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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 15.01.2003
Aktenzeichen: 2 W 140/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1748 III
Die Einwilligung eines Elternteiles in die Annahme seines Kindes kann bei besonders schwerer geistiger Behinderung und darauf beruhender Unfähigkeit zur Pflege und Erziehung auch dann ersetzt werden, wenn das Kind ohne Adoption die bisherige Pflegefamilie verlassen müsste und die Aufnahme in eine andere Pflegefamilie es in seiner Entwicklung ebenso schwer gefährden würde wie eine Heimunterbringung.
Tatbestand:

Die Betroffene wurde am 17.08.1996 als Kind der Beteiligten zu 1. und deren Ehemannes geboren. Unmittelbar nach der Geburt des Kindes stellte sich heraus, daß die Beteiligte zu 1. wegen ihrer geistigen Behinderung und Antriebsschwäche außer Stande war, seine äußere Versorgung sicherzustellen und eine emotionale Beziehung zu ihm aufzubauen. Diese Unfähigkeit hatte bereits dazu geführt, daß ihr für ihr erstes nicht eheliches Kind M nach Einholung von fachpsychologischen Gutachten die elterliche Sorge entzogen worden. Nach Einholung eines weiteren fachpsychologischen Gutachtens entzog das Amtsgericht den Eltern die Personensorge über die Betroffene. Nach wechselndem Aufenthalt - zuletzt in einem Kinderheim - wurde die Betroffene 1997 von den Beteiligten zu 3. als Pflegeeltern aufgenommen. Der Kindesvater gab seine Zustimmung zu einer Adoption der Betroffenen, während die Beteiligte zu 1. eine solche verweigerte.

Der Vormund und die Beteiligten zu 3. Haben einen Antrag auf Ersetzung der Einwilligung der Mutter zur Adoption durch die Beteiligten zu 3. gestellt. In zahlreichen Berichten des Beteiligten zu 2. werden die Verhältnisse für die Betroffene bei den Beteiligten zu 3. als sehr günstig beurteilt, eine Adoption befürwortet und eine Herausnahme der Betroffenen aus der Pflegefamilie als das Kindeswohl schwer gefährdend gewertet. Die Beteiligte zu 1. ist mit dem Verbleib der Betroffenen in der Familie einverstanden, hält indessen ihre Ablehnung der Adoption aufrecht. Das Amtsgericht hat die Einwilligung der Beteiligten zu 1. in die Adoption ersetzt. Am 1.3.2000 ist die Pflegefamilie mit der Betroffenen nach Dänemark umgezogen. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluß hat das Landgericht nach Anhörung der Beteiligten und Einholung einer Auskunft des dänischen Zivilrechtsdirektorats zurückgewiesen.

Das Landgericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen des § 1748 Abs. 3 BGB seien gegeben. Insbesondere sei nach den Auskünften der gemeinsamen zentralen Adoptionsstelle und des Dänischen Zivilrechtsdirektorats nicht gesichert, daß die Betroffene tatsächlich dauerhaft in der Pflegefamilie leben könne, solange es die Beteiligten zu 3. wünschten. Entscheidend dafür sei, daß diese die dänische Staatsangehörigkeit besäßen, das Kind aber nach den vorliegenden Auskünften die deutsche Staatsangehörigkeit behalten werde, sogar wenn ein Namenswechsel möglich wäre. Das bedeute weiterhin, daß ständig erneut ein Aufenthaltsrecht beantragt und gewährt werden müsse. Lediglich, so ergebe sich aus der Auskunft des Zivillrechtsdirektorats, im Falle der Adoption wäre der Aufenthalt endgültig gesichert. Zur Durchsetzung des Kindeswohls sei die Zustimmung der Mutter zu ersetzen.

Gegen den Beschluß des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. Die übrigen Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die dänischen Behörden haben nach Darstellung der Beteiligten zu 3. eine Aufenthalts- und Pflegeerlaubnis für die Betroffene bis zum 20.3.2001 erteilt.

