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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 13.11.2003
Aktenzeichen: 2 W 185/03
Rechtsgebiete: BGB, BSHG, FGG


Vorschriften:

BGB § 1908 i Abs. 1
BGB § 1836 d
BGB § 1836 c Nr. 2
BSHG § 88
FGG § 12
1. Ergeben die Angaben des Betroffenen zur Beurteilung des einzusetzenden Vermögens kein ausreichendes Bild über seine Vermögensverhältnisse, so sind diese von Amts wegen - etwa durch Einholung von Auskünften von Verwandten - aufzuklären.

2. Ist der Betroffene nicht zu einer zumutbaren Veräußerung einer Eigentumswohnung bereit, so muss ein Betreuer grundsätzlich seinen Vergütungsanspruch im Wege der zwangsweisen Verwertung der Eigentumswohnung realisieren


2 W 185/03 2 W 187/03

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss

In der Betreuungssache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. vom 23./24. Oktober 2003 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 7. Oktober 2003 durch die Richter ... am 13. November 2003 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 13. Mai 2003 und 1. September 2003 werden aufgehoben. Die Sachen werden zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1. war bis zum 23. Juni 2003 die Betreuerin des Betroffenen. Am 23. Juni 2003 hob das Amtsgericht die Betreuung wegen Wegfalls ihrer Voraussetzungen auf.

Die Beteiligte zu 1. hat beantragt, für ihre Betreuungstätigkeit in der Zeit vom 1. Februar 2002 bis zum 28. Februar 2003 eine Vergütung in Höhe von 1.150,72 € und für ihre Betreuungstätigkeit in der Zeit vom 28. Februar 2003 bis zum 20. Mai 2003 eine Vergütung in Höhe von 224,75 € gegen die Staatskasse festzusetzen. Das Amtsgericht hat die Vergütungen mit Beschlüssen vom 13. Mai 2003 und 1. September 2003 zwar in beantragter Höhe, aber abweichend von den Anträgen der Beteiligten zu 1. gegen den Betroffenen festgesetzt. Auf die dagegen gerichteten sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 1. hat das Landgericht die angefochtenen Beschlüsse des Amtsgerichts mit Beschluss vom 7. Oktober 2003 geändert und die Vergütungen gegen die Staatskasse festgesetzt. Das Landgericht hat die sofortige weitere Beschwerde zugelassen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungen des Amts- und Landgerichts wird auf die Beschlüsse vom 13. Mai 2003 (Bl. 126 f d.A.), 1. September 2003 (Bl. 143 f d.A.) und 7. Oktober 2003 (Bl. 155 - 161 d. A.) Bezug genommen. Gegen den Beschluss des Landgerichts hat der Beteiligte zu 2. form- und fristgerecht sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Die vom Landgericht zugelassene sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 56 g Abs. 5 Satz 2, 27 Abs. 1, 29 FGG zulässig. Sie hat in der Sache auch Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Die Erstbeschwerden waren allerdings zulässig. Die nach § 20 FGG erforderliche Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1. war gegeben. Die angefochtenen Beschlüsse beeinträchtigten jeweils Rechte der Beteiligten zu 1., weil ihr dadurch die von ihr geltend gemachten Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse aberkannt worden sind. Das Amtsgericht hat zwar zugleich Vergütungen gegen den Betroffenen festgesetzt. Dabei handelt es sich jedoch rechtlich um andere Ansprüche, weil sie anders als die von der Beteiligten zu 1. geltend gemachten Ansprüche nicht gegen die Staatskasse, sondern gegen den Betroffenen selbst gerichtet sind (vgl. §§ 1908 i Abs. 1, 1836 a, 1836 e Abs. 1 Satz 1 BGB).

