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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 11.07.2003
Aktenzeichen: 14 U 122/02
Rechtsgebiete: BGB, Lugano-Übereinkommen


Vorschriften:

BGB § 94
BGB § 95
Lugano-Übereinkommen Art. 16
Die aus Art. 16 Ziff. 1 a des Lugano-Übereinkommens folgende Zuständigkeit für Klagen, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, ist konventionsimmanennt zu bestimmen. Für die Abgrenzung zwischen bewegelichen und unbewegelichen Sachen bei einem Streit über eine in Norwegen belegene Hütte kommt es daher nur auf deren tatsächliche Unbeweglichkeit an, nicht aber daauf, ob die Hütte nach deutschem oder norwegischem Recht sonderrrechtsfähig ist oder nicht.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

14 U 122/02

Verkündet am: 11.07.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kock, den Richter am Oberlandesgericht Hellwig und die Richterin am Landgericht Placzek für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Juli 2002 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Miteigentumsrechte der Beklagten an einer Hütte in Norwegen, die mit Vertrag vom 19.03.1998 vom Verkäufer H. zum Preis von 110.000,-- nkr gekauft worden war. Als Käufer wurden beide Parteien, die damals verlobt waren, im Vertragsformular ausgeführt, beide haben den Vertrag auch unterschrieben. Das Grundeigentum, auf dem die Hütte steht, hatte bereits der Verkäufer H. von der Gemeinde (Vang Almenning) gepachtet, die Käufer sind als Pächter des Grundstückes anerkannt worden. Den Kaufpreis hat der Kläger alleine aufgebracht, ebenso die Pacht 1998. Die Beklagte hat zumindest für die Jahre 1999/2000 anteilige Pacht bezahlt, eine Rückerstattung der Beträge von der Gemeinde hat sie nicht angenommen. Das Geld befindet sich jetzt bei der Gemeinde, die auf gerichtliche Klärung der Frage, an wen sie auszuzahlen hat, wartet.

Der Kläger hat gemeint, er sei alleiniger Eigentümer der gekauften Hütte.

Er hat beantragt

1. festzustellen, dass der Beklagten an der Hütte Nr. 6029 bei Norde Brennsaetra - Norwegen - ein Eigentums- bzw. Miteigentumsanteil nicht zusteht.

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihren Eigentums- bzw. Miteigentumsanteil an der Hütte Nr. 6029 bei Norde Brennsaetra - Norwegen - an den Kläger zurückzuübertragen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, sie sei Miteigentümerin geworden.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf dessen Tatbestand nebst aller Verweisungen Bezug genommen wird, die Klage als unzulässig abgewiesen, nachdem es eine Rechtsauskunft des Königlichen Ministeriums für Justiz und Polizei in Norwegen eingeholt hat, weil gemäß Art. 16 Ziff. 1 a des Lugano-Übereinkommens norwegische Gerichte zuständig seien.

Dagegen wendet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt und meint, jedenfalls der Hilfsantrag betreffe kein dingliches Recht, über ihn sei zu entscheiden gewesen. Es handele sich bei der Hütte nicht um eine unbewegliche Sache i.S.v. Art. 16 Ziff. 1 a des Lugano-Übereinkommens. Die Qualifikation des Begriffes "unbeweglich" habe nach der Rechtsprechung des EuGH vertragsautonom zu erfolgen, und zwar nach den Zielsetzungen der ausschließlichen Zuständigkeitsregel. Das Landgericht habe fehlerhaft angenommen, die Hütte sei wesentlicher Bestandteil nach § 94 Abs.I BGB und nicht Scheinbestandteil nach § 95 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Hütte sei nur zu einem vorübergehenden Zweck errichtet, was bereits daraus folge, dass der Pachtvertrag des Grundstücks befristet sei und die Hütte nach Ende oder bei Nichtzahlung der Pacht abgerissen werden müsse. Dies sei auch problemlos möglich, die Hütte könne entfernt und an jedem anderen Ort wieder aufgebaut werden, weil sie nur auf Natursteinen aufliege und keine feste Verbindung mit dem Grundstück bestehe. Der Pachtvertrag laufe 2007 aus, der Wegfall der Hütte sei von vornherein beabsichtigt. Wolle man das Recht des Lageortes anwenden, sei die Auskunft des Justizministeriums unzureichend und deswegen weiter wegen des norwegischen Rechtes Beweis zu erheben.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und

1. festzustellen, dass der Beklagten an der Hütte Nr. 6029 bei Norde Brennsaetra - Norwegen - ein Eigentums- bzw. Miteigentumsanteil nicht zusteht.

