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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 28.08.2008
Aktenzeichen: 14 W 51/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 3
Unabhängig von den gestellten Anträgen des Streithelfers bemisst sich der Streitwert insoweit nach dem gemäß § 3 ZPO maßgeblichen Interesse des Streithelfers am Obsiegen der von ihm unterstützten Partei.
14 W 51/08

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter am 28. August 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die Streitwertbeschwerde der Streitverkündeten zu 3) vom 29. Juli 2008 wird der Beschluss des Landgerichts Itzehoe vom 14. Juli 2008 dahin abgeändert, dass der Streitwert für die Streitverkündeten zu 1) und 2) auf 39.000,00 € festgesetzt wird.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat in der Hauptsache von der Beklagten Zahlung von 119.573,15 € nebst Zinsen aus einer Bürgschaft begehrt. Hauptschuldnerin war die Streitverkündete zu 3). Diese ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Zwischen der Streitverkündeten zu 3) und der Klägerin bestand ein Werkvertrag über den Bau einer Druckerei; die Klägerin machte mit ihrer Klage den ausstehenden Werklohn geltend. Die Parteien haben sich über eine Mangelhaftigkeit des Werkes und daraus resultierende Minderungen des Werklohns sowie Zurückbehaltungsrechte gestritten. Der Streitverkündeten zu 1) ist durch die Klägerin der Streit verkündet worden. Sie war mit der Ausführung der Dachdecker-, Fassaden- und Lichtkuppelarbeiten als Subunternehmerin der Klägerin für das streitgegenständliche Bauvorhaben beauftragt. Für den Fall, dass die Klägerin wegen vorhandener Mängel unterliegen würde, plante sie, die Streitverkündete zu 1) in Regress zu nehmen. Die Streitverkündete zu 1) ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten. Die Streitverkündete zu 1) hat zunächst angekündigt, sich dem Antrag der Klägerin anzuschließen, hat den Antrag jedoch in mündlicher Verhandlung nicht gestellt. Sie verkündete ihrerseits der Streitverkündeten zu 2) den Streit. Insbesondere die Arbeiten im Dachbereich habe sie nämlich untervergeben und auch weitere Arbeiten seien von der Streitverkündeten zu 2) ausgeführt worden. Die Streitverkündete zu 1) hat angekündigt, die Streitverkündete zu 2) in Regress zu nehmen, falls sie ihrerseits von der Klägerin in Regress genommen werden sollte. Die Streitverkündete zu 2) ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten. Sie hat aber, nachdem sie Einblick in die Akten hatte, erklärt, die Streitverkündung sei unberechtigt, da etwaige in Rede stehende Mängel ihr Werk nicht beträfen. In der Hauptsache hat sie keinen Antrag angekündigt oder gestellt.

In mündlicher Verhandlung vom 01.07.2008 haben die Klägerin, die Streitverkündete zu 3) und die Beklagte nach Beweisaufnahme einen Vergleich geschlossen. In diesem Vergleich haben sich die Beklagte und die Streitverkündete zu 3) verpflichtet, an die Klägerin 114.000,00 € zu zahlen. Von dieser Summe sollten 39.000,00 € erst nach der sach- und fachgerechten Nachbesserung einer Attika gezahlt werden.

Über die Kosten hat das Landgericht nach § 91a ZPO entschieden und mit Beschluss vom 14.07.2008 den Streitwert auf 119.573,15 € festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Streitverkündete zu 3) mit ihrer Beschwerde insoweit, als der Streitwert bezüglich der Streitverkündeten zu 1) und 2) auf mehr als 39.000,00 € festgesetzt worden ist. Sie ist der Auffassung, dass der Wert der Streithilfe entsprechend dem geringeren wirtschaftlichen Interesse der Streitverkündeten zu 1) und 2) nur 39.000,00 € betrage. Diese seien nämlich als Subunternehmer nur für die behaupteten Mängel am Dach zuständig gewesen. Hinsichtlich des Daches hätten nur Mängel im Wert von 39.000,00 € in Rede gestanden.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Die Beschwerde ist gemäß §§ 68, 63 Abs.2 GKG, §§ 32, 33 Abs.1 und 3 RVG zulässig. Insbesondere kann die Streitverkündete zu 3) für die Beklagte, die kostenbelastet ist, Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss erheben (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Auflage, § 67 Rn.5). Bedenken bestehen auch nicht hinsichtlich der Frage, ob durch eine Änderung des Streitwerts die Kostenentscheidung unrichtig werden könnte. Denn die Kostenentscheidung ist noch nicht in Rechtskraft erwachsen, da auch gegen sie eine gesonderte Beschwerde eingelegt worden ist.

