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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 15.01.2004
Aktenzeichen: 11 U 60/02
Rechtsgebiete: StrEG


Vorschriften:

StrEG § 2 II Nr. 5
StrEG § 7 I
StrEG § 7 IV
StrEG § 8 I
StrEG § 10
StrEG § 12
StrEG § 13
StrEG § 15 I
1.Im nach §§ 10, 13 StrEG durchzuführenden und der gerichtlichen Kontrolle der Landgerichten - Zivilkammer - unterliegenden Betragsverfahren über die Bemessung einer Entschädung nach zu Unrecht erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen ist lediglich die haftungsausfüllende Kausalität der Strafverfolgungsmaßnahme für den geltend gemachten Schaden zu prüfen. Die haftungsbegründende Kausalität ist bereits durch die Entscheidung des Strafrichters über die Anordnung einer Entschädigung festgestellt.

2. Zu den entschädigungspflichtigen Nachteilen kann auch der Verlust des Arbeitsplatzes gehören, wenn - was der Geschädigte darzulegen und zu beweisen hat - das Arbeitsverhältnis gerade wegen der Strafverfolgungsmaßnahme aufgelöst wird. Hierbei darf der Arbeitnehmer eine unberechtigte Kündigung nicht widerspruchslos hinnehmen, sondern muss erforderlichfalls einen Kündigungsschutzprozess anstrengen. Dass das Arbeitsverhältnis wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen ohnehin hätte beendet werden müssen, stellt eine im Rahmen des § 7 IV StrEG zu berücksichtigende Reserveursache dar und ist von der Justizverwaltungsbehörde darzulegen und zu beweisen.

3. Im Rahmen der Prüfung des Mitverschuldensvorwurfs (§ 254 BGB) obliegt es trotz grundsätzlich von der Justizverwaltungsbehörde zu tragender Beweislast dem Geschädigten dazulegen, welche geeigneten Schritte zur Schadensminderung er unternommen hatte. Bei Verlust des Arbeitsplatzes gehört hierzu dieDarlegung von Bemühungen um Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit.


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil Im Namen des Volkes

11 U 60/02

Auf die Berufung des Klägers wird das am 05. März 2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.041,59 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.09.2001 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszugs haben der Kläger zu 15/100 und die Beklagte zu 85/100 zu tragen.

Die Kosten des zweiten Rechtszugs haben der Kläger zu 23/100 und die Beklagte zu 77/100 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 3.812,41 € = 7.456,43 DM.

Gründe:

Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.

1.

Der PKW Opel Calibra des Klägers ist am 7. November 1999 in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen. Da der Fahrer dieses Fahrzeugs sich unerlaubt vom Unfallort entfernte und die Polizei den Kläger für den Fahrer hielt, beschlagnahmte sie am 8. November 1999 seinen Führerschein. Aufgrund des Widerspruchs des Klägers erging die Entscheidung des AG Ahrensburg vom 20. November 1999, wonach die Beschlagnahme des Führerscheins bestätigt und die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wurde. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Landgericht Lübeck durch Beschluss vom 17. Januar 2000 zurück. In der Hauptverhandlung des AG Ahrensburg vom 14. März 2001 wurde der Kläger freigesprochen, weil nicht zu widerlegen war, dass ihm der Zweitschlüssel auf seiner Arbeitsstelle entwendet worden war und eine unbefugte Schwarzfahrt stattgefunden hatte. Für die Dauer der Beschlagnahme des Führerscheins und der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ordnete das AG Ahrensburg eine Entschädigung aus der Staatskasse an. Der am 8. November 1999 beschlagnahmte Führerschein war dem Kläger aufgrund eines Beschlusses des AG Ahrensburg vom 15. Dezember 2000 am 20. Dezember 2000 zurückgegeben worden.

