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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 12.10.1999
Aktenzeichen: 3 U 179/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2303 Abs. 2
BGB § 1931 Abs. 2
1. Der Pflichtteilsanspruch eines Ehegatten entfällt nicht deswegen, weil die Ehe über 50 Jahre ausschließlich auf dem Papier und nicht tatsächlich im Sinn einer ehelichen Gemeinschaft bestand.

2. Der ideelle Anteil an einem Grundstück entspricht dem rechnerischen Anteil des Grundstückswerts.


3 U 179/98 17 O 128/96 LG Lübeck

Verkündet am: 12. Oktober 1999

Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

des Herrn,

Beklagten und Berufungsklägers,

- Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt

gegen

Frau,

Klägerin und Berufungsbeklagte,

- Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt

hat der 3. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 17. August 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht sowie die Richterin am Oberlandesgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 9. September 1998 verkündete Schlußurteil des Einzelrichters der 17. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 DM abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Das Urteil beschwert den Beklagten in Höhe von 81.283,82 DM.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem Tod des am verstorbenen geltend.

Die Klägerin und der Erblasser schlossen am vor dem Standesbeamten des Standesamts Triebsees, Kreis, die Ehe miteinander, aus der Kinder nicht hervorgegangen sind. Nach Beendigung des 2. Weltkrieges verblieb die Klägerin in der ehemaligen DDR, während der Erblasser sich in der Bundesrepublik Deutschland niederließ. Bis zur "Wende" im Jahre 1990 bestanden zwischen der Klägerin und dem Erblasser keinerlei Kontakte mehr. Der Erblasser war statt dessen eine außereheliche Lebensgemeinschaft mit einer Frau eingegangen. Der Erblasser sowie Frau waren je zur Hälfte Miteigentümer eines mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten belegenen Grundstücks (Grundbuch von Lübeck ). Gemäß ihrem Testament vom 4. August 1992 bestimmte Frau den Erblasser zum Vorerben sowie die Eheleute sowie und zu gleichen Teilen als Nacherben. Durch notariellen Vertrag vom 17. September 1992 verschenkte der Erblasser im Wege vorweggenommener Erbfolge den genannten vier Nacherben seine ideelle Grundstückshälfte an dem vorgenannten Grundstück. Zu Gunsten der vier Beschenkten wurde eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Die Eigentumsübertragung wurde indes erst nach dem Tode des am 1. Juli 1995 verstorbenen Erblassers vollzogen, wie dies im Vertrage vorgesehen war. Mit notariellen Testament vom 28. September 1994 hatte der Erblasser den Beklagten zu seinem Alleinerben eingesetzt. Er hatte dabei alle früheren Verfügungen von Todes wegen widerrufen und darauf hingewiesen, mit der Klägerin verheiratet zu sein. Seit etwa 1945 lebe er von ihr getrennt. Weiter heißt es:

"Sie soll, wenn sie gleichwohl darauf gesetzlichen Anspruch hat, ausschließlich und nur den Pflichtteil erhalten. Soweit möglich, soll bei der Berechnung mein Endvermögen als Anfangsvermögen betrachtet werden. Außerdem hat sie ausschließlich Anspruch auf Zahlung in Geld.

Falls ich mit ihr, was ich beabsichtige, einen Gütertrennungs- und Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag schließe, ist die vorstehende Regelung hinfällig."

Zu irgendwelchen vertraglichen Absprachen zwischen dem Erblasser und der Klägerin ist es vor seinem Tode nicht mehr gekommen.

Folgende Vermögensgegenstände gelangten in den Nachlaß:

a)|Kontoguthaben bei der |71.048,78 DM|b)|Wertpapierdepot|51.800,00 DM|c)|Konten bei der |3.640,00 DM.

Dem standen folgende Verbindlichkeiten gegenüber:

a)|Erbschaftssteuer 1994|1.505,00 DM|b)|Gebührenrechnung |848,70 DM|c)|Finanzamt Vermögenssteuer 1995|245,00 DM|d)|Rechnung vom 3. Juli 1995|5.016,23 DM|e)|Rechnung vom 10. Juli 1995|1.401,84 DM

Für die Beerdigung des Erblassers entstanden Kosten von 5.374,18 DM. Die Klägerin verlangte von dem Beklagten, daß der Wert des vorgenannten Grundstücks geschätzt werde. Dafür entstanden Sachverständigenkosten von 2.300 DM.

