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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 31.10.2003
Aktenzeichen: 16 W 145/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 411 IV
ZPO § 485
ZPO § 477
ZPO § 490
ZPO § 492
Zu den rechtlichen Grenzen von Ergänzungsanträgen im selbständigen Beweisverfahren
16 W 145/03

Beschluss

In dem selbstständigen Beweisverfahren

hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 25. August 2003 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Kiel vom 8. August 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht am 31. Oktober 2003 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers nach einem Beschwerdewert von 10.000 € zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 490, 492, 411 Abs. 4, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet, weil das Landgericht im Ergebnis zu Recht den Antrag des Antragstellers, den Sachverständigen aufgrund des Schriftsatzes vom 4. Juni 2003 mit einem weiteren Ergänzungsgutachten zu beauftragen, zurückgewiesen hat.

1. Grundsätzlich ist ein Antragsteller eines selbstständigen Beweisverfahrens berechtigt, dem Sachverständigen Ergänzungsfragen zu einem vorgelegten schriftlichen Gutachten zu stellen und bei Lückenhaftigkeit des Gutachtens ein Ergänzungsgutachten zu beantragen, §§ 490, 492, 411 Abs. 4 ZPO. Dabei ist für Beschränkungen dieses Rechts in der Regel schon deshalb kein Raum, weil der Antragsteller unter den Voraussetzungen der §§ 485, 487 ZPO jederzeit auch eine Erweiterung seiner Beweisanträge herbeiführen könnte.

Allerdings unterliegen die Befugnisse des Antragstellers auch im selbstständigen Beweisverfahren den für jede Beweiserhebung geltenden Grenzen. Diese Grenze ist beim Sachverständigenbeweis überschritten, wenn ein Antragsteller bereits eindeutig beantwortete oder beweisunerhebliche Fragen erneut vom Sachverständigen geprüft sehen will. So liegt der Fall hier.

2. Der Antragsteller wollte aufgrund seines Antrages vom 22. August 2000 geklärt wissen, ob die von ihm behaupteten vier Mängelerscheinungen der von der Gemeinschuldnerin geschuldeten Verfugung der Verblendschalen der 73 Wohneinheiten des Bauvorhabens in H. auf Materialfehler des von der Antragsgegnerin gelieferten Fugenmörtels oder aber auf Verarbeitungsfehler zurückzuführen seien.

Hierzu hat der Sachverständige Dipl.-Ing. W. in seinem ersten Gutachten vom 11. März 2002 eindeutige Feststellungen getroffen. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, die Verfugung sei mangelhaft hergestellt, der Fugenmörtel selbst indes entspreche dem im technischen Merkblatt des Herstellers angegebenen Eigenschaften (Seite 33 des ersten Gutachtens). Die mangelhafte Verfugung sei nicht auf die Qualität des Trockenmörtels zurückzuführen, wie sich auch aus den unterschiedlichen Ergebnissen der Untersuchungen der Sachverständigen B. und S. in den beiden parallelen selbstständigen Beweisverfahren bei den Landgerichten Hamburg und Lübeck ergeben habe. Mit dem Fugenmörtel lasse sich nicht nur unter Labor-, sondern auch unter Baustellenbedingungen eine fachgerechte Verfugung herstellen (S. 52/53 des ersten Gutachtens).

3. Dieses Gutachten hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 13. Juni 2002 angegriffen und beantragt, zu den Einwendungen ein ergänzendes Gutachten einzuholen. Dabei hat der Antragsteller insbesondere auf das Privatgutachten Dr. K. Bezug genommen, aus dem sich ergebe, dass eine verarbeitungsfähige Mörtelmischung, mit der eine fachgerechte Verfugung hätte hergestellt werden können, mit dem gelieferten Trockenmörtel gar nicht zu erzielen sei.

Zu diesen Einwendungen hat der Sachverständige Dipl.-Ing. W.l nach entsprechender Beauftragung durch das Landgericht in seinem zweiten Gutachten vom 21. Januar 2003 Stellung genommen. Er hat zu den jetzt noch streitigen Punkten 8 und 9 des Schriftsatzes des Antragstellers vom 13. Juni 2002 ausgeführt, es komme auch nach den Herstellerrichtlinien nicht auf die angegebene Wassermenge an, die dem Trockenmörtel beizugeben sei, sondern auf die Herstellung der geeigneten Konsistenz der Mörtelmischung vor der Verarbeitung. Hierzu enthalte das technische Merkblatt des Herstellers eine praxisgerechte Anleitung (S. 17/18 des zweiten Gutachtens).

Wollte man indes - so der Sachverständige weiter - die vom Hersteller gemachten Angaben zum Anmachwasser mit den sich hiernach ergebenden Mörtelkonsistenzen vergleichen, müsste man auf einem Prüfstand mindestens vier Musterwände mit Mörtelmischungen unterschiedlicher Konsistenzen herstellen, was dann noch im einzelnen erläutert wird (S. 18/19 des zweiten Gutachtens).

