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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 30.09.2004
Aktenzeichen: 16 W 126/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 43
ZPO § 44
1. Ein Befangenheitsgesuch nach § 42 II ZPO kann auch auf einen "Gesamttatbestand" als Verhalten des abgelehnten Richters im laufenden Verfahren gestützt werden.

2. In diesem Zusammenhang kann auch auf an sich nach §§ 43, 44 IV ZPO verwirkte Ablehnungsgründe zurückgegegriffen werden, sofern der letzte Teilakt noch zulässig vorgebracht werden kann. Gründe, die bereits für sich ein Ablehnungsgesuch tragen könnten bleiben verwirkt.

3. Sämtliche Gründe, die in ihrer Gesamtheit geeignet sind, ein berechtigtes Begangenheitsgesuch zu tragen, sind glaubhaft zu machen.


Beschluss

16 W 126/04

In dem Rechtsstreit

hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 2. September 2004 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 18. August 2004 am 30. September 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist gemäß § 46 Abs. 2 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO. Zwar ist das in § 572 Abs. 1 ZPO geregelte Abhilfeverfahren nicht durchgeführt worden. Dadurch ist der Senat indes nicht gehindert, selbst in der Sache zu entscheiden (Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 542 Rdnr. 4).

Das Landgericht hat das Befangenheitsgesuch gegen die erkennende Einzelrichterin im Ergebnis zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Zwar hat die Beklagte schlüssig ausreichende Gründe behauptet, die geeignet wären, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richterin zu rechtfertigen. Indes sind die behaupteten Tatsachen, die erst in ihrer Gesamtheit geeignet wären, diesen Schluss zu rechtfertigen, in wesentlichen Punkten nicht glaubhaft gemacht worden.

1. Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber, geeignet, ein Ablehnungsgesuch zu rechtfertigen. Dagegen scheiden rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden aus (Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 42 Rn. 9).

Als Ablehnungsgründe kommen alle Fälle unsachlichen und auf Voreingenommenheit oder Willkür hindeutenden Verhaltens des Richters im laufenden Verfahren infrage (a. a. O., Rn. 20).

Wird ein Ablehnungsgesuch auf einen "Gesamttatbestand" des Verhaltens des Richters in dem laufenden Verfahren gestützt, kann entgegen der Ansicht des Landgerichts trotz §§ 43, 44 Abs. 4 ZPO auch auf an sich verwirkte Ablehnungsgründe zurückgegriffen werden, sofern der letzte "Teilakt" in zulässiger Weise vorgebracht werden kann (BPtG GRUR 85, 433, 434; Landgericht Düsseldorf, ZIP 85, 631, 632; OLG Köln OLGR 01, 260). Allerdings darf dies nicht zu einer Umgehung des Verwirkungstatbestandes des § 43 ZPO führen (Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 43 Rn. 8; OLG Frankfurt/M. OLGR 01, 169, 170).

Daraus folgt nach Auffassung des Senats, dass zum einen Ablehnungsgründe nach § 43 ZPO verwirkt sind, die in einer früheren Verhandlung hätten vorgebracht werden können und für sich allein bereits ein begründetes Ablehnungsgesuch getragen hätten. Auszuscheiden haben auch solche Gründe, die gegenüber dem geltend gemachten letzten "Teilakt" einen deutlich gewichtigeren Anhaltspunkt für Voreingenommenheit zu bieten geeignet sind als das zuletzt gerügte Verhalten. Bei gleichwertigen Verhaltensweisen oder bei einem Verhalten, das als solches noch nicht für § 42 Abs. 2 ZPO ausreichen würde, wohl aber in der Zusammenschau mit früheren, nicht gerügten, aber allein auch nicht ausreichenden Gründen, ist die Partei indes durch § 43 ZPO nicht gehindert, auch auf an sich nach § 43 ZPO verwirkte Gründe zur Stützung ihrer auf einen "Gesamttatbestand" gestützten Befangenheitsbesorgnis zurückzugreifen. Diese Einschränkung der Reichweite des § 43 ZPO ist geboten, weil sich berechtigtes Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters auch aus einer Mehrzahl von für sich genommen geringfügigen Indizien aufbauen kann, ohne dass ein besonders auffälliges Fehlverhalten allein für ein begründetes Befangenheitsgesuch vorläge. Auch gegen solche subtilen Formen von Benachteiligungstendenzen müssen sich Parteien wehren können.

