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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 09.08.2001
Aktenzeichen: 2 W 55/01
Rechtsgebiete: BVormVG


Vorschriften:

BVormVG § 1 III
Einem Berufsbetreuer ist unter den Voraussetzungen der Übergangsregelung für eine nach dem 01.01.1999 übernommene Betreuung die Vergütung zu gewähren, die er vorher üblicherweise erhalten hätte.
2 W 55/01

Beschluss

In der Betreuungssache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. vom 23. Februar 2001 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichtes Kiel vom 8. Februar 2001 durch die Richter , und am 9. August 2001 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 724,71 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1. ist seit dem 1. Januar 1996 als Berufsbetreuer tätig. Er ist gelernter Rundfunk- und Fernsehtechniker mit Gesellenbrief und hat eine Zusatzausbildung mit staatlicher Anerkennung zum Altenpfleger absolviert. Mit Beschluss vom 14. Februar 2000 bestellte das Amtsgericht den Beteiligten zu 1. zum Betreuer des mittellosen Betroffenen und stellte fest, dass die Betreuung berufsmäßig geführt wird. Der Beteiligte zu 1. machte für seine Betreuungstätigkeit bis zum 30. September 2000 Vergütungsansprüche geltend, die er nach einem Stundensatz in Höhe von 60,-- DM zzgl. 16 % MWSt berechnete. Das Amtsgericht setzte den Stundensatz für diesen Zeitraum antragsgemäß fest.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2000 (Bl. 208 - 213 d.A.) hat der Beteiligte zu 1. für die Zeit vom 1. Oktober 2000 bis zum 31. Dezember 2000 die Festsetzung einer weiteren Vergütung für 41 Stunden und 39 Minuten in Höhe von 2.898,84 DM (Stundensatz in Höhe von 60,-- DM zzgl. 16 % MWSt) beantragt. Das Amtsgericht hat den Stundensatz mit Beschluss vom 9. Januar 2001 im Hinblick auf die Ausbildung des Beteiligten zu 1. gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormVG lediglich auf 45,-- DM zzgl. 16 % MWSt festgesetzt und eine Erhöhung des Stundensatzes nach § 1 Abs. 3 BVormVG abgelehnt. Es hat die Auffassung vertreten, § 1 Abs. 3 BVormVG finde im vorliegenden Fall keine Anwendung, weil der Beteiligte zu 1. erst nach dem Inkrafttreten des BVormVG (1. Januar 1999) zum Betreuer des Betroffenen bestellt worden sei. Unter Berücksichtigung des Stundensatzes von 45,-- DM hat das Amtsgericht für den von ihm anerkannten Zeitaufwand des Beteiligten zu 1. eine Vergütung in Höhe von 2.174,13 DM festgesetzt. Im Übrigen (724,71 DM) hat es den Festsetzungsantrag des Beteiligten zu 1. zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der amtsgerichtlichen Entscheidung wird auf den Beschluss vom 9. Januar 2001 (Bl. 214 d.A.) Bezug genommen. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichtes mit Beschluss vom 8. Februar 2001 geändert und antragsgemäß eine weitere Vergütung in Höhe von 724,71 DM festgesetzt. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Beteiligte zu 1. habe gemäß § 1 Abs. 3 BVormVG einen Anspruch auf einen Stundensatz von 60,-- DM. Diese Vorschrift sei auch in Fällen anwendbar, in denen ein Betreuer erst nach dem 1. Januar 1999 bestellt worden sei. Dem Beteiligten zu 1. sei gemäß § 1 Abs. 3 BVormVG als Stundensatz der Höchstsatz von 60,-- DM zu gewähren. Bei der Anwendung dieser Übergangsregelung sei bei einem erst nach dem 1. Januar 1999 bestellten Betreuer darauf abzustellen, welche Vergütung dem Betreuer im konkreten Einzelfall nach den bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Vergütungsmaßstäben gewährt worden wäre. Danach hätte dem Beteiligten zu 1. im Hinblick auf die Schwierigkeit der Betreuung des Betroffenen das 2 1/2-fache des Stundensatzes des § 2 Abs. 2 ZSEG zugebilligt werden müssen. Das Landgericht hat die sofortige weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen. Wegen der weiteren Einzelheiten der landgerichtlichen Entscheidung wird auf den Beschluss vom 8. Februar 2001 (Bl. 221 - 223 d.A.) Bezug genommen. Dagegen richtet sich form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2.

II.

Die gemäß §§ 56 g Abs. 5 Satz 2, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. hat mit der Maßgabe Erfolg, dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist. Die Entscheidung des Landgerichts über den Stundensatz beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).