Anspruchsgrundlage für die Erstattung der vom Kläger begehrten Entschädigung wegen Verdienstausfalls aufgrund des Verlustes seines Arbeitsplatzes sind die §§ 2 Abs. 2 Nr. 5, 7 Abs. 1, 8 Abs. 1, 15 Abs. 1 StrEG. Die nach §§ 10, 13 StrEG zu beachtenden Fristen sind gewahrt.

2.

Das AG Ahrensburg hat durch Urteil vom 14. März 2001 rechtskräftig die Entschädigung für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet. Diese vom Strafrichter festgestellte Entschädigungspflicht beinhaltet die Grundentscheidung, an die die Zivilgerichte im anschließenden Verfahren gebunden sind. Soweit der Strafrichter eine Entschädigung anordnet, geschieht dies unter der Voraussetzung, dass dem Betroffenen überhaupt ein Schaden entstanden ist, wobei lediglich die Ermittlung des Schadens und seiner Höhe dem Betragsverfahren nach §§ 10, 13 StrEG zugewiesen ist (BGH NJW 1975, 350; NJW-RR 1991, 551, 552).

3.

Die hier in Betracht kommende Entschädigungspflicht umfasst Vermögensschäden, die durch den Vollzug von Strafverfolgungsmaßnahmen nach § 2 StrEG entstanden sind. Die haftungsbegründende Kausalität ist durch die rechtskräftige Grundentscheidung des Strafgerichts für das Betragsverfahren bereits festgestellt. Die haftungsausffüllende Kausalität hat der Entschädigungsberechtigte nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen und beweisen (BGH NJW 1988, 1141; Schätzler-Kuntz, StrEG, 3. Aufl., Rz. 13 zu § 7; Meyer, StrEG, 5. Aufl., Rz. 12 zu § 7).

Zu den entschädigungsfähigen wirtschaftlichen Nachteilen kann auch der Verlust des Arbeitsplatzes gehören, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gerade wegen der gegen den Arbeitnehmer gerichteten Strafverfolgungsmaßnahme aufgelöst wird und diese Auflösung arbeitsrechtlich gerechtfertigt ist. Bei wertender Betrachtung kann ein Zurechnungszusammenhang nur bejaht werden, wenn die Sicherstellung des Führerscheins den die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigenden Grund abgibt. Für den Arbeitgeber muss gerade wegen der zeitweiligen Sicherstellung des Führerscheins und der damit verbundenen Beschränkung der Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden sein. Über die Berechtigung der Kündigung muss der Betroffene, soweit dies Erfolg verspricht, eine Entscheidung des Arbeitsgerichts in einem Kündigungsschutzprozess herbeiführen, denn er darf eine unberechtigte Kündigung nicht widerspruchslos hinnehmen und dadurch zum endgültigen Verlust des Arbeitsplatzes beitragen, wenn er den Arbeitsplatzverlust als Nachteil gemäß § 7 StrEG geltend machen will. Den Zurechnungszusammenhang zwischen der Sicherstellung des Führerscheins und einer berechtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses muss der Betroffene nach allgemeinen Grundsätzen darlegen und beweisen (BGH NJW 1988, 1141).

Die Beklagte hat im ablehnenden Bescheid vom 18. Juli 2001, auf den sie im ersten Rechtszug ausdrücklich verwiesen hat, die Ursächlichkeit der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis für den Verlust des Arbeitsplatzes verneint, weil aus der Bestätigung des Arbeitgebers vom 15. März 2001 hervorgehe, dass die Kündigung zum 29. Dezember 1999 wegen Arbeitsmangels ausgesprochen worden sei. Dieser Bestätigung sei nicht zu entnehmen, dass der Besitz eines Führerscheins Voraussetzung für die Erfüllung des Arbeitsvertrages sei.

Der Bestätigung vom 15. März 2001 lässt sich entnehmen, dass für den betrieblichen Ablauf der Führerschein ein wichtiger Bestandteil zur Erfüllung der Aufgaben ist und bei der Auswahl des zu kündigenden Mitarbeiters auch der Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis berücksichtigt wurde. Über weitere Einzelheiten der Kündigung hat das Landgericht den Arbeitgeber des Klägers vernommen. Der Zeuge B. hat bekundet, er habe 12 bis 15 Malergesellen beschäftigt, von denen 3 keine Fahrerlaubnis gehabt hätten. Hierzu habe der Kläger gehört. Da ein Mitarbeiter habe gekündigt werden müssen, sei die Wahl auf den Kläger gefallen, weil von den 3 Mitarbeitern ohne Fahrerlaubnis einer verheiratet gewesen sei und eine Familie mit Kindern gehabt habe. Der andere Mitarbeiter habe bei ihm gelernt und seit 25 Jahren im Betrieb gearbeitet. Der Kläger sei hingegen in der Zwischenzeit auch anderswo beschäftigt gewesen. Wenn der Kläger seinerzeit eine Fahrerlaubnis gehabt hätte, hätte er einen anderen Mitarbeiter zum Stempeln geschickt.

Aufgrund der Aussage des Zeugen B. steht fest, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt hätte, wenn der Kläger noch im Besitz einer Fahrerlaubnis gewesen wäre. Angesichts der vom Zeugen geschilderten Auswahlkriterien wäre eine Kündigungsschutzklage voraussichtlich abgewiesen worden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Gutachten des medizinischen Gutachteninstituts Hamburg vom 1. November 1999 den Kläger versorgungsrechtlich einem Schwerbehinderten gleichstellen wollte, denn der Kläger hätte in der kurzen Zeit zwischen Erhalt des Gutachtens und Zugang der Kündigung seine Anerkennung als Schwerbehinderter nicht erreichen können, so dass dieser Umstand bei der Kündigung nicht zu berücksichtigen gewesen wäre.

Die Beklagte beruft sich weiterhin darauf, dass nach dem erwähnten Gutachten vom 1. November 1999 der Kläger "nicht mehr als Maler wettbewerbsfähig einsetzbar war". Diese Auffassung findet eine Stütze im fachchirurgischen Gutachten vom 1. November 1999, das von der W. Versicherung in Köln wegen eines Unfalls des Klägers vom 20. Juni 1998 eingeholt wurde. Bei diesem Unfall hatte der Kläger einen Verrenkungsbruch des rechten Oberarmkopfes erlitten, wurde deshalb operiert und erhielt ein Implantat, das später wieder entfernt wurde. Aufgrund der Verletzungsfolgen war die Beweglichkeit des rechten Arms erheblich eingeschränkt. Nach dem Gutachten bewegte der Kläger seinen Arm ausschließlich aus dem Schultergürtel, der allerdings sehr mobil war. Dennoch war eine Drehbeweglichkeit des Arms nicht möglich.

Wenn der Arbeitgeber den Kläger wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen gekündigt hätte, wäre die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis für den dadurch bedingten Vermögensschaden nicht ursächlich gewesen. Der Zeuge B. hat hierzu bekundet, er habe den Kläger nicht wegen körperlicher Gebrechen oder Leistungsmängel gekündigt. Dies sei kein Beweggrund bei der Auswahl gewesen. Wenn der Kläger sich später wieder mit Fahrerlaubnis vorgestellt hätte, hätte er ihn wieder eingestellt, weil der Kläger ein zuverlässiger Arbeiter gewesen sei. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen B. können gesundheitliche Einschränkungen des Klägers nicht Anlass für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gewesen sein, so dass die haftungsausfüllende Kausalität entsprechend den Ausführungen des Landgerichts bejaht werden muss.

Das Landgericht hat die haftungsausfüllende Kausalität lediglich bis Ende April 2000 angenommen, weil der Kläger im Strafverfahren durch Schreiben vom 11. April 2000 mitgeteilt habe, dass er wegen eines Unfalls gesundheitlich vorbelastet sei und eine Umschulungsmaßnahme des Arbeitsamtes auf sich nehmen müsse. Dadurch habe der Kläger zu verstehen gegeben, dass er seine Tätigkeit als Maler nicht mehr habe aufnehmen können und wollen.

