Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 24.01.2000
Aktenzeichen: 2 W 8/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1836
BGB § 1836 e
BGB § 1915
Zur Frage, welche Voraussetzungen im Rahmen der Nachprüfung der Vergütungsforderung an den Tätigkeitsbericht eines Abwesenheitspflegers zu stellen sind.

SchlHOLG, 2 ZS, Beschluss vom 24. Januar 2000, - 2 W 8/00 -,


Beschluß

2 W 8/00 7 T 446/99 LG Lübeck 2 VIII C 128 AG Ratzeburg

In der Abwesenheitspflegschaftssache (Vergütung)

betreffend die Vermögensangelegenheiten der Frau, zuletzt wohnhaft

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. vom 29.12.1999 gegen den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 30.11.1999 durch die Richter Lindemann, Schupp und Stapel am 24.01.2000 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Amtsgerichts vom 2.08.1999 werden aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der weiteren Instanzen - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Der Geschäftswert beträgt 31.842 DM.

Gründe

Das Amtsgericht hatte den Beteiligten zu 1. für die Zeit vom 13.01. bis zum 13.04.1999 zum Abwesenheitspfleger bestellt. Zum Vermögen der Abwesenden gehörten u.a. 8 Grundstücke, 5 Beteiligungen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, und zwar überwiegend als Alleingesellschafterin, 6 Kontoguthaben und zahlreiche Forderungen. Die Firmen betreiben u.a. Fitnesscenter und ein Sonnenstudio. Nach dem letzten Vermögensverzeichnis beläuft sich das Vermögen auf ca. 5 Millionen DM. Am 18.03.1999 bewilligte das Amtsgericht dem Beteiligten zu 1. einen Vorschuß von 32.000 DM. Am 27.05.1999 hat er die Festsetzung einer Vergütung beantragt, die er in Höhe von 69.252 DM (199 Stunden à 300 DM + 16%) für angemessen gehalten hat. Dem Antrag war ein Tätigkeitsnachweis (Bl. 80 - 84 d.A.) beigefügt. Das Amtsgericht ist dem nachgekommen. Hiergegen hat die Beteiligte zu 2. sofortige Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdeinstanz hat der Beteiligte zu 1. zum Beleg für seine Tätigkeit eine Zusammenstellung der von ihm gefertigten Vermerke eingereicht (Bl. 175 - 194 d.A.). Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Gegen seinen Beschluß, in dem es die sofortige weitere Beschwerde zugelassen hat und auf den zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird (Bl. 195 - 197 d.A.), richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2., welcher der Beteiligte zu 1. entgegengetreten ist.

Die nach §§ 56 g Abs. 5 Satz 2, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist mit der Folge der Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 550 ZPO).

Das Landgericht hat ausgeführt:

Angesichts des zu verwaltenden Vermögens habe die Kammer keinen Anlaß, die Ordnungsgemäßheit der Abrechnung über 199 Stunden in Zweifel zu ziehen. Die Belastung sei so groß, daß der Beteiligte zu 1. um seine Entlassung gebeten habe, weil eine optimale Führung ohne Vernachlässigung seiner Anwaltskanzlei auf Dauer nicht geleistet werden könne. Insbesondere komme es nicht darauf an, wie lange z.B. bestimmte Gespräche mit einem der Söhne der Abwesenden an einem bestimmten Tag gedauert hätten, da er jeden Tag auch diverse andere Tätigkeiten im Rahmen der Pflegschaft verrichtet habe und allein aus der Dauer der Gespräche kein zwingender Hinweis auf eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung zu entnehmen sei. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß er mit der Einreichung umfangreicher Vermerke alles ihm Mögliche getan habe, um seine Tätigkeit im einzelnen darzulegen, ohne daß Einwendungen weiter substantiiert worden seien. Nach der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts sei ein Stundensatz von 300 DM gerechtfertigt. Materiellrechtliche Einwendungen, der Beteiligte zu 1. habe die Pflegschaft schlecht geführt, seien im vorliegenden Festsetzungsverfahren unzulässig und müßte gem. § 767 ZPO verfolgt werden.

