Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 14.11.2006
Aktenzeichen: 15 WF 292/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1601
Zur Darlegung ausreichender Bewerbungsbemühungen durch einen ungelernten, aus dem Ausland stammenden und nicht ausreichend Deutsch sprechenden Beklagten, der auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen wird.
15 WF 292/06

Beschluss

In der Familiensache (Prozesskostenhilfeverfahren)

hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Einzelrichter am 14. November 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der ihm Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neumünster vom 11. August 2006 in der Fassung der teilweisen Abhilfe durch den Beschluss vom 21. August 2006 teilweise geändert.

Dem Beklagten wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. in B. ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er sich gegen einen höheren Unterhaltsanspruch als 110,00 € monatlich verteidigen will.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt.

Gründe:

Der am 20. Oktober 1978 geborene Beklagte ist Ende 2003 aus der Türkei nach Deutschland gekommen und seitdem bis auf kurze Probearbeitsverhältnisse arbeitslos gewesen. Seit März 2006 arbeitet er als Reinigungskraft in einem türkischen Imbiss in B. und verdient 160,00 € monatlich anrechnungsfrei auf das zuletzt in Höhe von 527,00 € bezogene Arbeitslosengeld II.

Die seit Mitte Januar 2006 getrennt lebenden verheirateten Parteien haben eine am 05. März 2005 geborene Tochter, für die die Klägerin, die sie betreut, Unterhalt verlangt.

Nachdem dem Beklagten Prozesskostenhilfe für die erhobene Stufenklage versagt (Beschluss des Einzelrichters des Senats vom 19. Juli 2006 - 15 WF 160/06 - ) und die Auskunftsstufe nach einem Anerkenntnisurteil vom 18. Mai 2006 für erledigt erklärt worden war, hat der Beklagte gegenüber dem Zahlungsbegehren von 199,00 € monatlich ab März 2006 erneut Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung beantragt.

Im Wege der teilweisen Abhilfe seiner gegen die Ablehnung erhobenen sofortigen Beschwerde ist dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 21. August 2006 Prozesskostenhilfe bewilligt worden, soweit er sich gegen einen höheren Unterhaltsanspruch als 160,00 € monatlich verteidigen will.

Die gemäß §§ 127 Abs. 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist in einem weiteren Umfang teilweise begründet. Aufgrund seines mit Schriftsatz vom 10. August 2006 erstmals dargestellten Schul- und Ausbildungsganges ist nunmehr festzustellen, dass der Beklagte die türkische Mittelschule nach der achten Klasse verlassen, ca. vier Jahre ohne Berufsabschluss bei einem auf die Reparatur von Silberschmuck spezialisierten Juwelier gearbeitet hat und dann in diesem Bereich bis zu seiner Einreise nach Deutschland selbstständig tätig war. Der Beklagte dürfte deshalb nur als nach den Maßstäben in Deutschland ungelernte Kraft dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, allerdings mit mehrjährigen Kenntnissen im Bereich der Schmuckreparatur.

Dass er sich vor diesem Hintergrund auch nur ansatzweise ausreichend beworben hat, um eine die Zahlung von Kindesunterhalt sicherstellende Arbeitsstelle zu finden, ist nicht ersichtlich. Der Beklagte hat lediglich 13 Bewerbungen bzw. Absagen für die Zeit vom 09. Mai bis 13. Juni 2006 vorgelegt, die sich auf B. beschränken, inhaltlich wenig aussagekräftig und teilweise ohne vorhergehende Stellenausschreibung erfolgt sind und die sich auf Stellen als Juwelier (!), Reinigungskraft und bei Zeitarbeitsfirmen beschränken.

Soweit der Beklagte sich auf seine unzureichenden Kenntnisse der deutschen Sprache zurückzieht, ist einerseits nicht ersichtlich, welche Bemühungen er nach dem Absolvieren eines sechswöchigen Sprachkurses bei der Wirtschaftsakademie entfaltet hat, um die Sprachkenntnisse deutlich zu verbessern. Der allgemeine Hinweis auf solche Bemühungen im Schriftsatz vom 28. September 2006 reicht nicht.

Andererseits ist nicht dargetan, dass sich der Beklagte auch um Stellen bei türkischen Arbeitgebern mit jedenfalls zum Teil türkischer Kundschaft bemüht hat, die es in Schleswig-Holstein und Hamburg gerichtsbekannt zahlreich gibt.

Bei dieser Sachlage kommt die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Vermittelbarkeit unzureichend Deutsch sprechender Ausländer (Türken) bei deutschen Arbeitgebern und mangelnder Arbeitsstellen mit ausreichenden Verdienstmöglichkeiten bei türkischen Arbeitgebern nicht in Betracht.

Bei ausreichenden Bewerbungsbemühungen und Anstrengungen, die deutsche Sprache zu erlernen, ist es dem uneingeschränkt arbeitsfähigen Beklagten möglich, als ungelernte Kraft im Raume Schleswig-Holstein und Hamburg jedenfalls 1.000,00 € netto monatlich zu verdienen. Über diesen Bereich hinausgehende Bewerbungen dürften dem Beklagten nicht abzuverlangen sein, da ihm der Umgang mit seinem Kind nicht durch weit entfernte Arbeitsstellen erschwert werden darf (vgl. BVerfG, Fam RZ 2006, 469).

Der Beklagte selbst geht von einem durchschnittlichen Bruttostundenlohn von 8,00 € für ungelernte Kräfte aus (unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts Flensburg, FamRZ 2006, 1293, 1294), der einem Nettomonatslohn von 1.000,00 € entspricht. Dass der Beklagte davon einen Abschlag von mindestens 1,50 € brutto macht, weil er nicht über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügt und keinen gehobenen Schulabschluss und keine Lehre hat, ist nicht berechtigt. Auf die Ausführungen oben wird verwiesen.

Bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.000,00 € stünden oberhalb des kleinen Selbstbehalts 110,00 € für den Kindesunterhalt zur Verfügung. Es ist davon auszugehen, dass der Beklagte diesen Unterhalt bei den von ihm abzuverlangenden gehörigen Bemühungen wird zahlen können. Abzüge vom Nettoeinkommen sind nicht vorzunehmen, da keine Belastungen geltend gemacht worden sind. Fahrtkosten bei einer möglichen auswärtigen Arbeitsstelle dürften nicht anfallen, da der Beklagte gehalten ist, eine Wohnung in der Nähe einer Arbeitsstelle im Bereich Schleswig-Holstein / Hamburg zu beziehen.

Da die Beschwerde zumindest in einem weiteren Teil Erfolg hat, ist die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren auf die Hälfte ermäßigt worden.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück