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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 12.05.2006
Aktenzeichen: 12 UF 155/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 210
BGB § 1600 b

Entscheidung wurde am 20.10.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und die Vorschriften wurden geändert, Stichworte, Sachgebiete, Orientierungssatz und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Wird die Vaterschaftsanfechtungsklage der prozessunfähigen Partei persönlich zugestellt, so endete die zweijährige Anfechtungsfrist erst sechs Monate nach dem Zeitpunkt, in dem der Mangel der Vertretungsmacht behoben worden ist.
12 UF 155/05

Beschluss

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 12. Mai 2006 beschlossen:

Tenor:

Das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten für die Berufungsinstanz wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

Zu Recht hat das Amtsgericht auf die Anfechtungsklage des Klägers festgestellt, dass der Beklagte nicht sein Kind ist.

1. Der Kläger ist nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB i. V. m. § 1592 Nr. 1 BGB anfechtungsberechtigt.

2. Der Kläger ist auch nicht der Vater des Beklagten. Aufgrund des eingeholten Abstammungsgutachtens vom 26. Mai 2005 steht fest, dass der Kläger unmöglich der Erzeuger des Beklagten sein kann (Bl. 121). Dies Beweisergebnis ist zwischen den Parteien auch nicht mehr strittig.

3. Der Kläger hat für die Anfechtungsklage auch genügend Umstände für den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof erforderlichen Anfangsverdacht vorgetragen. Es ist unstrittig, dass die Kindesmutter in der gesetzlichen Empfängniszeit auch mit einem anderen Mann geschlafen hat, dessen Name sie nicht sagen will oder kann.

4. Der Kläger hat die Anfechtungsklage auch rechtzeitig erhoben.

Nach § 1600 b Abs. 1 S. 1 BGB kann die Vaterschaft binnen einer Ausschlussfrist von zwei Jahren angefochten werden. Die Frist beginnt nach Satz 2 der Vorschrift mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen. Für eine Versäumung dieser Anfechtungsfrist trägt das beklagte Kind die Beweislast, d. h. für die Kenntnis des Vaters von den gegen seine Vaterschaft sprechenden Umständen und für den Zeitpunkt dieser Kenntnis. Nennt der Vater einen bestimmten Zeitpunkt der Kenntniserlangung, so ist es Sache des Kindes nachzuweisen, dass der Vater schon früher von Umständen Kenntnis erlangt hat, die gegen seine Vaterschaft sprechen (Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl., § 1600 b Rdnr. 3).

Der Beklagte hat hier den Beweis nicht geführt, dass der Kläger vor Ende Oktober 2002 von Umständen erfahren hat, die gegen seine Vaterschaft sprechen. Das ergibt sich schon aus der Aussage der Kindesmutter, der Zeugin A. selbst. Diese hat insoweit ausgesagt (Bl. 81):

"Wir hatten uns im Sommer 81 getrennt und haben den Sommer alleine verbracht. Ich hatte dann einen anderen. Anfang Oktober haben wir uns aber wieder getroffen, uns wieder versöhnt und wir haben auch miteinander geschlafen. Mein Mann wusste, dass ich einen anderen gehabt habe. Wir waren uns darüber einig, wenn unser Sohn nicht zu dem Zeitpunkt kommt, wie geplant, dass dann ein anderer der Vater sein würde. Der Sohn ist dann aber fast ganz genau gekommen, zu dem Termin, wie geplant. Er ist geboren am 26.6. und wir hatten ausgerechnet den 28.6.".

Auch die Zeugin B., damals mit beiden Parteien befreundet, hat bekundet, dass sie sich nicht vorstellen könne, dass mit dem Kläger darüber gesprochen worden sei, dass der andere Freund der Vater des Kindes sein könnte. Schließlich hat auch die Mutter der Kindesmutter - die Großmutter des Beklagten - in ihrer Aussage (Bl. 101 f.) entschieden in Abrede genommen, dass es überhaupt eine Diskussion oder eine Unsicherheit darüber gab, dass der Kläger nicht der Vater sein könne. Vielmehr sei der Kläger einen Tag nach der Geburt des Beklagten freudestrahlend zu ihr, der Zeugin, gekommen, und habe erzählt, dass sie so glücklich seien, dass sie den Termin genau getroffen hätten. Mit dem Kläger sei jedenfalls nie darüber gesprochen worden, dass der Dritte als Vater in Betracht komme.

Aus der Beweisaufnahme ergibt sich danach, dass etwa bestehende Bedenken gegen die Vaterschaft beim Kläger erfolgreich ausgeräumt worden sind.