Eben das möchte der Antragsteller jetzt mit seinem Ergänzungsantrag vom 4. Juni 2003 durchgeführt wissen. Der Antragsteller behauptet dabei weiterhin, mit dem streitgegenständlichen Mörtel, von dem nach wie vor noch Restmengen vorhanden sind, lasse sich keine Mörtelmischung herstellen, die einerseits verarbeitungsfähig sei, andererseits bei verarbeitungsfähiger Mischung eine fachgerechte und mangelfreie Verfugung ermögliche.

4. Diesem Ergänzungsantrag brauchte das Landgericht nicht nachzugehen.

Der Antrag zielt nämlich zum einen auf die Klärung von Fragen, auf die es für den Streit der Parteien nicht ankommt. Er zielt zum anderen auf die dritte Befragung des Sachverständigen zu immer derselben Frage, nämlich, ob ein Materialfehler vorgelegen habe. Der Antrag stellt schließlich den unbeachtlichen Versuch dar, den Gegenbeweis zu einer offenkundigen Tatsache anzutreten.

a) Der vom Antragsteller gewünschten Errichtung von vier Musterwänden bedarf es nicht, weil der Sachverständige diese Erwägung nur im Zusammenhang mit einer Überprüfung der Herstellerangaben zum Anmachwasser vorgenommen hat. Das war eine Hilfserwägung, die mit dem Kern des Streits der Parteien nichts mehr zu tun hat. Nach den ohne weiteres nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen kommt es nämlich auf die vom Hersteller gemachten Angaben zur Menge des Anmachwassers nicht an, sondern allein darauf, dass die ausführenden Handwerker vor Beginn der Verfugung eine nach ihrer Konsistenz zur Verarbeitung geeignete Mörtelmischung durch Beifügung von Wasser herstellen.

b) Der Antrag des Antragstellers ist deshalb unbeachtlich, weil der Sachverständige auch in seinem Zweitgutachten die bereits im ersten Gutachten getroffene Feststellung unterstrichen hat, dass mit dem streitgegenständlichen Trockenmörtel auch unter Baubedingungen eine fachgerechte Verfugung hergestellt werden kann. Ein Antrag, einem Sachverständigen zum dritten Mal eine bereits eindeutig beantwortete Frage vorlegen zu lassen, ist rechtsmissbräuchlich (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 411 Rdn. 5 a). Die auch im Ergänzungsantrag wiederholte Behauptung des Antragstellers, es lasse sich nur entweder eine zu weiche, nicht verarbeitungsfähige Mischung oder eine verarbeitungsfähige, aber nicht durchhärtende Mischung herstellen, widerspricht zweimal eindeutig getroffenen Feststellungen.

c) Der Ergänzungsantrag des Antragstellers ist aber auch unbeachtlich, weil er auf einen unzulässigen Antritt des Gegenbeweises für eine offenkundige Tatsache abzielt.

Die genannte Behauptung des Antragstellers könnte nämlich allenfalls dann eine gewisse Plausibilität für sich beanspruchen, wenn der streitgegenständliche Mörtel aus einer Lieferung gestammt hätte, die als Fehlproduktion mit Abweichungen von der vom Hersteller angegebenen Zusammensetzung anzusehen wäre. Das ist nicht der Fall. Die labortechnischen Untersuchungen haben die völlige Übereinstimmung mit dem üblichen Mörtel des Herstellers aus seiner laufenden Produktion ergeben. Damit beruht die Behauptung des Antragstellers auf der schlechterdings nicht nachvollziehbaren Erwägung, handelsüblicher Fugenmörtel lasse sich bei keinem Mischungsverhältnis mit Wasser so anmischen, dass ordnungsgemäße Verfugungen hergestellt werden könnten. Das Gegenteil einer solchen Behauptung ist offenkundig. Offenkundige Tatsachen bedürfen gemäß § 291 ZPO keines Beweises. Daraus folgt zugleich, dass ein Beweisantritt mit dem Ziel, eine offenkundige Tatsache zu widerlegen, unbeachtlich ist (Zöller/Greger, a.a.O. § 291 Rdn. 4). Dieser Grundsatz gilt in gleicher Weise für Anträge und Ergänzungsfragen nach § 411 Abs. 4 ZPO. Auch im selbstständigen Beweisverfahren findet das Antragsrecht seine Grenze an den für die Aufnahme des betreffenden Beweismittels überhaupt geltenden Vorschriften, § 492 Abs. 1 ZPO. Im Ergebnis hat das Landgericht unter den hier gegebenen Umständen den Ergänzungsantrag des Antragstellers auch aus diesem Gesichtspunkt zu Recht zurückgewiesen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Den Beschwerdewert hat der Senat gemäß §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO auf 10.000 € geschätzt, obwohl der Gesamtstreitwert des Selbstständigen Beweisverfahrens deutlich darüber liegen dürfte, was sich aber mangels hinreichender Angaben der Parteien derzeit nicht abschließend beurteilen lässt. Der hier streitige Ergänzungsantrag betrifft nur einen Teilaspekt der Streitproblematik der Parteien, so dass ein niedrigerer Beschwerdewert als der Streitwert des selbstständigen Beweisverfahrens gerechtfertigt erschien.

Ende der Entscheidung

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