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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 20.06.2007
Aktenzeichen: 2 W 134/07
Rechtsgebiete: BGB, StVollzG, MVollzG S-H.


Vorschriften:

BGB § 1896
StVollzG § 138
MVollzG S-H. §§ 2 ff.
Die Erforderlichkeit der Bestellung eines Betreuers mit den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge für einen nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten bedarf im Hinblick darauf, dass die ärztliche Behandlung der Anlasskrankheit dem Krankenhaus obliegt, einer näheren Begründung.
2 W 134/07

Beschluss

In der Betreuungssache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die (sofortige) weitere Beschwerde des Betroffenen vom 6.06.2007 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 21.05.2007 am 20.06.2007 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts vom 21.03.2007 werden unter Zurückweisung der (sofortigen) weiteren Beschwerde im Übrigen insoweit aufgehoben, als die angeordnete Betreuung den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge umfasst.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Betroffene leidet an einer schizoaffektiven Psychose. Er ist seit dem 16.03.2004 nach § 63 StGB in der eingangs genannten Einrichtung untergebracht. Auf Anregung der Klinik vom 28.11.2006 hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen und Einholung insbesondere des schriftlichen Gutachtens der Stationsärztin Dr. W. vom 27.02.2007 den Beteiligten zum (Berufs)Betreuer bestellt mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge und Gesundheitssorge. Ferner hat es für den Bereich der Vermögenssorge einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete (sofortige) Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Gegen den Beschluss des Landgerichts, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 43 bis 51 d.A.), richtet sich die (sofortige) weitere Beschwerde des Betroffenen.

II.

Die (sofortige) weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 69g, 27, 29, 20, 21, 22 FGG).

1. Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Bestellung des Betreuers mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge und die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts richtet, lässt die angefochtene Entscheidung keinen Rechtsfehler erkennen (§§ 27 FGG, 546 ZPO). Der vom Landgericht verfahrensfehlerfrei festgestellt Sachverhalt, an den das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich gebunden ist, rechtfertigt aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung die nach §§ 1896, 1897 und 1903 BGB getroffenen Maßnahmen. Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Betroffenen sind unbegründet. Seine erneute Anhörung im Beschwerderechtszug war nach § 69g Abs. 5 Satz 2 FGG nicht geboten, weil - wie das Landgericht überzeugend ausgeführt hat - er bereits zweimal im ersten Rechtszug angehört worden war und von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren. Das maßgebliche schriftliche Gutachten über den Betroffenen vom 27.02.2007 ist im Auftrag des Amtsgerichts von der Sachverständigen Dr. W. erstattet worden. Wie sich aus dem Gutachten ergibt, hat die Sachverständige, die ihn ohnehin aus der Behandlung auf der Station kannte, mit ihm am 15.02.2007 ein "ausführliches Gespräch" geführt. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Sachverständige von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, ihr Gutachten nicht unbefangen erstellt hat oder ihr die hinreichende Sachkunde gefehlt hat. Dass sie der Klinik angehört, in welcher der Betroffene untergebracht ist, macht ihre Bestellung zur Sachverständigen nicht unzulässig (vgl. § 70i Abs. 2 Satz 2 FGG).

2. Soweit sich das Rechtsmittel gegen den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge richtet, ist es begründet. Insoweit beruht die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG, 546 ZPO). Ihre Begründung und das Sachverständigengutachten vom 27.02.2007, auf das sie sich stützt, lassen nicht erkennen, dass die Bestellung eines Betreuers für diesen Aufgabenkreis erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die ärztliche Behandlung der allein darin erwähnten Anlasskrankheit des Betroffenen obliegt dem psychiatrischen Krankenhaus, in dem der Betroffene untergebracht ist (§§ 136, 138 StVollzG; §§ 2, 3, 4, 5 und 7 MVollzG S-H), hier also der eingangs genannten Einrichtung. Diese hat u. a. nach § 5 Abs. 2 Nr. 1. MVollzG S-H einen Therapieplan über die während des Maßregelvollzugs vorgesehenen therapeutischen Maßnahmen aufzustellen (und zu verfolgen), der insbesondere Angaben über die ärztliche, medizinische, psychiatrisch-psychotherapeutische, pflegerische, soziotherapeutische und heilpädagogische Behandlung des Untergebrachten enthalten soll. In Bezug auf die Anlasskrankheit sehen die maßregelvollzugsrechtlichen Regelungen - wenn auch in differenzierter Weise unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Garantien - ferner die Möglichkeit einer Zwangsbehandlung - das heißt ohne Einwilligung des Betroffenen oder seines gesetzlichen Vertreters - vor (Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 9. Aufl., § 138 Rn. 3; Rinke, Therapeutische Zwangsmaßnahmen beim Maßregelvollzug im psychiatrischen Krankenhaus, NStZ 1988, 10; vgl. auch § 5 Abs. 5 und 6 MVollzG S-H.). Angesichts dessen ist vorliegend nicht aufgezeigt oder sonst ohne weiteres ersichtlich, welche Angelegenheiten der Beteiligte auf dem Gebiet der Gesundheitssorge für den Betroffenen rechtlich besorgen soll. Eine Maßnahme nach § 1906 BGB scheidet von vornherein aus, weil der Betroffene bereits untergebracht ist. Zwar beklagt die Klinik, dass es ihm an der zur Behandlung erforderlichen Compliance fehlt und er insbesondere wegen krankheitsbedingter Einsichtsunfähigkeit in Phasen der Dekompensation die Einnahme von Medikamenten ablehnt. Es ist jedoch nicht dargelegt, wie der Beteiligte im Rahmen der ihm obliegenden rechtlichen Besorgung der Geschäfte (§ 1901 Abs. 1 BGB) hier Abhilfe schaffen kann. Abgesehen davon gewährleistet die Klinik - was auch zulässig und ihre Aufgabe ist - die Medikamenteneinnahme des Betroffenen derzeit dadurch, dass sie die Medikamente "mörsert", wobei ihr der Beteiligte ebenfalls nicht behilflich sein kann. Bei eskalierenden Situationen, die zu verhindern der Beteiligte kaum in der Lage sein wird, kann die Klinik - wie bereits im Januar 2007 geschehen - ohne seine Mitwirkung von ihren Zwangsbefugnissen ("mehrtägiger Einzeleinschluss" - vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 2 MVollzG S-H) Gebrauch machen. Soweit sich die Klinik eine günstige Beeinflussung der Erkrankung des Betroffenen dadurch verspricht, dass seine Vermögensverhältnisse geregelt werden, ist dies nunmehr durch die Betreuung auf diesem Gebiet sicher gestellt.

3. Nach allem kann die angefochtene Entscheidung insoweit keinen Bestand haben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass bisher vom Landgericht nicht angeführte Umstände vorliegen, die auch in Anbetracht der Unterbringung nach § 63 StGB die Anordnung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge für den Betroffenen - zum Beispiel außerhalb der Anlasskrankheit - erforderlich machen. Diese - etwa durch ein weiteres sachdienliches Gutachten - zu ermitteln, ist Aufgabe der Tatsacheninstanz, weshalb insoweit die Zurückverweisung der Sache geboten war.

Ende der Entscheidung

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