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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 13.11.2008
Aktenzeichen: 16 U 14/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 128
ZPO § 139
Wenn das Gericht aus antragsgemäß beigezogenen Akten einen bisher schriftsätzlich nicht vorgetragenen Sachverhalt durch gezielte Fragen an die Parteien in den Prozess einführt, liegt darin kein Verstoß gegen den Verhandlungs(Beibringungs-)grundsatz (Abgrenzung zu BGH NJW 1994,3295)
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

16 U 14/08

verkündet am: 13. November 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2008 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 19. Dezember 2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von dem Beklagten anteilige Rückzahlung des Kaufpreises aus einem Vertrag über den Kauf eines gebrauchten Porsche 996.

Bezüglich des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die vertraglichen Ansprüche des Klägers verjährt seien. Der Kläger habe bereits aufgrund des fehlgeschlagenen Verkaufs im Jahre 2002 Anlass gehabt, sich Kenntnis über die Herkunft des Fahrzeuges zu verschaffen, was er im Sinne von. § 199 Abs. 1 BGB grob fahrlässig unterlassen habe. Bezüglich der Anfechtung habe der Kläger nicht nachzuweisen vermocht, dass der Beklagte von der Verschmelzung des Porsches Kenntnis gehabt habe; dieser habe den Erwerbsvorgang nachvollziehbar geschildert und könne auch selbst getäuscht worden sein. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Antrag weiter.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn 25.300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2002 sowie weitere 1.196,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. April 2006 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger macht geltend, dass das Landgericht gegen den Beibringungsgrundsatz verstoßen habe. Es habe Erkenntnisse, die es aus dem Studium der beigezogenen Ermittlungsakte erlangt habe, derart in den Prozess eingeführt, dass es eine Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2007 zur Frage des bisher nicht in das Verfahren eingeführten Veräußerungsversuches des Porsches im Jahr 2002 provoziert habe, um dann diese Schilderung des Klägers zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen. Auch habe der Beklagte arglistig unter dem Gesichtspunkt gehandelt, dass er mit dem Hinweis auf einen Eigenerwerb von einem Freund Vertrauen aufgebaut habe.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil alle denkbaren vertraglichen Ansprüche des Klägers jedenfalls gemäß den §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt sind und Bereicherungsansprüche am fehlenden Nachweis der Arglist des Beklagten scheitern.

Zutreffend hat das Landgericht den Eintritt der Verjährung der möglichen Ansprüche des Klägers unter Zugrundelegung des von diesem in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2007 geschilderten Sachverhaltes hinsichtlich des Veräußerungsversuches im Jahr 2002 bejaht. Der Sachverhalt um die Veräußerung im Jahre 2002 ist auch nicht unter Verstoß gegen den Beibringungsgrundsatz in das Verfahren eingeführt worden. Das insoweit von dem Kläger angeführte Urteil des Bundesgerichtshofes vom 9. Juni 1994 (NJW 1994, 3295 f.) ist hier nicht einschlägig. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes bezog sich erkennbar auf die besonderen Umstände eines Urkundenprozesses. Auch die allgemein gehaltenen Ausführungen zur Frage der Zulässigkeit der Beiziehung von Akten gemäß § 432 ZPO und zur Frage, wann die sich aus diesen Akten ergebenen Tatsachen Prozessstoff werden (Juris Abdruck Rn. 21), sind in dem Gesamtkontext des Urkundenprozesses zu sehen. Danach gehören Aktenteile (Urkunden), auf die sich keine Partei erkennbar beruft, nicht zum Prozessstoff.

Anders verhält es sich hier. Der Kläger hatte sich bezüglich des bereits in den Prozess eingeführten späteren Veräußerungsversuches des Porsche im Jahre 2005 ausdrücklich auf die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg (Az.: ...) bezogen. In dieser vom Landgericht dann beigezogenen Ermittlungsakte befindet sich ein Protokoll über die Beschuldigtenvernehmung des Klägers vom 12. April 2006 (...). In diesem Protokoll berichtet der Kläger nicht nur über den Verkaufsversuch im Jahre 2005, sondern in zeitlicher Reihenfolge zunächst über den Verkaufsversuch im Jahre 2002. Somit hat das Landgericht nicht etwa die Umstände der Veräußerung im Jahr 2002 aus eigenem Antrieb als Beweismittel aus der Ermittlungsakte herausgelesen und in den Prozess eingeführt, sondern es hat den Inhalt einer Beiakte, auf die sich der Kläger selbst bezogen hat, zur Kenntnis genommen. Wenn das Gericht aber aus antragsgemäß beigezogenen Akten oder auch aus schriftsätzlich in anderem Zusammenhang vorgelegten Anlagen ergänzenden Sachverhalt erfährt und dies offen legt oder durch gezielte Fragen an die Parteien in den Prozess einführt, ist dies prozessrechtlich nicht zu beanstanden. Ein derartiges Vorgehen stellt keine unzulässige Ausforschung oder einen Verstoß gegen die Parteienhoheit dar, sondern ist Ausfluss der dem Gericht obliegenden Pflicht zur materiellen Prozessleitung (§ 139 ZPO). Erst recht gilt dies, wenn - wie hier - die Partei den ihr vorgehaltenen ergänzenden Sachverhalt uneingeschränkt bestätigt. Dieser Vortrag ist dann unzweifelhaft Parteivortrag geworden. Ein Verwertungsverbot greift insoweit nicht.

Ob der Vortrag des Klägers zu den Vorgängen im Jahre 2002 unstreitig geworden ist oder nicht, kann auf sich beruhen. Bei unstreitig erhobener Verjährungseinrede ist der Klaganspruch - auch was Gegenrechte betrifft - auf der Grundlage des Klägervortrags durchzuprüfen. Wenn diese Prüfung schon zur Unschlüssigkeit des Klägervortrags führt, bleibt der Beklagtenvortrag unberücksichtigt.

Unter Berücksichtigung des ergänzenden Sachvortrags des Klägers hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen, die der Senat sich in vollen Umfang zu Eigen macht, die Voraussetzungen von § 199 Abs.1 Nr.1 und 2 bejaht. Was denkbare Bereicherungsansprüche betrifft, lässt sich Arglist des Beklagten entgegen der Auffassung des Klägers auch dann nicht feststellen, wenn der Beklagte den Geschäftsführer der Firma A, von dem er den Porsche erworben hat, als seinen Freund bezeichnet haben sollte. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger als erfahrener Gebrauchtwagenhändler seine Kaufentscheidung von einer solchen Erklärung abhängig gemacht haben könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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