Das Landgericht hat seine Auffassung auf ein in der Beiakte (Bl. 9 BA) befindliches Schreiben der Verteidigerin des Klägers an das AG Ahrensburg gestützt. Dort heißt es:

"Unser Mandant ist jedoch infolge eines Unfalls an der rechten Schulter erheblich vorbelastet. Wir überreichen als Anlage Gutachten des Medizinischen Gutachteninstitutes Hamburg vom 01.11.99, aus dem hervorgeht, dass unser Mandant infolge eines Schulterbruches erhebliche Schwierigkeiten mit seiner rechten Schulter hat. Infolge einer Operation ist ihm in das Schultergelenk eine Platte implantiert worden. Unser Mandant hat jedoch aufgrund dieser Operation, respektive des Unfalls schon zum damaligen Zeitpunkt erhebliche Schwierigkeiten gehabt, seiner Tätigkeit als Maler nachzugehen. Aus diesem Grunde wird unser Mandant auch jetzt durch die Maßnahme des Arbeitsamtes umgeschult, da festgestellt wurde, dass er aufgrund der Beeinträchtigung seiner Schulter nicht mehr in der Lage ist, als Maler zu arbeiten."

Die Auffassung des Landgerichts, wonach ab Mai 2000 die Entschädigungspflicht entfällt, weil der Kläger das Arbeitsverhältnis aus gesundheitlichen Gründen hätte beenden müssen, läuft auf die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 4 StrEG hinaus, wonach keine Entschädigung für Schäden geleistet wird, die auch ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wären. Durch diese Regelung sollen Reserveursachen bzw. eine überholende Kausalität berücksichtigt werden. Für die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 StrEG ist die Justizverwaltungsbehörde darlegungs- und beweispflichtig (Schätzler-Kuntz, a. a. O., Rz. 92 zu § 7; Meyer, a. a. O., Rz. 48 zu § 7).

Die Beklagte hat im ersten Rechtszug lediglich behauptet, die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers seien Anlass für die Kündigung des Arbeitgebers gewesen. Sie hat hingegen nicht behauptet, dass der Kläger spätestens im April 2000 aus gesundheitlichen Gründen selbst hätte kündigen müssen. Ohne entsprechenden Vortrag der Beklagten hätte das Landgericht das in der Beiakte befindliche Schreiben vom 11. April 2000 nicht seiner Entscheidung zugrunde legen dürfen, zumal es im Beschluss vom 6. November 2000 keine Hinweise auf eine ab Mai 2000 eintretende gesundheitsbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilt hat. Vielmehr hat das Landgericht lediglich Bedenken wegen der Bemühungen des Klägers um eine vergleichbare, zumutbare Arbeitsstelle geäußert. Ohne einen entsprechenden vorherigen Hinweis darauf, dass das Schreiben der Verteidigerin des Klägers vom 11. April 2000 bei der Entscheidung berücksichtigt werde, können die vom Landgericht festgestellten Tatsachen nicht zu Lasten des Klägers der Berufungsentscheidung zugrunde gelegt werden, weil der Kläger erhebliche Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgezeigt hat. Derartige Zweifel sind bereits anzunehmen, wenn aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass im Fall einer Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird (Zöller-Gummer, ZPO, 23. Aufl., Rz. 3 zu § 529).

Das anwaltliche Schreiben vom 11. April 2000 bringt lediglich zum Ausdruck, dass der Kläger bereits während des früher bestehenden Arbeitsverhältnisses Schwierigkeiten aufgrund der unfallbedingten Verletzungen gehabt hat. In diesem Schreiben wird aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unmöglich war oder er die Absicht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses hatte. Der Kläger, der wegen eines Unfalls vom 20. Juni 1998 bis zum 13. September 1999 arbeitsunfähig war, hatte anschließend seine Tätigkeit beim Zeugen B. aufgenommen. Nach dem Gutachten vom 1. November 1999 war der Kläger nicht als Maler berufsunfähig, sondern er war nach Auffassung des Gutachters als Maler lediglich nicht wettbewerbsfähig einsetzbar. Damit sind nur verletzungsbedingte Leistungsminderungen zum Ausdruck gebracht worden, die einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht entgegenstanden, weil der Zeuge B. die ihm bekannten Leistungsminderung nicht zum Anlass für eine Kündigung nahm. Auch für den Kläger wäre im April 2000 kein gesundheitsbedingter Grund für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorhanden gewesen, weil seine gesundheitliche Lage sich stabilisiert hatte. Hierzu heißt es im Gutachten vom 1. November 1999:

