Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 04.01.2001
Aktenzeichen: 2 W 130/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 21
BGB § 22
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen von einem nicht wirtschaftlichen Verein ("Verein Kieler Hafenfest")auszugehen ist.

SchlHOLG, 2. ZS, Beschluss vom 04. Januar 2001, - 2 W 130/00 -


Beschluß

2 W 130/00 3 T 196/99 LG Kiel 5 AR 90/98 AG Kiel

In der Vereinsregistersache

betreffend den Verein "Verein Kieler Hafenfest", vertr. d. den Vorsitzenden, - Verfahrensbevollmächtigter: Notar Dr. Cornelius, Hopfenstraße 29, 24103 Kiel -

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 13.7.2000 durch die Richter Lindemann, Schupp und Stapel am 4.1.2001 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Amtsgerichts Kiel vom 22.3.1999 werden aufgehoben.

Die Sache wird an das Amtsgericht Kiel zurückverwiesen mit der Maßgabe, daß von den Bedenken gegen die Nichtwirtschaftlichkeit des Betroffenen abzusehen ist.

Gründe

I.

Unter dem 17.7.1998 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen unter Vorlage von beglaubigter Anmeldung, Protokoll der Gründungsversammlung und Satzung die Eintragung des Betroffenen ins Vereinsregister. In § 2 Abs. 1 der Satzung war als Vereinszweck bestimmt:

"Zweck des Vereins ist die Veranstaltung des Kieler Hafenfestes".

Der Rechtspfleger des Amtsgerichts Kiel beanstandete mit Zwischenverfügung vom 21.7.1998 u. a., daß es sich beim Betroffenen um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb handele. Daraufhin reichte der Verfahrensbevollmächtigte unter dem 16.11.1998 u. a. Protokoll einer außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 11.8.1998 ein, nach dem die Satzung u. a. in § 2 Abs. 1 wie folgt ergänzt worden war:

"Zweck des Vereins ist die Veranstaltung des Kieler Hafenfestes. Dieser Zweck ist nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet und beinhaltet weder eine Gewinnerzielungsabsicht noch eine gewerbliche Tätigkeit."

Mit Zwischenverfügung vom 19.11.1998 hielt der Rechtspfleger des Amtsgerichts jedoch seine Bedenken u. a. gegen die Nichtwirtschaftlichkeit des Betroffenen aufrecht und bat um Darstellung der Tätigkeit des Vereins im einzelnen. Nachdem der Prozeßbevollmächtigte darauf mitgeteilt hatte:

"Der Verein Kieler Hafenfest e. V. veranstaltet ausschließlich das einmal jährlich an drei Tagen im August stattfindende Kieler Hafenfest. Das Fest soll den Kieler Hafen in seiner Bedeutung für die Landeshauptstadt Kiel herausstellen. Der Verein wendet alle erzielten Einnahmen ausschließlich für diese Veranstaltung auf. Sollten Überschüsse erzielt werden, werden diese für Programmpunkte der nächsten Veranstaltung verwendet. Der Verein hat ausschließlich die Veranstaltung selbst und das Ansehen des Kieler Hafens als Zweck, nicht etwa die Förderung von Interessengruppen oder Gewerbetreibenden.", hat das Amtsgericht Kiel den Eintragungsantrag mit Beschluß vom 22.3.1999 zurückgewiesen, weil es zur Überzeugung gelangt war, daß es sich beim Betroffenen um einen wirtschaftlichen Verein im Sinne von § 22 BGB handele, da die Haupttätigkeit (das alljährliche Ausrichten des Kieler Hafenfestes) eine anbietende Tätigkeit an Außenstehende sei. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht komme es nicht an.

Im Verfahren über die sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zunächst eine Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer Kiel eingeholt. Diese hat sich unter dem 2.6.1999 zunächst wie folgt geäußert:

"Wir sind im Ergebnis der Auffassung, daß der oben genannte Verein als wirtschaftlicher Verein im Sinne des § 22 BGB einzustufen ist.

Unabhängig von etwaigen Theoriestreitigkeiten liegt ein wirtschaftlicher Verein immer dann vor, wenn sowohl der Endzweck als auch die eigentliche Tätigkeit des Vereins als wirtschaftlich einzustufen ist. Die Beschwerdeführerin räumt selbst ein, daß sie zur Zweckverfolgung wirtschaftliche Tätigkeiten vornimmt und damit auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist.

Nach unserer Einschätzung kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die ideelle Zielsetzung des Vereins überwiegt. Das Kieler Hafenfest ist eine überwiegend auf Kommerz ausgerichtete Veranstaltung. Der wirtschaftliche Charakter des Vereins wird auch durch die Beteiligung z. B. von Herrn bzw. der Gesellschaft in Fa. WSH Wirtschaftsgesellschaft der Schausteller- und Marktkaufleute Schleswig-Holstein mbH als Gründungsmitglieder des Vereins bestätigt. Mit dem Vereinszweck werden damit in jedem Fall auch wirtschaftliche Bedürfnisse der Mitglieder unmittelbar befriedigt. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dieser Zweck sei nur Mittel zur Förderung oder Unterstützung der idealen Zielsetzung, halten wir nach der tatsächlichen Ausgestaltungsform des Hafenfestes nicht für begründet."

Daraufhin nahm der Betroffene Kontakt mit der Industrie- und Handelskammer auf, um über die Neufassung des Satzungszwecks zu verhandeln. Am 21.7.1999 wurde auf einer weiteren außerordentlichen Mitgliederversammlung u. a. beschlossen:

"§ 2 Abs. 1 der Satzung wurde wie folgt geändert:

(1) Zweck des Vereins ist die Förderung von Kultur durch die Pflege maritimer Tradition der Landeshauptstadt Kiel als Hafenstadt und Marinestandort und die Förderung der Beziehung der Landeshauptstadt Kiel zur Marine- und Seeschiffahrt. Der Zweck des Vereins wird insbesondere durch die Veranstaltung eines jährlich stattfindenden Kieler Hafenfestes verwirklicht, auf dem ein kulturelles, maritimes Programm und die Präsentation der Einrichtungen der Kieler Hafenwirtschaft, Maritimer Vereine und Verbände im Vordergrund steht. Zur Verwirklichung dieses Zwecks erzielte Einkünfte dürfen ausschließlich nur zur Finanzierung des kulturellen Angebots auf dem Kieler Hafenfest dienen."

Unter dem 26.7.1999 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen dem Landgericht mitgeteilt, daß die Industrie- und Handelskammer Kiel nach Abstimmung dieses Wortlauts mit ihm von ihren Bedenken gegen die Eintragungsfähigkeit des Betroffenen Abstand nehmen würde. Dies ließ sich die Beschwerdekammer von der Industrie- und Handelskammer noch direkt bestätigen. Am 2.9.1999 teilte die Industrie- und Handelskammer folgendes mit:

"Wir haben die Aktivitäten des oben genannten Vereins nochmals einer eingehenden Überprüfung unterzogen. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß die Vereinstätigkeiten primär die Zielsetzungen verfolgen, wie sie im inzwischen geänderten § 2 Abs. 1 der Satzung beschrieben sind. Die gesamten Einnahmen des Hafenfestes, die ausschließlich über Schaustellermieten erzielt werden, fließen in das für die Besucher kostenlose Programm des Festes. Gewinne erwirtschaftet der Verein aus dieser Veranstaltung nicht.

Danach können wir nicht mehr ausschließen, daß die Vereinstätigkeiten vom Nebenzweckprivileg erfaßt werden. Unsere Bedenken gegen die Eintragung ins Vereinsregister stellen wir unter diesen Umständen zurück".