Auch aus dem Schreiben des Klägers vom 5. Juli 1999 ergibt sich nicht, dass er nunmehr ernsthafte Zweifel an seiner Vaterschaft hatte. Angesichts der drückenden Unterhaltslasten wollte er nur ganz sicher gehen, wie die Formulierung zeigt:

"Da die monatliche Unterhaltszahlung für meine Familie eine nicht unerhebliche finanzielle Belastung ist, was wiederum öfter zu Unstimmigkeiten führt, möchte ich Sie darum bitten, bei der Kindesmutter das Einverständnis für einen Bluttest zur eindeutigen Feststellung der Vaterschaft einzuholen."

Es bleibt danach jedenfalls nicht widerlegt, dass der Kläger erstmals Ende Oktober 2002 aufgrund der Information, die seine Ehefrau bei einem Besuch in X. erhalten hat, ernsthafte Zweifel an der Vaterschaft hatte.

Der Kläger hat die zweijährige Anfechtungsfrist hier auch durch rechtzeitige Klagerhebung eingehalten haben. Die Anfechtungsklage vom 23. März 2004 ist dem Beklagten persönlich am 15. Mai 2004 (Bl. 12) zugestellt worden, also innerhalb der noch jedenfalls bis Oktober 2004 laufenden zweijährigen Anfechtungsfrist. Wenn der Beklagte, was zwischen den Parteien streitig ist, prozessfähig sein sollte, wäre damit unzweifelhaft die Anfechtungsklage rechtzeitig erhoben.

Wenn der Beklagte prozessunfähig sein sollte, wäre die Zustellung an ihn gemäß § 170 Abs. 1 ZPO unwirksam. Dieser Mangel kann, da nicht verzichtbar, auch nicht über § 295 ZPO geheilt werden. Ob auf andere Weise hier das Verhalten der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten einen Genehmigungstatbestand darstellen kann oder ob die Berufung des Beklagten auf den Fristablauf rechtsmissbräuchlich ist, kann dahinstehen. Denn auf den Fristablauf nach § 1600 b BGB ist nach Abs. 6 S. 2 der Vorschrift § 210 BGB entsprechend anwendbar. Nach § 210 Abs. 1 S. 1 BGB tritt, wenn eine geschäftsunfähige Person ohne gesetzlichen Vertreter ist, eine für oder gegen sie laufende Verjährung nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem der Mangel der Vertretung behoben wird.

Die durch die Schuldrechtsreform eingeführte Vorschrift erweitert den früheren § 206 BGB a. F. dahingehend, dass die Ablaufhemmung nunmehr auch dem Gläubiger, der einen Anspruch gegen einen Geschäftsunfähigen ohne gesetzlichen Vertreter besitzt und deshalb keine Klage erheben kann, zugute kommt. Nach früherem Recht blieb dem Gläubiger nur die Möglichkeit, in dringenden Fällen nach § 57 Abs. 1 ZPO durch den Vorsitzenden des angerufenen Gerichts für seinen Gegner einen besonderen Vertreter bestellen zu lassen (vgl. zum Gesetzeszweck Münchener Kommentar Grothe, 4. Aufl., § 210 Rdnr. 1). Die Vorschrift findet selbst dann Anwendung, wenn der Gläubiger sich nicht darum bemüht hat, den Mangel der Vertretung zu beseitigen oder wenn er die Geschäftsunfähigkeit seines Schuldners gar nicht erst erkannt hat (Münchener Kommentar a. a. O. Rdnr. 5). Auf Ausschlussfristen ist diese Vorschrift nur anwendbar, wenn dies gesetzlich ausdrücklich bestimmt ist. Das ist hier geschehen in § 1600 b Abs. 6 S. 2 BGB.

Unter Berücksichtigung von § 210 BGB hat der Kläger hier die Anfechtungsfrist in jedem Fall gewahrt. Wenn der Beklagte geschäftsunfähig gewesen ist, ist frühestens mit Beschluss des Betreuungsgerichts vom 19. Juli 2004 ein gesetzlicher Vertreter für ihn - Rechtsanwältin R. - bestellt worden. Rechtsanwältin R. hat dann im Termin am 23. November 2004 (Bl. 35), also jedenfalls innerhalb der durch § 210 BGB verlängerten Frist, gegenüber dem Antrag des Klägers verhandelt (Bl. 36). Damit ist die Klage, wenn sie denn vorher nicht wirksam erhoben sein sollte, jedenfalls mit diesem Zeitpunkt gemäß § 261 Abs. 2 ZPO rechtshängig geworden. Wenn der Mangel der gesetzlichen Vertretung erst durch den ergänzten Beschluss des Betreuungsgerichts vom 21. Dezember 2004 behoben sein sollte, wäre die Klage spätestens rechtshängig geworden durch Antragstellung im Termin am 8. März 2005 (Bl. 102), also auch noch innerhalb der verlängerten Frist des § 210 BGB.

Die Berufung ist daher erfolglos.

Ende der Entscheidung

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