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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 28.01.2004
Aktenzeichen: 2 W 7/04
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 46 Abs. 1 Satz 1
FGG § 65 a Abs. 1
Ein Betreuungsverfahren darf grundsätzlich erst dann abgegeben werden, wenn das bisher zuständige Gericht alle anstehenden Entscheidungen getroffen hat. Auch die Frage dieser sogenannten Abgabereife ist jedoch unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit zu beurteilen. Bei einem Aufenthaltswechsel des Betroffen ist es in der Regel zweckmäßiger, die Entscheidung über die Betreuerauswahl dem für den neuen Aufenthaltsort des Betroffenen zuständigen Amtsgericht zu überlassen.
2 W 7/04

Beschluss

In der Betreuungssache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die Vorlage der Akten durch das Landgericht Cottbus vom 8./14. Januar 2004 am 28. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

Das Amtsgericht Neumünster wird zum zuständigen Vormundschaftsgericht bestimmt.

Gründe:

Die Vorlage ist gemäß §§ 65 a Abs. 2, 46 Abs. 2 FGG zulässig. Das Landgericht Cottbus war für die Vorlage zuständig, weil es als Beschwerdegericht vollständig an die Stelle des Amtsgerichts Senftenberg getreten ist (zu dieser Problematik vgl. grundsätzlich BayObLG FamRZ 1991, 1076).

Das Amtsgericht Neumünster ist gemäß §§ 65 a Abs. 1 , 46 Abs. 1 Satz 1 FGG zum zuständigen Vormundschaftsgericht zu bestimmen, weil ein wichtiger Grund für die Abgabe des Betreuungsverfahrens vom Amtsgericht Senftenberg an das Amtsgericht Neumünster vorliegt.

Nach § 65 Abs. 1 Satz 2 FGG ist ein wichtiger Grund für die Abgabe eines Betreuungsverfahrens in der Regel gegeben, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen geändert hat und die Aufgaben des Betreuers im Wesentlichen am neuen Aufenthaltsort zu erfüllen sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen hat sich geändert. Er lebt seit dem 14. Juli 2003 ständig in der geschlossenen Einrichtung X. in B.. und wird dort voraussichtlich noch für einen längeren Zeitraum verbleiben. Der Betroffene möchte zwar nach S..... zurückkehren. Seine Wohnung dort ist jedoch aufgelöst, weil er nicht allein leben kann. In S.. ist auch keine geeignete Einrichtung vorhanden, die zu einer Aufnahme des Betroffenen bereit und in der Lage wäre. Bisherige Bemühungen des Beteiligten zu 1., eine solche Einrichtung in S. oder der näheren Umgebung zu finden, sind erfolglos geblieben. In der von dem Betroffenen bevorzugten offenen Einrichtung kann er nach der aus den Akten - insbesondere den schriftlichen Sachverständigengutachten - ersichtlichen Entwicklung vorerst ohnehin nicht leben. Außerdem entspräche seine Rückkehr nach S. nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. M.. und den Angaben der Mitarbeiter des Y. nicht seinem Wohl, weil dort mit einem Rückfall in seine alten Verhaltensweisen zu rechnen wäre. Das aber muss im eigenen Interesse des Betroffenen möglichst verhindert werden. Bei dieser Sachlage erscheint der Aufenthaltswechsel als ausreichend dauerhaft, um eine Abgabe des Betreuungsverfahrens zu rechtfertigen. Die Aufgaben des Betreuers können im Wesentlichen nur am neuen Aufenthaltsort sachgerecht wahrgenommen werden.

Es sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die es hier ausnahmsweise als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, das für den neuen gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen örtlich zuständige Amtsgericht Neumünster nicht zum zuständigen Gericht zu bestimmen. Die in § 65 Abs. 1 FGG zum Ausdruck kommende Grundentscheidung des Gesetzgebers spricht ausdrücklich für das Gegenteil. Danach ist für Betreuungsangelegenheiten grundsätzlich das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass räumliche Entfernungen die persönliche Verbindung zwischen dem Betroffenen und dem zuständigen Vormundschaftsgericht behindern; deshalb soll das Gericht - soweit möglich - ortsnah zum Aufenthaltsort des Betroffenen liegen (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflage, § 65 a Rn. 4).

Der Abgabe des Verfahrens steht auch nicht entgegen, dass das Landgericht Cottbus noch nicht über die - auf die Auswahl des Betreuers beschränkte - Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 1. Juli 2003 entschieden hat. Ein Betreuungsverfahrens darf zwar in der Regel erst dann abgegeben werden, wenn das bisher zuständige Gericht alle überfälligen Entscheidungen getroffen hat; auch die Frage dieser so genannten Abgabereife ist jedoch unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit zu beurteilen (so auch Keidel/Kuntze/Winkler aaO, § 65 a Rn. 9). Bei einem Aufenthaltswechsel des Betroffenen ist es indessen in der Regel zweckmäßiger, die Entscheidung über die Betreuerauswahl dem für den neuen Aufenthaltsort des Betroffenen zuständigen Tatsachengericht zu überlassen.

Ende der Entscheidung

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