Auf weitere Bedenken vom 7.9.1999:

"Allein der Umstand, daß der Verein für sich selbst keine Gewinne erzielt, führt nicht dazu, daß etwaige wirtschaftliche Belange in den Hintergrund treten, zumal der Verein zumindest wirtschaftliche Umsatzprozesse zugunsten seiner Mitglieder fördert. Dies ist umso mehr anzunehmen, als die Gründungsmitglieder selbst Schausteller- bzw. Gewerbetreibende sind. Aus diesem Grunde bedarf es einer weiteren Darlegung der kulturellen Aktivitäten, durch die das Ziel des Vereins erreicht werden soll. Auch bedarf es einer Angabe zum Umfang des kulturellen Anteils an der Veranstaltung".

antwortete die Industrie- und Handelskammer schließlich am 7.2.2000:

"Wir haben die Anmerkung des Gerichts, die Gründungsmitglieder des oben genannten Vereins seien selbst Schausteller bzw. Gewerbetreibende, zum Anlaß genommen, die Mitgliederstruktur näher zu klären. Danach sind nach unseren Erkenntnissen lediglich die Firma Media Anlagen- und Investitionsgesellschaft mbH, die Firma WSH Wirtschaftsgesellschaft der Schausteller und Marktkaufleute Schleswig-Holstein mbH, der Schausteller sowie der Versicherungsmakler unternehmerisch am Markt tätig. Die weiteren Vereinsmitglieder sind der Nautische Verein zu Kiel e. V. sowie 10 natürliche Personen. Im einzelnen sind dies Frau sowie die Herren. Die Aufstellung zeigt, daß gerade 4 von 15 Mitgliedern eigene gewerbliche Zwecke verfolgen. Aus dem Mitgliederbestand kann daher nach unserer Auffassung keineswegs die Schlußfolgerung gezogen werden, der Verein fördere im wesentlichen wirtschaftliche Umsatzprozesse zugunsten seiner Mitglieder.

Das Ausmaß des maritimen und kulturellen Teils des Hafenfestes wird aus der beigefügten Zusammenstellung anläßlich des Hafenfestes 1999 ersichtlich. Das Veranstaltungsprogramm belegt ein umfangreiches und vielschichtiges Programm, dem als wirtschaftlicher Teil allein die "bunte Meile" an der Kiellinie und der Blücherbrücke gegenübersteht, die von Schaustellern, Kunsthandwerkern und Infoständen gebildet wird.

Wir halten nach allem unsere in der Stellungnahme vom 2.9.1999 geäußerte Einschätzung, daß das Tätigkeitsbild des Vereins vornehmlich ideelle Züge aufweist, aufrecht."

Die Zusammenstellung der kulturellen Aktivitäten umfaßt zwei Seiten und befindet sich auf Blatt 35 und 36 d. A.

Am 13.7.2000 hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluß die sofortige Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Bei dem Betroffenen handele es sich um einen sogenannten wirtschaftlichen Verein im Sinne von § 22 BGB, weil sein Hauptzweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sei.

Dieser Beurteilung - der die von Literatur und Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Abgrenzung von Idealverein und Wirtschaftsverein zugrunde lägen - stünde nicht entgegen, daß der Betroffene keine unmittelbaren Gewinne für seine Mitglieder erziele, sondern alle Einnahmen für die Organisation des Hafenfestes verwende oder bei Auflösung der Landeshauptstadt Kiel zur Verwendung für gemeinnützige Zwecke zukommen lasse.

Mit der Organisation des Kieler Hafenfestes betreibe der Betroffene genossenschaftliche Kooperation. Mit dem Fest würde nämlich den kommerziellen Anbietern (Schaustellern usw.) eine weitere Möglichkeit zur Geschäftstätigkeit geboten. Dies beträfe einen Großteil der Gründungsmitglieder, die diese Tätigkeit sonst im eigenen Geschäftsbetrieb organisieren müßten. Die kulturellen Teile der Veranstaltung dienten lediglich einer verkaufsfördernden Atmosphäre.

Der Betroffene komme auch nicht in den Genuß des Nebenzweckprivilegs. Der unternehmerische Teil des Geschäftsbetriebs sei dem kulturellen nicht eindeutig untergeordnet. Vielmehr hätten die Stände und Buden, die der Verköstigung der Besucher dienten, einen solchen Umfang, daß von einer Unterordnung unter den kulturellen Teil der Veranstaltung nicht die Rede sein könne.

II.

