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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 17.02.2006
Aktenzeichen: 2 W 17/06
Rechtsgebiete: EGBGB, FGG, AdWirkG


Vorschriften:

EGBGB Art. 14 Abs. 1
EGBGB Art. 22 Abs. 1
EGBGB Art. 23
FGG § 43b Abs. 2
AdWirkG § 5 Abs. 1

Entscheidung wurde am 20.10.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und die Vorschriften wurden geändert, Stichworte, Sachgebiete, Orientierungssatz und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Das Vormundschaftsgericht, in dessen Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat, ist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AdWirkG nur dann zuständig, wenn sich die Adoption insgesamt und nicht nur in Bezug auf Einzel- oder Vorfragen nach ausländischen Sachnormen richtet. Die Anwendung von ausländischem Recht im Rahmen des Zustimmungserfordernisses nach Art. 23 EGBGB genügt zur Begründung der Zuständigkeitskonzentration nicht.
2 W 17/06

Beschluss

In dem Zuständigkeitsbestimmungsverfahren

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die Vorlage des Amtsgerichts Schleswig vom 20.01.2006 am 01.02.2006 beschlossen:

Tenor:

Zum zuständigen Gericht wird das Amtsgericht Reinbek erklärt.

Gründe:

I.

(Der minderjährige Betroffene und seine Mutter, die Beteiligte zu 2., sind ukrainische Staatsbürger.) Die Ehe der Beteiligten zu 2. mit dem leiblichen Vater des Betroffenen wurde im April 1999 geschieden; die Beteiligte zu 2. erhielt die alleinige elterliche Sorge für das Kind. Im Februar 2001 schloss sie die Ehe mit dem Beteiligten zu 1. Der Betroffene lebte fortan bei den Eheleuten.

Mit notariellem Antrag vom 22.09.2005 beantragte der Beteiligte zu 1. beim Amtsgericht Reinbek die Annahme des Betroffenen als Kind; dieser erteilte seine Einwilligung. Die Beteiligte zu 2. willigte als Ehefrau des Beteiligten zu 1. sowie als Mutter und gesetzliche Vertreterin des Betroffenen ebenfalls in die Adoption ein. Der Vater des Betroffenen hatte bereits mit Einverständniserklärung vom 14.02.2005 zugestimmt.

Das Amtsgericht Reinbek gab die Sache nach Anhörung der Parteien unter Hinweis auf § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG i. V. mit § 5 Abs. 1 Satz 1 Adoptionswirkungsgesetz (AdWirkG) an das Amtsgericht Schleswig ab. Es vertritt die Auffassung, dass im Hinblick auf die erforderliche Zustimmung des Betroffenen und des Kindesvaters ausländische Sachvorschriften zur Anwendung kämen, so dass nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AdWirkG das Amtsgericht Schleswig als Vormundschaftsgericht, in dessen Bezirk das Oberlandesgericht seinen Sitz habe, zuständig sei. Das Amtsgericht Schleswig lehnte die Übernahme des Verfahrens mit Beschluss vom 20.01.2006 ab und legte die Sache dem Senat zur Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit vor. Es ist der Ansicht, dass allein die Anwendung ausländischen Rechts beim Zustimmungserfordernis des Art. 23 EGBGB eine Zuständigkeit des Konzentrationsgerichts nicht begründen könne.

II.

Das Oberlandesgericht ist als gemeinsames nächsthöheres Gericht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 FGG zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen, weil die Amtsgerichte Reinbek und Schleswig zu verschiedenen Landgerichtsbezirken innerhalb des OLG-Bezirks gehören (vgl. Keidel/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 5 Rn. 38). Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung liegen vor; beide Amtsgerichte erachten sich in der Adoptionssache als unzuständig.

1. Zum zuständigen Gericht ist das Amtsgericht Reinbek zu bestimmen. Die Zuständigkeit folgt aus § 43b Abs. 2 Satz 1 FGG. Nach dieser Vorschrift ist in Adoptionssachen grundsätzlich das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Annehmende seinen Wohnsitz (§ 7 BGB) hat. Das ist der Bezirk des Amtsgerichts Reinbek; hier hat sich der räumliche Lebensmittelpunkt des Beteiligten zu 1. bei Beauftragung des Notars mit der Einreichung des Antrags (vgl. § 1752 Abs. 2 Satz 2 BGB) befunden (vgl. BayObLGZ 1984, 289. 290).

2. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Reinbek ist das Amtsgericht Schleswig nicht als Konzentrationsgericht gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 AdWirkG zuständig. Nach dieser Vorschrift entscheidet über Anträge nach §§ 2 und 3 AdWirkG das Vormundschaftsgericht, in dessen Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat. Diese Zuständigkeitskonzentration ist nach Auffassung des Senats aber nur dann einschlägig, wenn sich die Adoption insgesamt und nicht nur in Bezug auf Einzel- oder Vorfragen nach ausländischen Sachnormen richtet. Sie erfasst daher nur solche Fallgestaltungen, in denen Art. 22 Abs. 1 i. V. mit Art. 4 Abs. 1 und 3, Art. 5 Abs. 1 und 2 und Art. 14 Abs. 1 EGBGB auf ausländisches Recht verweist. Die Anwendung von ausländischen Sachvorschriften im Rahmen des Zustimmungserfordernisses nach Art. 23 EGBGB genügt hingegen nicht (OLG Hamm, FamRZ 2003, 1042; OLG Karlsruhe, OLGR 2004, 125; LG Koblenz, FamRZ 2003, 1572; Steiger, DNotZ 2002, 184, 206; tendenziell auch Busch, IPRax 2003, 13, 20). Der in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Gegenansicht, nach welcher die Zuständigkeitskonzentration des § 5 Abs. 1 Satz 1 AdWirkG auch dann zum Tragen kommt, wenn über Art. 23 EGBGB das Heimatrecht des anzunehmenden Kindes anzuwenden ist (OLG Stuttgart, FamRZ 2004, 1124; OLG Zweibrücken, FGPrax 2005, 69), vermag der Senat nicht zu folgen.

