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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 08.08.2007
Aktenzeichen: 2 W 33/07
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004
WEG § 13 Abs. 1
WEG § 14 Nr. 1
WEG § 15 Abs. 3
Führt eine Veränderung des Bodenbelags durch einen Wohnungseigentümer zu Trittschallbelästigungen in der darunter liegenden Wohnung und gehen diese über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinaus, so ist der Eigentümer der darunter liegenden Wohnung als Störer verpflichtet, die Einwirkungen zu beseitigen. Der beeinträchtigte Wohnungseigentümer kann vom Störer im Rahmen der Mindestanforderungen der geltenden Schallschutznorm grundsätzlich Dämmaßnahmen verlangen, die ein dem Zustand vor der Veränderung entsprechendes Schallschutzniveau gewährleisten.
2 W 33/07

Beschluss

In der Wohnungseigentumssache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. 29.01.2007 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 12.01.2007 am 08.08.2007 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 2. haben die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen. Sie haben insoweit auch die den Beteiligen zu 1. erwachsenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

De Geschäftswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde beträgt 3.000,00 Euro.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1. machen gegen die Beteiligten zu 2. einen Anspruch auf Beseitigung von Trittschallmängeln geltend.

Die eingangs genannte Wohnungseigentumsanlage wurde 1972 errichtet. Zu dieser Zeit galt für den Schallschutz die DIN 4109 Ausgabe 1962. Entsprechend der Baubeschreibung wurden Wohnzimmer, Schlafzimmer und Flur mit Teppichboden (Velour - Farbe nach Wahl) ausgestattet. Die Beteiligen zu 1. erwarben ihr Wohnungseigentum 1993, die Beteiligten zu 2. wurden 2002 Eigentümer der darüber liegenden Wohnung. 2003 ersetzten die Beteiligten zu 2. in ihrer Wohnung u. a. den Teppichboden in Wohn- und Schlafzimmer durch ein Fußbodenlaminat und im Flur durch Fliesen. Zu dieser Zeit galt für den Schallschutz die DIN 4109 Ausgabe 1989. Im September 2003 bekamen sie ein Kind. Die Beteiligten zu 1. rügten, dass sich durch die Veränderung des Bodenbelags der Trittschall - vornehmlich Trittgeräusche und Geräusche durch das auf dem Fußboden spielende Kind - verstärkt habe. Im von ihnen eingeleiteten Beweissicherungsverfahrens 2 II 66/05 AG Lübeck erstattete der Sachverständige S das schriftliche Gutachten vom 15.02.2006.

Die Beteiligten zu 1. haben beantragt, den Beteiligten zu 2. aufzugeben, die in ihrer Wohnung vorhandenen Trittschallmängel zu beseitigen, so dass die DIN 4109 Ausgabe 1989 wieder eingehalten werde. Das Amtsgericht hat die Beteiligen zu 2. "verurteilt", in ihren Räumen - ausgenommen Küche und Bad - durch den Einbau eines Oberbodenbelags eine den Werten der DIN 4109 Ausgabe 1989 entsprechende Trittschalldämmung herzustellen. Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligen zu 2. hat das Landgericht nach mündlicher Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen in Änderung des amtsgerichtlichen Beschlusses die Beteiligen zu 2. als Gesamtschuldner verpflichtet, in ihrer Wohnung den Laminat-Bodenbelag in Wohn- und Schlafraum sowie die Fliesen im Flur durch einen Velour-Teppichoden oder einen Belag, welcher der Trittschalldämmung eines Velour-Teppichs gleichwertig ist, zu ersetzen. Gegen den Beschluss des Landgerichts, auf den zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird (Bl. 120 - 135 d. A.), richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2., der die Beteiligten zu 1. entgegengetreten sind. Der Senat hat die Beweissicherungsakten beigezogen.

II.

Die nach §§ 45 Abs. 1 FGG, 27, 29, 20, 21. 22 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG, 546 ZPO).

Das Landgericht hat ausgeführt:

Zwar könne ein Wohnungseigentümer mit dem in seinem Sondereigentum stehenden Bodenbelag nach § 13 Abs. 1 WEG grundsätzlich nach Belieben verfahren. Eine Beschränkung bei der Wahl des Belags ergebe sich jedoch aus § 14 Nr. 1 WEG. Danach dürfe vom Sondereigentum nur in einer Weise Gebrauch gemacht werden, dass dadurch keinem anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwachse. Werde dieses Maß überschritten, könne jeder Wohnungseigentümer den Störer auf Beseitigung oder Unterlassung in Anspruch nehmen (§§ 15 Abs. 3 WEG, 1004 Abs. 1 BGB). Diese Voraussetzung liege hier vor. Der Sachverständige habe überzeugend ausgeführt, dass das Gebäude nicht die Voraussetzungen der DIN 4109 Ausgabe 1989 erfülle. Durch einen Teppichboden würden Körperschallanregungen wie Gehen, Laufen, Stühlerücken, Fallenlassen von Gegenständen - anders als bei harten Belegen wie Fliesen, Parkett oder Laminat - gedämpft. Das in der DIN 4109 Ausgabe 1989 geforderte Trittschallschutzmaß von 10 dB ließe sich durch die Verlegung zum Beispiel eines Teppichbodens erreichen. Diese könne gegenüber einem harten Belag schon einen Geräuschunterschied von 3 dB - eine deutliche Hörbarkeit - ausmachen. Es sei nicht hinzunehmen, dass ein Schall schluckender Bodenbelag gegen einen Belag ausgewechselt werde, der den vorhandenen Schallschutz deutlich wahrnehmbar vermindere. Diese Frage sei losgelöst vom Nutzungsverhalten des jeweiligen Wohnungseigentümers auf Dauer zu beurteilen. Auch wenn der entfernte Teppichboden schon abgenutzt gewesen sei, sei er gleichwohl noch erheblich besser schalldämpfend als ein Laminat- oder Fliesenboden. Bereits ein einfacher Läufer wirke sich erheblich geräuschmindernd aus. Die Beteiligten zu 2. brauchten jedoch - anders als das Amtsgericht gemeint habe - keine Trittschalldämmung herzustellen, die der DIN 4109 Ausgabe 1989 entspreche, weil dieser Schutz nach der Beschaffenheit des Gemeinschaftseigentums schon vor der Entfernung des Teppichbodens nicht gegeben gewesen sei.

Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen.

Auch der Senat hält in Übereinstimmung mit der herrschenden Rechtsprechung die Auffassung für zutreffend, dass - wenn eine Veränderung des Bodenbelags zu Trittschallbelästigungen in der darunter liegenden Wohnung führt und diese über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinausgehen (§ 14 Nr. 1 WEG) - der Eigentümer der darüberliegenden Wohnung als Störer verpflichtet ist, die Einwirkungen zu beseitigen (vgl. Senatsbeschluss vom 5.08.2003 - 2 W 144/02 - SchlHA 2004, 48, 50; OLG München NZM 2005, 509, 510; OLG Düsseldorf NZM 2001, 958; OLG Hamm NZM 2001, 1137; BayObLG NJW-RR 1994, 598). Jedenfalls kann der beeinträchtigte Wohnungseigentümer vom Störer im Rahmen der Mindestanforderungen der geltenden Schallschutznorm grundsätzlich Dämmaßnahmen verlangen, die ein dem Zustand vor der Veränderung entsprechendes Schallschutzniveau gewährleisten. Ihre Berechtigung findet diese Auffassung letztlich in der Tatsache, dass die Wohnungseigentümer zumindest auf die Fortdauer des tatsächlich vorgeprägten Schallschutzniveaus vertrauen dürfen (Senat a.a.O., OLG München a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Landgerichts, die es auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen getroffenen hat und an die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich gebunden ist, gegeben. Danach hat der Sachverständige zunächst festgestellt, dass der Fußboden mit Laminat- und Fliesenbelag die Mindestanforderungen an den Trittschallschutz nach der heute gültigen DIN 4109 nicht einhalte. Ursache für die deutliche Körperschallübertragung sei der Ausbau des Teppichbodens. Ein Teppichboden führe zu einer erheblichen Verbesserung des Trittschallschutzes, weil er - im Gegensatz zu Laminat und Fliesen - schalldämpfend sei. In einem alten Gebäude wie dem vorliegenden mit einem schlechten Schallschutz wirke sich bereits ein einfacher Läufer oder sogar ein Handtuch erheblich geräuschmindernd - ersterer etwa mit einem Unterschied von 3 dB - aus.

Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Beteiligten zu 2. in der Rechtsbeschwerde sind unbegründet. Zwar können die störenden Geräusche nicht in jedem Fall starr nach den physikalisch meßbaren Daten der Lautstärke beurteilt werden. Ihnen kommt in Verbindung mit den Schallschutznormen jedoch entscheidendes tatsächliches Gewicht zu (Senatsbeschluss vom 21.12.1998 - 2 W 100/98 - SchlHA 1999, 51). Hier liegt es auf der Hand, dass zum Beispiel Gehen, Laufen, Stühlerücken, Fallenlassen von Gegenständen und Spielen von Kindern auf dem Fußboden bei harten Belegen wie Laminat und Fliesen ohne nennenswerte Dämmung in der darunter liegenden Wohnung allgemein als besonders störend empfunden werden. Durch diese Störungen werden erfahrungsgemäß auch gesundheitliche Belange des beeinträchtigen Wohnungseigentümers berührt, so dass in der Abwägung das Interesse des störenden Eigentümers, seinen im Sondereigentum stehenden Fußbodenbelag etwa aus geschmacklichen Gründen oder zur Wertsteigerung anderweit auszustatten, zurücktreten muss. Dass der alte Teppichboden abgenutzt war, haben der Sachverständige und das Landgericht berücksichtigt, indem sie ihrer Betrachtung einen einfachen Läufer oder ein Handtuch zu Grunde gelegt haben. Auf den Umstand, dass der Boden mit dem neuen Belag die Schallschutznorm Ausgabe 1962 einhält, kommt es nicht an, weil, wie bereits ausgeführt, im Ausgangspunkt entscheidend der tatsächliche Zustand des Gebäudes - hier ein Boden mit Veloursteppich - ist. Deshalb ist es auch bedeutungslos, dass die Schallschutznorm Ausgabe 1989 grundsätzlich untersagt, den Mindestschallschutz dadurch zu erreichen, dass Teppichboden verlegt wird. Es trifft zu, dass die Beteiligten zu 2. in gewisser Weise dafür einstehen müssen, dass das Gebäude nicht der geltenden Schallschutznorm entspricht. Dies gilt jedoch nur im Rahmen der vor der Änderung des Bodenbelags bestehenden Verhältnisse. Für die normgemäße dauerhafte Verbesserung des Schallschutzes, die in aller Regel nur durch eine kostenaufwändige Veränderung des Gemeinschaftseigentums erreichbar ist, bleibt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verantwortlich.

Nach allem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Es entspricht billigem Ermessen, die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde den Beteiligten zu 2. aufzuerlegen, weil sie darin unterlegen sind (§ 47 Satz 1 WEG). Desgleichen haben sie insoweit ausnahmsweise die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1. zu erstatten, weil angesichts im Kern übereinstimmender und überzeugend begründeter Entscheidungen von Amts- und Landgericht die Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg versprach (§ 47 Satz 2 WEG). Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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