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Befangenheitsgesuch der Beklagten schlüssig vorgebracht worden.

a) Das am Schluss des Beweisaufnahmetermins vom 05. August 2004 eingereichte Befangenheitsgesuch ist in zulässiger Weise vor Stellung des Antrages der Beklagten gemäß § 370 Abs. 1 ZPO angebracht worden. Zwar ist dieses Gesuch nur darauf gestützt, die abgelehnte Richterin habe ausdrücklich moralische Zweifel an dem Verhalten der Beklagten geäußert und diese der Beklagten entgegen gehalten. Indes ist die Beklagte nicht gehindert gewesen, weitere Befangenheitsgründe im Schriftsatz vom gleichen Tage, der ersichtlich nach der mündlichen Verhandlung abgefasst worden ist, nachzuschieben. Nach der glaubhaften Behauptung der Beklagten hat sich nämlich die abgelehnte Richterin geweigert, das beabsichtigte Befangenheitsgesuch zu Protokoll zu nehmen. Deshalb musste der Prozessbevollmächtigte der Beklagten das Befangenheitsgesuch, das er in der Verhandlung überreicht hat, handschriftlich abfassen, was notwendiger Weise zu einer Verkürzung der Darstellung der Befangenheitsgründe führen musste. Die prozessuale Vorgehensweise der abgelehnten Richterin, die schon nach Aktenlage als glaubhaft gemacht anzusehen ist, war fehlerhaft. Nach § 160 Abs. 2 ZPO sind in das Protokoll die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung aufzunehmen. Dazu gehören Prozessanträge, also auch Befangenheitsgesuche (Zöller/Stöber, a. a. O., § 160 Rn. 6).

Für solche Prozessanträge gilt § 297 Abs. 1 ZPO nicht (Zöller/Greger, a. a. O., § 297 Rn. 3). Zwar steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob Prozessanträge ins Protokoll aufgenommen werden. Eine Partei hat aber das Recht zu beantragen, einen solchen Befangenheitsantrag ins Protokoll aufzunehmen, § 160 Abs. 4 ZPO. Dieser Antrag hätte nicht abgelehnt werden dürfen, § 160 Abs. 4 S. 2 ZPO. Ein Befangenheitsgesuch kann gemäß § 44 Abs. 1 ZPO nämlich stets auch mündlich in der Verhandlung zu Protokoll vor dem erkennenden Gericht angebracht werden (Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 44 Rn. 1). Zwar ist auch dann der Ablehnungsgrund bereits zu benennen, weil die bloße Erklärung der Ablehnung verbunden mit der Ankündigung, die Begründung nachzureichen, unzulässig ist (a. a. O., Rn. 2). Indes entspricht es der ständigen gerichtlichen Praxis, dem Ablehnenden die nähere schriftliche Ausführung der Begründung eines in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten Ablehnungsgesuchs zu gestatten, sofern überhaupt eine stichwortartige Begründung zu Protokoll angegeben worden ist. Da hier der Beklagten nach ihrer glaubhaften Behauptung eine Anbringung eines Befangenheitsgesuchs zu Protokoll in unzulässiger Weise verweigert worden ist, ist das handschriftliche Befangenheitsgesuch vom 05. August 2004 wie eine Protokollerklärung zu bewerten. Sie war deshalb nicht gehindert, zur näheren Begründung auch weitere, zunächst nicht aufgeführte Gründe für ihr Befangenheitsgesuch nachzuschieben.

b) Folglich gehört zum berücksichtigungsfähigen Vortrag der Beklagten:

Bereits bei der ersten Verhandlung vom 08. Juli 2004 habe die abgelehnte Richterin den Kläger bei der Anhörung der Parteien bevorzugt. Er habe deutlich mehr reden dürfen als die Beklagte. Die abgelehnte Richterin habe schon dort geäußert, einiges spreche für den Vortrag des Klägers, weil die allgemeine Lebenserfahrung den Schluss zulasse, dass Leute im Alter des Klägers keine Schenkungen ohne jede Gegenleistung tätigten. Bei der Protokollierung der Aussage des Zeugen B. habe die abgelehnte Richterin dessen Angabe, er habe keine konkrete Erinnerung an die zeitliche Einordnung eines bestimmten Gesprächsgegenstandes, dahin formuliert, er könne diese Einordnung nicht mit absoluter Sicherheit sagen. Trotz Intervention ihres Prozessbevollmächtigten sei die abgelehnte Richterin nicht bereit gewesen, die Protokollierung zu korrigieren. Nach der Vernehmung des Zeugen Brogmus sei sie, die Beklagte, von der abgelehnten Richterin aufgefordert worden, sich zur Sache zu äußern. Dabei sei sie von der abgelehnten Richterin jäh unterbrochen worden. Mit gesteigerter Lautstärke und in gereiztem Tonfalle habe diese gefragt, warum sie es nicht für selbstverständlich gehalten habe, an den Kläger entsprechende Zahlungen zu leisten, selbst wenn es keine derartige Vereinbarung gegeben habe.

