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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 14.05.2003
Aktenzeichen: 2 W 77/03
Rechtsgebiete: PsychKG


Vorschriften:

PsychKG § 7
Die für eine Unterbringung vorausgesetzte krankheitsbedingte erhebliche und anders nicht abwendbare Gefährdung ist mit dem bloßen Hinweis auf "eigen- und fremdgefährdende Fehlhandlungen" nicht ausreichend begründet
2 W 77/03

Beschluß In der Unterbringungssache (PsychKG) betreffend den am 6.11.1974 geborenen Herrn M,

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 7.05.2003 gegen den Beschluß der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 30.04.2003 durch die Richter Lindemann, Schupp und Dr. Teschner am 14.05.2003 beschlossen: Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Gründe: Der Betroffene leidet an einer schweren manischen Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer schizoaffektiven Erkrankung. Hinzu kommt eine hyperkinetische Störung des Erwachsenenalters (ADHD). Er wurde erstmals 1996 mit seinem Leiden auffällig und deswegen wiederholt stationär behandelt. Der Senat war anläßlich seiner Unterbringung im Juni/Juli 2002 mit einer sofortigen weiteren Beschwerde des Betroffenen befaßt (2 W 128/02 - 7 T 321 LG Lübeck - 9 c XIV 9283 AG Lübeck), die durch Beschluß vom 17.07.2002 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Vor der jetzigen Unterbringung begab sich der Betroffene wegen seines Leidens freiwillig in die Universitätsklinik L., die ihn in das Psychiatrium N. überstellte. Auf Antrag des Beteiligten, dem ein psychiatrisches Gutachten des Stationsarztes K. des Psychiatriums N. vom 4.04.2003 beigefügt war, hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen und Einholung eines weiteren mündlichen Gutachtens des Stationsarztes seine Unterbringung bis längstens zum 21.05.2003 angeordnet. Es hat diese Maßnahme zur Abwehr krankheitsbedingter "eigen- und fremdgefährdender Fehlhandlungen" für erforderlich gehalten. Auf die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Betroffenen hat die Einzelrichterin des Landgerichts den Betroffenen, der seit dem 22.04.2003 auf seinen Wunsch wiederum in der Universitätsklinik Lübeck untergebracht war, erneut angehört und mündliche Gutachten der Stationsärztin Dr. Kü. und des Oberarztes Dr. Ka. erstatten lassen. Sie hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 22 bis 24 d. A.), richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen. Die nach §§ 27, 29, 70 m, 70 g Abs. 3, 22 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist im eingangs genannten Umfang begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 546 ZPO). Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 und 2 PsychKG S-H bejaht und dazu ausgeführt: Der Betroffene sei infolge seiner schizoaffektiven Erkrankung antriebsgesteigert, gereizt und in seinem Denken zerfahren, ferner krankheits- und behandlungsuneinsichtig. Bei seiner Entlassung bestehe die erhebliche Gefahr, daß er mit seinem, bei der Uniklinik geparkten Auto fahre. Da er nur vermindert steuerungsfähig sei, würden dadurch andere Verkehrsteilnehmer akut gefährdet. Darüberhinaus sei mit völlig unkontrollierten Handlungen zu rechnen, die auch für ihn eigengefährdend werden können. Diese Ausführungen sind insoweit rechtsfehlerhaft, als die krankheitsbedingte erhebliche und anders nicht abwendbare Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit des Betroffenen oder der Rechtsgüter anderer im Sinne des § 7 PsychKG S-H nicht hinreichend unter Darlegung konkreter Tatsachen (vgl. hierzu Senat, Beschluß vom 13.09.2002, SchlHA 2003, 43 = FamRZ 2003, 477 LS) vom Amts- und Landgericht festgestellt und auch sonst nicht aus den Akten ersichtlich ist. Die vom Amtsgericht nur allgemein erwähnten "eigen- und fremdgefährdenden Fehlhandlungen" lassen nicht erkennen, was damit im einzelnen gemeint ist, und ob sie dem gesetzlichen Gefährdungstatbestand genügen. Die vom Landgericht angeführte Möglichkeit, daß der Betroffene im Falle seiner Entlassung sein vor der Uniklinik geparktes Auto führt, mag auf Grund seiner psychischen Erkrankung derzeit den Gefährdungstatbestand begründen, es ist aber nichts dazu festgestellt, daß diese Gefahr unabwendbar ist. So drängt sich zum Beispiel die Möglichkeit auf, daß im Einverständnis mit dem Betroffenen, der mehrmals verneint hat, das Auto führen zu wollen ( u. a. soll seine Schwester das Auto abholen und damit fahren), die Autoschlüssel von einer zuverlässigen Person verwahrt werden, so daß diese Gefahr jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn der Betroffene keinen Zugang zu anderen Fahrzeugen hat, die er zu führen beabsichtigt. Sollte der Betroffene seine Zustimmung widerrufen, so kann seine Unterbringung erneut herbeigeführt werden. Soweit das Landgericht "völlig unkontrollierte Handlungen" des Betroffenen erwähnt, die für ihn "eigengefährdend" werden könnten, haftet dem ebenfalls - wie beim Amtsgericht - der Mangel fehlender Konkretheit an. Die Ausführungen der Sachverständigen sind nicht geeignet, den Rechtsfehler zu beheben. Die von Dr. Kü. angesprochene "zumindest mittelbare Eigen- und Fremdgefährdung" läßt nicht erkennen, was darunter zu verstehen ist und dürfte schon wegen der einschränkend wirkenden "Mittelbarkeit" nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Die im gleichen Zusammenhang angeführten "großen Geldausgaben, die teilweise zur Verschuldung des Patienten führen können", stellen in aller Regel keine Gefährdung seines Lebens oder seiner Gesundheit dar. Die von Dr. Ka. angesprochenen "Pläne des Betroffenen, die zu einer direkten Gefährdung von anderen Personen führen würden", sind - außer der Möglichkeit des eingangs behandelten Führens seines Autos - ebenfalls nicht näher erläutert. Der Stationsarzt K. verweist in seinem schriftlichen Gutachten vom 4.04.2003 lediglich - damit unzulänglich, wie schon beanstandet - auf "eigen- und fremdgefährdende Verhaltensweisen" des Betroffenen. Soweit er anläßlich der Anhörung geschildert hat, der Betroffene habe "sich gewehrt", als er vom Pflegepersonal gehindert worden sei, die Station zu verlassen, so kann dies - abgesehen davon, daß ein darin liegendes Gefährdungspotential nicht näher wiedergegeben ist - eine nur unterbringungsspezifische Reaktion gewesen sein, die sich nicht verallgemeinern läßt. Letztlich lassen die Äußerungen der Sachverständigen nicht erkennen, ob und inwieweit angesichts des bereits gegebenen chronischen Verlaufs der Erkrankung (so Dr. Kü. bei der Anhörung am 29.04.2003) im Falle einer Nichtbehandlung die Prognose nachhaltig verschlechtert wird, wobei auch die möglichen Risiken einer (Zwangs)behandlung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sind. Bei den weiteren Ermittlungen im Hinblick auf den Gefährdungstatbestand kann es hilfreich sein, die Akten aus vorangegangenen Unterbringungsverfahren beizuziehen, um zu prüfen, ob dort zu Tage getretene Verhaltensweisen des Betroffenen in gleicher oder ähnlicher Weise zu erwarten sein werden.

Ende der Entscheidung

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