"Bei einer derartigen Situation handelt es sich selbstverständlich bereits jetzt um einen Endzustand, eine Verbesserung dieser Situation wird nicht mehr eintreten, eine Verschlechterung ist nicht vorstellbar."

Trotz der verletzungsbedingten Erschwernisse hätte dem Kläger ohne vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und der deshalb ausgesprochenen Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses möglich sein können. Dennoch konnten die gesundheitlichen Einschränkungen die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses als Maler unmöglich machen, weil ein neuer Arbeitgeber, der den Kläger nicht kannte, voraussichtlich von der Einstellung eines 45-jährigen, durch Verletzungen vorbelasteten Malergesellen abgesehen hätte. Wenn demnach eine Umschulung notwendig war, spricht dies nicht für eine Berufsunfähigkeit des Klägers, denn ohne die Kündigung hätte das Arbeitsverhältnis des Klägers als Maler weiterhin Bestand gehabt. Eine gesundheitliche Verschlechterung, die zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des April 2000 geführt hätte, war nach den Feststellungen des Gutachtens vom 1. November 1999 nicht zu erwarten.

Die Beklagte hat sich im zweiten Rechtszug die Ausführungen des Landgerichts zu eigen gemacht und nunmehr unter Beweisantritt behauptet, der Kläger könne in seinem bisherigen Beruf als Maler aus Gesundheitsgründen nicht mehr arbeiten. Abgesehen davon, dass das neue Vorbringen der Beklagten einschließlich ihrer Beweisantritte gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO n. F. ausgeschlossen ist, weil der Beklagten sämtliche Unterlagen bekannt waren und sie die daraus sich ergebenden Erwägungen bereits im ersten Rechtszug hätte vortragen können und müssen, kann das Gutachten vom 1. November 1999 in Verbindung mit der unstreitigen Tatsache, dass der Kläger vor der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis das Arbeitsverhältnis trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen erfüllt hat, als ausreichende Grundlage für die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität herangezogen werden. Die Beklagte hat den Inhalt des Gutachtens vom 1. November 1999, das im Auftrag der Versicherung des Klägers erstattet wurde, nicht angegriffen. Nach dem Inhalt dieses Gutachtens war der Kläger als Maler nicht berufsunfähig, sondern lediglich nicht mehr wettbewerbsfähig einsetzbar. Weitere Beweiserhebungen darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers aus gesundheitlichen Gründen spätestens Ende April 2000 beendet worden wäre, sind deshalb nicht erforderlich, denn das Gutachten hat auch die künftige gesundheitliche Entwicklung des Klägers ausreichend berücksichtigt.

4.

Der Kläger hat als Entschädigung die Lohneinbußen von Januar bis Dezember 2000 geltend gemacht, die ihm dadurch entstanden sind, dass er nach der Kündigung arbeitslos wurde und das Arbeitslosengeld geringer als sein früherer Lohn ausfiel.