Dagegen ist weitergehender Tatsachenvortrag in der Beschwerdebegründung unbeachtlich. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind die im Befangenheitsgesuch vorgetragenen Ablehnungsgründe, wozu auch die in zulässiger Weise schriftsätzlich nachgereichten Begründungen gehören. Worüber das Landgericht mangels Vortrages nicht zu entscheiden hatte, hat auch der Senat nicht zu befinden (Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 46 Rn. 17).

Folglich ist die neue Behauptung unbeachtlich, bereits nach der Anhörung des Klägers im ersten Termin habe die abgelehnte Richterin, noch bevor sie, die Beklagte, sich habe äußern können, erklärt, sie werde der Klage nach dem Vortrag des Klägers ohne weiteres stattgeben. Sie, die Beklagte, sei von der Richterin danach ständig unterbrochen worden.

Unbeachtlich ist auch die neue Behauptung, der Zeuge B. habe im Rahmen seiner Vernehmung ausdrücklich bekundet, er sei sich nicht sicher, ob es nicht auch sein könne, dass er am Vortage des Gesprächs, an welchem sie, die Beklagte, teilgenommen habe, mit dem Kläger über die Zinsen gesprochen habe und dass hierüber womöglich am Folgetag gar nicht gesprochen worden sei. Davon ist im ersten Rechtszug keine Rede gewesen, zumal sich hierfür im Protokoll der Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte finden. Das Protokoll belegt das Gegenteil.

3. Indes ist es der Beklagten nicht gelungen, wesentliche Behauptungen zu den geltend gemachten Ablehnungsgründen, die nur in ihrer Gesamtheit geeignet wären, ein berechtigtes Gesuch nach § 42 Abs. 2 ZPO zu tragen, glaubhaft zu machen. Zwar beruft sich die Beklagte in zulässiger Weise auf die eidesstattliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten vom 02. September 2004, §§ 44 Abs. 2 S. 1, 294 ZPO.

Der Senat ist jedoch nicht davon überzeugt, dass die dort niedergelegten Tatsachenschilderungen, soweit sie berücksichtigungsfähig sind, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in allen dargelegten Punkten zutreffend sind (zur Glaubhaftmachung: Zöller/Greger, a. a. O., § 294 Rn. 6).

Gegen die Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten den entscheidenden Einzelheiten spricht die dienstliche Äußerung der abgelehnten Richterin vom 11. August 2004. Dagegen sprechen aber auch die Stellungnahmen des Prozessbevollmächtigten des Klägers in seinen Schriftsätzen vom 16. August und 16. September 2004, die die Darstellung der abgelehnten Richterin im Wesentlichen bestätigen.

a) Danach ist nicht glaubhaft gemacht, dass die abgelehnte Richterin der Beklagten den dargelegten Vorhalt in gereiztem und vorwurfsvollem Tonfall mit ganz erheblicher Lautstärke gemacht hat. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Beklagten der der Sache nach im Kern unstreitige Vorhalt in zwar bestimmtem, aber ruhigem Tonfall gemacht worden ist, nachdem sie trotz der für sie negativen Aussage des Zeugen B. weiterhin mit Nachdruck die streitige Zinszahlung in Abrede genommen hatte. Auch spricht alles dafür, dass die beanstandete Frage in dem von der abgelehnten Richterin dargestellten Zusammenhang gestellt worden ist. Das hat auch der Anwalt des Klägers bestätigt.