Die sofortige weitere Beschwerde führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Der Senat hat in jenem Beschluss (SchlHOLG vom 24.1.2001 - 2 W 168/00) ausgeführt:

Zutreffend ist das Landgericht - wenn auch stillschweigend - von einem Rechtsschutzbedürfnis des Antrags der Betroffenen ausgegangen. Gemäß Art. 22 Satz 2, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB findet dänisches Recht auf die Kindesannahme Anwendung. Gemäß § 7 Abs. 2 dänisches AdoptionsG vom 7.06.1972 ist die Zustimmung der Beteiligten zu 1. nicht erforderlich, weil sie an der Personensorge nicht beteiligt ist. Nach Art. 23 Abs. 1 EGBGB beurteilt sich jedoch die Zustimmung der Mutter zur Annahme ihres deutschen Kindes nach deutschem Recht, so daß von der Zustimmung oder ihrer Ersetzung nicht abgesehen werden kann. Dementsprechend verlangt das dänische Justizministerium für Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit, daß die Gültigkeit im Heimatstaat des Kindes von einer dortigen Behörde im voraus bestätigt worden ist (Bergman/Ferid, Dänemark, Seite 30). Eine solche Bestätigung liegt offensichtlich mangels Ersetzung der Zustimmung noch nicht vor.

Weiter hat das Landgericht mit Recht angenommen, daß die Beteiligte zu 1. wegen einer besonders schweren geistigen oder seelischen Behinderung zur Pflege und Erziehung der Betroffenen dauernd unfähig ist. An die verfahrensfehlerfrei auf Grund der erwähnten Sachverständigengutachten getroffenen Feststellungen ist der Senat gebunden. Dem ist die anwaltlich vertretene Beteiligte zu 1. auch nicht ernsthaft entgegengetreten.

Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht indessen bejaht, daß die Betroffene bei Unterbleiben der Annahme nicht in einer Familie aufwachsen könne. Dabei geht der Senat - was das Landgericht nicht hinterfragt und geprüft hat - davon aus, daß der Wortlaut der Vorschrift an sich verlangt, daß ohne Annahme nur eine Heimunterbringung in Betracht käme (vgl. BGH NJW 1997,585,586; BayObLG FamRZ 1999, 1688, 1690), diesem Fall jedoch gleichzustellen ist, daß die Herausnahme aus der bisherigen Pflegefamilie und Aufnahme in eine neue Pflegefamilie das Kindeswohl in gleicher Weise schwerwiegend beeinträchtigt wie eine Heimunterbringung. Das ist hier nach den Berichten des Beteiligten zu 2. der Fall, nach denen die Betroffene vollständig in die Familie der Beteiligten zu 3. einschließlich des Sprechens der dänischen Sprache integriert ist und ihre Herausnahme unweigerlich schwere Schäden zur Folge hätte. Das sieht auch die Beteiligte zu 1. ein, die mit dem Verbleiben der Betroffenen bei den Beteiligten zu 3. einverstanden ist. Demnach ist - was das Landgericht auch getan hat - von vornherein lediglich zu prüfen, ob die Betroffene bei Unterbleiben der Annahme nicht in der Familie der Beteiligten zu 3. aufwachsen könnte.

Hierauf geben jedoch die vom Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Auskünfte keine hinreichende Antwort. Im Schreiben der Gemeinsamen Zentralen Adoptionsstelle heißt es, es müsse in Betracht gezogen werden, daß die Betroffene ohne Adoption vermutlich Schwierigkeiten hätte, einen dauerhaften Aufenthaltsstatus in Dänemark zu erhalten. Auf diese bloße Vermutung läßt sich keine erforderliche Gewißheit stützen. Die Auskunft des Dänischen Zivildirektorats beschreibt eingehend die privatrechtliche Stellung eines adoptierten Kindes und eines Pflegekindes, nimmt jedoch zum Aufenthaltsrecht eines Pflegekindes in einer dänischen Pflegefamilie in Dänemark mit keinem Wort Stellung. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß die Betroffene eine - wenn auch wiederholt zu verlängernde - Aufenthaltserlaubnis erhalten und so in der Pflegefamilie aufwachsen kann. Der Ausschluß dieser Möglichkeit muß aber festgestellt werden. Demnach kann die Entscheidung keinen Bestand haben.