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Denn die Streitwertfestsetzung durch das Landgericht hinsichtlich der Streitverkündeten zu 1) und 2) auf 119.573,15 € erfolgte zu Unrecht.

Denn auch das Interesse des Streithelfers bemisst sich nach dem gemäß § 3 ZPO zu schätzenden Interesse des Streithelfers am Obsiegen der von ihr unterstützten Partei. Gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG ist der Gebührenstreitwert in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach §§ 3 ff ZPO zu bestimmen. Nach § 3 ZPO wird der Wert entsprechend dem mit der Klage verfolgten Interesse nach freiem Ermessen festgesetzt (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 26. Auflage, § 3 Rn. 2 m.w.N.). Streitig ist sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur, wie das Interesse im Falle einer Streithilfe zu bewerten ist. So wird verbreitet auch die vom Landgericht geteilte Auffassung vertreten, der Streitwert einer durchgeführten Streitverkündung oder Nebenintervention stimme insbesondere dann, wenn der Streithelfer oder Nebenintervenient denselben Antrag stellt wie die von ihm unterstützte Partei - wie der Streithelfer zu 1) -, mit dem Streitwert der Hauptsache überein (BGH NJW 1960, 42; OLG München, 28 W 1334/07, zitiert nach juris; OLG Hamm, 27 W 86/06, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf 24 W 64/05, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 1007). Dies soll auch für den Fall gelten, dass der Streithelfer keinen eigenen Antrag gestellt hat, wie es beim Streithelfer zu 2) der Fall war (siehe Meyer, Gerichtskostengesetz, 9. Auflage, § 3 ZPO Rn. 22, Stichwort "Nebenintervention" m.w.N.). Argumente von Vertretern dieser Auffassung sind vor allem systematischer und rechtspraktischer Natur. So wird u.a. angeführt, dass der Streithelfer - falls er keinen eingeschränkten Antrag stellt - am Prozess im gleichen Umfang beteiligt sei, wie die Partei, der er beigetreten ist. Sein prozessuales Verhalten beziehe sich auf denselben Streitgegenstand wie dasjenige der Partei selbst (vgl. BGH NJW 1960, 42). Auch sonst komme es bei der Streitwertfestsetzung auf das Interesse der Parteien am Ausgang des Rechtsstreits an, und nicht auf sein wirtschaftliches Interesse außerhalb des Rechtsstreits (OLG Karlsruhe, NJW-RR 2003, 1007). Zudem würde eine Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses des Nebenintervenienten Unsicherheiten in das Wertfestsetzungsverfahren hineintragen bzw. das Gericht wäre genötigt, Rechtsbeziehungen zu untersuchen, die außerhalb des eigentlichen Rechtsstreits liegen (BGH a.a.O.). Zudem könne der Nebenintervenient auch u.a. im Fall einer Klageabweisung eigenständig Rechtsmittel einlegen; der Wert der Beschwer richte sich gemäß § 3 ZPO deshalb nach der von der klagenden Partei erlittenen Beschwer und nicht nach dem eigenen möglicherweise geringeren Interesse des Nebenintervenienten (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 2006, 1017).

Dem ist mit der in Rechtsprechung und im Schrifttum wohl inzwischen überwiegenden Ansicht (OLG Köln, MDR 2004, 1025 m.w.N.; OLG Köln, MDR 1974, 53; OLG Köln, VersR 1993, 80; OLG Koblenz, 12 W 719/76, zitiert nach juris; OLG Koblenz MDR 1983, 59; OLG Hamburg, MDR 1977, 1026; OLG Hamm, 21 U 43/07, zitiert nach juris; OLG Nürnberg, MDR 2006, 1318; Zöller-Herget, 26. Auflage, § 3 Rn. 16, Stichwort "Nebenintervention"; Schneider/Herget, 12. Auflage, Rn. 4118 m.w.N.) nicht zu folgen. Nach dieser Ansicht ist unabhängig von den gestellten Anträgen des Streithelfers sein nach § 3 ZPO zu schätzendes Interesse maßgeblich, jedenfalls bis zur Höhe des Interesses der von ihm unterstützten Hauptpartei.

