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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 28.07.2000
Aktenzeichen: 2 W 120/00
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 57
AuslG § 64
Stimmt die Staatsanwaltschaft einer sofortigen Abschiebung des in der U-Haft auf seinen bevorstehenden Hauptverhandlungstermin wartenden ausreisepflichtigen Ausländer nicht zu, läßt sich wegen des ungewissen Ausgang des Strafverfahrens nicht feststellen, daß die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten 3 Monate durchgeführt werden kann.

SchlHOLG, 2. ZS. Beschluß vom 28. Juli 2000, - 2 W 120/00 -


Beschluß

2 W 120/00 3 T 311/00 LG Kiel 2 XIV B 22/00 AG Neumünster

In der Abschiebehaftsache

des türkischen Staatsangehörigen ... Justizvollzugsanstalt Neumünster, Boostedter Straße 30, 24534 Neumünster,

- Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte T. Jung, Meyer-Grage und Gübner, Elisabethstraße 59, 24143 Kiel -

beteiligt:

Der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Kiel - Ausländerbehörde -, Fabrikstraße 8, 24099 Kiel,

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 6.7.2000 gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 14.6.2000 durch die Richter Lindemann, Schupp und Stapel am 28.7.2000

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Prozeßkostenhilfegesuch des Betroffenen wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Betroffene, ein Türke kurdischer Volkszugehörigkeit, muß, wie seit 22.7.1999 rechtskräftig feststeht, die Bundesrepublik Deutschland verlassen. Seit August 1999 wechselte der Betroffene jedoch ständig seinen Aufenthaltsort zwischen Kiel und Lübeck, so daß er zunächst nicht zur Ausreise veranlaßt werden konnte. Am 6.5.2000 wurde er wegen unerlaubten Drogenhandels festgenommen und aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Kiel vom 6.1.2000 in Untersuchungshaft genommen. Die gegen ihn erhobene Anklage wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz vom 13.7.1999 wurde am 7.6.2000 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Verfahren eröffnet. Termin zur Hauptverhandlung ist anberaumt auf den 1.8.2000.

Am 29.5.2000 hat das Amtsgericht auf Antrag des Beteiligten vom 22.5.2000 gegen den Betroffenen Abschiebehaft bis zu einem Monat nach Ende der Untersuchungshaft angeordnet. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluß zurückgewiesen, nachdem es zuvor vom zuständigen Staatsanwalt per Fax die Auskunft erhalten hatte, daß im Augenblick nicht gesagt werden könne, ob die Staatsanwaltschaft der Abschiebung zustimmen würde, wenn der Betroffene in den nächsten 3 Monaten oder danach aus der Untersuchungshaft entlassen werden würde. Dabei hat es sich eingehend mit der Entscheidung des Senats vom 6.4.2000 (2 W 45/00, NVwZ Beilage 2000, 87 = SchlHAnz 2000, 163) zur Frage der Zustimmung der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung nach § 64 Abs. 3 AuslG und der Dreimonatsfrist nach § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG auseinandergesetzt und seine davon abweichende Auffassung begründet. Mehr am Rande hat das Landgericht auch ausgeführt, es stehe im vorliegenden Falle außerdem gar nicht fest, ob die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten 3 Monate durchgeführt werden könne, da die Staatsanwaltschaft darüber keine zuverlässige Auskunft geben könne. Schließlich habe der Betroffene die Untersuchungshaft im Sinne des § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG auch zu vertreten. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der weiteren Beschwerde, die er form- und fristgerecht eingelegt hat.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist unbegründet, da die Entscheidung des Landgerichts jedenfalls im Ergebnis nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, §§ 27 FGG, 550, 563 ZPO.

Der Senat sieht im vorliegenden Fall keinen Anlaß, von seiner Auffassung zu §§ 57 Abs. 2 Satz 4, 64 Abs. 3 AuslG in der Entscheidung vom 6.4.2000 abzuweichen. Im Unterschied zu jenem Fall, in dem eine Aufklärung der Fakten für die Frage des § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG noch nicht erfolgt war, die bekannten Indizien vielmehr dafür sprachen, daß die Zustimmung der Staatsanwaltschaft innerhalb von 3 Monaten seit Anordnung der Abschiebehaft bzw. ihrer letzten tatrichterlichen Überprüfung nicht erreichbar sein würde, der Senat deshalb also den angefochtenen Beschluß in jenem Verfahren aufhob und die Sache an das Beschwerdegericht zurückverwies, sieht der Senat im vorliegenden Fall eine Entwicklung, die die nach § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG nötige Feststellung jedenfalls im Zeitpunkt der Landgerichtsentscheidung nicht zuließ und auch zur Zeit der Entscheidung des Senats nicht erlaubt. Das liegt nach Auffassung des Senats allerdings nicht daran, daß die Staatsanwaltschaft im Augenblick nichts zur Frage ihrer Zustimmung zur Abschiebung für den Fall einer Entlassung aus der Untersuchungshaft sagen kann (oder will). Vielmehr ist das Ergebnis der Hauptverhandlung am 1.8.2000 ungewiß. Jedenfalls sind zwei Möglichkeiten denkbar - Einstellung des Verfahrens oder Freispruch -, bei denen die Zustimmung der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung entbehrlich würde, eine Abschiebung also nach den übrigen Gegebenheiten des Falles innerhalb von 3 Monaten durchgeführt werden könnte. Der Senat ist nicht der Auffassung, daß sich der Abschiebehaftrichter in diesem Stadium des Strafverfahrens eine genauere Auffassung über den vermutlichen Verlauf und Ausgang des Strafverfahrens bilden muß. Stellt sich in dessen Verlauf heraus, daß eine Abschiebung vor Ablauf von 3 Monaten nicht in Betracht kommt, muß der Abschiebehaftbefehl aufgehoben werden.

Am Rande sei bemerkt, daß eine Zurechnung des Ermittlungsverfahrens und einer darin angeordneten Untersuchungshaft im Sinne eines Vertretenmüssens nach § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG nach Meinung des Senats nicht in Betracht kommt. Die Kontrollüberlegung, der Betroffene werde freigesprochen, verbietet eine solche Zurechnung auch über das Argument hinaus, daß die Einleitung und der Verlauf eines Ermittlungs- und Strafverfahrens, die die Notwendigkeit des Einverständnisses der Staatsanwaltschaft nach § 64 Abs. 3 AuslG begründen, grundsätzlich nicht zu den Gründen gehören, die der Betroffene eines Abschiebehaftverfahrens zu vertreten hat (OLG Hamm NVwZ-RR 1993, 273).

Ende der Entscheidung

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