Die Klägerin hat behauptet, das Grundstück Moislinger Allee 61 habe zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers einen Wert von 500.000 DM gehabt.

Die Klägerin ist gegen den Beklagten im Wege der Stufenklage vorgegangen. Über Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche hat das Landgericht durch Teilurteil vom 10. Oktober 1996 entschieden. Den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich der Richtigkeit der erteilten Auskünfte haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt. Danach hat die Klägerin im Wege der Leistungsstufe beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 86.790,97 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung (1. März 1996) zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat es für unbillig gehalten, daß die Klägerin Pflichtteilsansprüche geltend mache, obgleich über 50 Jahre hinweg keine Lebensgemeinschaft zwischen dem Erblasser und der Klägerin bestanden habe. Der Grundstückswert habe beim Tod des Erblassers nur 360.000 DM bis 400.000 DM betragen.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 179.898,91 DM nebst Prozeßzinsen unter Klagabweisung im übrigen verurteilt. Es hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß der Klägerin als Ehefrau des Erblassers ein Pflichtteilsanspruch aus § 2303 Abs. 2 BGB zustehe. Sie sei pflichtteilsberechtigt, da sie durch das Testament des Erblassers enterbt worden sei. Ob eine eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Erblasser und ihr bestanden habe oder nicht, sei unerheblich. Der Pflichtteilsanspruch bestehe in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Bei gesetzlicher Erbfolge hätte die Klägerin die gesamte Erbschaft erhalten, da weder Erben der ersten noch der zweiten Ordnung vorhanden seien, § 1931 Abs. 2 BGB. Hinsichtlich des an die Neffen und Nichten der Frau Boy übertragenen Grundstücks bestehe ein Pflichtteilsergänzungsanspruch aus § 2325 BGB. Der Wert des verschenkten Grundstücks sei dem Nachlaß hinzuzurechnen.

Die Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche seien auch nicht durch die Tatsache verwirkt, daß über 50 Jahre hinweg eine eheliche Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin und dem Erblasser nicht bestanden habe. Für eine Verwirkung fehle es schon am Zeitmoment. Es habe während der 50-jährigen Zeit der Trennung überhaupt kein Anlaß bestanden, Pflichtteilsansprüche geltend zu machen, die erst nach dem Tod des Erblassers überhaupt entstehen könnten. Es sei nicht treuwidrig, wenn die Klägerin nunmehr Pflichtteilsansprüche verfolge. Der Erblasser habe es in der Hand gehabt, aufgrund langjähriger Trennung jederzeit die Ehescheidung zu beantragen. Überdies sei ihm bei Testamentserrichtung bewußt gewesen, daß seiner Ehefrau Pflichtteilsansprüche zustünden. Das verschenkte Grundstück habe aufgrund der Angaben des Sachverständigen Grohmann mindestens einen Wert von 500.000 DM gehabt. Folgende Berechnung ergebe sich:

1.|Aktiva| | | |a)|Kontoguthaben bei der|71.048,78 DM| |b)|Wertpapierdepot|51.800,00 DM| |c)|Konten bei der|3.640,00 DM| |d)|Hälftiger Grundstücksanteil|250.000,00 DM| | | |376.488,78 DM

2.|Passiva| | | |a)|Erbschaftssteuer 1994|1.505,00 DM| |b)|Beerdigungskosten|5.374,18 DM| |c)|Gebührenrechnung |848,70 DM| |d)|Vermögenssteuer 1995|245,00 DM| |e)|Rechnung|2.300,00 DM| |f)|Rechnung vom 3. Juli 1995|5.016,23 DM| |g)|Rechnung vom 10. Juli 1995|1.401,84 DM| |Insgesamt|16.690,95 DM

Daraus hat das Landgericht einen Saldo zwischen Aktiva und Passiva errechnet von

359.797,83 DM

und den Pflichtteilsanspruch der Klägerin bemessen mit der Hälfte davon in Höhe von

