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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 07.06.2007
Aktenzeichen: 2 W 111/07
Rechtsgebiete: ZPO, EuGVVO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
EuGVVO Art. 2 Abs. 1 S. 1
EuGVVO Art. 2 Abs. 1 S. 5
Steht nicht fest, dass eines der Gerichte, die sich für unzuständig erklärt haben, für den Rechtsstreit zuständig ist, so kann eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nicht erfolgen und ist die Vorlage unzulässig.
2 W 111/07

Beschluss

In dem Mahnverfahren

hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts für das Mahnverfahren hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die Vorlage des Amtsgerichts Rendsburg vom 26.04.2007 am 07.06.2007 beschlossen:

Tenor:

Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe:

Mit Antrag vom 30.10.2006, eingegangen bei dem Amtsgericht Eckernförde am 31.10.2006, beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers den Erlass eines Mahnbescheides gegen den in Rumänien wohnenden Antragsgegner. Zur Anspruchsbegründung heißt es in dem Antragsformular:

"Schadensersatz wegen den Vorfällen mit dem Pkw Ford und dem Pkw Mitsubishi im Jahre 2005, gem. Anwaltsschreiben vom 27.09.2006"

Das genannte Anwaltsschreiben war dem Antrag nicht beigefügt.

Mit Verfügung vom 03.11.2006 wies das Amtsgericht den Bevollmächtigten des Antragsstellers auf die Rechtslage hin und teilt mit, dass eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Eckerförde für das Mahnverfahren nicht mit hinreichender Sicherheit erkennbar sei. Dabei fragte es nach, was das "schädigende Ereignis" gewesen sei und wo dieses stattgefunden habe. Eine Reaktion des Bevollmächtigten des Antragstellers auf diese Verfügung findet sich bei der Akte nicht.

Mit Schriftsatz vom 04.01.2007 wies der Bevollmächtigte des Antragstellers darauf hin, dass Rumänien seit dem 01.01.2007 Mitglied der Europäischen Union sei. Nach Prüfung der Rechtslage vermerkte das Amtsgericht Eckernförde am 15.01.2007 Folgendes:

"Rumänien ist seit 01.01.2007 Mitglied der Europäischen Union. Wenn der Antrag am 01.01.2007 oder später eingegangen wäre, wäre das Mahnverfahren nach § 688 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 32 Abs. 1 AVAG zulässig, das Amtsgericht Eckernförde wäre aber wegen der ab 01.11.2006 wirkenden Bestimmung des Amtsgerichts Schleswig als zentrales Mahngericht nicht mehr zuständig.

(...)

Da der Antragsgegner keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, richtet sich die Zuständigkeit für den Erlass des Mahnbescheides nach § 703d ZPO. Die Zuständigkeit für das in § 703d Abs. 2 ZPO aufgeführte streitige Verfahren ergibt sich aus der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.

Nach Artikel 2 und 3 dieser Verordnung und den Ausführungen im Mahnbescheid kommt als ein in Deutschland zuständiges Gericht nur ein in Artikel 5 Nr. 3 oder 4 der Verordnung bezeichnetes Gericht in Betracht. Dafür ist die Kenntnis erforderlich, wo das schädigende Ereignis stattgefunden hat."

Das Amtsgericht ließ dem Bevollmächtigten des Antragstellers den Vermerk zukommen. Der Bevollmächtigte nahm mit Schriftsatz vom 30.01.2007 Stellung, indem er seine Überlegungen zur Rechtslage mitteilte, über die Tatsachengrundlage für den geltend gemachten Anspruch enthält das Schreiben keine Angaben.

Mit Verfügung vom 08.03.2007 hat das Amtsgericht Eckernförde auf Antrag des Bevollmächtigten des Antragstellers das Verfahren an das Amtsgericht Schleswig abgegeben.

Mit Verfügung vom 20.03.2007 hat sich das Amtsgericht Schleswig für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Eckernförde abgegeben.

Mit Verfügung vom 20.04.2007 hat das Amtsgericht Eckernförde die Sache dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht zur Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 ZPO vorgelegt.

Die Vorlage ist unzulässig.

Nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO wird das zuständige Gericht durch das im Rechtszug höhere Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Zwar wäre für die Zulässigkeit der Vorlage unschädlich, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Rechtsstreit handelt, sondern um ein Mahnverfahren und dass mangels Zustellung des Antrags an den Antragsgegner auch eine rechtskräftige Unzuständigkeitserklärung nicht erfolgen konnte. Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bei Mahnverfahren auch vor Erlass eines Mahnbescheides entsprechend anwendbar ist, wenn das zuständige Gericht bestimmt werden soll (vgl. BayObLG DB 2002, 1545 mit ausführlicher Darlegung der Rechtslage; BayObLG NJW-RR 2006, 206; BGH NJW 1993, 2752; BGH NJW 1998, 1322).

