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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 06.11.2001
Aktenzeichen: 3 U 11/97
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 211 II S. 1
Mit der Mitteilung des Konkursverwalters in einem gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Verfahren, dass er die Aufnahme des Rechtsstreits ablehne und die Freigabe der Forderung zugunsten des Gemeinschuldners erkläre, gilt § 211 Absatz 2 Satz 1 BGB mit der Folge, dass die durch die Klagerhebung eingetretene Unterbrechung der Verjährung endet.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 11/97

Verkündet am: 6. November 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 19. Dezember 1996 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO mit folgender Ausnahme abgesehen:

Mit Beschluss des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 28. Oktober 1997 wurde über das Vermögen der Klägerin das Konkursverfahren eröffnet und ein Konkursverwalter bestellt. Der Konkursverwalter teilte mit Schreiben vom 15. Januar 1998, eingegangen am 20. Januar 1998, den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin auf Anfrage mit, dass er den Rechtsstreit nicht aufnehmen werden. Diese Erklärung des Konkursverwalters wurde durch die damaligen Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 6. März 1998 den Bevollmächtigten der Beklagten zur Kenntnis gebracht.

Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2000, eingegangen beim Gericht am selben Tag, hat die Klägerin und Berufungsbeklagte erklärt, den aufgrund der Konkurseröffnung gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreit wieder aufzunehmen. Zumindest bis zum 4. September 2001 war der Abschluss des Konkursverfahrens nicht erfolgt.

Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung und begründen dies damit, dass es der Klägerin nach der Mitteilung des Konkursverwalters vom 15. Januar 1998 möglich gewesen sei, das Verfahren fortzuführen, was jedoch nicht geschehen sei. Seit der Mitteilung habe dementsprechend eine neue Verjährung zu laufen begonnen, da der Grund der Unterbrechung weggefallen sei und die Klägerin nichts unternommen habe. Dementsprechend sei bereits vor der Aufnahmeerklärung der Klägerin die Verjährung des Werklohnanspruchs eingetreten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von 14.430,01 DM zu.

Es kann dahinstehen, ob der gegenüber dem Beklagten zu 2. unstreitig entstandene Werklohnanspruch aus § 631 Abs. 1 BGB auf Zahlung eines im zweiten Rechtszug verbliebenen Betrages von 14.410,01 DM auch gegenüber der Beklagten zu 1. entstanden ist. Des Weiteren kann dahinstehen, ob das Gewerk der Klägerin mit Mängeln versehen ist, die die Klägerin zu vertreten hat, und ob der Beklagte zu 2. bzw. die Beklagten einen aufrechenbaren Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB hat bzw. haben.

Jedenfalls greift die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung.

Die Verjährungsfrist für den Werklohnanspruch der Klägerin beträgt gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB zwei Jahre. Die Verjährung begann gemäß §§ 198 Satz 1, 201 Satz 1 BGB mit dem Schluss des Jahres 1994, da die Abnahme am 30.11.1994 erfolgt war. Die Verjährung wurde zwar gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB durch Einreichung der Mahnbescheide gegen die Beklagten am 21. Februar 1995 unterbrochen, die Unterbrechung der Verjährung endete aber auf Grund der Mitteilung des Konkursverwalters, dass er den Rechtsstreit nicht aufnehmen werde. Dies folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Grundsätzlich normiert § 211 Abs. 1 BGB, dass die Unterbrechung durch Klagerhebung fortdauert, bis der Prozess rechtskräftig entschieden oder anderweitig erledigt ist. Gemäß § 211 Abs. 2 Abs. 1 gilt das dann nicht, wenn der Prozess dadurch, dass er nicht betrieben wird, in Stillstand gerät; dann endigt die Unterbrechung mit der letzten Prozesshandlung der Parteien oder des Gerichts.

Eine direkte Anwendung des § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB scheidet hier aus:

Unterbrechungen von Zivilverfahren gemäß §§ 239 bis 245 ZPO und Aussetzungen gemäß §§ 246 ff, 148 f ZPO beenden die Unterbrechung der Verjährung zunächst nicht (vgl. Palandt-Heinrichs, 60. Aufl., § 211 Rn. 5 mwN). § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB ist in solchen Fällen nicht direkt anwendbar, da der Stillstand des Verfahrens auf einer kraft Gesetzes erfolgen den Unterbrechung bzw. auf einer vom Gericht beschlossenen Aussetzung und damit nicht auf der Untätigkeit der Parteien beruht. Die Parteien haben wegen des Anfalls des Unterbrechungsgrundes bzw. wegen des Aussetzungsbeschlusses nicht die Möglichkeit, vor dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes bzw. des Aussetzungsgrundes die Fortsetzung des anhängigen Rechtsstreits zu erreichen.

Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Grund der Unterbrechung oder der Aussetzung wegfällt und die Parteien gleichwohl nichts unternehmen (vgl. Palandt-Heinrichs, § 211 Rn. 5). Dies gilt insbesondere für den Fall, dass ein Verfahren bis zur Erledigung eines anderen Verfahrens gemäß § 148 ZPO ausgesetzt und die Erledigung des anderen Verfahrens eingetreten ist (vgl. BGH NJW 1988, 1729, 1730; BAG NJW 1990, 2578, 2579; RGZ 72, 185, 187). Mit der Erledigung des vorgreiflichen Verfahrens endet auch die bis dahin währende Wirkung des Aussetzungsbeschlusses, der den Prozess zunächst zum Stillstand gebracht hatte; durch das hiernach erfolgende Nichtbetreiben des Verfahrens gerät der Prozess wiederum in Stillstand. Von diesem Zeitpunkt an haben die Parteien die Möglichkeit, das Verfahren fortzusetzen. Betreiben sie den Rechtsstreit nicht weiter, so beruht der Stillstand auf ihrem Verhalten.