Der Ausgangspunkt des Landgerichts, die Vergütung sei nach §§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB - also entsprechend der eines Berufsvormunds - zu bemessen, ist nicht zu beanstanden. § 1915 Abs. 1 BGB erklärt für die Pflegschaft die für die Vormundschaft geltenden Vorschriften für grundsätzlich entsprechend anwendbar. Hierzu gehören insbesondere die Vergütungsvorschriften gem. §§ 1836 bis 1836 e BGB (Palandt-Diederichsen, BGB, 60. Aufl., § 1915 Rn. 3). Zwar hat das Amtsgericht nicht ausdrücklich nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmt, daß der Pfleger die Pflegschaft berufsmäßig führe. Diese Bestimmung ergibt sich jedoch konkludent. Es hat den Beteiligten zu 1. wegen dessen Stellung als Rechtsanwalt ausgewählt, weil das Amt eine solche Ausbildung nach Umfang und Schwierigkeitsgrad erforderte (BayObLG NJW-RR 1999,517). Daß der Beteiligte zu 1. möglicherweise nur eine Pflegschaft verwaltete, steht dem nicht entgegen (BayObLG FamRZ 1999,462).Vor allem hat das Amtsgericht, was als zulässige (Palandt-Diederichsen, § 1836 Rn. 4) nachträgliche Feststellung anzusehen ist, die Vergütung in seinem Beschluß vom 2.08.1999 nach Zeitaufwand und Stundensatz abgerechnet. Das kommt in aller Regel nur bei einer berufsmäßigen Führung einer Pflegschaft in Betracht.

Die Ausführungen des Landgerichts sind jedoch insoweit rechtsfehlerhaft, als es die Abrechnung des Zeitaufwandes als ordnungsgemäß befunden hat. Bei der Bewilligung einer Vergütung nach § 1836 BGB steht dem Tatrichter entsprechend § 287 ZPO ein Schätzungsermessen zu. Dieses Ermessen kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob es auf denkgesetzlich unrichtigen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht und ob wesentliche Tatsachen nicht beachtet worden sind. Hat der Pfleger seinen Zeitaufwand im einzelnen für bestimmte wesentliche Tätigkeiten aufgeschlüsselt, so findet schon in der Tatsacheninstanz nur eine Plausibilitätsprüfung der Zeitangaben statt, mit der Mißbrauchsfällen begegnet werden soll (Senat FamRZ 1998,185; BayObLG FamRZ 1996,1169; BtPrax 1994,173 OLG Zweibrücken FamRZ 2000,1533; Palandt-Diederichsen, § 1836 Rn. 17). Das Landgericht hat hier nicht genügend beachtet, daß der Beteiligte zu 1. - wie von der Beteiligten zu 2. in ihrer sofortigen weiteren Beschwerde im einzelnen mit Recht bemängelt - seinen Zeitaufwand in seinem Tätigkeitsnachweis nicht im einzelnen für bestimmte wesentliche Tätigkeiten aufgeschlüsselt hat. Im Tätigkeitsnachweis ist pro Tag nur eine Gesamtzeit in Minuten ausgeworfen und ohne zeitliche Aufschlüsselung als Gegenstand der Tätigkeit z.B. "Anruf bei...", "Gespräch mit...", "Schreiben an...."und vor allem pauschal "Bearbeitung" angegeben. Auch wenn die Vermerke zu Rate gezogen werden, fehlt es immer noch an der dem Beteiligten zu 1. obliegenden Angabe, wie lange die dort festgehaltenen Tätigkeiten unter Einschluß der sich jeder Kontrolle entziehenden "Bearbeitung" im einzelnen gedauert haben, so daß die erforderliche Plausibilitätsprüfung dem Betroffenen und dem Gericht nicht möglich ist. Dem wird auch durch die Hinweise auf den Umfang des zu verwaltenden Vermögens und die zeitliche Anspannung des Beteiligten zu 1. im Verhältnis zu seiner Anwaltspraxis nicht abgeholfen, da dies keine hinreichend genaue Überprüfung erlaubt. Die Beteiligte zu 2. hat aus ihrer Erfahrung als Vermögenspflegerin die angegebenen Tätigkeiten - soweit konkret nachvollziehbar - geschätzt und in ihrer Aufstellung Bl. 211 bis 224 errechnet, daß der pauschalen "Bearbeitung" ca. insgesamt 107,5 Stunden unterfallen, die nicht untergebracht werden können. Eine weitere Aufschlüsselung war dem Beteiligten zu 1. auch möglich. Sie entspricht, wie der Senat aus seiner langjährigen Beschäftigung mit Vergütungssachen aus dem Bereich des 1836 Abs. 2 BGB weiß, der gängigen Praxis bei Berufsvormündern, - betreuern und -pflegern. Angesichts der beiden übereinstimmenden abweichenden Gerichtsentscheidungen wird dem Beteiligten zu 1. Gelegenheit zu geben sein, die fehlenden Angaben nachzuholen. Da insoweit eine weitere Aufklärung geboten ist, war die Sache zu diesem Zwecke an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Insoweit werden auch die Zeitangaben der Geschäftsführer Brinkahn und St. Crantz im Schreiben vom 16.09.1999 (Bl. 137/138 d.A.) zu beachten sein.