Das Landgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass die Übergangsregelung in § 1 Abs. 3 BVormVG nach ihrem Sinn und Zweck auch einem Betreuer zugute kommt, der im konkreten Einzelfall erst nach dem 1. Januar 1999 bestellt worden ist. Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass Berufsbetreuer, denen vor der Neuregelung des Vergütungsrechtes höhere Stundensätze zugebilligt wurden als ihnen nach dem seit dem 1. Januar 1999 geltenden Recht zustünden, Einkommenseinbußen erleiden, ohne dass sie Gelegenheit hatten, sich der veränderten Vergütungssituation anzupassen, d. h. entweder durch eine Umschulung oder Fortbildung (§ 2 BVormVG) eine zu einem höheren Stundensatz führende Qualifikation zu erreichen oder ihre Kosten in einer Weise zu reduzieren, dass ihnen ihre Tätigkeit auch bei einer geringeren Vergütung eine ausreichende Existenzgrundlage verschafft (vgl. BayObLG BtPrax 2001, 77, 78; OLG Karlsruhe FGPrax 2001, 117; OLG Braunschweig BtPrax 2000, 130; OLG Düsseldorf FGPrax 2000, 194; OLG Hamm FGPrax 1999, 223, 224 und 2000, 20). Dieser Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 BVormVG gebietet die Anwendung der Vorschrift unabhängig davon, ob der Betreuer im konkreten Betreuungsfall vor oder nach dem 1. Januar 1999 bestellt worden ist (so auch OLG Düsseldorf aaO; OLG Hamm aaO; BayObLG NJWE-FER 2001, 178, 179).

Das Landgericht hat auch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Beteilige zu 1. die Voraussetzungen für eine Anwendung der Übergangsregelung in § 1 Abs. 3 BVormVG grundsätzlich erfüllt.

Die angefochtene Entscheidung beruht dagegen auf einem Rechtsfehler, soweit das Landgericht angenommen hat, als "bisherige Vergütung" im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVormVG sei bei einer erst nach dem 1. Januar 1999 übernommenen Betreuung die Vergütung anzusehen, die dem Betreuer nach dem bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Recht gewährt worden wäre. Eine solche Auslegung ist nicht mit den Zielen vereinbar, die der Gesetzgeber mit dem neuen Vergütungsrecht verfolgt. Damit soll nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers (Bundestagsdrucksache 13/7158, S. 1, 14) eine einheitliche und leichtere Handhabung der Vergütungsregelungen erreicht werden, um die Kalkulierbarkeit der Einnahmen für die Betreuer herzustellen und die Gerichte zu entlasten, die wegen der Mängel der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Vergütungsregelungen mit einer Vielzahl von Streitverfahren überzogen worden sind. Dieser Zielsetzung widerspricht es, die bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Vergütungsgrundsätze - und sei es auch nur für eine Übergangszeit - im Rahmen des § 1 Abs. 3 BVormVG weiterhin anzuwenden (vgl. auch OLG Hamm FGPrax 1999, 223, 224). Eine solche Handhabung wäre darüber hinaus auch kaum mit dem eingangs genannten Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 BVormVG vereinbar. Danach dient die Regelung in § 1 Abs. 3 BVormVG der Besitzstandswahrung, und sie gewährt einen gewissen Vertrauensschutz im Hinblick darauf, dass die auf den bisherigen Einnahmen beruhenden Einkommenserwartungen in der Regel einen wesentlichen Faktor beruflicher und finanzieller Dispositionen und wirtschaftlicher Kalkulationen darstellen (vgl. BayObLG NJWE-FER 2001, 178, 179; OLG Hamm, FGPrax 2000, 20, 21). Entsprechende Überlegungen aber orientieren sich erfahrungsgemäß gewöhnlich an dem Einkommen, das ein Betreuer in der Vergangenheit tatsächlich erzielt hat, und nicht an dem Einkommen, das dem Betreuer nach altem Recht eigentlich zugestanden hätte. Im Hinblick darauf ist § 1 Abs. 3 Satz 2 BVormVG dahin auszulegen, dass als "bisherige Vergütung" die vor dem 1. Januar 1999 tatsächlich erzielte Vergütung anzusehen ist. Maßgebend für die erzielte Vergütung ist dann, wenn dem Betreuer - wie hier - für seine Tätigkeit im konkreten Einzelfall vor dem 1. Januar 1999 noch keine Vergütung bewilligt worden ist, grundsätzlich die Höhe der Stundensätze, die dem Betreuer vor dem 1. Januar 1999 üblicherweise für seine Betreuungstätigkeit zuerkannt worden sind. Denn an den entsprechenden Stundensätzen durfte sich die Einkommenserwartung des Betreuers grundsätzlich orientieren. Der Beteiligte zu 1. macht geltend, dass ihm in der Zeit vor dem 1. Januar 1999 ein durchschnittlicher Stundensatz von 66,-- DM bewilligt worden sei.