179.898,91 DM

Den Zinsanspruch hat es aus § 291 BGB hergeleitet.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Seine Berufung beanstandet, es sei treuwidrig, wenn die Klägerin Pflichtteilsansprüche nach mehr als 50 Jahren der Trennung der Eheleute geltend mache. Beide Eheleute hätten sich neuen Partnern zugewandt und jahrzehntelang mit diesen gelebt, ohne auch nur einen Gedanken an die Möglichkeit zu verschwenden, daß ein gemeinsames Eheleben zwischen den Eheleuten zu führen sei oder überhaupt Kontakt miteinander aufzunehmen sei. Diese Sachlage rechtfertige es unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB, eine Gleichstellung mit den Fällen der beabsichtigten Scheidung oder der Aufhebung der Ehe vorzunehmen und in analoger Anwendung des § 1933 BGB der Klägerin das Pflichtteilsrecht zu versagen.

Weiter rügt der Beklagte, der Pflichtteilsanspruch müsse der Höhe nach geringer als vom Landgericht angenommen bemessen werden, weil zwar das Gutachten nicht angegriffen werde und deshalb der Gesamtgrundstückswert tatsächlich einen Verkehrswert von 500.000 DM ausgemacht habe, wie der Sachverständige festgestellt habe. Eine ideelle Miteigentumshälfte sei jedoch nicht verkäuflich. Im Falle einer Teilungsversteigerung würde jedoch ein deutlich geringerer Wert erzielt werden. Es könnten auch keine Hilfsüberlegungen aus der Berechnung des Zugewinnausgleichs angestellt werden, da es dort bei der Bewertung ideeller Grundstückshälften der Ehegatten stets um die Verteilung des gemeinschaftlich und damit für das gesamte Grundstück erworbenen Wertzuwachses gehe. Hier hingegen sei die Wertermittlung von vornherein auf die ideelle Hälfte beschränkt.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Abweisung der Klage im übrigen zu verurteilen, an die Klägerin 117.398,92 DM zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil wie folgt:

Eine Versagung des Pflichtteilsanspruchs komme nicht in Betracht. Das Landgericht habe auch den Verkehrswert der ideellen Grundstückshälfte zutreffend ermittelt.

Wegen des Sach- und Streitstands im übrigen wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht angebrachte Berufung des Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Landgericht hat der Klägerin zutreffend einen ungekürzten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch gegenüber dem Beklagten als testamentarischem Alleinerben nach ihrem am 13. Mai 1920 geborenen sowie am 1. Juli 1995 verstorbenen Ehemann in Höhe von insgesamt 179.898,91 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. März 1996 (Rechtshängigkeit der Stufenklage) zuerkannt. Die Klägerin und der Erblasser hatten am 5. Januar 1944 vor dem Standesbeamten des Standesamtes T, die Ehe miteinander geschlossen, aus der Kinder nicht hervorgegangen sind. Die Ehe bestand bei Eintritt des Erbfalls fort. Da der Erblasser den Beklagten testamentarisch als Alleinerben eingesetzt hatte, stehen der Klägerin als Ehefrau grundsätzlich Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche zu, auf deren Berechnung § 2303 Abs. 2 BGB anzuwenden ist, wie von der Berufung auch nicht in Zweifel gezogen wird. Nach § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB besteht der Pflichtteil in Höhe der Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils. In § 1931 BGB ist bestimmt, daß der überlebende Ehegatte des Erblassers neben Verwandten der ersten Ordnung zu 1/4, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen ist. Nach Abs. 2 letztgenannter Norm ist geregelt, daß der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft erbt, wenn weder Verwandte der ersten oder der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden sind. Auf diese Norm hat das Landgericht zutreffend seine von der Berufung insoweit nicht angegriffene Berechnung gestützt, wonach sich der Pflichtteilsanspruch der Klägerin in Höhe der Hälfte des Nachlaßwerts bemißt.

