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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 06.02.2002
Aktenzeichen: 2 W 193/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1836
Die Ausschlussfrist nach § 1836 Abs. 2 S. 4 BGB beginnt jeweils mit der Ausführung einer Betreuungstätigkeit. Der Fristbeginn hängt nicht von der Fälligkeit des Anspruchs ab. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist oder Hemmung der Frist sind ausgeschlossen.
2 W 193/01

Beschluss

In der Betreuungssache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. vom 6./7. November 2001 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 24. Oktober 2001 durch die Richter und am 6. Februar 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird nach einem Geschäftswert von 396,25 € zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 2. war bis zum 1. August 2001 Betreuer des Betroffenen. Mit Schreiben vom 14. Juli 2000 - beim Amtsgericht eingegangen am 17. Juli 2000 - hat der Beteiligte zu 2. beantragt, für seine Betreuungstätigkeit in der Zeit vom 5. Januar 1999 bis zum 23. Dezember 1999 eine Vergütung in Höhe von 2.105,40 DM festzusetzen. Das Amtsgericht hat die begehrte Vergütung für die Zeit vom 17. April 1999 bis zum 23. Dezember 1999 mit Beschluss vom 20. Januar 2001 antragsgemäß festgesetzt. Im Übrigen (775,-- DM) hat es den Antrag des Beteiligten zu 2. mit der Begründung zurückgewiesen, die Ansprüche auf die Vergütung für die Zeit vom 5. Januar 1999 bis zum 16. April 1999 seien nicht rechtzeitig innerhalb der 15-Monats-Frist des § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB geltend gemacht worden. Die gegen diese Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2. hat das Landgericht mit Beschluss vom 24. Oktober 2001 zurückgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige weitere Beschwerde zugelassen. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungen des Amts- und Landgerichts wird auf die Beschlüsse vom 20. Januar 2001 (Bl. 89 f d. A.) und 24. Oktober 2001 (Bl. 132 - 135 d. A.) Bezug genommen. Gegen den Beschluss des Landgerichts hat der Beteiligte zu 2. form- und fristgerecht sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Die vom Landgericht zugelassene sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 56 g Abs. 5 Satz 2, 27 Abs. 1, 29 FGG zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Amts- und Landgericht haben zu Recht angenommen, dass die Ansprüche des Beteiligten zu 1. auf eine Vergütung für die Zeit vom 5. Januar 1999 bis zum 16. April 1999 erloschen sind. Nach den §§ 1908 i Abs. 1, 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB erlischt ein Anspruch auf Vergütung von Betreuungstätigkeiten, wenn er nicht innerhalb von 15 Monaten nach seiner Entstehung geltend gemacht wird. Der Vergütungsanspruch entsteht nach § 614 Abs. 1 Satz 1 BGB jeweils mit der Ausführung der Betreuungstätigkeit (so auch OLG Frankfurt FGPrax 2001, 243; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1836 BGB Rn. 41; Palandt/Diederichsen, 61. Aufl., § 1836 BGB Rn. 10). Damit beginnt nach der ausdrücklichen Regelung in § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB zugleich der Lauf der 15-Monats-Frist. Weitere Voraussetzungen für den Fristbeginn sieht § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB nicht vor. Danach ist es für den Fristbeginn insbesondere unerheblich, wann der Anspruch auf Vergütung fällig wird und wann es dem Betreuer erstmalig möglich und zumutbar ist, seinen Vergütungsanspruch darzulegen und zu beziffern. Das BayObLG hat die entsprechenden Rechtsfragen für den Beginn der Verjährungsfrist der nach altem Recht entstandenen Vergütungsansprüche in seinem Beschluss vom 29. Juni 2000 (FGPrax 2000, 201) zwar anders beurteilt. Diese Überlegungen sind auf die Frist des § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB jedoch nicht übertragbar. Bei dieser Frist handelt es sich nicht um eine Verjährungsfrist, die lediglich eine Einrede des Schuldners begründet, sondern um eine Ausschlussfrist, die zu einem Erlöschen des Anspruches führt (vgl. dazu Palandt/Diederichsen aaO., Rn. 12 und Palandt/Heinrichs aaO., vor § 194 BGB Rn. 7). Auf eine solche Ausschlussfrist sind die für die Verjährung geltenden Grundsätze nur dann entsprechend anzuwenden, wenn dies mit dem Sinn und Zweck der jeweiligen Frist vereinbar ist (vgl. Palandt/Heinrichs aaO., vor § 194 BGB Rn. 8). Es widerspricht indessen dem Sinn und Zweck der Ausschlussfrist des § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB, ihren Beginn auf einen Zeitpunkt nach der Entstehung des Anspruches zu verlagern. Sinn und Zweck dieser Frist ist es, Betreuer zu einer zeitnahen Geltendmachung ihrer Vergütungsansprüche anzuhalten, um eine effektive zeitnahe Überprüfung des geltend gemachten Zeitaufwandes sicherzustellen sowie zu verhindern, dass Betreuervergütungen über mehrere Jahre zu einer Höhe auflaufen, die die Leistungsfähigkeit des Betroffenen überfordern, dessen Mittellosigkeit begründen und deshalb nach den §§ 1836a, 1836c f BGB eine Einstandspflicht der Staatskasse auslösen, die bei rechtzeitiger Inanspruchnahme des Betroffenen nicht gegeben gewesen wäre (Bundestags-Drucksache 13/7158, S. 22 f; Bundesrats-Drucksache 960/96, S. 27; Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Auflage, vor §§ 65 ff FGG Rn. 119, 126). Mit dieser Zielsetzung wäre es nicht vereinbar, § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB entgegen seinem ausdrücklichem Wortlaut dahin auszulegen, dass es für den Beginn der Ausschlussfrist noch mehr bedarf als nur der Entstehung des Vergütungsanspruches - etwa seiner Fälligkeit. Nach Auffassung des BayObLG (aaO.) wird der Vergütungsanspruch eines Betreuers erst dann fällig, wenn dem Betreuer eine zusammenfassende Abrechnung seiner Betreuungstätigkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums möglich ist; danach soll dieser Zeitraum im Einzelfall auch ein ganzes Kalenderjahr umfassen können. Wenn diese Überlegungen auf die Ausschlussfrist des § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB angewandt würden, könnte sich die 15-Monats-Frist für die Geltendmachung des Vergütungsanspruches nahezu verdoppeln. Das wollte der Gesetzgeber gerade vermeiden. Im Übrigen besteht für eine solche Auslegung des § 1836 Abs. 1 Satz 4 BGB auch kein Bedürfnis. Der Gesetzgeber hat bei der Festlegung der 15-Monats-Frist bereits berücksichtigt, dass Vergütungsansprüche im Allgemeinen für Jahreszeiträume geltend gemacht werden und sinnvoller Weise auch geltend gemacht werden sollten, weil eine separate Abrechnung jeder einzelnen Tätigkeit sowohl für die Betreuer als auch für die Gerichte mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre (vgl. Bundesrats-Drucksache 960/96 S. 26). Die um 3 Monate längere Frist des § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB trägt nicht nur dieser weitgehend üblichen und sinnvollen Abrechnungspraxis Rechnung, sondern auch dem Umstand, dass die Erstellung der Abrechnung im Einzelfall auch einmal etwas länger dauern kann. Für besondere Ausnahmefälle sieht § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB darüber hinaus eine Verlängerung der 15-Monats-Frist in entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 3 Satz 1 - 5 ZSEG vor. Damit sind die Belange der Betreuer angemessen berücksichtigt.