b) Nicht glaubhaft gemacht ist die Behauptung der Beklagten, bereits im ersten Termin vom 08. Juli 2004 habe die abgelehnte Richterin dem Kläger ein vielfaches der Redezeit gewährt, die der Beklagten zugestanden worden sei. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08. Juli 2004 spricht dagegen. Zwar ist der Protokollabschnitt zu den Äußerungen des Klägers um eine Seite länger als die eineinhalbseitige Protokollierung der Erklärungen der Beklagten. Dafür, dass der Beklagten die Möglichkeit zur Darstellung des Sachverhalts aus ihrer Sicht abgeschnitten worden sein könnte, ist aber nach dem Inhalt des Protokolls nichts ersichtlich. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers gibt an, zwar habe die Anhörung des 87 jährigen Klägers etwas länger gedauert, danach aber sei die Beklagte umfassend angehört worden. Das erscheint glaubhaft.

c) Nicht glaubhaft gemacht ist die Behauptung der Beklagten, die abgelehnte Richterin habe die Vernehmung des Zeugen B. nicht korrekt durchgeführt, indem ihm Formulierungen in den Mund gelegt worden seien, die er so nicht gemacht habe. Sowohl aus der dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richterin als auch aus dem eigenen Schriftsatz der Beklagten vom 16. August 2004 ergibt sich, dass der Anwalt der Beklagten bemüht gewesen ist, den Zeugen auf Feinheiten des Geschehensablaufs festzulegen, wodurch dieser verunsichert worden sein dürfte, so dass die abgelehnte Richterin sich jedenfalls veranlasst sah, einzugreifen. Der Senat hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung in der dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richterin, weil es sich insoweit um eine in der Praxis der Zeugenvernehmung nicht eben seltene Konstellation handelt. Der Anwalt der Beklagten vertritt in dem Schriftsatz vom 16. August 2004 die Ansicht, berechtigt gewesen zu sein, seinen Fragen Einführungen voranzustellen. Dass es dabei zu Beurteilungsunterschieden, was noch der Wahrheitsfindung dient und was schon zur Verunsicherung des Zeugen geeignet ist, zwischen Vorsitzendem und Anwalt kommen kann, liegt auf der Hand. Das letzte Wort hat dabei naturgemäß nach § 136 Abs. 1 ZPO die Vorsitzende. Sie führt die Verhandlung, nicht der Anwalt.

Entscheidend ist bei alledem, dass die schließlich von der abgelehnten Richterin diktierte Formulierung der Antwort des Zeugen von diesen genehmigt worden ist und dem Protokoll nicht zu entnehmen ist, dass der Beklagte einen Antrag nach § 160 Abs. 4 ZPO gestellt hat. Das wird auch nicht behauptet. Deshalb ist es letztlich auch unerheblich, ob die abgelehnte Richterin einen Korrekturwunsch des Anwalts ignoriert hat. Dabei darf nicht übersehen werden, dass der Zeuge die entsprechende Auseinandersetzung unmittelbar erlebt hat und selbst hat entscheiden können, was er als seine Antwort stehen lassen wollte. Mit Parteilichkeit oder Unparteilichkeit des jeweiligen Vorsitzenden haben solche alltäglichen Vorkommnisse bei der Protokollierung von Zeugenaussagen nichts zu tun.

Es geht bei der von der Beklagten als einseitig empfundenen Protokollformulierung im Übrigen nach dem Gesamtinhalt der Aussage des Zeugen B. um eine ganz untergeordnete Nebenfrage, so dass viel dafür spricht, dass die entsprechenden Schilderungen in der eidesstattlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten mehr von dessen subjektiven Eindrücken geprägt sind als eine nüchterne, mit der gebotenen Distanz verfassten Tatsachenschilderung erlaubt hätte.

4. Die als glaubhaft gemacht zu wertenden Tatsachenbehauptungen der Beklagten rechtfertigen das geltend gemachte Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richterin nicht.

a) Die von der abgelehnten Richterin in ihrer dienstlichen Stellungnahme angegebene Äußerung, sie habe im Rahmen der rechtlichen Erörterungen davon gesprochen, die allgemeine Lebenserfahrung spreche dafür, dass die Schenkung des Klägers nicht ohne jede Gegenleistung erfolgt sei, wird von der Beklagten allerdings zu Recht als angreifbar bekämpft.

Es gibt keine solche Lebenserfahrung und eine Schenkung verbunden mit einem Anspruch auf Gegenleistung ist ein Widerspruch in sich. Gemeint war aber ersichtlich eine Schenkung unter einer Auflage, so wie es die Beklagte selbst zunächst auch verstanden hat. Allerdings ist eine Auflage im Rechtssinne nur verbindlich, wenn sie in der Form des § 518 BGB verabredet wird (Palandt/Putzo, BGB, 63. Auflage, § 518 Rn. 1 und 7).

