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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 19.08.2002
Aktenzeichen: 2 W 6/02
Rechtsgebiete: EGBGB


Vorschriften:

EGBGB § 19
Die Abstammung eines Kindes von Eltern unterschiedlicher Staatsangehörigkeit kann sich im Verhältnis zum deutschen Vater auch dann nach deutschem Recht richten, wenn es sich gewöhnlich im Land der Mutter aufhält, das die deutsche Vaterschaft nicht anerkennt.
2 W 6/02

Beschluss

In der Personenstandssache

wegen Beschreibung eines Randvermerkes auf die Geburtsurkunde Nr.1 des Standesamtes

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3. vom 02.01.2002 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 17.12.2001 durch die Richter am 19.08.2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Tatbestand:

Das betroffene Kind wurde in X von der finnischen Beteiligten zu 1. geboren. Der deutsche Beteiligte zu 2. erkannte in Gegenwart der Kindesmutter vor dem Standesamt in X seine Vaterschaft für das Kind an. Die Kindesmutter stimmte der Vaterschaftsanerkennung zu. Mittlerweile lebt das Kind mit den Beteiligten zu 1. und 2. in Finnland. Das Standesamt X möchte die Vaterschaftsanerkennung am Rande des Geburtseintrages des Kindes vermerken. Es sieht sich jedoch durch die Rechtsauffassung der Beteiligten zu 3., der Standesamtsaufsicht, daran gehindert.

Das Standesamt hat die Sache dem Amtsgericht gem. § 45 Abs. 2 PStG zur Entscheidung vorgelegt. Das Amtsgericht hat beschlossen, dass der Standesbeamte - entsprechend seiner Auffassung - auf dem Geburtseintrag des Kindes einen Randvermerk über die Anerkennung der Vaterschaft beizuschreiben hat. Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte zu 3. sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts zu ändern und anzuordnen, hilfsweise festzustellen, dass dem Geburtseintrag des Kindes ein Randvermerk über die vor dem Standesbeamten erfolgte Anerkennung der Vaterschaft nicht beizuschreiben ist. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 bleib ohne Erfolg..

Gründe:

Nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB in der Fassung des KindRG vom 16.12.1997 unterliegt die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Sie kann im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört. Der Senat folgt der - soweit ersichtlich - einhelligen veröffentlichten Meinung der Rechtsprechung, wonach die genannten Anknüpfungsmöglichkeiten zueinander im Verhältnis gleichrangiger Alternativität stehen und nach dem Günstigkeitsprinzip auszuwählen sind (BayObLG StAZ 2002,143,144; 2000,370,371; FamRZ 2000,699,700; OLG Frankfurt FamRZ 2002,688;689, LG Leipzig StAZ 2002,146,147; AG München StAZ 2002,147,148; vgl. auch Palandt/Heldrich, 61. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 6 ; Hepting StAZ 2002,129; 2000,33,34; Gaaz StAZ 1998,241,250; Henrich StAZ 1998,1,4; Maßfeller/Hoffmann, § 29 PStG Rn. 144 ff. zum Art 20 EGBGB i.d.F. des IPRNG vom 25.07.1986). Danach kommen hier für die Anerkennung der Vaterschaft finnisches oder deutsches Recht in Betracht.

