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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 19.04.2006
Aktenzeichen: 3 W 28/06
Rechtsgebiete: TDSV


Vorschriften:

TDSV § 7 Abs. 3

Entscheidung wurde am 20.10.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und die Vorschriften wurden geändert, Stichworte, Sachgebiete, Orientierungssatz und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
1. Einwendungen im Sinne des § 7 Abs. 3 TDSV ergeben sich zwar nicht bereits aus der schlichten Nichtzahlung der Telefonrechnung, wohl aber dann, wenn von einem größeren Gesamtrechnungsbetrag nur die Gesprächsgebühren aus den 0190er Nummern unbezahlt bleiben.

2. Ein Telekommunikationsunternehmen, das den Kunden auf Bezahlung sog. Mehrwertdienste in Anspruch nimmt, muss diesem eine Telefonrechnung vorlegen, die ihn in die Lage versetzt, den Inhalt der Rechnung qualifiziert zu bestreiten.


3 W 28/06

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Richter als Einzelrichter am 19. April 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 21. Februar 2006 geändert und wie folgt neu gefasst:

Dem Beklagten wird zur Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe bewilligt.

Ratenzahlung in Höhe von 45 € monatlich wird angeordnet.

Über die Beiordnung eines vertretungsbereiten Rechtsanwalts hat das Landgericht unter Berücksichtigung von § 121 Abs. 3 ZPO zu entscheiden.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg. Hinreichende Erfolgaussichten im Sinne des § 114 ZPO für die beabsichtigte Rechtsverteidigung des Beklagten gegen die Klage können entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht verneint werden.

Im Grundsatz muss nämlich die Klägerin beweisen, dass der Beklagte Mehrwertdienste über die 0190-Nummern im abgerechneten Umfang in Anspruch genommen hat. Insoweit sind zwei Rechtsverhältnisse zu unterscheiden. Zum einen besteht der Telefondienstvertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten als Dauerschuldverhältnis, zum anderen entsteht dadurch, dass der Kunde (hier also der Beklagte) einen sog. Mehrwertdienst in Anspruch nimmt, ein weiteres Rechtsverhältnis mit dem Anbieter der jeweiligen Dienstleistung (BGHZ 158, 201 ff. = NJW 2004, 1590 ff.). Im vorliegenden Fall macht die Klägerin ausweislich auch ihrer mit Schriftsatz vom 4. November 2005 beigefügten Preisliste sowohl den Preis für ihre eigene Leistung bei der Verbindung geltend als auch die Vergütung für den Informationsanbieter. Dann aber ist es ihre Sache, substantiiert darzulegen und bei Bestreiten zu beweisen, dass auch der angebliche Vertrag mit dem jeweiligen Anbieter der 0190er-Nummern zustande gekommen ist, aus welchem die Forderung hergeleitet wird (ebenso Mankowski, CR 2004, 185 ff.).

Das Beschwerdegericht folgt nicht der Auffassung des Landgerichts, hier müsse der Beklagte vor dem Hintergrund einer Beweisvereitelung seinerseits den Negativbeweis führen, er habe Mehrwertdienste nicht in dem abgerechneten Umfang in Anspruch genommen, weil die Klägerin aus datenschutzrechtlichen Gründen verpflichtet gewesen sei, die Einzelverbindungsnachweise gemäß § 7 Abs. 3 TDSV zu löschen. Allerdings sieht S. 3 dieser Vorschrift in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Januar 2004 gültigen Fassung vor, dass die Verbindungsdaten unter Kürzung der Zielnummer um die letzten drei Ziffern zu Beweiszwecken für die Richtigkeit der berechneten Entgelte höchstens 6 Monate nach Versendung der Rechnung gespeichert werden dürfen. Eine weitere Speicherung ist nur dann - nach S. 4 der genannten Vorschrift - zulässig, wenn der Kunde gegen die Höhe der in Rechnung gestellten Verbindungsentgelte vor Ablauf der Frist Einwendungen erhoben hat. Die Voraussetzungen, unter denen die Klägerin nach dieser Norm die fraglichen Daten zu löschen hatte, lagen hier aber noch nicht vor, denn es fehlt an einer ausreichend qualifizierten Rechnung, auf deren Grundlage der Beklagte innerhalb von 6 Monaten nach Versendung hätte Einwendungen erheben können und müssen.

Das Beschwerdegericht folgt insoweit der Auffassung des Landgerichts Stendal (Urteil vom 18. August 2005, 22 S 51/05, Abdruck in Juris), wonach ein Telekommunikationsunternehmen, das den Kunden auf Bezahlung sog. Mehrwertdienste in Anspruch nimmt, diesem eine Telefonrechnung vorlegen muss, die ihn in die Lage versetzt, den Inhalt der Rechnung qualifiziert zu bestreiten. Diese Voraussetzungen liegen mit der hier fraglichen Rechnung vom 20. Dezember 2002 nicht vor, denn diese Rechnung weist nur pauschal 93 Verbindungen zum Service 0190x mit 97.733 tariflichen Zeiteinheiten zum Nettobetrag von 5.209,17 € auf. Schon nach der eigenen Preisliste Telefondienst der Klägerin mit dem Stand vom 1. September 2002 gliedern sich die Preise für sog. Premium Rate-Dienste aber in mehrere Untergruppen, je nach dem, welche Ziffer nach der Zugangskennzahl 0190 folgt. Nicht einmal eine Aufgliederung nach diesen verschiedenen Tarifgruppen lässt sich der hier fraglichen Rechnung vom 20. Dezember 2002 entnehmen. Erst recht wird dort nicht der jeweilige Mehrdienstanbieter genannt. Dann aber kann der Beklagte aus dieser Rechnung als Kunde nicht entnehmen, ob er überhaupt möglicherweise die Dienste der betreffenden Mehrdienstanbieter in Anspruch genommen hat und kann deshalb auch nicht qualifiziert bestreiten.

Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen wollte, würde es an hinreichenden Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverteidigung nicht fehlen, weil dann jedenfalls ausreichende Einwendungen des Beklagten im Sinne des § 7 Abs. 3 S. 4 TDSV innerhalb der 6-Monatsfrist vorliegen würden. Allerdings reicht insoweit nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 24. Juni 2004, III ZR 104/03, NJW 2004, 3183 ff.) die schlichte Nichtzahlung der Rechnung nicht aus und ist vielmehr eine Erklärung erforderlich, der wenigstens andeutungsweise entnommen werden kann, dass der Kunde Beanstandungen spezifisch im Hinblick auf die Verbindungspreise geltend macht.

Im vorliegenden Fall liegt aber kein Fall der schlichten Nichtzahlung der Rechnung vor. Der Beklagte hat nämlich nicht etwa den Gesamtrechnungsbetrag nicht bezahlt, sondern nur die Gesprächsgebühren aus den 0190er-Verbindungen unbezahlt gelassen (für das Vorliegen einer ausreichenden Einwendung in diesem Fall Struck, Anm. zu OLG Dresden, Urteil vom 25. Januar 2001, CR 2002, 35). Der Beklagte hat hier darüber hinaus schon gegenüber dem technischen Prüfer der Klägerin nach dessen Untersuchungsbericht vom 10. Dezember 2002 seine Verwunderung über die Höhe der aufgekommenen Kosten aus den 0190er-Gesprächen zum Ausdruck gebracht (Bl. 38 d. A.) und überdies in seinem auf die ihm erteilte Rechnung erfolgten Schreiben vom 24. Januar 2003 angemerkt, er könne die Kosten für die 0190er-Verbindungen derzeit leider nicht bezahlen, es sei "wahrscheinlicher ..., dass ich den Betrag in Monatsraten direkt an den betreffenden Serviceanbieter bezahlen könnte". Er hat in diesem Schreiben die Klägerin weiter gebeten, ihn zu informieren, wie sie in dieser Angelegenheit weiter vorgehen wolle.

Aus dem genannten Schreiben in Verbindung mit der vorherigen Reaktion des Beklagten gegenüber dem technischen Prüfer musste der Klägerin deutlich werden, dass der Beklagte durchaus Zweifel an der Höhe der in Rechnung gestellten Verbindungen hegte und insoweit sich vorbehielt, möglicherweise an den betreffenden Serviceanbieter direkt zu bezahlen. Das allein hätte der Klägerin ausreichend Anlass bieten müssen, dem Beklagten jedenfalls nunmehr den oder die entsprechenden Serviceanbieter offen zu legen, durch deren angebliche Inanspruchnahme der hohe offene Rechnungsbetrag entstanden sein soll, um ihm qualifiziertere Einwendungen zu ermöglichen.

Die Klägerin hätte - im eigenen Interesse - zumindest Anlass gehabt, von der Löschung der Daten abzusehen. Zutreffend hat insoweit bereits das OLG Celle (in NJW-RR 1997, 568 ff.) ausgeführt, dass das Telekommunikationsunternehmen berechtigt ist, die Aufzeichnungen über die vorgegebenen Fristen hinaus vorzuhalten, wenn sie erkennbar zum Zwecke des Nachweises gegenüber dem Kunden noch benötigt werden. Ein solcher Fall lag hier nicht nur angesichts der Reaktion des Beklagten sondern zudem auch angesichts der außergewöhnlichen Höhe der Rechnung (im Verhältnis zur Kürze des fraglichen Zeitraums der Inanspruchnahme von 0190er-Verbindungen) vor, wobei die Klägerin hätte bedenken müssen, dass insoweit bekanntermaßen einer Vielzahl von Missbrauchsmöglichkeiten bestehen, durch die Einzelverbindungen unbemerkt von dem durchschnittlichen Anschlussnutzer - und damit ohne den erforderlichen Vertragsschluss - zustande kommen.

Bei der Ratenfestsetzung ist von den erklärten und belegten Angaben des Beklagten im Wirtschaftsfragebogen nicht abgewichen worden.

Über den Antrag des Beklagten, ihm den Hamburger Rechtsanwalt A. beizuordnen, wird das Landgericht weiter zu entscheiden haben, da dieser Antrag noch nicht entscheidungsreif ist. Gemäß § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

Solche Kosten würden hier aber in Form von Reisekosten für den genannten Rechtsanwalt entstehen. Der Rechtsanwalt hat bisher kein Einverständnis erklärt, ihn nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beizuordnen. Eine Beiordnung mit diesen Einschränkungen ohne das erklärte Einverständnis des Rechtsanwalts ist unzulässig (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 121 Rn. 13 a). Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten wird sich insoweit mithin noch gegenüber dem Landgericht zu erklären haben. Besteht kein Einverständnis, ist der Beklagte von dem Landgericht aufzufordern, einen anderen Rechtsanwalt zu seiner Beiordnung zu benennen.

Ende der Entscheidung

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