Die Sache ist - auch unter Berücksichtigung der im Rechtsbeschwerderechtszug eingegangenen Stellungnahmen des Beteiligten zu 2. und des Vormunds nebst Anlagen - ohne weitere Aufklärung noch nicht zur Entscheidung reif, so daß sie zurückzuverweisen war. Im Vordergrund steht die Frage des Aufenthaltsrechts der Betroffenen. Zwar behaupten die Beteiligten zu 3. daß die angeblich bis 20.03.2001 befristete Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert würde. Dieses Vorbringen bedarf jedoch der Absicherung durch eine geeignete amtliche Auskunft. Die weiteren eingereichten Urkunden sind in dänischer Sprache abgefaßt und ohne deutsche Übersetzung nicht nachvollziehbar. Danach kann eine Rolle spielen und ist gegebenenfalls aufzuklären, ob die Betroffene oder die Beteiligten zu 3. ohne Adoption in Dänemark kein Pflegegeld erhalten können und deshalb der Unterhalt gefährdet ist und ob die Betroffene dort nicht krankenversichert werden kann, so daß wegen des damit verbundenen Risikos ihr Aufwachsen in der Pflegefamilie daran scheitern würde. Letztlich wird gegebenenfalls zu prüfen sein, ob wegen ihres Alters von ca. 4,5 Jahren noch die Anhörung der Betroffenen notwendig ist (vgl. Palandt-Diederichsen, BGB, 60. Aufl., § 1748 Rn. 15 m.w.Nw.).

Das Landgericht hat die Sache durch Einholung einer Auskunft des Königlich Dänischen Generalkonsulats vom 18.04.2002 ergänzend aufgeklärt und die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen. Die erneute sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Nach den Ausführungen des Senats im Beschluß vom 24.01.2001, an die er im weiteren Verfahren grundsätzlich gebunden ist (Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 27 Rn. 60), war noch zu prüfen, ob die Betroffene bei Unterbleiben der Annahme nicht in der Familie der Beteiligten zu 3. aufwachsen könnte. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht dies auf der Grundlage der eingangs genannten Auskunft bejaht. Danach wird die Aufenthaltserlaubnis für die Betroffene - wie auch dem Schreiben der Ausländerbehörde in Kopenhagen vom 8.06.2001 zu entnehmen ist - grundsätzlich nur dann verlängert, wenn eine nach dänischem Recht gültige Adoption vorliegt. Eine deutsche Adoption im vorliegenden Fall werde in Dänemark anerkannt. Die Beteiligten zu 3. haben nachvollziehbar erklärt, daß bisher die Aufenthaltserlaubnis ausnahmsweise nur deshalb jeweils verlängert worden sei, weil das Adoptionsverfahren in Deutschland noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Damit sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Ersetzung der Einwilligung der Beteiligten zu 3. in die Adoption bereits erfüllt. Hiermit weicht der Senat nicht von den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 15.10.1996 (NJW 1997, 585) und des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 15.07.1999 (FamRZ 1999, 1688) ab, so daß eine Vorlage nach § 28 FGG nicht in Betracht kommt. Beide Gerichte haben jedenfalls im Ergebnis ebenfalls maßgeblich darauf abgestellt, ob der Verbleib des zu adoptierenden Kindes in der gegenwärtigen Pflegefamilie gewährleistet sei (BGH a.a.O., S. 586 unter f., BayObLG a.a.O., S. 1690 letzter Absatz vor e.). Das führte im ersten Fall zur Zurückweisung des Rechtsmittels, im zweiten Fall zur Zurückverweisung, um diese Frage zu klären.

Ende der Entscheidung

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