Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 13.09.2000
Aktenzeichen: 15 WF 140/99
Rechtsgebiete: FGG, BVormVG


Vorschriften:

FGG § 50 V
FGG § 67 III
BVormVG § 1
Wie ein nach § 50 FGG bestellter Verfahrenspfleger zu vergüten ist, der auf Initiative des Gerichts teils außerhalb seines gesetzlichen Aufgabenkreises tätig wurde.

5. Fams, vom 13. September 2000, - 15 WF 140/99/ -,


Beschluss

15 WF 140/99 54 F 277/98 Amtsgericht Kiel

In dem Sorgerechtsverfahren (Aufenthaltsbestimmungsrecht)

betreffend die Kinder

Verfahrenspflegerin und Beschwerdeführerin: Rechtsanwältin

Antragstellerin

weitere Beteiligte:

gegen

Antragsgegner,

hier: Sofortige Beschwerde der Verfahrenspflegerin gegen den die Vergütung festsetzenden Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 4. Juni 1999

hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht und

am 13. September 2000 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 4. Juni 1999 wird dahin abgeändert, dass die der Verfahrenspflegerin aus der Staatskasse zu zahlende weitere Vergütung nebst Aufwendungsersatz auf 581,60 DM festgesetzt wird; im übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.

Die Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren nach einem Wert von 120,08 DM werden der Beschwerdeführerin auferlegt; im übrigen ergeht diese Entscheidung gerichtsgebührenfrei. An den gerichtlichen Auslagen des Beschwerdeverfahrens und den Gerichtskosten erster Instanz hat sich die Beschwerdeführerin mit 17 % zu beteiligen. Außergerichtliche Kosten werden in beiden Rechtszügen nicht erstattet.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf (1.527,70 DM - 826,02 DM =) 701,68 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die der Beschwerdeführerin als Verfahrenspflegerin aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung nebst Aufwendungsersatz in Höhe von 826,02 DM festgesetzt und hierzu im Wesentlichen ausgeführt, der von der Verfahrenspflegerin abgerechnete Zeitaufwand von über 22 Stunden sei überhöht. Wie auch von einem Berufsbetreuer müsse von einer Verfahrenspflegerin erwartet werden, dass sie fiskalische Gesichtspunkte nicht unberücksichtigt lasse. Ihr habe ein detaillierter Bericht des Amtes für Soziale Dienste über die häusliche Situation der Familie zur Verfügung gestanden. Unter Zugrundelegung der daraus folgenden Erkenntnisse - für die Lektüre des Berichts könne fiktiv eine halbe Stunde Zeitaufwand in Ansatz gebracht werden - seien neben den abgerechneten umfangreichen Telefonaten allenfalls zwei Hausbesuche erstattungsfähig. Der von der Verfahrenspflegerin verfasste Bericht vom 19. Februar 1999 sei sehr ausführlich. Ein kürzerer Bericht hätte in einem Zeitraum von zwei Stunden erstellt werden können. Schließlich sei die Beschwerdeführerin dem Kind nicht beigeordnet worden, so dass insoweit von vornherein eine Erstattungsfähigkeit ausscheide.

Hiergegen richtet sich die Verfahrenspflegerin mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses nunmehr eine Vergütung von insgesamt 1.527,70 DM begehrt und hierzu im wesentlichen geltend macht, der angefochtene Beschluss sei schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil nicht der gesetzlich zuständige Rechtspfleger entschieden habe, sondern der Sache nach die Bezirksrevisorin des Landgerichts Kiel. Deren Stellungnahme sei wörtlich übernommen worden. Der Hinweis auf fiskalische Interessen der Landeskasse gehe fehl. Bei der Verfahrenspflegschaft gehe es darum, den "Ausfall" des Sorgeberechtigten zu kompensieren. Die vergütungsfähige Tätigkeit eines Verfahrenspflegers müsse sich an dem gesetzgeberischen Anliegen ausrichten, das mit dem Stichwort "Anwalt des Kindes" umschrieben werden könne. In dieser Funktion dürfe der Verfahrenspfleger das in einer Angstbindung verhaftete oder in einem Loyalitätskonflikt befindliche Kind nicht sich selbst zu überlassen. Vielmehr gelte es, auch diese Verstrickung in das Verfahren einzubringen und den Konflikt dort, wo dies möglich sei, durch Vermittlung zwischen den Beteiligten zu entschärfen. Dies könne nicht durch einfache Wiederholung dessen gelingen, was das Kind in seiner Gewissensnot, in seinen Ängsten und Abhängigkeiten zu äußern in der Lage sei. Vielmehr seien eigene Ermittlungen, Bewertungen und Einschätzungen durch den Verfahrenspfleger unverzichtbar. Gemessen daran sei der abgerechnete Zeitaufwand erforderlich gewesen. Es könne nicht Aufgabe der Verfahrenspflegerin sein, sich - ohne eigene Erkenntnisse - auf den Bericht des Amtes für Soziale Dienste zu verlassen. Es sei zwar richtig, dass sie nicht als Verfahrenspflegerin beigeordnet worden sei. Das Gespräch mit diesem Kind sei jedoch auf Nachfrage und auf Bitten des in der Sorgerechtssache zuständigen Richters erfolgt und zur Abrundung des familiären Bildes notwendig gewesen.