Entgegen der Auffassung der Berufung ist ein Verstoß gegen Treu und Glauben nicht in dem Umstand zu sehen, daß die Klägerin ihren Pflichtteil trotz mehr als 50-jähriger Trennung vom Erblasser begehrt. Das Pflichtteilsrecht ist Ausfluß und Ersatz des gesetzlichen Erbrechts und garantiert den übergangenen nächsten Angehörigen einen entsprechenden Geldanspruch. Es beruht auf Verwandtschaft oder Ehe und gründet sich mithin auf ein Rechtsverhältnis, das schon zu Lebzeiten des Erblassers bestanden hat. Es geht lediglich verloren durch Ausschlagung, Pflichtteils- und Erbverzicht, Erbunwürdigkeit, Pflichtteilsentziehung, vorzeitigen Erbausgleich, Verlust des gesetzlichen Ehegattenerbrechts nach § 1933 BGB oder durch Scheidung, Aufhebung oder der nach früherem Recht möglichen Nichtigerklärung der Ehe (Palandt-Edenhofer, BGB, 58. Aufl., Überblick vor § 2303 Rn. 3). Keiner der genannten Fälle liegt vor. Insbesondere hat der Ehemann nicht von der Möglichkeit des § 1933 BGB Gebrauch gemacht, wonach das Erbrecht ausgeschlossen ist, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzung für die Scheidung der Ehe gegeben war und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Einen Scheidungsantrag hat der Erblasser nicht gestellt, obgleich ihm bei Testamentserrichtung seine Ehe mit der Klägerin bekannt und bewußt war.

Keinesfalls wird das Pflichtteils- oder das Erbrecht an die Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft geknüpft. Es ist lediglich entscheidend, ob die Parteien eine Ehe miteinander geführt haben. Eine Parallele findet sich im ehelichen Güterrecht, wonach ebenfalls nicht auf das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern lediglich auf eine wirksame Eheschließung abgestellt wird. Die damit verbundenen einschneidenden Folgen werden durch das Gesetz in der Weise gemildert, daß im Rahmen des ehelichen Güterrechts § 1385 BGB einen vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns bei Getrenntleben vorsieht und § 1933 BGB den Ausschluß des Erbrechts im Falle des Scheidungsantrages ermöglicht. Macht der Erblasser von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch, bleiben die Ansprüche grundsätzlich unberührt. Lediglich im Unterhaltsrecht besteht hiervon gemäß § 1579 BGB eine Ausnahme, die einen Ausschluß vorsieht, sofern die Eheleute nur kurze Zeit zusammengelebt haben (Palandt-Diederichsen, a. a. O., § 1579 Rn. 37 m. w. N.). Einer solchen gesetzlichen Regelung im Unterhaltsrecht hat es bedurft, weil der Unterhaltsverpflichtete anderenfalls keine Möglichkeit hätte, von seiner Unterhaltsverpflichtung loszukommen. Insoweit unterscheidet sich das Unterhaltsrecht vom Güterrecht und vom Erbrecht wegen der dem Ehegatten bzw. Erblasser eröffneten Möglichkeit, durch eigene rechtliche Schritte Einfluß auf die Höhe des Zugewinnausgleichs und den Zeitpunkt der maßgeblichen Berechnungsdauer sowie den Ausschluß des Pflichtteilsanspruchs zu nehmen. Das Zusammenspiel zwischen ehelichem Güterrecht und Erbrecht zeigt zudem, daß einem Ehegatten unabhängig von dem Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft - wenn nicht andere vertragliche Regelungen zwischen den Ehegatten getroffen werden - von Gesetzes wegen stets entweder ein güterrechtlicher Zugewinnausgleichsanspruch oder ein erbrechtlicher Anspruch zusteht. Bereits nach altem Recht hatte der IV. Zivilsenat des BGH entschieden (FamRZ 1974, 648), daß es nicht gegen Treu und Glauben verstoße, wenn der Ehegatte nur aus steuerlichen Gründen die Ehescheidung formal verzögert habe, so daß der Pflichtteilsanspruch unberührt bleibe. Selbst wenn die Eheleute die Ehe nicht weiterführen wollten, sei danach der Pflichtteilsanspruch nicht tangiert. Eine Verwirkung von Erbschaftsansprüchen ist lediglich dann angenommen worden (BGH WM 1977, 688), wenn langjährig trotz Kenntnis vom Erbfall Pflichtteilsansprüche nicht geltend gemacht wurden. Hier hat die Klägerin jedoch alsbald nach dem Ableben des Erblassers ihre Pflichtteilsansprüche verfolgt. Es kann nicht erkannt werden, daß die Verfolgung des Pflichtteilsanspruchs unbillig wäre. Wenn sich der Erblasser trotz Kenntnis hiervon nicht entschließt, sich von der Ehe mit der Klägerin durch Stellung eines Scheidungsantrages zu lösen oder zumindest einen vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns zu verlangen, so muß es bei der gesetzlich angeordneten Folge verbleiben. Die von der Berufung erstrebte anderweitige Lösung läßt sich mit dem Gesetzeswortlaut nicht in Einklang bringen.