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihren Eigentums- bzw. Miteigentumsanteil an der Hütte Nr. 6029 bei Norde Brennsaetra - Norwegen - an den Kläger zurückzuübertragen

und weiter,

den Rechtsstreit gemäss § 538 Abs. 2 Ziffer 3 ZPO an das Landgericht zurück zu verweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Landgerichts für zutreffend, weil es sich bei der Hütte nach norwegischem Recht um eine unbewegliche Sache handele. Die Hütte sei durch ein gemauertes Fundament fest mit dem Boden verbunden (Beweis: Inaugenscheinnahme) und daher wesentlicher Bestandteil des Grundstücks gemäß § 94 Abs.1 BGB. Der neu errichtete Teil sei ein Anbau. Die Gemeinde habe bei Vertragsschluss zugesichert, der Pachtvertrag laufe so lange, wie sich der jeweilige Pächter an die Auflagen halte. Davon sei auch der Kläger ausgegangen, sonst hätte er den Anbau nicht errichtet. Die Verträge würden immer wieder verlängert (Beweis: Auskunft der Gemeinde, Sachverständigengutachten).

Wegen des weiteren Parteivorbringens im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

II

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg, weil deutsche Gerichte zur Entscheidung über den Streit der Parteien nicht zuständig sind, die Klage also zu Recht als unzulässig abgewiesen worden ist, wie zwar nicht aus dem Tenor aber, den Gründen des angefochtenen Urteils folgt.

Zuständig ist vielmehr nach Art. 16 Ziffer 1 a des Lugano- Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. 09. 1988 ( BGBl 1994 II 2658) für Klagen wie die vorliegende, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, aussschliesslich ein Gericht des Staates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Der Kläger muss danach das örtlich und sachlich zuständige Gericht in Norwegen anrufen. Das Lugano-Übereinkommen ist auf diesen Fall anwendbar, es ist nicht durch die Zuständigkeitsregelung der EGVO, 44/2001 vom 22.12.2000, die ab 01.03.2002 gilt, ersetzt, weil Norwegen nicht EU-Staat ist und das Lugano-Übereinkommen im Verhältnis Deutschland zu Norwegen als Vertrag weiter gilt.

Beide Beklagte sind deutsche Staatsbürger, sie streiten um Miteigentum, also eindeutig um ein dingliches Recht an der in Norwegen belegenen Hütte. Streitpunkt zwischen den Parteien ist die Frage, ob die Hütte bewegliche oder unbewegliche Sache ist, was aus der im norwegischen Recht wohl existenten Trennung des Eigentums von Grundstück und Gebäude folgt. Nach den vorgelegten Verträgen steht das Grundeigentum der Gemeinde zu, der/die jeweilige Hütteneigentümer/in ist/sind Pächter.

Dabei muss jedoch nach der Rechtsprechung des EuGH der Begriff "Klagen, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen ... zum Gegenstand haben" im Gemeinschaftsrecht autonom bestimmt werden und nicht nach dem Recht des jeweiligen Lageortes (EuGH IPRax 1991, 45 f; 45 f; EuGH IPRax 1995, 314 f; EuGH IPRax 1995, 99 ff; Nagel/Gottwald, JZPR, 5. Aufl., § 3 Rnr. 167; Germer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht , München 1997, Art. 16 LugÜ, Rnr. 42; Gottwald in MüKo, ZPO, 2. Aufl., Art. 16 EuGVÜ Rnr. 8).

Die Abgrenzung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen kann nicht dem jeweiligen lex rei sitae überlassen werden (MüKo/Gottwald, a.a.O.). Grund der Regelung in Art. 16 des Lugano-Übereinkommens ist, dass das Gericht des Belegenheitsstaats wegen der räumlichen Nähe am besten in der Lage ist, sich gute Kenntnisse über die Sachverhalte zu verschaffen und die insoweit geltenden Regeln und Gebräuche anzuwenden, die im allgemeinen die des Belegenheitsstaates sind (EuGH IPRax 1991, 45). Streitigkeiten über dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen erfordern zudem häufig Nachprüfungen, Ermittlungen und die Tätigkeit von Sachverständigen, die notwendigerweise am Ort erfolgen müssen (EuGH IPRax 1995, 314). Auch für den Begriff der "unbeweglichen Sache" ist daher nach einer konventionsimmanenten Definition zu suchen (Geimer/Schütze, a.a.O.). Unbewegliche Sachen sind daher vor allem Grundstücke sowie die darauf errichteten Gebäude. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese nach der vom IPR des Gerichtsstaates in concreto bestimmte maßgebliche Rechtsordnung sonderrechtsfähig sind oder nicht.