Das Landgericht hat im Hinblick auf seine abweichende Auffassung zur Auslegung des § 1 Abs. 3 BVormVG folgerichtig keine weiteren Erwägungen zu der Frage angestellt, ob dem Beteiligten zu 1. nach § 1 Abs. 3 BVormVG eine höhere Vergütung als der Regelsatz des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormVG in Höhe von 45,-- DM pro Stunde zu bewilligen ist.

Der Senat kann diese Frage nach dem bisherigen Akteninhalt auch nicht selbst entscheiden, weil die für die nach § 1 Abs. 3 BVormVG zu treffende Ermessens-entscheidung ("kann") bedeutsamen Umstände noch einer weiteren Aufklärung bedürfen. Maßgebend ist insoweit, ob es für den Beteiligten zu 1. eine unzumutbare Härte darstellte, wenn ihm ein höherer Stundensatz nicht bewilligt würde (vgl. BayObLG NJWE-FER 2001, 178, 179; FGPrax 2000, 146; BtPrax 2001, 77, 78; OLG Dresden FamRZ 2000, 552; Palandt/Diederichsen, 60. Aufl., § 1836 a Rn. 7). Diese Frage hängt nicht zuletzt davon ab, welchen Teil seines Einkommens der Beteiligte zu 1. insgesamt aus der Führung von Betreuungen erzielt und ob er im Vertrauen auf eine längere Tätigkeit in diesem Bereich im Hinblick auf seine Berufstätigkeit finanzielle Verpflichtungen eingegangen ist, die er mit dem neuen Stundensatz nicht erfüllen kann (vgl. BayObLG FGPrax aaO.).

Eine pauschale "Abschmelzung" der bisherigen Stundensätze allein im Hinblick auf den Zeitablauf seit der Änderung des Vergütungsrechtes ist entgegen der Annahme der Beteiligten zu 2. nicht gerechtfertigt. Maßgebend können nach dem eingangs dargestellten Sinn und Zweck der Übergangsregelung in § 1 Abs. 3 BVormVG vielmehr nur die konkreten Umstände des Einzelfalles sein, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass alle Betreuer seit der Änderung des Vergütungsrechtes ausreichend Gelegenheit hatten, sich der veränderten Vergütungssituation anzupassen. Viele Berufsbetreuer hatten bislang insbesondere noch nicht die Möglichkeit, durch eine Umschulung oder Fortbildung eine höhere Qualifikation zu erreichen. In Schleswig-Holstein werden entsprechende Maßnahmen nicht angeboten. Das steht erst seit dem "Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Betreuungsgesetzes" vom 17. Juli 2001 (GOVBl. 2001, 96) definitiv fest. Darin hat der Landesgesetzgeber auch erst bestimmt, dass zumindest die in anderen Bundesländern erfolgreich absolvierten Umschulungen und Fortbildungen in Schleswig-Holstein anerkannt werden (§ 2 Abs. 3 Satz 3 BVormVG). Außerdem werden berufliche und finanzielle Dispositionen erfahrungs-gemäß nicht nur für kurze Zeiträume von bis zu zwei Jahren, sondern auch für längere Zeiträume getroffen. All dem hat der Gesetzgeber schon im Jahre 2000 dadurch Rechnung getragen, dass er den mit § 1 Abs. 3 BVormVG bezweckten Bestands- und Vertrauensschutz erweitert hat. Die ursprünglich festgesetzte Frist für die Geltung der Übergangsregelung in § 1 Abs. 3 BVormVG ist um ein Jahr bis zum 30. Juni 2001 verlängert und die Landesregierungen sind darüber hinaus zu einer weitergehenden Fristverlängerung bis zum 31. Dezember 2002 ermächtigt worden. Von dieser Ermächtigung hat die Regierung des Landes Schleswig-Holstein mit der "Landesverordnung zur Verlängerung der Übergangsfrist nach § 1 Abs. 3 des Berufsvormündervergütungs-gesetzes" vom 19. Juni 2001 Gebrauch gemacht.

Die nach den obigen Ausführungen noch erforderlichen Ermittlungen kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht selbst vornehmen. Deshalb war die Sache wegen der Höhe des Stundensatzes zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über den Geschäftswert beruht auf § 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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