Der Berufung bleibt der Erfolg auch versagt, soweit sie die in den Nachlaß gefallene ideelle Hälfte des Grundstücks geringer beziffern möchte als die rechnerische Hälfte des gesamten ermittelten Grundstückswerts. Da der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich so zu stellen ist, als wäre das Grundstück beim Tod des Erblassers bereits in Geld umgesetzt worden (MüKo-Frank, BGB, 3. Aufl. § 2311 Rn. 18), muß davon ausgegangen werden, daß das Grundstück zu dem vom Sachverständigen ermittelten Wert von 500.000 DM auch verkauft werden könnte, so daß dann eine hälftige Erlösteilung entsprechend den früheren ideellen Miteigentumsanteilen möglich wäre und mithin tatsächlich der hälftige Grundstückswert in den Nachlaß des Erblassers einzustellen ist. Es gibt auch keinerlei Erfahrungssätze dafür, daß ein ideeller Grundstücksteil stets geringer bewertet werden müßte als der entsprechende rechnerische Anteil am Gesamtgrundstückswert. Die Berufung weist selbst zutreffend darauf hin, daß ein Miteigentümer eines ideellen Grundstücksteils nicht eine eingeschränkte Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeit hinnehmen muß, sondern daß das Gesetz ein Instrumentarium eröffnet, den Wert zu realisieren. Es wird die Möglichkeit einer Teilungsversteigerung eröffnet, an der auch die bisherigen Miteigentümer mitsteigern dürfen und ggf. dritte fremde Interessenten zuzulassen sind. Anders als bei der Zwangsversteigerung gibt es weder Erfahrungswerte noch die sichere Erkenntnis, daß der Zuschlag unterhalb des Grundstückswerts erfolgt. Das zeigt auch ein Vergleich zu Teilungsversteigerungen ideeller Grundstücksanteile zwischen getrenntlebenden oder geschiedenen Eheleuten. Auch dort ist keinerlei Grundsatz anerkannt, den Wert eines ideellen Grundstücksteils geringer anzunehmen als seinem rechnerischen Anteil am Gesamtgrundstückswert entspricht. Unzutreffend meint die Berufung auch, daß beim Zugewinnausgleich beide Grundstücksteile in die Berechnung einzubeziehen seien. Es sind dort Fälle denkbar, in denen nicht nur beide Ehegatten Miteigentümer eines Grundstücks sind, sondern auch ehefremde Miteigentümer gegeben sind. Auch in diesen Fällen ist beim Zugewinn der anteilige Grundstückswert zu ermitteln. Im übrigen hat es der Erbe in der Hand, durch Mitbieten bei der Teilungsversteigerung zu verhindern, daß der Zuschlag zu einem Betrag unterhalb des Grundstückswerts erfolgt. Ersteigert er aber das gesamte Grundstück, so kann er es anschließend zum Verkehrswert verwerten. Dann steht der Erlös in dem Umfang zur Verfügung, als wäre das Grundstück bereits zum Zeitpunkt des Erbfalls in Geld umgesetzt worden. Da die Berufung die Berechnung des Sachverständigen nicht angreift und diese Berechnung Eingang in die landgerichtliche Berechnung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen geführt hat, bleibt das landgerichtliche Urteil bei Bestand.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 S. 1 ZPO. Der Beklagte hat seine erstinstanzliche Verurteilung im Umfange der Hauptforderung von 117.398,92 DM nicht angegriffen. Soweit er jedoch die auf diesen Betrag zuerkannten Prozeßzinsen mit seiner Berufung angreift, erhöhen sie die Beschwer hinsichtlich der angegriffenen Hauptforderung von 62.499,99 DM um 4 % Zinsen auf den Betrag von 117.398,92 DM für den Zeitraum von 4 Jahren, mithin um 18.783,83 DM auf 81.283,82 DM.

Ende der Entscheidung

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