Dies führt jedoch in dem hier vorliegenden Fall ebenfalls nicht zu einer direkten Anwendung des § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB, da die Unterbrechung nach § 240 ZPO erst mit der Aufnahme des gerichtlichen Verfahrens oder der Aufhebung des Konkursverfahrens endet, nicht jedoch mit der Freigabeerklärung des Konkursverwalters (vgl. BGHZ 36, 258, 261 ff). Dementsprechend wirkt hier die Konkurseröffnung als Unterbrechungsgrund vom Grundsatz her fort - der Prozess gerät formell nicht durch die fehlende Aufnahme nach Freigabeerklärung in Stillstand.

§ 211 Abs. 2 Satz 1 BGB ist jedoch entsprechend anzuwenden, wenn - wie hier - der Prozess im Stillstand verbleibt, weil die Parteien das durch Eröffnung des Konkursverfahrens unterbrochene Zivilverfahren nicht wieder aufnehmen, obwohl der Konkursverwalter die Aufnahme des Rechtsstreits ablehnt und hiermit die Freigabe zugunsten des Gemeinschuldners erklärt.

Die für eine analoge Anwendung erforderliche vergleichbare Interessenlage bei Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke ist gegeben.

Maßgebend ist hierbei insbesondere der Sinn und Zweck von § 211 Abs. 2 BGB. Durch diese Norm soll eine Umgehung von § 225 BGB verhindert werden. Zu dieser könnte es kommen, wenn es das Gesetz zuließe, dass eine einmalige nach § 209 BGB herbeigeführte Verjährungsunterbrechung auch dann fortdauern würde, wenn der Kläger das Verfahren grundlos nicht mehr weiter betreibt (vgl. BGH NJW 1989, 1729, 1730 mwN). Vom Gesetzgeber wurde es missbilligt, dass eine Partei durch ein bewußtes, nicht notwendig von einer Umgehungsabsicht getragenes Nichtbetreiben des Verfahrens erreicht, dass sich die in den Prozess eingeführten Ansprüche "verewigen" (vgl. BAG NJW 1990, 2578, 2579 mwN). Durch die in der Ablehnung der Aufnahme enthaltene Freigabeerklärung des Konkursverwalters stand es den Parteien gemäß § 10 Abs. 2 KO frei, den Rechtsstreit wieder aufzunehmen. Es lag allein im Verantwortungsbereich der Parteien, die beide Kenntnis von der Freigaberklärung hatten, die gemäß § 240 ZPO eingetretene Unterbrechung des Gerichtsverfahrens vor einer etwaig erst in ferner Zukunft zu erwartenden Aufhebung des Konkursverfahrens durch Wiederaufnahme zu beenden. Auch der zunächst bestehende Grund für die durch § 240 ZPO angeordnete Unterbrechung des Verfahrens, dem Konkursverwalter Bedenkzeit für die Entscheidung über die Aufnahme des Rechtsstreits zu gewähren, ist nach Abgabe einer Freigabeerklärung nicht mehr gegeben.

Insgesamt macht es nach alledem im Hinblick auf die gesetzgeberische Intention für die Anwendung von § 211 Abs. 2 BGB keinen Unterschied, ob ein Prozess durch Nichtbetreiben in Stillstand gerät oder durch das im Verantwortungsbereich der Parteien liegende Nichtbetreiben im Stillstand verbleibt.

Die Verjährung ist im vorliegenden Fall auch eingetreten. Die Wiederaufnahme des Rechtsstreits, erfolgte mehr als 2 Jahre nach Wiederbeginn der zweijährigen Verjährungsfrist. Hierbei kann dahingestellt bleiben, zu welchem Zeitpunkt der Lauf der Verjährungsfrist konkret wieder begann. Der diesbezüglich spätest mögliche Zeitpunkt war die durch das Schreiben der Klägervertreter vom 6. März 1998 erfolgte Kenntniserlangung der Beklagtenvertreter von der maßgebenden Erklärung des Konkursverwalters. Die Wiederaufnahme des Rechtsstreits erfolgte dagegen erst am 5. Juni 2001 durch die Einreichung des entsprechenden Schriftsatzes vom selben Tag beim Gericht.

Den von der Klägerin in erster Instanz im Übrigen verfolgte Anspruch auf Zahlung von 20,- DM wegen entstandener Scheckkosten hat sie schließlich im Berufungsrechtszug nicht mehr geltend gemacht und das landgerichtliche Urteil gegen die Berufung der Beklagten insoweit nicht verteidigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Die Revision gegen das Urteil des Senats war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 546 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 ZPO hat. Dies wäre nur dann der Fall, wenn zu erwarten ist, dass die Rechtssache auch künftig wiederholt auftreten wird, über ihre Auslegung in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen geäußert worden sind und insoweit die Wahrung der Rechtseinheit und die Fortbildung des Rechts durch das Revisionsgericht zu ermöglichen gewesen wären. Dies ist jedoch nicht der Fall. Insbesondere ist es nicht ersichtlich, dass zu der Problematik des vorliegenden Einzelfalls bereits anderweitige gerichtliche Entscheidungen ergangen sind, aufgrund derer bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine abschliessende Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich sein würde.

Ende der Entscheidung

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