines Verteidigers eingelegte sofortige Beschwerde des nunmehr Verurteilten, mit der er beantragt, die notwendigen Auslagen des Nebenklägers entweder der Staatskasse aufzuerlegen oder festzustellen, dass sie bei dem Nebenkläger selbst verbleiben. Im Übrigen ist die Entscheidung des Landgerichts nicht angefochten worden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift vom 12.07.2004 beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Der Beschwerdeführer ist dem entgegen getreten. Mit Verfügung vom 28.09.2004 hat der Senat darauf hingewiesen, dass auch eine Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig in Betracht kommen kann. Auch hiergegen hat sich der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 06.10.2004 gewandt und an seiner Auffassung festgehalten.

II.

Die fristgerecht (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegte sofortige Beschwerde erweist sich als unzulässig, da eine Anfechtung der Hauptentscheidung der Jugendkammer für den Beschwerdeführer ausgeschlossen ist, § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO i.V.m. § 55 Abs. 2 JGG.

1.

Nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO ist gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen grundsätzlich die sofortige Beschwerde zulässig; sie ist jedoch unzulässig, wenn eine Anfechtung der in § 464 Abs. 1 StPO genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist.

Das ist hier der Fall:

Nachdem der Beschwerdeführer - wie auch die Staatsanwaltschaft - gegen das Urteil des Jugendschöffengerichts eine zulässige Berufung eingelegt hatte, konnte er gegen das daraufhin ergangene Berufungsurteil der Kammer gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 JGG keine Revision mehr einlegen, der Instanzenzug war für ihn mit Erlass des Urteils vom 07.05.2004 von Gesetzes wegen beendet. Die Vorschrift des § 55 JGG ist hier auch einschlägig, da sowohl das Amts- wie auch das Landgericht bezüglich des Beschwerdeführers materielles Jugendstrafrecht (§ 105 JGG) angewandt haben, § 109 Abs. 2 Satz 1 JGG. Gegen das Berufungsurteil ist daher ein Rechtsmittel des Beschwerdeführers - wie im Übrigen auch der Staatsanwaltschaft - nicht statthaft, der Beschwerdeführer ist, unabhängig von der Frage der Beschwer, nicht mehr zur Einlegung eines Rechtsmittels befugt.

Damit ist aber auch gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO die Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Berufungsurteils unzulässig (OLG Hamm RPfl 1999, 291; OLG Dresden NStZ-RR 2000, 224; OLG Düsseldorf MDR 1990, 178 [LS] und NStZ 1985, 522; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 464 Rdnr. 17; KK-Franke, StPO, 5. Aufl., § 464 Rdnr. 8; LR-Hilger, StPO, 25. Aufl., § 464 Rdnrn. 53, 55; Brunner/Dölling, JGG, 11. Aufl., § 55 Rdnr. 14 und § 74 Rdnr. 13; Diemer/Schoreit/Sonnen, JGG, 4. Aufl., § 55 Rdnr. 50; a.A. Eisenberg, JGG, 10. Aufl., § 55 Rdnr. 72; Ostendorf, JGG, 6. Aufl., § 55 Rdnr. 33 und § 74 Rdnr. 14; Eisenberg/v. Wedel, Anm. zu OLG Düsseldorf NStZ 1985, 522). Diese Auffassung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der mit dem Ausschluss der Kostenbeschwerde bei Unanfechtbarkeit der Hauptentscheidung eine Entlastung des Rechtsmittelzuges und eine Vereinfachung des Verfahrens erreichen wollte (vgl. BT-Drucks. 10/1313, S. 39 f.). Außerdem sollte durch die Formulierung des zweiten Halbsatzes des § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO klargestellt werden, dass die Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung davon abhängig ist, ob eine Anfechtung der Hauptentscheidung i.S.d. § 464 Abs. 1 StPO gerade durch den betroffenen Beschwerdeführer statthaft wäre, wobei für diese Fälle in der Begründung des Gesetzentwurfes ausdrücklich § 55 Abs. 2 JGG als Beispiel genannt wird (BT-Drucks. a.a.O. S. 40). Soweit die Gegenansicht (Eisenberg a.a.O.; Ostendorf a.a.O.) darauf abstellt, die Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidung in diesen Fällen ergebe sich nicht aus dem Wortlaut des § 55 Abs. 2 JGG und stehe auch dessen erzieherischem Zweck der Verfahrensbeschleunigung nicht entgegen, verkennt sie, dass Grundlage des Ausschlusses der Kostenbeschwerde gerade nicht § 55 Abs. 2 JGG, sondern die allgemeine Vorschrift des § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO ist. Aus § 55 Abs. 2 JGG folgt lediglich, unter welchen Voraussetzungen eine Hauptentscheidung nicht mehr angefochten werden kann. Wenn aber der Instanzenzug nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 2 JGG beendet ist, ist das entsprechende Tatbestandsmerkmal des § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO erfüllt, so dass eine Anfechtung der Kosten- und Auslagenentscheidung nicht mehr in Betracht kommen kann.

Das weitere Beschwerdevorbringen rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Insbesondere ist für eine darin angedeutete Billigkeitsentscheidung angesichts der klaren gesetzlichen Regelung kein Raum, zumal - bei unterstellter Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde - auch aus den nachfolgend unter 2. darzustellenden Gründen fraglich bliebe, welche Auslagenentscheidung hier der Billigkeit entspräche und ob das Rechtsmittel damit überhaupt zu dem vom Beschwerdeführer gewünschten Ergebnis führen könnte.

Dies kann jedoch vorliegend dahingestellt bleiben, da die vorliegende sofortige Beschwerde mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO als unzulässig zu verwerfen war.

2.

Die von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 12.07.2004 zunächst aufgeworfene Frage, ob der Angeklagte auch bei vollem Erfolg seines - von vornherein auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten - Rechtsmittels entsprechend § 472 Abs. 1 StPO die dem Nebenkläger im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen habe (so - wohl zutreffend - OLG Dresden NStZ-RR 2000, 115; OLG Hamm NStZ-RR 1998, 221; OLG Zweibrücken MDR 1993, 698 unter Berufung auf BT-Drucks. 10/5305, S. 21 f.; OLG Düsseldorf MDR 1991, 273; LR-Hilger, StPO, 25. Aufl., § 473 Rdnrn. 73, 76) oder auch insoweit kostenrechtlich wie ein Freigesprochener zu behandeln und von den Kosten der Nebenklage daher freizustellen sei (so - mit wohl nicht durchschlagender Begründung - OLG Saarbrücken AnwBl 1993, 293 = StV 1990, 336; LR-Hilger, StPO, 24. Aufl., § 473 Rdnr. 76; Meyer-Goßner a.a.O. § 473 Rdnr. 23; KK-Franke a.a.O. § 473 Rdnr. 10) bedarf daher vorliegend keiner Entscheidung.

III.

Da die sofortige Beschwerde somit erfolglos geblieben ist, hat der Beschwerdeführer auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, § 473 Abs. 1 StPO. Für eine Entscheidung nach § 74 JGG bestand hier kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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