Die bisherigen Ermittlungen rechtfertigen jedoch nicht die Annahme, dass die Beteiligte zu 1. die begehrten Vergütungen nach den §§ 1908 i Abs. 1, 1836 a BGB aus der Staatskasse verlangen kann. Voraussetzung dafür wäre, dass der Betroffene mittellos im Sinne der §§ 1908 i Abs. 1, 1836 d BGB ist. Es ist jedoch noch nicht hinreichend geklärt, ob der Betroffene die Vergütungsansprüche der Beteiligten zu 1. mit seinem nach den §§ 1908 i Abs. 1, 1836 c Nr. 2 BGB, 88 BSHG einzusetzenden Vermögen erfüllen kann.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Betroffene zum Zeitpunkt der Einleitung des Betreuungsverfahrens noch über ein Vermögen in Höhe von fast 300.000,00 DM verfügt. Dieses Vermögen hätte der Betroffene einzusetzen, wenn er darüber noch verfügte. Das haben Amts- und Landgericht unter Verstoß gegen § 12 FGG nicht hinreichend aufgeklärt. Nach dem Akteninhalt ist bislang lediglich der Betroffene zum Verbleib des Vermögens befragt worden. Seine Angaben dazu begegnen jedoch erheblichen Bedenken. Der Betroffene hat gegenüber der Beteiligten zu 1. angegeben: Seine Eltern hätten ihm das Geld für Notfälle zur Verfügung gestellt; er habe es zwischenzeitlich an seine Eltern zurückgezahlt (Bl. 23 d.A.). Während seiner Anhörung durch die Betreuungsbehörde am 17. April 2000 hat er dagegen erklärt: Die Gelder seien ihm "so nach und nach" leihweise von Verwandten zur Verfügung gestellt worden, da er eigentlich vorgehabt habe, sich "mit einem Buchhandel oder so" selbständig zu machen; dann sei ihm jedoch seine Erkrankung dazwischen gekommen, und er habe das alles nicht geschafft; deshalb habe er die Gelder jetzt an seine Verwandten zurückgezahlt (Bl. 26 d.A.). Diese Angaben sind schwerlich miteinander in Einklang zu bringen. Gegen ihre Richtigkeit spricht im Übrigen auch, dass der Betroffene im Frühjahr 2002 offenbar in der Lage war, ein Hausgrundstück in Lübeck zu kaufen (Bl. 90, 110 f d.A.). Den Kaufpreis will der Betroffene zwar wiederum von seinen Eltern erhalten haben. Es fragt sich jedoch, weshalb er die ursprünglich in seinem Besitz befindlichen fast 300.000,00 DM dann überhaupt jemals an seine Eltern zurückgezahlt haben sollte. Bedenken gegen die Sachdarstellung des Betroffenen ergeben sich ferner daraus, dass er im Februar 2001 über Bargeld in Höhe von 3.400,00 DM verfügt hat, dessen Herkunft die Beteiligte zu 1. nicht in Erfahrung bringen konnte (Bl. 56 f, 62 R.d.A.). Außerdem hat der Betroffene gegenüber der Beteiligten zu 1. erklärt, er habe einem Herrn T. einen "größeren Geldbetrag" geliehen (Bl. 56 d.A.). Auch dessen Herkunft ist ungeklärt. Bei dieser Sachlage liegen genügende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Betroffene entgegen seinen Angaben über erhebliches Vermögen verfügt. Eine weitere Sachaufklärung ist deshalb gemäß § 12 FGG geboten (zur Anwendbarkeit des § 12 FGG bei der Prüfung der Mittellosigkeit vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 1994 - 2 W 161/93, BtPrax 1994, 139; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Auflage, § 56 g FGG Rn. 24). Nach dem Akteninhalt besteht zumindest Veranlassung, Auskünfte der Eltern des Betroffenen über seine Vermögensverhältnisse und die angeblichen Zahlungsvorgänge einzuholen (§§ 56 g Abs. 2 Satz 1 FGG, 118 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Es ist ferner noch nicht ausreichend geklärt, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Betroffene seine Eigentumswohnung in der S.- Straße einzusetzen hat (§§ 1908 i Abs. 1, 1836 c Nr. 2 BGB, 88 BSHG).

Nach dem bisherigen Akteninhalt kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Eigentumswohnung um Schonvermögen im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG handelt. Voraussetzung dafür wäre, dass der Betroffene diese Wohnung - zumindest auch - selbst bewohnt oder wieder bewohnen will. Daran fehlt es jedoch nach dem bisherigen Akteninhalt. Die gegenteilige Annahme des Landgerichts beruht auf einer rechtsfehlerhaften Würdigung der tatsächlichen Umstände. Deshalb ist der Senat an diese Würdigung nicht gebunden (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflage, § 27 Rn. 42 ff). Das Landgericht hat aufgrund der Berichte der Beteiligten zu 1. und der Betreuungsbehörde angenommen, die Eigentumswohnung sei durchaus als "eigene Wohnung" des Betroffenen gedacht; der Betroffene habe dort jedoch krankheitsbedingt phasenweise nicht wohnen können. Nach dem vom Landgericht zitierten Bericht der Betreuungsbehörde vom 17. April 2000 (Bl. 25 - 27 d.A.) hat der Betroffene im Frühjahr 2000 in seiner Eigentumswohnung gelebt und erklärt, er fange an, sich dort wieder einigermaßen wohl zu fühlen. Dabei hat das Landgericht jedoch nicht berücksichtigt, dass der Betroffene - soweit ersichtlich - zumindest seit dem Herbst 2000 (also immerhin schon etwa 3 Jahre lang) nicht mehr in dieser Wohnung gewohnt hat (Bl. 45 d.A.) und dass er nach eigenen Angaben auch nicht mehr darin leben will (Bl. 54 d.A.). Der Betroffene hat mehrfach erklärt, er wolle diese Wohnung vermieten oder verkaufen (Bl. 54, 57, 121, 153 d.A.). Er hat die Wohnung in der Vergangenheit auch bereits vermietet (Bl. 74 d.A.). Bei dieser Sachlage liegen zumindest zurzeit keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass Betroffene seine Eigentumswohnung jemals wieder selbst bewohnen will oder wird.