Im übrigen läßt die angefochtene Entscheidung keinen Rechsfehler erkennen. Der Stundensatz von 300 DM ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Allerdings ist zweifelhaft, ob die Senatsentscheidung vom 1.08.1994 (FamRZ 1995,46; vgl. auch Senat vom 12.06.1996 - 2 W 122/95), welche als Ausgangspunkt bei der Errechnung des Stundensatzes annimmt, ein Zivilprozeßanwalt aus einer mittelgroßen reinen Zivilprozeßpraxis müsse je Leistungsstunde 300 DM einnehmen, wenn er wirtschaftlich den Status eines Richters am Landgericht einnehmen wolle, für einen zum Berufsvormund (-betreuer, - pfleger) bestellten Rechtsanwalt nach der den Beteiligten bekannt gegebenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 31.08.2000 (XII ZB 217/99) auf der Grundlage des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 25.06.1998 noch generell aufrechterhalten werden kann. Der Bundesgerichtshof ist im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (FamRZ 2000,729,730 f.; BVerfGE 101,331,357 ff.) der Auffassung, daß die in § 1 Abs. 1 BVormVG festgelegten Sätze von 35, 45 und 60 DM bereits dem Erfordernis genügen, berufsmäßig tätigen Vormündern seien auch Zeitaufwand und anteilige Bürokosten zu erstatten. Zum einen stellten diese Sätze Mindestbeträge dar, die nicht unterschritten werden dürften. Zum anderen verdeutlichten sie, was der Gesetzgeber im Regelfall als angemessenes Entgelt für die vom Betreuer erbrachte Leistung ansehe. Für eine Bemessung der Studensätze nach einer von dem Betreuer vorgelegten Kalkulation seiner Sach- und Personalkosten sei jedenfalls nach dem neuen Recht kein Raum mehr. Dieses lege fest, mit welchem Stundensatz ein Berufsbetreuer in der Regel auszukommen habe. Nach dieser Vorgabe müsse der Aufwand an Sach- und Personalkosten eingerichtet werden. Von den Stundensätzen sei deshalb nur dann abzuweichen, wenn dies die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte ausnahmsweise gebiete. In Übereinstimmung mit diesen Ausführungen sieht der Senat gleichwohl ausnahmsweise keine Bedenken, wegen der außerordentlichen Schwierigkeit der vorliegenden Vermögensverwaltung, die auch mittelbar in der Größe und Zusammensetzung des Vermögens zum Ausdruck kommt, am Stundensatz von 300 DM, dem auch die Beteiligte zu 2. zustimmt, festzuhalten.

Desgleichen entsprechen die Ausführungen des Landgerichts zur Nichtberücksichtigung materiellrechtlicher Einwendungen - hier mangelhafter Ausführung der Verwaltung - der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. SchlHA 2000,162; ferner OLG Zweibrücken RPfl 1992,54; BayObLG NJW 1988,1919; BtPrax 1999,196). Aber auch, wenn der Auffassung gefolgt werden sollte, eine Berücksichtigung sei jedenfalls bei Vorliegen schwerer Mängel der Amtsführung geboten (Palandt-Diederichsen, § 1836 Rn. 24 m.w.Nw.), ist das Ergebnis kein anderes, weil solche Mängel hier weder geltend gemacht noch ersichtlich sind. Hiervon zu unterscheiden ist die grundsätzlich gebotene Prüfung, ob einzelne Tätigkeiten nötig waren. Hierbei ist aber lediglich darauf abzustellen, ob der Pfleger die jeweilige Tätigkeit zur pflichtgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich halten durfte (BayObL BtPrax a.a.O., S. 197).

Ende der Entscheidung

Zurück