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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 21.11.2003
Aktenzeichen: 12 UF 162/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587a III S. 1
Die Versorgung der VBL ist im Leistungsstadium dynamisch. Sie steigt insoweit in nahezu gleicher Weise wie die gesetzliche Rentenversicherung.
12 UF 162/03

Beschluss

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Ortmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Zieper und Schiemann am 21. November 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs im Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Schleswig vom 15. September 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Beschwerdewert beträgt 709,56 € (141,66 € - 82,53 € x 12).

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 23. November 1983 vor dem Standesamt S. die Ehe geschlossen. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist dem Antragsgegner am 28. Mai 2003 zugestellt worden.

Während der gesetzlichen Ehezeit vom 1. November 1983 bis zum 30. April 2003 haben die Parteien folgende monatliche Rentenanwartschaften erworben:

- die Antragstellerin nach der Auskunft der Beteiligten zu 1) vom 1. August 2003 eine Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 102,17 €

- der Antragsgegner nach der Auskunft der Beteiligten zu 2) vom 25. Juni 2003 eine Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 716,18 €

- der Antragsgegner ferner nach Auskunft der Beteiligten zu 3) vom 30. Juni 2003 einen Anspruch auf eine Betriebsrente von monatlich 283,32 €.

Aus der Auskunft der Beteiligten zu 3) ergibt sich im Einzelnen Folgendes:

"Es besteht ein Anspruch auf Leistungen aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes.

Im Zeitpunkt des Endes der Ehezeit war der Versicherungsfall bereits eingetreten. Bei Eintritt des Versicherungsfalles hat eine Pflichtversicherung bestanden.

Der auf die Ehezeit entfallende Anspruch auf Betriebsrente beträgt monatlich 283,32 € (= 1/12 des Jahresbetrages).

Der Anspruch ist nicht nach einem Bruchteil der entrichteten Beiträge bemessen und steigt nicht in nahezu gleicher Weise wie der Wert der in § 1587a Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB genannten Anwartschaften.

Die Betriebsrente wird jeweils zum 1. Juli - erstmals ab dem Jahre 2002 - um 1 v. H. ihres Betrages erhöht (§ 39 VBLS in der ab 1. 1. 2001 geltenden Fassung). ...

Unsere Satzung sieht eine Realteilung im Sinne des § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich - VAHRG - nicht vor."

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich wie folgt geregelt:

Von dem Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Bundesknappschaft Bochum (VSNR:) werden auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (VSNR:) Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 307,01 € - bezogen auf den 30. April 2003 als Ende der Ehezeit - übertragen.

Zu Lasten der für den Antragsgegner bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in Karlsruhe (Geschäfts-Nr.) bestehenden Versorgungsanwartschaften werden auf dem für die Antragstellerin bestehenden Versicherungskonto bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (VSNR:) Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 141,66 € - bezogen auf den 30. April 2003 als Ende der Ehezeit - begründet.

Der Monatsbetrag der auszugleichenden Anwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die vom Antragsgegner wegen Eintritts des Versicherungsfalls bereits bezogene Betriebsrente bei der Beteiligten zu 3) hat das Amtsgericht entgegen der eigenen Einschätzung der Beteiligten zu 3) als dynamisch angesehen und dazu zur Begründung ausgeführt:

"In den letzten 10 Jahren sind sowohl die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung als auch die Beamtenversorgung durchschnittlich pro Jahr um (linear) 1,73 % angehoben worden (vgl. Tabelle von Gutdeutsch FamRZ 2003, 737). Die regelmäßigen Erhöhungen der VBL-Versicherungsrenten um 1 % bleiben also nur um deutlich weniger als einen Prozentpunkt hinter den Steigerungsraten der Vergleichsversorgungen zurück (vgl. BGH FamRZ 1992, 1051, 1054), zumal nach der gegenwärtigen Diskussion über Rentenanpassungen jährliche Erhöhungen in dem bisherigen Umfang nicht mehr zu erwarten sind. Die Versorgung ist daher im Leistungsstadium als dynamisch anzusehen."