Der Beteiligte zu 2. hat es indessen versäumt, seine Ansprüche auf Vergütung für Betreuungstätigkeiten in der Zeit vom 5. Januar 1999 bis zum 16. April 1999 innerhalb von 15 Monaten nach Ausführung dieser Tätigkeiten beim Vormundschaftsgericht geltend zu machen oder rechtzeitig vor dem Ablauf dieser Frist (vgl. dazu Damrau/Zimmermann aaO., Rn. 41) einen Antrag auf Fristverlängerung zu stellen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Ausschlussfrist entsprechend § 15 Abs. 3 Satz 6 ZSEG kommt nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift für die Frist des § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB bewusst ausgeschlossen hat (vgl. Staudinger/Engler, 13. Aufl., § 1836 Rn. 73; Palandt/Diederichsen aaO., § 1836 BGB Rn. 12).

Der Beteiligte zu 2. kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Hemmung der Frist des § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB nach § 204 BGB berufen. Diese Vorschrift gilt unmittelbar nur für die Verjährung von Ansprüchen eines Betreuers gegen den Betroffenen. Für eine entsprechende Anwendung des § 204 BGB auf die Frist des § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB ist kein Raum (so auch OLG Frankfurt aaO.). Auch sie widerspräche dem eingangs genannten Sinn und Zweck dieser Ausschlussfrist. Damit soll gerade auch bewirkt werden, dass der Betreuer den Vergütungsanspruch gegen den (vermögenden) Betroffenen selbst innerhalb der 15-Monats-Frist geltend macht. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB muss der Betreuer den Anspruch gegen den vermögenden Betroffenen ebenfalls beim Vormundschaftsgericht geltend machen, um die Ausschlussfrist zu wahren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Betreuer den Schuldner des Vergütungsanspruches (Staatskasse oder Betroffenen) zutreffend bezeichnet hat; ausreichend ist vielmehr, dass der Anspruch auf Vergütung als solcher rechtzeitig beim Vormundschaftsgericht geltend gemacht wird (Bienwald aaO., Rn 127). Damit sind die Interessen des Betreuers entgegen der Auffassung des Beteiligen zu 2. auch in den Fällen hinreichend gewahrt, in denen zweifelhaft ist, ob seine Vergütungsansprüche von dem Betroffenen selbst oder von der Staatskasse zu erfüllen sind. § 56 g Abs. 1 Nr. 2 FGG sieht insbesondere vor, dass der Betreuer auch seinen Anspruch auf Vergütung gegen den vermögenden Betroffenen durch das Vormundschaftsgericht festsetzen lassen kann.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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