Nach alledem kann es nach Auffassung des Senates im Ergebnis nur um die tatsächliche Beweglichkeit einer Sache gehen. Auf die Frage, ob die Hütte nach norwegischem Recht eine bewegliche oder unbewegliche Sache sein könnte, kommt es deswegen für die Zuständigkeit ebensowenig an, wie auf deutsches Recht und die sich danach stellende Frage, ob die Hütte wesentlicher Bestandteil i.S.v. § 94 BGB oder Scheinbestandteil i.S.v. § 95 BGB wäre. Die gegebenenfalls erforderlichen tatsächlichen Feststellungen kann nur ein norwegisches Gericht treffen, weil die Hütte zum einen nicht unproblematisch transportiert werden kann, um die zwischen den Parteien streitigen tatsächlichen Fragen zu klären, andererseits eine eventuelle Beweisaufnahme in Hinblick auf die Sitten in der Vang Almennig wegen des Eigentums an Hütten, wegen der Zahlungseingänge auf die Kauf- und Pachtsummen und evtl. Arbeitsleistungen der Beklagten unproblematisch vor Ort erfolgen könnte. Dass die Hütte i.ü. tatsächlich unbeweglich ist, folgt schon aus den Lichtbildern, die sich in der Akte befinden. Nach deutschem Recht wäre zudem die Hütte als wesentlicher Bestandteil des Grundstückes i.S.v. § 95 BGB anzusehen. Dagegen spricht auch nicht die Kommentierung zu § 95 BGB bei Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., Rnr. 3 zu § 95, nach der vom Pächter errichtete Baulichkeiten in Ausübung eines zeitlich begrenzten Nutzungsrechtes nach dem Willen des Verbindenden nur zum vorübergehenden Zweck erfolgt sein sollen. Selbst wenn der Pachtvertrag nur bis zum Jahre 2007 läuft, widerspricht es der Lebenserfahrung, dass der Kläger die Hütte wieder abreißt. Allein die Tatsache, dass in Norwegen Hütten ohne Grundstück weiter verkauft werden, zeigt, dass sie auf unbestimmte Zeit errichtet werden. Der Kläger nutzt die ursprüngliche Hütte als Abstellraum und hat in unmittelbarer Nähe ein Gebäude mit zwei Schlafräumen, Ofen, Fliesen etc. errichtet. Dass der Pachtvertrag nicht verlängert wird und er sein Gebäude dann abreißt, erscheint lebensfremd.

Wegen des Hilfsantrages, der auf Rückübertragung des evtl. bestehenden Eigentums der Beklagten gerichtet ist und eine Gegenleistung des Klägers nicht vorsieht, hat die Berufung ebenfalls keinen Erfolg. Der Hilfsantrag ist objektiv sinnlos, weil der Senat wegen der Unzuständigkeit zur Entscheidung über den Hauptantrag auch die Frage des Eigentums der Beklagten nicht entscheiden kann. Zwar hat der Hilfsantrag einen schuldrechtlichen Rückübertragungsanspruch und keinen dinglichen Anspruch zum Gegenstand, so dass für die Entscheidung über diesen Anspruch deutsche Gerichte zuständig wären. Eine solche Entscheidung ist derzeit nicht möglich, da sie Eigentum bzw. Miteigentum der Beklagten an der Hütte voraussetzt, eine Entscheidung darüber aber nach dem Sinn des Hilfsantrages nur erfolgen soll, wenn der Hauptantrag keinen Erfolg hat. Damit aber ist nicht - wie zu entscheiden ist - die Abweisung des Hauptantrags als unzulässig gemeint, sondern die sachliche Verneinung des Feststellungsbegehrens, dass der Beklagten Eigentumsrechte nicht zustehen. Erst nach der Entscheidung dieser - von norwegischen Gerichten zu entscheidenden- Frage ist Raum für die Entscheidung über den Hilfsantrag.

Der Schriftsatz des Klägers vom 27. Juni 2003 gibt, soweit er sich nicht mit Äusserungen zum Vergleichsvorschlag des Senates befasst, keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

Die Berufung war mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen, eine Verweisung an das Landgericht nach § 538 II Ziffer 3 ZPO kommt nicht in Betracht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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