Das Amtsgericht hat sodann festgestellt, dass der Antragsgegner die werthöheren Anwartschaften erworben hat und danach in Höhe der Hälfte der Differenz der Rentenanwartschaften der Parteien gemäß § 1587a Abs. 1 BGB ausgleichspflichtig ist.

Nach § 1587b Abs. 1 BGB hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich hinsichtlich der Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung durch Rentensplitting in Höhe von 307,01 € (716,18 - 102,17 : 2) und hinsichtlich der Betriebsrente der Beteiligten zu 3) durch analoges Quasi-Splitting nach § 1 Abs. 3 VAHRG in Höhe von 141,66 € (283,32 : 2) durchgeführt.

Gemäß § 1587b Abs. 6 BGB hat es die Anordnung der Umrechnung in Entgeltpunkte angeordnet.

Gegen diese Regelung des Versorgungsausgleichs im angefochtenen Urteil hat die Beteiligte zu 3) form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt und diese wie folgt begründet:

"Der Antragsgegner war am Ende der Ehezeit bereits Rentenbezieher. Er erhält seit 01.02.2001 von der Beschwerdeführerin eine Versorgungsrente nach § 40 Abs. 1 d. S. a. F., die als Teil der Gesamtversorgung dynamisch im Sinne von § 1587a Abs. 3 BGB war (BGH, Beschluss vom 09.05.1990 - XII ZB 89/89 -, FamRZ 1990, Seite 984/985).

Die Versorgungsrente wird nach Umgestaltung des Zusatzversorgungsrechts gemäß § 75 Abs. 2 VBLS ab 01.01.2002 als Besitzstandsrente weitergezahlt und nach § 39 VBLS dynamisiert.

Die Betriebsrente (Besitzstandsrente) wird nach § 39 VBLS jeweils zum 1. Juli - erstmals ab dem Jahr 2002 - unabhängig von den Anpassungen in der gesetzlichen Rentenversicherung um 1 v. H. ihres Betrages erhöht. Diese Regelung gilt nach dem Altersvorsorgeplan 2001 vorerst bis 31.12.2007.

Das Amtsgericht hat den vom Antragsgegner während der Ehezeit aus seiner Zusatzversorgung erworbenen Anspruch von monatlich 283,32 Euro als volldynamisches Anrecht bewertet.

Nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte und des Beschwerdegerichts kann bei einer Erhöhung um 1 v. H. nicht von einer Volldynamik gesprochen werden ..."

Nach Auffassung der Beteiligten zu 3) ist das ehezeitliche Anrecht nach wie vor als statisch zu bewerten und unter Anwendung des § 5 Abs. 1 der Barwertverordnung und des maßgebenden Altersfaktors aus der Tabelle 7 von 10,7 (62 Jahre) in ein dynamisches Anrecht zum 30. April 2003 (Ende der Ehezeit) wie folgt umzurechnen:

283,32 € x 12 x 10,7 x 0,0001754432 x 25,86 = 165,06 €.

Nur in Höhe der Hälfte dieses Betrages ist nach Auffassung der Beteiligten zu 3) nach § 1 Abs. 3 VAHRG zu Lasten der Zusatzversorgung des Antragsgegners eine Rentenanwartschaft zu begründen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 3) hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht den auf die Ehezeit entfallenden Anspruch des Antragsgegners auf eine Betriebsrente von monatlich 283,32 € als im Leistungsstadium, auf das es wegen des bereits während der Ehezeit eingetretenen Versicherungsfalles allein ankommt, volldynamisch angesehen. § 1587a Abs. 3 BGB ist auch nach Auffassung des Senats nicht anwendbar, weil die vom Antragsgegner bereits bezogene Versorgung jedenfalls in nahezu gleicher Weise steigt wie der Wert der in Abs. 2 Nr. 1 und 2 genannten Anwartschaften auf eine Beamtenversorgung oder eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der Wert der Versorgung bei der Beteiligten zu 3) steigt in der Leistungsphase jährlich um 1 %. Der 10-Jahres-Durchschnitt der Anpassungssätze der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung weicht davon nicht erheblich ab:

