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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 30.05.2005
Aktenzeichen: 16 W 47/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 42
Ein grober Verstoß gegen Vorschriften des Verfahrensrechts kann dann ein Befangenheitsgesuch gegen einen Richter begründen, wenn diesem Verstoß bereits weitere fehlerhafte Entscheidungen gegenüber der betroffenen Partei vorausgegangen sind.
16 W 47/05

Beschluss

In dem Rechtsstreit

wegen Richterablehnung

hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 15. April 2005 gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 1. April 2005 am 30. Mai 2005 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Ablehnungsgesuch des Beklagten gegen den Richter am Landgericht X. wird für begründet erklärt.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gemäß § 46 Abs. 2 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO.

Die sofortige Beschwerde ist begründet. Der abgelehnte Richter hat durch sein Verhalten in der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2005 Gründe geliefert, die auch aus der Sicht einer ruhigen und besonnenen Partei in der Lage des Beklagten geeignet sind, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.

Aufgrund des Protokolls dieser Verhandlung in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 7. Februar 2005 steht fest, dass der Richter auf die Rüge des Beklagtenvertreters, die Klage sei nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, Vertagung auf den 24. Januar 2005 beschlossen und verkündet hat.

Damit war der Termin beendet (Zöller/Stöber, ZPO, 25. Auflage, § 227 Rn 3). Jede weitere Prozesshandlung konnte nur noch in dem anberaumten Fortsetzungstermin vorgenommen werden. Mit dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Sinne von § 136 Abs. 4 ZPO hat das nichts zu tun. Eine mündliche Verhandlung kann bekanntlich aus mehreren Terminen bestehen.

Der erlassene Vertagungsbeschluss unterlag nach § 336 Abs. 1 ZPO der sofortigen Beschwerde durch die Klägerin, weil er zugleich die Ablehnung des Antrages auf Erlass eines Versäumnisurteils bedeutete (Zöller/Herget, aaO., § 336 Rn 1).

Weder durfte der abgelehnte Richter nach Beendigung des Termins durch den Vertagungsbeschluss Gegenvorstellungen des Klägers entgegennehmen noch gar seinen Vertagungsbeschluss, ohne dass sofortige Beschwerde eingelegt worden wäre, formlos wieder aufheben.

Richtig ist nur, dass im Einverständnis aller Beteiligten auch ein bereits verkündeter Beschluss bei erkannter offensichtlicher Unrichtigkeit als nicht ergangen behandelt werden kann. Alles andere wäre nur sinnlose Förmelei.

Davon kann hier keine Rede sein. Der Beklagtenvertreter hat sich gerade nicht mit einer Fortsetzung des Termins trotz seiner verkündeten Beendigung einverstanden erklärt.

Damit stellt sich die Vorgehensweise des abgelehnten Richters als ein grober Verfahrensverstoß dar, der jeder ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt und sich so sehr von den Regeln des Zivilprozesses entfernt, dass sich für den Beklagten der Eindruck einer sachwidrig auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängen konnte (Zöller/Vollkommer, aaO., § 42 Rn 24). Dabei ist das Verhalten des abgelehnten Richters in der mündlichen Verhandlung nicht isoliert zu betrachten. Aus der Sicht des Beklagten hat er beharrlich dessen Hinweise auf eine nicht ordnungsgemäße Zustellung einer prozessgemäßen Klage ignoriert.

Es widerspricht allen Gepflogenheiten der Zivilgerichte, nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe Termin anzuberaumen, ohne zuvor Einreichung und Zustellung einer Klageschrift nach Maßgabe des § 253 Abs. 2 ZPO veranlasst zu haben. Durch seine Ladungsverfügung vom 21. Oktober 2004 hat der abgelehnte Richter hiergegen verstoßen. Hierauf vom Beklagten hingewiesen, hat er die "Leistungsklage" vom 11. November 2004 als ordnungsgemäße Klage behandelt und damit beim Beklagten jedenfalls den Eindruck erweckt, zu einer Fehlerkorrektur nicht willig zu sein. Dass der Schriftsatz vom 11. November 2004 keine ordnungsgemäße Klage darstellt und jedenfalls bei Rüge des Gegners auch nicht als solche behandelt werden darf, entspricht einhelliger Ansicht (BGH NJW 1996, 1351).

Wenn nach dieser Vorgeschichte ein derart grober Verfahrensverstoß zu Gunsten der Klägerin erfolgt, wie in der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2005 geschehen, darf auch eine noch so ruhige und besonnene Partei, zu deren Nachteil das gereicht, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters hegen, § 42 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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