Diese Ausführungen halten der durch die zulässige sofortige weitere Beschwerde veranlaßten Rechtsprüfung nicht stand, d. h. die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer unrichtigen Anwendung der §§ 21, 22 BGB (§§ 27 FGG, 550 ZPO).

Der Senat folgt bei der Auslegung dieser Vorschrift und bei der mit ihr zu leistenden Abgrenzung der beiden Vereinsformen - äußerlich wie das Landgericht - der herrschenden von K. Schmidt begründeten typologischen Methode (Palandt-Heinrichs, 60. Aufl., Rn. 2 ff zu § 21 BGB m. w. N.). Sie hat den Zweck dieser Vorschrift, nämlich die Sicherheit des Rechtsverkehrs, insbes. den Gläubigerschutz (BGHZ 85, 84, 88 ff), zur Grundlage (K. Schmidt, Rechtspfleger 1988, 45 ff). Danach kommen Vereine mit planmäßigem Angebot wirtschaftlicher Leistungen am Markt gegen Entgelt, solche mit unternehmerischer Tätigkeit an einem inneren (aus den Mitgliedern bestehenden) Markt und Vereine, die genossenschaftliche Kooperation betreiben, also von ihren Mitgliedern mit ausgegliederten unternehmerischen Teilaufgaben betraut werden, grundsätzlich für eine Eintragung als Idealvereine nicht in Betracht. Sie sind auf die Formen der Kapitalgesellschaft oder der Genossenschaft mit ihren in erster Linie dem Gläubigerschutz dienenden zwingenden Vorschriften verwiesen. Der Senat teilt allerdings nicht die Einordnung des Betroffenen unter den Betrieb einer genossenschaftlichen Kooperation durch das Landgericht. Die Liste der Gründungsmitglieder, auf die das Landgericht zutreffend abstellt, gibt nichts dafür her, daß mehr als 2 Mitglieder Interesse am Anmieten von Stellflächen gerade für das Hafenfest hätten. Das weitere Kaufleute zu den Gründungsmitgliedern gehören, läßt keinen Schluß auf gerade dieses Interesse zu.

Andererseits sind Vereinsziele und tatsächliche Tätigkeit mit der Vermietung von Stellplätzen an Schausteller in beträchtlichem Umfang unzweifelhaft als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu definieren. Dies ist allerdings dann eintragungsunschädlich, wenn die unternehmerische Tätigkeit als Nebenzweckverfolgung in den Dienst des Hauptzwecks gestellt ist (so K. Schmidt aaO. S. 46) oder wenn die unternehmerische Tätigkeit zur Erreichung der ideellen Ziele entfaltet wird, sofern sie dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung ist (so BGH aaO. S. 93). Das hat grundsätzlich das Landgericht auch nicht verkannt. Der Senat ist jedoch - anders als das Landgericht - der Auffassung, daß sich anhand der festgestellten Fakten, insbesondere angesichts der Mitgliederstruktur und des Kulturprogramms und seiner Elemente, - und unabhängig von einer möglicherweise feststellbaren genauen Zahl an Verkaufsbuden oder auch von der genauen Höhe der Mieteinnahmen und der Ausgabenstruktur des Vereins - das Urteil rechtfertigt, dass die Veranstaltung dieses Hafenfestes mit den in der Satzung beschriebenen Zielen und mit dem schon mehrfach durchgeführten Programm in der Hauptsache nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, sondern daß der wirtschaftliche Teil des Hafenfestes nur Nebenzweck ist.

Auch wenn man den gesamten Umfang der organisierten Verkaufstätigkeit für die Durchführung des Hauptprogramms nicht gerade für unentbehrlich hält, steht die Veranstaltung der "Bunten Meile" (mag man sie auch unfreundlich als "Freßmeile" bezeichnen) doch deutlich im Zweckzusammenhang mit dem kulturellen Unterhaltungsprogramm und birgt nach den getroffenen Feststellungen auch keine besonderen Gefahren für die Interessen der Vereinsgläubiger auf diesem Sektor, nämlich der Standplatzmieter (vgl. K. Schmidt aaO. S. 49 linke Spalte).

Ende der Entscheidung

Zurück