Der Senat hat eine dienstliche Stellungnahme des Richters eingeholt, der die Sache im ersten Rechtszug bearbeitet hat. In dessen dienstlicher Äusserung vom 6. Juli 2000 heißt es:

"Nach Erhalt der Antragsschrift vom 13.11.1998 habe ich mich unmittelbar telefonisch an Frau gewandt und sie um Übernahme der Verfahrenspflegschaft gebeten. Im Hinblick auf die sich aus dem Bericht des ASD ergebende, in hohem Maße problematische Situation in der Familie Handel, erschien aus meiner Sicht eine möglichst umfassende Beleuchtung der Familienverhältnisse geboten. Frau wurde deshalb gebeten, möglichst umfassend das Befinden und die Lebenssituation der Kinder zu ermitteln und das Ergebnis dieser Bemühungen im einzelnen schriftlich darzulegen.

Bis zur Erstellung des schriftlichen Berichtes hatte ich mehrfach telefonischen Kontakt mit Frau die mich absprachegemäß fortlaufend über ihre Bemühungen unterrichtete. Es ging dabei gerade um die Frage, ob eine vorläufige Herausnahme der Kinder aus der Familie vor einer mündlichen Verhandlung erforderlich war.

Da sich bei den Ermittlungen herausgestellt hat, dass dem Kind eine tragende Rolle in der Familie Handel zukam, habe ich Frau gebeten, mit ein Gespräch zu führen. Ich kann insoweit die Ausführungen auf Seite 3 der Beschwerdeschrift (Bl. 41 d. A.) bestätigen."

II.

Die sofortige Beschwerde hat überwiegend Erfolg.

1. Allerdings ist der angefochtene Beschluss entgegen der Beschwerdeführerin nicht verfahrensfehlerhaft zustandegekommen. Der Rechtspflegerin stand es frei, sich der Auffassung der Bezirksrevisorin anzuschließen. Dass die Rechtspflegerin dabei die ihr nach § 9 RPflG aufgegebene Unabhängigkeit aus den Augen verloren hat, lässt sich nicht feststellen. Insbesondere fehlen Anhaltspunkte dafür, dass sich die Rechtspflegerin an die Stellungnahme der Bezirksrevisorin gebunden gefühlt hat oder die Entscheidung sonst auf sachfremden Erwägungen beruht.

2. Die von der Rechtspflegerin vorgenommenen Absetzungen halten der rechtlichen Überprüfung im Lichte der Besonderheiten des Falles überwiegend nicht stand.