Für diese Ansicht spricht die Sachgerechtigkeit. Die andere Ansicht führt zu streitwert- und kostenrechtlich unbefriedigenden Ergebnissen, wenn der Wert der Hauptsache und die mit der Hauptsacheentscheidung verbundene Einwirkung auf die vermögensrechtlichen Verhältnisse des Streithelfers - so wie hier - erheblich voneinander abweichen (vgl. Schneider/Herget, 12. Auflage, Rn. 4117). Ein von der Hauptpartei übernommener Antrag, der weit über das eigene Interesse des Streithelfers hinausgeht, belastet ihn und auch die Gegenseite unnötig mit Kosten. Nimmt beispielsweise der Bauherr einen Architekten wegen zahlreicher verschiedener Mängel in Anspruch, und treten auf Seiten des Architekten mehrere Bauhandwerker dem Rechtsstreit bei, so würde der Kläger im Fall des Unterliegens Gefahr laufen, vom Beklagten und sämtlichen Nebenintervenienten, die sich jeder von einem eigenen Rechtsanwalt vertreten lassen können, jeweils nach dem Streitwert der gesamten Kosten herangezogen zu werden (OLG Köln, MDR 1974, 53). Das Kostenrisiko könnte damit für den Bauherrn größer sein, als wenn er den Architekten und die Bauhandwerker getrennt voneinander verklagen würde; die Nebenintervention würde damit kostenmäßig bedeutsamer werden können als die Hauptsache des jeweiligen Nebenintervenienten (vgl. OLG Köln aaO). Es ist auch kein überzeugender Grund ersichtlich, von den allgemeinen Grundsätzen des Streitwertrechts abzuweichen und den Streitwert nicht nach dem gemäß § 3 ZPO maßgebenden Interesse, sondern nach dem bloßen Wortlaut des Antrags zu bestimmen (vgl. OLG Köln, MDR 2004, 1025, zitiert nach juris). Bei der gebotenen sach- und interessengemäßen Auslegung ist ein solcher Antrag selbst ohne ausdrückliche Beschränkung dahin zu verstehen, dass der Streithelfer die Partei nur insoweit unterstützt, als sein eigenes Interesse betroffen ist (vgl. OLG Köln a.a.O.). Dies gilt umso mehr, als die Antragstellung des Streithelfers ohne eigenständige Bedeutung ist; sie wirkt sich nicht auf den Streitgegenstand aus, sondern verdeutlicht allein die Unterstützung der Hauptpartei (vgl. OLG Köln a.a.O.). Auch kann nicht in der Auffassung gefolgt werden, dass der Streithelfer am Prozess in dem gleichen Umfang beteiligt sei, wie die Partei, der er beigetreten ist. Denn die gerichtliche Entscheidung ergeht weder für noch gegen den Nebenintervenienten; ihm wird in bezug auf den Streitgegenstand des Prozesses weder ein Anspruch zuerkannt noch versagt (Vgl. OLG Koblenz, 12 W 719/76, zitiert nach juris). Auch der Umstand, dass der Streithelfer befugt ist, Rechtmittel gegen die gerichtliche Entscheidung einzulegen, rechtfertigt die andere Auffassung noch nicht. Denn hierbei handelt es sich um eine Ausnutzung der prozessualen Möglichkeiten, die ein Streithelfer besitzt. Wenn er von ihr Gebrauch macht und den Rechtsstreit allein weiterführt, und nunmehr durch seinen Antrag allein das Entscheidungsprogramm bestimmt, so begegnet es keinen Bedenken, bei der Kostenentscheidung und der Streitwertbemessung ihn gleichsam an die Stelle der Partei treten zu lassen. Doch kann dieser Ausnahmefall nicht Grundlage für das Verständnis aller übrigen, anders gelagerten Fälle der Nebenintervention sein, in denen die Hauptpartei den Rechtsstreit selbst führt (OLG Koblenz, 12 W 719/76,a.a.O). Etwaige Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Streitwertfestsetzung sind kein überzeugender Grund für die Übernahme des Wertes der Hauptsache.

Es ist daher eine sach- und interessengemäße Auslegung des Interesses der Streitverkündeten an dem Rechtsstreit geboten. Eine Festsetzung des Streitwertes hinsichtlich der Streithelfer zu 1) und 2) auf einen Betrag von 39.000,00 € entspricht insgesamt dem Begehren der Beschwerdeführerin. Es entspricht auch dem Wert der Mängel hinsichtlich derer die Streitverkündeten ganz oder zum Teil in Anspruch genommen zu werden befürchten mussten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 68 Abs.3 GKG, 33 Abs.9 RVG.

Ende der Entscheidung

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