Lohneinbußen fallen unter den Begriff des Vermögensschadens im Sinne des § 7 Abs. 1 StrEG (Schätzler-Kuntz, a. a. O., Rz. 54 zu § 7). Der Begriff des Vermögensschadens ist dem bürgerlichen Recht entnommen, so dass grundsätzlich die §§ 249-252 BGB a. F. Anwendung finden, soweit sich aus dem StrEG keine Abweichungen ergeben (BGH NJW 1989, 2127 m. w. N.). Bei der Berechnung des Schadens ist eine Gesamtschadensbilanz aufzustellen. Es ist nicht zulässig, aus dem Gesamtzusammenhang einzelne Schadensposten herauszugreifen und diese isoliert geltend zu machen (BGH NJW-RR 1995, 864, 865). Der Kläger hat in der Klageschrift das von ihm bezogene Arbeitslosengeld dem im November 1999 erhaltenen Nettogehalt von 2.515,79 DM gegenübergestellt und die Differenz als Schaden geltend gemacht.

Bei der Darlegung des Verdienstausfalls stehen dem Kläger Beweiserleichterungen gemäß §§ 252 S. 2 BGB, 287 ZPO zur Verfügung. Zur Ermittlung des Erwerbsschadens muss der Geschädigte konkrete Anknüpfungstatsachen darlegen und nachweisen. Allerdings dürfen keine zu hohen Anforderungen an die Darlegung der Anknüpfungstatsachen für die Ermittlung des Erwerbsschadens gestellt werden. Verbleibende Risiken bei der Beurteilung des hypothetischen Verdienstausfalls können durch Abschläge aufgefangen werden (BGH NJW 1998, 1634 ff.).

Die Beklagte hat weder im vorgerichtlichen Entschädigungsverfahren noch im ersten Rechtszug die Schadensberechnung des Klägers bestritten. Mit der Berufungserwiderung verlangt sie, dass der Kläger die Bescheide des Arbeitsamts für Januar bis Dezember 2000 und die Lohnabrechnungen für Oktober bis Dezember 1999 vorlegen solle. Des weiteren begehrt die Beklagte die Berücksichtigung des Abzugs von ersparten Fahrtkosten und Kos-ten für Arbeitskleidung.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 01.12.2003 Einkommensunterlagen vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass er im Jahr 2000 Leistungen des Arbeitsamts in Höhe von 18.657,55 DM bezogen hatte. Dieser Betrag ist bei der Berechnung des Verdienstausfalls als Abzugsposition zu berücksichtigen. Er liegt geringfügig höher als die Summe der Einzelbeträge der Klageschrift, aus denen sich ein Gesamtbetrag von 18.627,94 DM errechnet.

Die weiterhin vorgelegte Verdienstbescheinigung für Oktober 1999 ergibt ein Nettoeinkommen von 2.423,17 DM. Der Abzug für Zukunftssicherung in Höhe von 38,42 DM ist bei der Schadensberechnung nicht zu berücksichtigen, weil es sich um keinen gesetzlichen Abzug, sondern um einen Aufwand zur Vermögensbildung handelt, für die der Kläger einen entsprechenden Gegenwert erlangte. Der Monat Oktober 1999 kann als repräsentativ bei der Berechnung des Jahreseinkommens zugrunde gelegt werden, weil eine durchschnittliche Arbeitszeit von 161 Stunden ohne Überstunden anfiel. Das jährliche Nettoeinkommen des Klägers hätte somit für 1999 29.078,04 DM ergeben.

Hinsichtlich der Fahrtkosten hat der Kläger eine Entfernung von 2,5 km zum Firmensitz angegeben, so dass täglich berufsbedingte Fahrtkosten von 5 km anfielen. Hierfür können schadensersatzrechtlich 0,40 DM/km in Ansatz gebracht werden (Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., Rz. 11 zu § 249). Bei jährlich 220 Arbeitstagen ergeben sich 440,00 DM.

Die ersparten Kosten für Arbeitskleidung hat der Kläger mit monatlich 10,00 DM angegeben. Demzufolge ist ein Abzug von 120,00 DM für das gesamte Jahr 1999 gerechtfertigt.

Aufgrund der von der Beklagten nicht bestrittenen Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 01.12.2003 ergibt sich folgende Berechnung der Schadensersatzforderung:

Jahresnettoeinkommen für 1999 29.078,04 DM abzüglich: Leistungen des Arbeitsamts 18.657,55 DM Fahrtkosten 440,00 DM Kosten für Arbeitskleidung 120,00 DM 9.860,49 DM = 5.041,59 €.