Der Lebenserfahrung entspricht allenfalls, dass alte Menschen mit großzügigen Schenkungen Erwartungen künftiger Zuwendung des Beschenkten verbinden. In diesem Sinne erfolgt eine Schenkung der hier streitgegenständlichen Größenordnung allerdings in aller Regel nicht ohne Erwartung einer "Gegenleistung".

Mag demnach die Äußerung der abgelehnten Richterin in dem ersten Verhandlungstermin bei ihrer rechtlichen Erörterung wenig zielführend gewesen sein, so geht ihre Einschätzung des Prozessstoffes gleichwohl nicht über die gemäß § 139 Abs. 1 ZPO von jedem Richter verlangte Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite hinaus. Dabei geäußerte Auffassungen kann jede Partei als unrichtig bekämpfen, was die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 16. Juli 2004 auch getan hat.

Selbst wenn sich eine Auffassung des Richters danach als korrekturbedürftig herausstellt, rechtfertigt dies kein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters. Wäre es anders, wäre eine umfassende Erörterung der vorläufigen Rechtsauffassung eines Gerichts von vornherein unmöglich. Das widerspräche allen Grundsätzen der Zivilprozessordnung über die Durchführung der mündlichen Verhandlung. Auch die Beklagte selbst hat in ihrem Schriftsatz vom 16. August 2004 auch nicht andeutungsweise die Auffassung der abgelehnten Richterin als Anzeichen für Voreingenommenheit gewertet.

b) Dafür bestand auch kein Anlass, als die abgelehnte Richterin der Beklagten am Schluss des Beweisaufnahmetermins vom 05. August 2004 den bereits dargestellten Vorhalt machte. Dieser Vorhalt ist nämlich in dem Zusammenhang zu werten, wie er in der dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richterin dargestellt ist. Die abweichende Darstellung der Beklagten ist nicht glaubhaft.

Danach hat die Beklagte unstreitig auch nach der Zeugenvernehmung weiterhin bestritten, dass in Gegenwart des Zeugen B. über Zinsen gesprochen worden sei. Erst als sie zusätzlich ausführte, sie wisse nicht, warum sie die Papiere geschenkt erhalten habe, wenn eine Zinsvereinbarung getroffen wäre, hätte sie auch die Zinsen bezahlt, ist der beanstandete Vorhalt erfolgt.

Die Frage, warum sie - wenn sie eine Schenkung erhalten habe, von der sie selbst sage, sie wisse nicht warum -, die Zinsen nicht weitergezahlt habe, nachdem sie anfänglich gezahlt habe, lag bei der gegebenen Prozesslage nahe. Sie stand nach erfolgter Beweisaufnahme, die für die Beklagte ersichtlich negativ ausgefallen ist, mit dem in der vorangegangenen Verhandlung geäußerten Lebenserfahrungssatz in keinerlei Zusammenhang mehr. Auch jedem anderen Richter hätte sich diese Frage, die ersichtlich mit der Rechtslage nichts zu tun hatte, sondern auf den menschlichen Hintergrund des hier zwischen Verwandten entstandenen Rechtsstreits abzielte, aufgedrängt. Die Beklagte selbst hat in der ersten mündlichen Verhandlung vom 08. Juli 2004 den Anknüpfungspunkt für eine solche Frage geliefert. Sie hat dort nämlich erklärt, sie sei mit der Bitte des Klägers nach dem Schenkungstermin, ihm die Zinsen für Januar und Februar zu überlassen, "natürlich einverstanden gewesen, weil er ja nur die Scheine geschenkt hatte". Warum vor diesem Hintergrund die geschilderte Frage der Richterin zu einem Zeitpunkt, in dem die tatsächlichen Fragen nach Beweisaufnahme geklärt waren, einen Grund für Misstrauen in die Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richterin rechtfertigen soll, erschließt sich dem Senat nicht.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Festsetzung eines Beschwerdewertes bedarf es nicht, weil die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 02. September 2004 dem seit dem 01. Juli 2004 geltenden Kostenrecht unterliegt, § 72 Nr. 1 GKG. Für Befangenheitsbeschwerden gilt danach die Festgebühr nach Nr. 1811 des Kostenverzeichnisses zum GKG.



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