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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 15.06.2009
Aktenzeichen: 15 WF 114/09
Rechtsgebiete: GKG, FamFG


Vorschriften:

GKG § 48 Abs. 2
GKG § 48 Abs. 3
FamFG § 43
Arbeitslosengeld II ist nicht als Einkommen im Sinne von § 48 Abs. 3 S. 1 GKG zu werten.
15 WF 114/09

Beschluss

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig und am 15. Juni 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Streitwertbeschluss vom 03. März 2009 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat durch den angefochtenen Beschluss den Wert des Scheidungsverfahrens auf 3.690 € festgesetzt und dabei nur das Einkommen des Antragsgegners, nicht das von der Antragstellerin bezogene Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 506 € zugrunde gelegt.

Das beanstandet die Beschwerde unter Hinweis auf den Beschluss des 1. Senats für Familiensachen vom 28. Mai 2008 - 8 WF 64/06 - (OLGR 2008, 608 = SchlHA 2008, 319).

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat der Beschwerde mit der Begründung nicht abgeholfen, Arbeitslosengeld II sei kein Einkommen im Sinne des § 48 Abs. 2 und 3 GKG.

Im Hinblick auf die Entscheidung des BGH vom 08. Januar 2008 (FamRZ 2008, 781), die Arbeitslosengeld II als Einkommen bei der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei wertet, hat das Amtsgericht - Familiengericht - auf Unterschiede zwischen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der Streitwertfestsetzung nach § 48 GKG abgestellt. Während es im Prozesskostenhilfeverfahren darum gehe, in welchem Umfang die nach SGB II hilfsbedürftige Person weiterer Unterstützung durch staatliche Hilfe in Form von Prozesskostenhilfe bedürfe, gehe es bei § 48 GKG um die Frage, wie hoch der Streitwert für die Festsetzung der Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren zu bemessen sei; der Streitwert knüpfe an die Leistungsfähigkeit der Parteien an.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Der Senat folgt den Gründen des Nichtabhilfebeschlusses und damit der der Auffassung des 1. Senats für Familiensachen entgegenstehenden überzeugenden Entscheidung des 4. Senats für Familiensachen vom 27. Oktober 2008 - 13 WF 135/08 - (OLGR 2008, 951 = SchlHA 2009, 91).

Ob das Arbeitslosengeld II als Einkommen im Sinne des § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG zu werten ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Die herrschende Meinung lehnt die Einbeziehung mit der Begründung ab, dass das Gesetz hinsichtlich der Berechnung von Gebühren mit der Bezugnahme auf das Einkommen der Eheleute ersichtlich an deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anknüpfe. Damit könnten rein staatliche Sozialleistungen die individuelle Belastbarkeit der Eheleute nicht bestimmen (vgl. die Nachweise in der Entscheidung des 4. Senats für Familiensachen). Die Gegenansicht (vgl. ebenfalls die Nachweise in der o.a. Entscheidung) bezieht das Arbeitslosengeld II in die Bemessung des Streitwerts mit ein, weil der Wortlaut des Gesetzes nicht danach differenziere, aus welcher Quelle das bezogene Einkommen stamme.

Der herrschenden Auffassung ist zu folgen.

Der Wortlaut des § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG gibt keinen Hinweis darauf, aus welcher Quelle "Einkommen" stammen soll oder darf. Betrachtet man den Sinn und Zweck des § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG, sind für die Streitwertbemessung nur diejenigen Einkünfte heranzuziehen, die Ausdruck der Leistungsfähigkeit der Parteien sind. Die Vorschrift beruht erkennbar auf der Zielsetzung, im konkreten Fall die Festsetzung angemessener Gebühren nach sozialen Gesichtspunkten zu ermöglichen, indem die Parteien in Ehescheidungsverfahren je nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen unterschiedlich hohe Gerichtskosten zu zahlen haben. Staatliche Unterstützungsleistungen sind kein Zeichen der Leistungsfähigkeit der Parteien, sondern Ausdruck ihrer Bedürftigkeit Die Definition des Wortes "Einkommen" in § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO darf deshalb nicht für die Auslegung der Streitwertvorschrift herangezogen werden. (vgl. im Einzelnen 4. Senat für Familiensachen, a. a. O. m. z. w. N.).

Gegen die Einbeziehung von Arbeitslosengeld II in den Streitwert spricht schließlich, dass die Festlegung eines Mindestwertes von 2.000 € gem. § 48 Abs. 3 Satz 2 GKG überflüssig wäre. Dagegen kann auch nicht angeführt werden, dass der Grund für den Bedeutungsschwund des Mindeststreitwerts nicht in einer zu weiten Fassung des Einkommensbegriffs liege, sondern darin, dass der Mindestwert von 2.000 € inzwischen weit hinter dem zurückbleibe, was zwei Personen für drei Monate als Einkommensminimum benötigten (so der 1. Senat für Familiensachen, a. a. O.).

Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Rechtsprechung zu § 12 Abs. 2 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung mit § 48 Abs. 3 GKG zum 01. Juli 2004 eine inhaltlich übereinstimmende Neuregelung getroffen. Hätte eine Änderung herbeigeführt werden sollen, so hätte dies in der Gesetzgebung seinen Niederschlag gefunden (4. Senat für Familiensachen, a. a. O. m. w. N.). Selbst in dem zum 01. September 2009 in Kraft tretenden Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen - FamGKG - (Art. 2 des FGG-Reformgesetzes vom 17. Dezember 2008 - BGBl I 2586, 2666) hat der Gesetzgeber in § 43 wiederum den Wortlaut des § 48 GKG übernommen. Demnach ist kein rechtlicher Grund ersichtlich, zumindest aus heutiger Sicht Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld II in die Streitwertbemessung einzubeziehen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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