Es steht jedoch nicht fest, dass eines der "verschiedenen Gerichte" - hier das Amtsgericht Eckernförde oder das Amtsgericht Schleswig - die sich für unzuständig erklärt haben, für den Rechtsstreit - hier: das Mahnverfahren - auch zuständig sind.

Das Amtsgericht Eckernförde hat die Rechtslage in seinem Vermerk vom 15.01.2007 insoweit treffend wiedergegeben, als es für die Zuständigkeit auf § 703d ZPO abgestellt hat. Nach dieser Vorschrift ist, wenn der Antragsgegner keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, das Amtsgericht für das Mahnverfahren zuständig, das für das streitige Verfahren zuständig sein würde, wenn die Amtsgerichte im ersten Rechtszug sachlich unbeschränkt zuständig wären. Hieraus folgt, dass die Frage, wo der Antragsteller seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, grundsätzlich ohne Belang ist. Da der Antragsgegner seinen allgemeinen Gerichtsstand ohnehin nicht im Inland hat, bleiben zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit zunächst nur die besonderen Gerichtsstände der ZPO.

Hat der Antragsgegner seinen Wohnsitz oder Sitz im Geltungsbereich der EuGVVO, folgt aus Art. 2 Abs. 1 EuGVVO, dass der Antragsgegner nur vor einem nach der EuGVVO zugelassenen Gerichtsstand in Anspruch genommen werden kann. Diese besonderen Zuständigkeiten, die in Artikel 5 EuGVVO geregelt sind, sind enger gefasst als die besonderen Gerichtsstände der ZPO und gehen diesen vor. Damit entfallen mehrere in der ZPO vorgesehene besondere Gerichtsstände (vgl. Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 703d Rn. 2). Die in Art. 5 EuGVVO bestimmten Gerichtsstände sind beispielsweise der Gerichtsstand des Erfüllungsortes, Art. 5 Nr. 1 EuGVVO oder der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Zuständig für das seit dem 1.1.2007 nach § 688 Abs.3 ZPO i.V.m. § 32 Abs.1 AVAG zulässige Mahnverfahren gegen den Antragsgegner wäre das Amtsgericht, bei dem ein solcher besonderer Gerichtsstand, der in der EuGVVO geregelt ist, bestehen würde.

Da die besonderen Gerichtsstände der EuGVVO - wie die besonderen Gerichtsstände der ZPO - an die Sachverhalte anknüpfen, die den geltend gemachten Forderungen zugrunde liegen, kann ohne eine Sachverhaltsdarstellung das zuständige Gericht nicht bestimmt werden.

In der Akte fehlen bisher tragfähige Angaben zu dem dem geltend gemachten Anspruch zugrunde liegenden Sachverhalt. Ob es sich bei dem in dem Antrag genannten "Vorfall" um einen Unfall oder um eine vertragliche Angelegenheit handelt, ergibt sich mit letzter Sicherheit aus der Akte nicht. Soweit das Amtsgericht davon ausgeht, es habe sich um einen Verkehrsunfall gehandelt, ist unklar, woher das Amtsgericht diese Kenntnis nimmt. Noch viel weniger ist klar, falls es sich um einen Unfall gehandelt haben sollte, wo dieser stattgefunden hat. Diese Angabe ist aber zur Bestimmung des nach Artikel 5 Nr. 3 EuGVVO möglicherweise einschlägigen Deliktortes unerlässlich. Aufgrund dieser Unklarheiten lässt sich nicht ersehen, ob das Amtsgericht Eckernförde oder das Amtsgericht Schleswig oder ein drittes Amtsgericht, in dessen Bezirk sich der Unfall möglicherweise ereignet hat, zuständig wäre.

Der Senat kann unter diesen Umständen keine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vornehmen. Da im Verfahren der gerichtlichen Bestimmung keine Amtsermittlung stattfindet - es ist die Pflicht des vorlegenden Gerichts, die maßgeblichen Umstände, die zur Darlegung einer schlüssigen Vorlage erforderlich sind, selbst zu ermitteln -, war die Vorlage des Amtsgerichts Eckernförde als unzulässig zurückzuweisen.

Das Amtsgericht, das die Rechtslage insoweit bereits zutreffend erkannt hat, wird die erforderlichen weiteren Ermittlungen nachzuholen haben, erst wenn geklärt ist, welche Amtsgerichte überhaupt als zuständige Gerichte in Frage kommen, kann eine Zuständigkeitsbestimmung sinnvoll getroffen werden.

Ende der Entscheidung

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