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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 12.08.2002
Aktenzeichen: 2 W 21/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14
WEG § 15
WEG § 22
Eine nichttragende Wand kann zwischen zwei Sondereigentumseinheiten ohne Zustimmung der Miteigentümer entfernt werden.
2 W 21/02

Beschluss

In der Wohnungseigentumssache

Tatbestand:

Die Beteiligten sind Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnungseigentumsanlage. Die Beteiligte zu 2. ist unter anderem Eigentümerin der im Aufteilungsplan mit den Nr. 3 und 4 bezeichneten Teileigentumseinheiten. Dabei handelt es sich nach § 2 der Teilungserklärung jeweils um einen "Laden im Erdgeschoss". Die Beteiligte zu 2. vermietete die "Läden" Nr. 3 und 4 aufgrund Mietvertrages vom 6. Juli 2000 "zum Betrieb eines Frauensportstudios". Die zuvor zwischen den Teileigentumseinheiten befindliche Trennwand wurde zu diesem Zweck entfernt.

Das Amtsgericht hat der Beteiligten zu 2. auf Antrag der Beteiligten zu 1. aufgegeben, die Trennwand zwischen den Teileigentumseinheiten Nr. 3 und 4 auf ihre Kosten fachgerecht wieder herzustellen und es zu unterlassen, die Teileigentumseinheiten Nr. 3 und 4 zum Betrieb eines Frauensportstudios zu nutzen oder durch Dritte nutzen zu lassen. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2. hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben, soweit das Amtsgericht der Beteiligten zu 2. aufgegeben hat, die Trennwand zwischen den Teileigentumseinheiten Nr. 3 und 4 wieder herzustellen. Im Übrigen hat es die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2. zurückgewiesen. Die sofortigen weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1. und 2. bleiben ohne Erfolg.

Gründe:

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beteiligten zu 1. gemäß §§ 15 Abs. 3 WEG, 1004 BGB einen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung der Teileigentumseinheiten Nr. 3 und 4 als Frauensportstudio gegen die Beteiligte zu 2. haben, weil eine solche Nutzung mehr stört als die in der Teilungserklärung vereinbarte Nutzung als "Laden". Nach allgemeinem Sprachgebrauch wird unter einem Laden eine Verkaufsstätte zum Betrieb von Waren an Jedermann, also im Allgemeinen ein Einzelhandelsgeschäft, verstanden (vgl. auch BayObLG ZMR 1980, 251, 254; 1978, 380, 381). Ein solches Geschäft erhält sein besonderes Gepräge durch den Verkauf von Waren. Das ist bei einem Frauensportstudio nicht der Fall, auch wenn dort gelegentlich Getränke oder andere Waren an Kunden verkauft werden. Der Betrieb eines Frauensportstudios wird vielmehr durch die Sportausübung geprägt. Damit gehen erfahrungsgemäß erheblich größere Beeinträchtigungen einher als mit dem Betrieb einer bloßen Verkaufsstätte. So werden in Frauensportstudios typischerweise auch Gruppenveranstaltungen wie Aerobic-Kurse durchgeführt, die zu einer deutlich höheren Geräuschentwicklung führen als für ein Ladengeschäft üblich, insbesondere dann, wenn sie unter musikalischer Begleitung oder bei geöffneten Fenstern erfolgen. Das entspricht allgemeiner Erfahrung und bedarf deshalb auch keiner besonderen Ermittlungen. Nach dem Vortrag der Beteiligten zu 1. sind entsprechende Veranstaltungen auch in dem Frauensportstudio der Mieterin der Beteiligten zu 2. zu gegenwärtigen. Dem ist die Beteiligte zu 2. nicht hinreichend entgegen getreten.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die beeinträchtigende Geräuschentwicklung durch Schalldämmungsmaßnahmen vermieden werden könnte. Dadurch könnte insbesondere nicht gänzlich verhindert werden, dass der störende Lärm durch geöffnete Fenster oder die infolge des Kundenverkehrs nicht stets verschlossene Eingangstür nach außen dringt.

Im Hinblick auf die schon aus den vorstehenden Gründen zu bejahende größere Störung durch den Betrieb eines Frauensportstudios kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob das Frauensportstudio der Mieterin der Beteiligten zu 2. über die üblichen Ladenschlusszeiten hinaus geöffnet ist.