a) Der Senat hat mit Beschluss vom 28. Januar 2000 (15 WF 101/99) bereits dargelegt, dass fiskalischen Belangen bei der Vergütungsfestsetzung nach § 1 BVormVG keine eigenständige Bedeutung zukommt, es vielmehr darauf ankommt, ob der (tatsächlich erbrachte) Zeitaufwand zur Wahrnehmung der dem Verfahrenspfleger kraft Gesetzes zugewiesenen Aufgaben erforderlich war. Mit der Einrichtung der Verfahrenspflegschaft soll dem Kind in dem für ihn undurchsichtigen Verfahren eine Person an die Seite gestellt werden, die das Kind im Verfahren begleitetet, die ihm das Verfahren ggf. erläutert, ihm dadurch Ängste nimmt sowie darauf hinwirkt, dass das Verfahren kindgerecht gestaltet und im Hinblick auf das kindliche Zeitgefühl möglichst zügig betrieben wird. Davon abgesehen soll der Verfahrenspfleger nach den gesetzgeberischen Intentionen "parteilicher Vertreter" des Kindes sein und den subjektiven Willen des Kindes im Verfahren zur Geltung zu bringen, damit dieser den Interessen der Sorgeberechtigten gegenübergestellt und in die richterliche Entscheidungsfindung einbezogen werden kann. In diesem Sinne ist der Verfahrenspfleger "Sprachrohr" des Kindes, der dem Gericht die Wünsche und Vorstellungen des minderjährigen so authentisch wie möglich nahezubringen hat.

An dieser Bestimmung des dem Verfahrenspfleger zugewiesenen Aufgabenkreises hält der Senat - auch nach erneuter Überprüfung - fest. Dabei wird nicht verkannt, dass in vielen Fällen der von dem Kind geäußerte Wille nicht unbeeinflusst ist. Doch ist es nicht Sache des Verfahrenspflegers - sieht man von intensiven Gesprächen mit dem Kind selbst ab - durch eigene Ermittlungen im familiären Umfeld des Kindes den "wirklichen" Kindeswillen zu ermitteln. Vielmehr ist der Verfahrenspfleger in solchen Konstellationen gehalten, dem Gericht den geäußerten Kindeswillen zu unterbreiten, auf Bedenken oder Zweifel, die gegen die Authentizität dieses Willens sprechen, hinzuweisen sowie ggf. die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht oder andere geeignet erscheinende Ermittlungen anzuregen.

b) Orientiert man den vergütungsfähigen Aufwand an diesen Kriterien, erscheint der abgerechnete Vergütungsaufwand übersetzt. Jedoch gilt es vorliegend der Besonderheit Rechnung zu tragen, dass die Verfahrenspflegerin ihre umfängliche Tätigkeit nicht nur in Abstimmung und auf Bitten des zuständigen Richters entfaltet hat, sondern dies zudem zu einem Zeitpunkt geschehen ist, in dem die restriktive Auslegung des § 1 BVormVG, die der Senat in dem o.g. Beschluss vorgenommen hat, noch nicht bekannt sein konnte. Auch wenn Art und Umfang des vergütungsfähigen Tätigwerdens eines Verfahrenspflegers - anders als bei einem Sachverständigen, der aufgrund eines (sei es auch fehlerhaften) Beweisbeschlusses tätig wird - nicht der Disposition des die Verfahrenspflegschaft anordnenden Gerichts unterliegt, kommt dem Umstand tragende Bedeutung zu, dass das vom Amtsgericht zugrunde gelegte extensive Verständnis des dem Verfahrenspfleger zugewiesenen Aufgabenkreises bis zu der zwischenzeitlich erfolgten obergerichtlichen Klärung vertretbar war und die Beschwerdeführerin bei dieser Sachlage insoweit Vertrauensschutz beanspruchen kann.

Legt man dies zugrunde, ist die Verfahrenspflegerin bis auf zwei Positionen antragsgemäß zu vergüten:

aa) Soweit das Amtsgericht den Kilometersatz für die im Jahre 1998 aufgewandten Fahrtkosten von 0,52 DM auf 0,40 DM abgesetzt hat, entspricht dies der Rechtslage und wird auch im Beschwerderechtszug von der Verfahrenspflegerin nicht mehr angegriffen.