Nach dem bisherigen Akteninhalt lässt sich auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass es dem Betroffenen unzumutbar wäre, seine Eigentumswohnung zu verkaufen (§§ 1908 i Abs. 1, 1836 c Nr. 2 BGB, 88 Abs. 3 BSHG) und dass der Verkauf nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen könnte. Der Betroffene hat in der Vergangenheit selbst mehrfach seine Verkaufsabsicht geäußert. Wenn er diese Absicht nach wie vor hätte, wäre es ihm grundsätzlich zumutbar, den geplanten Verkauf sofort durchzuführen, um die Vergütungsansprüche der Beteiligten zu 1. erfüllen zu können. Etwas anderes hätte allenfalls dann zu gelten, wenn die Eigentumswohnung so hoch belastet wäre, dass mit einem nennenswerten Verkaufserlös für den Betroffenen nicht zu rechnen wäre. Auch das bedarf indessen der weiteren Aufklärung.

Wenn der Betroffene seine Verkaufspläne dagegen aufgegeben hätte, könnte es ihm im Hinblick auf die relativ geringen Vergütungsansprüche der Beteiligten unter Umständen unzumutbar sein, die Eigentumswohnung zu verkaufen, weil dann eventuell als milderes Mittel eine Vermietung der Wohnung in Betracht käme (§§ 1908 i Abs. 1, 1836 c Nr. 2 BGB, 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG). Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass die Mieteinnahmen zusammen mit den weiteren Einkünften des Betroffenen ein einzusetzendes Einkommen (§§ 1908 i Abs. 1, 1836 c Nr. 1 BGB) ergeben. Das bedarf ebenfalls der weiteren Aufklärung. Wenn der Betroffene die Vergütungen der Beteiligten zu 1. danach nur in Raten aufbringen kann, wäre eine Mittellosigkeit nach den §§ 1908 i Abs. 1, 1836 d Nr. 1 BGB zu bejahen.

Wenn der Betroffene dagegen nicht über einzusetzendes Einkommen verfügen sollte und er auch nicht zu einer freiwilligen Veräußerung seiner Eigentumswohnung bereit wäre, müsste die Beteiligte ihre Vergütungsansprüche notfalls im Wege der zwangsweisen Verwertung der Eigentumswohnung realisieren. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Landgerichts, dass dies der Beteiligten zu 1. im Hinblick auf den damit verbundenen Zeit- und Arbeitsaufwand und die Höhe ihrer Vergütungsansprüche in jedem Falle unzumutbar wäre. Nach der gesetzlichen Risikoverteilung haben die Berufsbetreuer ihre Vergütungsansprüche gegen vermögende Betroffene vielmehr grundsätzlich auf eigene Rechung durchzusetzen. Etwas anderes kann allenfalls ausnahmsweise dann gelten, wenn sich ihre Ansprüche nicht in angemessener Zeit realisieren lassen (BayObLG FamRZ 2002, 416, 417). Ausreichende Anhaltspunkte dafür sind im vorliegenden Fall jedoch bislang nicht ersichtlich. Sie ergeben sich nach der gesetzlichen Wertung (§§ 1836 c Nr. 2 BGB, 88 BSHG) insbesondere nicht schon allein aus dem Umstand, dass die Beteiligte zu 1. ihre Vergütungsansprüche möglicherweise nur im Wege der zwangsweisen Verwertung der Eigentumswohnung des Betroffenen durchsetzen kann.

Die nach den vorstehenden Ausführungen noch erforderlichen Ermittlungen kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht selbst vornehmen. Deshalb war die Sache zur weiteren Aufklärung zurückzuverweisen. Da beide Vorinstanzen keine ausreichenden Feststellungen zur Frage der Mittellosigkeit getroffen haben, erscheint eine Zurückverweisung an das Amtsgericht als sachgerecht. Wenn sich ergeben sollte, dass die Frage der Mittellosigkeit nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand geklärt werden kann, bestünde gemäß § 56 g Abs. 2 Satz 2 FGG die Möglichkeit, auf weitere Ermittlungen zu verzichten, die Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse festzusetzen und von einem Rückgriff gegen den Betroffenen abzusehen.



Ende der Entscheidung

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