Der Senat hält die Auffassung der Beteiligten zu 3., der Gesetzgeber sei bei dieser Regelung einem Irrtum unterlegen oder diese müsse jedenfalls verfassungskonform einschränkend ausgelegt werden, für nicht überzeugend. Der Wortlaut des Art. 19 Abs. 1 EGBGB ist im Sinne einer gleichrangigen Alternativität eindeutig und läßt keine abweichende Auslegung zu. Anschließend an Satz 1 ("unterliegt") eröffnet Satz 2 mit der Wendung "kann...auch ......bestimmt werden" die Möglichkeit der Wahl (AG München a.a.O.; Henrich StAZ 1998,1,4). Einen Irrtum des Gesetzgebers zu dieser Frage hält der Senat für ausgeschlossen. Bereits aus den Gesetzesmaterialien zu Art. 20 Abs. 1 EGBGB a.F. - hinsichtlich des nichtehelichen Kindes der Vorläufer des nunmehr geltenden Art. 19 Abs. 1 EGBGB - geht hervor, dass für die damalige Neuregelung des Art. 20 Abs. 1 Satz 3 EGBGB ausschlaggebend das Günstigkeitsprinzip und damit die Gleichrangigkeit der alternativen Statute war. Es sollte diejenige Anknüpfung erlaubt werden, die im Ergebnis dem Kindeswohl am besten entspricht (Rechtsausschuß, BT-Drucks. 10/5632, S. 43). Folgerichtig hat die Rechtsprechung dann die Verklammerung von Unterhalts- und Abstammungsstatut gelöst (vgl. Maßfeller/Hoffmann, a.a.O., Rn. 148, 149). Bei der Neuregelung im KindRG vom 16.12.1997 war dem Gesetzgeber die Problematik bekannt. Gleichwohl hat er bewußt das Günstigkeitsprinzip in Art. 20 Abs. 1 EGBGB für die Abstammung von ehelichen und nichtehelichen Kinder aufrechterhalten. Zwar ist insoweit in den Gesetzesmaterialien nunmehr hinsichtlich des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB (gewöhnlicher Aufenthalt) von der "Regelanknüpfung" die Rede (BT-Drucks. 13/4899 S. 137), dies bezieht sich indessen nicht auf eine kollisionsrechtliche Rangordnung, sondern auf die tatsächlich am häufigsten auftretenden Fälle (Hepting StAZ 2002,129,133). Wollte man nach der Auffassung der Beteiligten zu 3. verfahren, liefen die Alternativen völlig leer. Auch eine einschränkende verfassungskonforme Auslegung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB scheidet aus. Der von der Beteiligten zu 3. herangezogene Art. 6 Abs. 5 GG bietet dafür keinen Ansatzpunkt. Durch die Neufassung des Art. 19 EGBGB wird gerade die Gleichstellung der nicht ehelichen mit den ehelichen Kindern erreicht. Überdies bietet das Günstigkeitsprinzip die Gewähr, dass die Abstammung eines Kindes dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts dann unterworfen wird, wenn dies seinem Wohl am besten entspricht.

Auch die vom Standesamt beabsichtigte Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des deutschen Beteiligten zu 2. unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Nach Auffassung des Senats ist grundsätzlich für das Wohl des Kindes am günstigsten die Rechtsordnung, die ihm zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen Vater zuordnet (BayObLG StAZ 2002,143,144,145 m.w.Nw.). Das ist hier das deutsche Recht, weil der deutsche Beteiligte 2. seine Vaterschaft nach §§ 1592 Nr. 2, 1597 BGB anerkannt hat. Die von der Beteiligten zu 3. erhobenen Bedenken, dies führe dazu, daß das betroffenen Kind keinen Unterhalt gegen seinen Vater durchsetzen könne, teilt der Senat nicht. Es spricht nichts dagegen, daß das Kind seinen Unterhaltsanspruch gegen den Beteiligten zu 2. auch in Finnland verfolgen kann. Ein Konkurrenzproblem im Zusammenhang mit einer anderen in Betracht kommenden Vaterschaft, bei dem die vom Beteiligten zu 3. näher erläuterte Sperrwirkung des § 1594 Abs. 2 BGB - sollte sie zutreffen - aktuell werden könnte, ist hier nicht ersichtlich. Die bloß abstrakte Gefahr dieser Sperrwirkung ist nicht geeignet, das Günstigkeitsprinzip in Frage zu stellen. Außerdem könnte eine dem Unterhaltsanspruch entgegenstehende Sperrwirkung durch Anfechtung der Anerkennung beseitigt werden (vgl. BayObLG a.a.O. S. 145).

Ende der Entscheidung

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