Etwaige weitergehende Einwendungen der Beklagten zur Höhe der Schadensersatzforderung sind nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen.

5.

Bei der Entschädigung nach dem StrEG ist der Berechtigte verpflichtet, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Ihm steht lediglich in Höhe der erforderlichen Kosten eine Entschädigung zu (BGH NJW 1975, 350, 351). Vom Berechtigten kann erwartet werden, dass er sich in zumutbarer Weise um die Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit bemüht. Auch wenn die Justizverwaltung für den Mitverschuldensvorwurf nach § 254 BGB beweispflichtig ist, obliegt es zunächst dem Ersatzberechtigten, die geeigneten Schritte zur Schadensminderung darzulegen (Meyer, a. a. O., Rz. 29 zu § 7).

Zu einem Vortrag des Klägers zu seinen Bemühungen um eine vergleichbare Arbeitsstelle ist es nur aufgrund des Beschlusses des Landgerichts vom 6. November 2001 gekommen. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23. November 2001 vorgetragen, das Arbeitsamt Ahrensburg habe ihm keine Arbeitsstelle vermitteln können. Er habe sich aufgrund von Zeitungsanzeigen bei Arbeitgebern beworben. Von diesen Bewerbungsunterlagen habe er nur noch eine Absage einer Firma S. vom 27. Februar 2001 aufbewahrt. Inzwischen sei er seit geraumer Zeit im Rahmen einer Umschulungsmaßnahmen in einem Bau- und Handwerkermarkt tätig. Diesen Vortrag hat die Beklagte bestritten.

Der Vortrag des Klägers zu seinen Bewerbungen um eine Arbeitsstelle ist lückenhaft. Auch die Ergänzungen im Schriftsatz vom 01.12.2003 enthalten keine Angaben über die Bemühungen des Klägers um Beschaffung eines neuen Arbeitsplatzes im Jahr 1999, für das er Verdienstausfall verlangt. Selbst wenn man zu Lasten des Klägers davon ausgeht, dass er seine Bemühungen um einen Ersatzarbeitsplatz nicht ausreichend dargelegt hat, wäre eine Kürzung seiner Schadensersatzforderung nur gerechtfertigt, wenn es ihm bei ausreichenden Bemühungen um einen anderen Arbeitsplatz gelungen wäre, ein neues Beschäftigungsverhältnis abzuschließen. Die Möglichkeit zum früheren Abschluss eines Arbeitsvertrags bei entsprechenden Bemühungen gehört in die Behauptungslast der Beklagten, die hierzu nichts vorgetragen hat. Da dem Senat insoweit greifbare Anhaltspunkte fehlen und die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers nahe legen, dass er für den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags längere Zeit benötigen würde, erscheint der Verdienstausfall für ein Jahr angemessen.

6.

Der Kläger begehrt aufgrund der Zahlungserinnerung vom 28. Juni 2001 die Zuerkennung von Verzugszinsen. Bei der Entschädigungsforderung handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Forderung, auf die keine Verzugszinsen, allerdings Prozesszinsen zu zahlen sind (Schätzler-Kuntz, a. a. O. Rz. 21 zu § 7; Palandt-Heinrichs, a. a. O., Rz. 6 zu § 284). Der gesetzliche Zinssatz beträgt nach § 288 Abs. 1 BGB 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Rechtshängigkeit ist durch die Zustellung der Klageschrift am 19.09.2001 eingetreten. Soweit im angefochtenen Urteil der 18.09.2001 als Zinsbeginn angegeben wurde, handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen, das auch vom Berufungsgericht berichtigt werden kann (Zöller-Vollkommer, a. a. O., Rz. 22 zu § 319).

7.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO, 25 Abs. 2 GKG. Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich.



Ende der Entscheidung

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