Die Beteiligte zu 2. kann dem Unterlassungsbegehren der Beteiligten zu 1. auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sie die Störung durch ihre Mieterin nicht unterbinden könne. Nach § 14 Nr. 2 WEG ist jeder Wohnungs- und Teileigentümer zumindest verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren darauf hinzuwirken, dass die Mieter seines Sondereigentums unzulässige Nutzungen der gemieteten Räumlichkeiten unterlassen (BGH NJW 1996, 714). Es kann indessen nicht davon ausgegangen werden, dass die Beteiligte zu 2. diese Verpflichtung erfüllt hat. Die Beteiligte zu 2. macht lediglich geltend, sie habe erfolglos Verhandlungen mit ihrer Mieterin über eine vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses geführt, vorsorglich die Kündigung des Mietverhältnisses erklärt und eine - in erster Instanz erfolglos gebliebene - Räumungsklage gegen ihre Mieterin erhoben sowie mit Schreiben vom 9. Februar 2001 und 18. Juli 2002 Suchaufträge für ein Ersatzobjekt erteilt. Eine Räumungsklage gegen die Mieterin dürfte indessen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (aaO.) schon kein geeignetes Mittel zur Unterbindung des Betriebs des Frauensportstudios sein, und die Suche nach einem Ersatzobjekt ist nach dem eigenen Vortrag der Beteiligen zu 2. bislang nicht mit dem gebotenen Nachdruck und der gebotenen Effizienz betrieben worden. Dafür reichte es nicht aus, eine Firma mit der Suche zu beauftragen, die sich ersichtlich nicht genügend um die Angelegenheit kümmerte - wie die mit Schreiben vom 9. Februar 2001 beauftragte Firma A Immobilien GmbH. - Sie hat offenbar bis zum 18. Juli 2002 kein geeignetes Objekt nachgewiesen, obwohl die Beteiligten zu 1. bereits im ersten Rechtszug vorgetragen hatten, dass Mietobjekte für Sportstudios und ähnliche Gewerberäume im Umfeld von Bad Segeberg ausreichend vorhanden seien. - Die Beteiligte zu 2. hätte die Suche vielmehr durch geeignete Maßnahmen beschleunigen müssen - sei es durch die Beauftragung eines oder mehrerer mit der gebotenen Effizienz arbeitenden Makler oder durch eigene Suchanzeigen in geeigneten Zeitungen. Außerdem ergibt sich aus dem Vortrag der Beteiligten zu 2. nicht, dass sie jemals versucht hätte, ihre Mieterin durch eine zumutbare Abfindungsleistung zur Beendigung der unzulässigen Nutzung zu veranlassen. Bei dieser Sachlage lässt sich nicht feststellen, dass die Beteiligte zu 2. bereits alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um die unzulässige Nutzung ihres Sondereigentums zu unterbinden. Aus dem eigenen Vortrag der Beteiligten zu 2. ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ihre Mieterin unter keinen Umständen bereit wäre, den Betrieb des Frauenstudios im Sondereigentum der Beteiligten zu 2. zu beenden. Dagegen spricht vielmehr nicht zuletzt, dass die Beteiligte zu 2. ja schließlich ein Ersatzobjekt für ihre Mieterin sucht. Deshalb bestand und besteht in dieser Hinsicht auch kein Anlass zu weiteren Ermittlungen (vgl. dazu grundsätzlich BGH NJW 2001, 1212, 1214). Das gilt um so mehr, als eine zügige Beendigung der unzulässigen Nutzung auch im wohlverstandenen Interesse der Mieterin der Beteiligten zu 2. liegt, weil sie jederzeit damit rechnen muss, auch selbst von den Beteiligten zu 1. auf Unterlassung dieser Nutzung in Anspruch genommen zu werden (zu dem Anspruch der Wohnungseigentümer auf Unterlassung unzulässiger Nutzungen gegen den Mieter eines anderen Wohnungseigentümers vergleiche grundsätzlich BGH NJW 1996, 714; BayObLG NJW-RR 1994, 527).

Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung angenommen, dass die Beteiligten zu 1. keinen Anspruch auf Wiederherstellung der Trennwand zwischen den Teileigentumseinheiten Nr. 3 und 4 haben. Die dagegen erhobenen Einwände der Beteiligten zu 1. vermögen eine abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage nicht zu rechtfertigen. Durchbrüche von Mauern zwischen zwei Sondereigentumseinheiten haben die anderen Wohnungseigentümer bei nicht tragenden Wänden grundsätzlich ohne Weiteres hinzunehmen; in solchen Fällen liegt weder ein Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums vor, da die nicht tragende Wand im Sondereigentum der Eigentümer der verbundenen Teileigentumseinheiten (hier der Beteiligten zu 2.) steht, noch sind Beeinträchtigungen der Statik oder sonstige Nachteile für das Gemeinschaftseigentum ernsthaft zu befürchten (vgl. dazu BGH NJW 2001, 1212, 1214). Die Beteiligten zu 1. halten dem zwar entgegen, das "Schallkonzept der nach der Teilungserklärung vorgesehenen gewerblichen Einheiten" sei "durch die Wegnahme der trennenden Wand aufgehoben". Dieses Vorbringen entbehrt jedoch jeder nachvollziehbaren tatsächlichen Grundlage. Deshalb gibt es auch keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen.

Das Landgericht hat einen das in § 14 Nr. 1 WEG bezeichnete Maß übersteigenden Nachteil der Beteiligten zu 1. auch unter dem Gesichtspunkt einer erhöhten Nutzungsintensität mit zutreffender Begründung verneint. Es hat insbesondere zu Recht darauf hingewiesen, dass insoweit nur eine an sich zulässige Nutzung zu berücksichtigen ist, weil die anderen Wohnungs- und Teileigentümer eine unzulässige Nutzung ohnehin nach § 15 Abs. 3 WEG unterbinden können.

Die Beteiligte zu 2. hat die Wand zwischen den Teileigentumseinheiten Nr. 3 und 4 auch nicht etwa deshalb wieder herzustellen, weil sie ohne Zustimmung der Wohnungseigentümerversammlung oder des Verwalters der Wohnungseigentümergemeinschaft entfernt worden ist. Nach § 5 Abs. 3 a) cc) der Teilungserklärung wäre eine solche Zustimmung zwar grundsätzlich erforderlich gewesen. Das allein berechtigt die Beteiligte zu 1. jedoch nicht, die Wiederherstellung der Wand zu verlangen. Einem solchen Verlangen steht vielmehr der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen (§ 242 BGB), weil die Wohnungseigentümerversammlung verpflichtet wäre, ihre Zustimmung zu erteilen. Nach § 5 Abs. 3 a) cc) ist die Zustimmung zur Entfernung von Wänden innerhalb von Sondereigentumseinheiten zu erteilen, wenn von der Maßnahme keine über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinausgehende Beeinträchtigung anderer Eigentümer ausgeht und etwa erforderliche behördliche Genehmigungen nachgewiesen werden. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Ende der Entscheidung

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