 JahrProzentsatz gesetzliche RentenversicherungProzentsatz Beamtenversorgung
19950,503,10
19960,95-
19971,651,30
19980,441,50
19991,342,80
20000,60-
20011,911,70
20022,162,10
20031,042,40
2004--
 10,5914,90

Nach diesen Zahlen (entnommen den Tabellen zum Familienrecht, 24. Aufl., August 2003 sowie Glockner NJW 2003, 1375 und FamRZ 2003, 1233, 1235) ergibt sich für die gesetzliche Rentenversicherung eine Jahresdurchschnittserhöhung von 1,06 % und für die Beamtenversorgung von 1,49 .

Für das Jahr 2004 geht der Senat in der gesetzlichen Rentenversicherung von einer "Null-Runde" aus, nachdem der Bundestag zwischenzeitlich das entsprechende Gesetz beschlossen hat. Auch die Beamtenpensionen werden nach Einschätzung des Senats im Jahre 2004 nicht oder jedenfalls nicht nennenswert steigen.

Wenn man den durchschnittlichen Zuwachs in der Rentenversicherung von 1995 bis 2004 von jährlich 1,06 % in Beziehung setzt zur jährlichen Erhöhung der Betriebsrente der Beteiligten zu 3) ergibt sich kein nennenswerter Unterschied, so dass es nicht gerechtfertigt ist, die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung als dynamisch, die Betriebsrenten der Beteiligten zu 3) aber als statisch anzusehen. Der Bundesgerichtshof hat in einer früheren Entscheidung (FamRZ 1983, 40, 42) eine Betriebsrente, die um 1 % unter der durchschnittlichen Erhöhung der Beamtenversorgung zurückgeblieben ist, noch als in nahezu gleicher Weise steigend im Sinne von § 1587a Abs. 3 BGB angesehen. Auch wenn damals die durchschnittliche jährliche Erhöhung der Beamtenversorgung mit 6,85 % deutlich höher lag als heute, ist eine Abweichung der durchschnittlichen Erhöhung zwischen den Renten der Beteiligten zu 3) und der gesetzlichen Rentenversicherung von weniger als 10 % (1,0 % zu 1,06 %) jedenfalls so geringfügig, dass eine unterschiedliche Bewertung nicht gerechtfertigt erscheint (vgl. auch BGH FamRZ 1992, 1051, 1054). Um den volldynamischen Charakter zu bejahen genügt, dass der Zuwachs mit demjenigen in einer der beiden vom Gesetz als volldynamisch anerkannten Versorgungen Schritt hält (BGH a. a. O., 42). Ob die Renten der Beteiligten zu 3) auch in nahezu gleicher Weise steigen wie die Beamtenversorgung, ist deshalb nicht entscheidend. Angesichts der bereits durchgeführten und geplanten Einschnitte in die Beamtenversorgung dürfte allerdings zukünftig auch dort kaum eine jährliche Steigerung von mehr als 1 % zu erwarten sein.

Nach alledem hat das Amtsgericht zu Recht den ehezeitbezogenen Anteil der Versicherungsrente des Antragsgegners bei der Beteiligten zu 3) als volldynamisch angesehen und demzufolge die Hälfte der monatlichen Rente von 283,32 €, nämlich 141,66 €, durch analoges Quasi-Splitting nach § 1 Abs. 3 VAHRG ausgeglichen. Da auch im Übrigen gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs durch das Amtsgericht Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich sind, war die Beschwerde der Beteiligten zu 3) mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert, hat der Senat gemäß §§ 621e Abs. 2 Nr. 1, 543 Abs. 2 ZPO die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Ende der Entscheidung

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