3. Für diese Auffassung könnte zwar auf den ersten Blick der Wortlaut des § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG sprechen; jedoch ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Zuständigkeitskonzentration ebenso wie aus der Gesetzeshistorie, dass sie nur dann Platz greift, wenn auf die Adoption insgesamt und nicht nur bei Einzel- oder Vorfragen ausländische Sachnormen zur Anwendung gelangen.

a) Der Wortlaut des § 43 Abs. 2 Satz 2 FGG lässt auch eine weite Auslegung dieser Bestimmung zu. Die Vorschrift ordnet eine Verweisung auf § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AdWirkG für den Fall an, dass "ausländische Sachvorschriften zur Anwendung (kommen)"; eine Differenzierung danach, ob das gesamte Adoptionsverfahren oder nur die erforderliche Zustimmung des Kindes oder seiner Familienangehörigen ausländischem Recht unterliegt, sieht sie indes nicht vor. Gleichwohl gebietet es der Sinn und Zweck der Norm, beide Fallgestaltungen unterschiedlich zu behandeln. Dieser liegt erkennbar darin, für die Feststellung zu den Adoptionswirkungen nach § 2 Abs. 3 AdWirkG eine einheitliche Zuständigkeit zu begründen, um bei Fragen der Anwendung von ausländischem Recht richterlichen Sachverstand an einem bestimmten Gericht innerhalb des OLG-Bezirks zu konzentrieren. Eine solche Feststellung findet aber gar nicht statt, wenn sich der für die Statusänderung maßgebliche Adoptionsvorgang nach deutschem Recht beurteilt und nur bei der Frage der Zustimmung des Kindes oder seiner Angehörigen ausländische Vorschriften zur Anwendung kommen (s. auch Busch, a.a.O.).

b) Diese Auslegung findet auch in den Materialien des Gesetzes zur Regelung von Rechtsfragen auf dem Gebiet der internationalen Adoption und zur Weiterentwicklung des Adoptionsvermittlungsrechts vom 05.11.2001 (BGBl. I S. 2959), dessen Art. 2 das AdWirkG beinhaltet, ihrer Bestätigung. Intention des AdWirkG ist es nach der Begründung des Regierungsentwurfs, "ein gerichtliches Verfahren (zu regeln), um die Anerkennung und die Wirkung einer auf ausländischem Recht beruhenden Annahme eines minderjährigen Kindes im Inland zu klären und dadurch dem Kind die Integration in seine Lebensumwelt zu erleichtern" (BT Drs. 14/6011 S. 46). Eine auf ausländischem Recht beruhende Adoption liegt jedoch nur vor, wenn sich das für die Statusänderung maßgebliche familienrechtliche Grundstatut nach ausländischen Vorschriften bestimmt (so auch LG Koblenz, FamRZ 2003, 1572).

In der Einzelbegründung zu § 1 AdWirkG heißt es sodann:

"Bei dem Adoptionsakt kann es sich um eine ausländische gerichtliche oder behördliche Entscheidung (Dekretadoption) oder um eine inländische Dekretadoption handeln, wenn das deutsche Vormundschaftsgericht seine Entscheidung - insbesondere bei gemeinsamer ausländischer Staatsangehörigkeit der adoptierenden Ehegatten, Artikel 22 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB geltender Fassung - auf fremdes Recht gestützt hat. Es kann sich auch um ein nach ausländischer Sachnormen zu beurteilendes Rechtsgeschäft zwischen den Annehmenden und dem Kind oder dem Inhaber der Sorge (Vertragsadoption) handeln." (BT Drs. 14/6011, S. 46).

Und schließlich formuliert die Einzelbegründung zu § 5 AdWirkG:

"Die Zuständigkeit für Verfahren nach dem Adoptionswirkungsgesetz wird nach Abs. 1 Satz 1 bei einem Amtsgericht (Vormundschaftsgericht) für jeden Bezirk eines Oberlandesgerichts konzentriert. Dies erleichtert es den mit der Materie befassten Richterinnen und Richtern, Erfahrungen zu sammeln, und hat sich bei anderen Verfahrensarten aus dem Bereich des internationalen Kindschaftsrechts (§ 5 Abs. 1 SorgeRÜbkAG) bereits bewährt." (BT-Drs. 14/6011, S. 49).

Offensichtlich ging es den Gesetzesinitiatoren bei der Schaffung der Zuständigkeitskonzentration gerade darum, Vorgänge die den Adoptionsakt als solchen betreffen, an ein zentrales Vormundschaftsgericht zu verlagern. Dann aber hat es für die nach deutschem Recht zu beurteilenden Adoptionsverfahren, bei denen lediglich in einzelnen Fragen ausländisches Recht zu prüfen ist, bei der allgemeinen Zuständigkeit des § 43b Abs. 2 Satz 1 FGG zu verbleiben.

Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof wegen der Abweichung des Senats von den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Stuttgart und Zweibrücken ist nicht geboten, da sie in § 5 FGG - anders als in § 36 Abs. 3 ZPO - nicht vorgesehen ist.

Ende der Entscheidung

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