bb) Soweit die Verfahrenspflegerin für die Abfassung des Schriftsatzes vom 19. Februar 1999 ("Kurzbericht und Stellungnahme") fünf Stunden abrechnet, mag die Verfahrenspflegerin diesen Zeitaufwand tatsächlich benötigt haben; er ist gleichwohl mangels Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG) nicht vergütungsfähig. Entgegen dem Amtsgericht kann dies allerdings nicht damit begründet werden, in zwei Stunden hätte ein kürzerer Bericht erstellt werden können. Abgesehen davon, dass bei Absetzungen mit der Begründung Zurückhaltung geboten ist, der Verfahrenspfleger hätte sich beim Abfassen erforderlicher Stellungnahmen kürzer fassen oder sie gar gänzlich unterlassen müssen - insoweit vermögen nur handgreiflich unsachgemäße Ausführungen Veranlassung zu Beanstandungen geben - , ist die genannte Stellungnahme der Verfahrenspflegerin nach Art und Umfang sachgerecht. Durchgreifende Bedenken ergeben sich jedoch für den geltend gemachten Zeitaufwand von fünf Stunden deshalb, weil dieser Zeitaufwand selbst bei Anlegung eines großzügigen Maßstabes unter keinem Gesichtspunkt der vorzunehmenden Plausibilitätskontrolle (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 28. Januar 2000 - 15 WF 101/99) standhält. Ein sorgfältig arbeitender, effektiv den Belangen der minderjährigen Kinder Rechnung tragender und durchschnittlich zügig arbeitender Verfahrenspfleger hätte im konkreten Fall höchstenfalls einen Zeitaufwand von drei Stunden benötigt. Diesen Zeitaufwand legt der Senat im Wege der Schätzung entsprechend § 287 ZPO zugrunde. Dabei hat der Senat insbesondere in Rechnung gestellt, dass vor Abfassung des Schriftsatzes gründliches Aktenstudium und sorgfältige gedankliche Durchdringung geboten war.

cc) Nach allem ist die von der Verfahrenspflegerin entfaltete Tätigkeit wie folgt zu vergüten:

Hausbesuch bei Familie Handel am 30.11.1998, einschl. Fahrtzeit, 7 Stunden 30 Minuten à 75,00 DM 187,50 DM Fahrtkilometer: 22 km zu je 0,40 DM 8,80 DM Hausbesuch bei dem AWO-Kinderhaus am 08.12.1998, einschließlich Fahrtzeit, 3 Stunden 225,00 DM Fahrtkilometer: 20 km á 0,40 DM 8,00 DM Hausbesuch bei der Tagesgruppe am 18.12.1998, einschließlich Fahrtzeit, 2 Stunden 30 Minuten 187,50 DM Fahrtkilometer: 18 km á 0,40 DM = 7,20 DM

Hausbesuch bei Familie Handel mit Einzelgespräch

Michaela und Kindesmutter am 11.01.1999, einschließlich Fahrtzeit, 2 Stunden 20 Minuten á 60,00 DM = 140,00 DM

Fahrtkilometer: 22 km á 0,52 DM = 11,40 DM

Hausbesuch bei Familie Handel mit Einzelgespräch Yvonne einschließlich Fahrtzeit, 2 Stunden am 08.02.1999

120,00 DM

Fahrtkilometer: 22 á 0,52 DM = 11,40 DM

Schriftlicher Kurzbericht mit Stellungnahme vom 19.02.1999 3 Stunden 180,00 DM

Mündliche Verhandlung vom 02.03.1999, einschließlich Fahrtzeit, 2 Stunden 10 Minuten 130,00 DM

Fahrtkilometer: 16 km á 0,52 DM = 8,32 DM

Telefonate in 1998, berechnet nach einem Stundensatz von 75,00 DM (50 Minuten) 62,50 DM

Telefonate in 1999, Berechnet nach einem Stundensatz von DM 60,00 DM (2 Stunden) 120,00 DM

zusammen:

1.407,62 DM

Diese Vergütung ist nicht auf volle zehn Deutsche Pfennige aufzurunden. §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 FGG in Verbindung mit §§ 1908 i, 1835 Abs. 1 Satz 1, 2 Halbsatz BGB verweisen lediglich hinsichtlich der Fahrtkosten auf § 9 ZSEG. Von einer Verweisung auf die auf die Gesamtvergütung abstellenden Vorschrift des § 12 ZSEG hat der Gesetzgeber abgesehen. Zu vergüten bleiben danach unter Berücksichtigung bereits festgesetzter 826,02 DM noch weitere 581,60 DM.

3. Der Kostenausspruch beruht auf § 131 Abs. 1 KostO und § 13 a Abs. 1 FGG, die Festsetzung des Beschwerdewertes auf §§ 131 Abs. 2 und 30 KostO.

Ende der Entscheidung

Zurück