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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 30.03.2005
Aktenzeichen: 2 W 11/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1896 Abs. 2 Satz 1
Die Anordnung einer Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge und Unterbringung, die auf eine Unterbringung des außerhalb einer Unterbringung mangels Krankheitseinsicht nicht behandelbaren Betreuten zur Heilbehandlung abzielt, ist nur erforderlich, wenn eine (Zwangs-)Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB überhaupt in Betracht kommt, d. h. diese bei einer vorläufigen Einschätzung erfolgversprechend und nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unumgänglich erscheint, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung abzuwenden.
2 W 11/05

Beschluss

In dem Betreuungsverfahren

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die weitere Beschwerde der Betroffenen vom 27./28. Dezember 2004 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 3. Dezember 2004 und ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 18./21. März 2005 durch die Richter am 30. März 2005 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt.

Der Geschäftswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat die Beteiligte mit Beschluss vom 12. November 2004 für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung zur Betreuerin der Betroffenen bestellt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht mit Beschluss vom 3. Dezember 2004 zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungen der Vorinstanzen wird auf die Beschlüsse vom 12. November 2004 (Bl. 17 d.A.) und 3. Dezember 2004 (Bl. 22 - 25 d.A.) Bezug genommen. Gegen den Beschluss des Landgerichts hat die Betroffene formgerecht weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Die gemäß §§ 20, 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache mit der Maßgabe Erfolg, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen ist. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Das bisher in den Akten dokumentierte Ergebnis der Ermittlungen rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Voraussetzungen des § 1896 BGB für die Bestellung einer Betreuerin für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung derzeit gegeben sind.

Das Landgericht hat zwar rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Betroffene an einer psychischen Krankheit im Sinne des § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB leidet. Als Auswirkung dieser Erkrankung nimmt die Betroffene Schmerzen, Geräusche und Gerüche wahr, die keinen realen Hintergrund haben. Das ergibt sich hinreichend aus dem bereits eingeholten Sachverständigengutachten, dem Bericht der Betreuungsbehörde und dem Ergebnis der Anhörung der Betroffenen. Deshalb bedürfen diese Fragen auch keiner weiteren Aufklärung.

Das Landgericht hat aber nicht hinreichend geklärt, ob eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung auch erforderlich im Sinne des § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB ist. Nach dem bisherigen Akteninhalt kommt eigentlich nur in Betracht, dass die Einrichtung einer Betreuung mit diesen Aufgabenkreisen eine Unterbringung der Betroffenen zur Heilbehandlung (§ 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB) vorbereiten soll. Danach scheint die Betroffene alle Angelegenheiten mit Ausnahme der Behandlung ihrer psychischen Krankheit selbst regeln zu können. Die Hilfe einer Betreuerin kann demnach allenfalls für den Bereich der Behandlung der psychischen Erkrankung erforderlich sein, und diese Behandlung dürfte nach Lage der Dinge nur in einer geschlossenen Einrichtung möglich sein. Nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. D. vom 15. September 2004 (Bl. 6 f d.A.) sind sämtliche Versuche einer freiwilligen Behandlung der Betroffenen gescheitert. Daran dürfte sich auch in Zukunft nichts ändern, weil die Betroffene nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts nicht krankheitseinsichtig ist. Bei dieser Sachlage wäre die Einrichtung einer Betreuung nur dann erforderlich im Sinne des § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB, wenn eine (Zwangs-)Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung überhaupt in Betracht käme. Das lässt sich nach dem bisherigen Akteninhalt jedoch nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen. Die (Zwangs-)Behandlung einer einwilligungsunfähigen und behandlungsbedürftigen Kranken - wie der Betroffenen - in einer geschlossenen Einrichtung darf nur erfolgen, wenn sie verhältnismäßig ist. Diese Frage ist einer strengen Prüfung zu unterziehen, weil die Freiheit der Person ein so hohes Rechtsgut ist, dass sie nur aus besonders gewichtigen Gründen angetastet werden darf (BVerfG NJW 1998, 1774). Auch einer psychisch Kranken muss nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in gewissen Grenzen die "Freiheit zur Krankheit" belassen bleiben; eine Unterbringung zur Heilbehandlung ist deshalb nur zulässig, wenn sie sich als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von einer Kranken abzuwenden (BVerfG aaO; BGH NJW 2001, 888; BayObLG FamRZ 2004, 1135). Der bisherige Akteninhalt lässt indessen nicht hinreichend erkennen, ob der Betroffenen ohne Unterbringung zur Heilbehandlung eine solche gewichtige Schädigung droht. Es fehlt insbesondere an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass durch die Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung etwa eine ansonsten drohende erhebliche Verschlechterung ihres psychischen Gesundheitszustands - wie z.B. eine zunehmenden Chronifizierung ihrer Erkrankung - abgewendet werden könnte. Nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. D. vom 15. September 2004 ist die psychische Krankheit der Betroffenen bereits chronifiziert. Die Sachverständige hat sich nicht dazu geäußert, ob und inwieweit eine Behandlung die Chronifizierung (noch) beeinflussen könnte. Es liegen auch keine ausreichenden Hinweise darauf vor, dass die Betroffene infolge ihrer Erkrankung einer anderen erheblichen Gefahr für ihre Gesundheit ausgesetzt sein könnte. In dem Bericht der Betreuungsbehörde vom 1. November 2004 (Bl. 10 f d.A.) heißt es zwar, die Betroffene gefährde sich extrem durch ihr krankheitsbedingtes Nächtigen im Freien in der Winterzeit. Eine entsprechende Gefährdung ist jedoch schon im Hinblick auf die Jahrszeit derzeit nicht zu gegenwärtigen. Im Übrigen hat das Landgericht auch nicht geprüft, worauf die Betreuungsbehörde ihre Annahme gestützt hat, die Betroffene nächtige in der Winterzeit im Freien. Die Betroffene hat das bestritten (Bl. 19 d.A.), und es ist nicht ersichtlich, auf welchen konkreten Wahrnehmungen welcher konkreten Geschehnisse die abweichende Darstellung der Betreuungsbehörde beruht. Die Frage einer drohenden gewichtigen gesundheitlichen Schädigung bedarf daher der weiteren Aufklärung. Die noch erforderlichen Ermittlungen kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht selbst vornehmen. Deshalb war die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf den §§ 30 f KostO und die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf den §§ 14 FGG, 114 ff ZPO.

Ende der Entscheidung

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