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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 02.10.2000
Aktenzeichen: 4 U 154/99
Rechtsgebiete: BGB, KO


Vorschriften:

BGB § 816 I
KO § 59 I
KO § 127
Zur Frage der Rechtsfolgen, wenn der Konkursverwalter eines Pächters eine dem Verpächterpfandrecht unterliegende Sache entgegen § 127 Abs. 1 KO freihändig an einen gutgläubigen Erwerber veräußert.

SchlHOLG, 4. ZS, Urteil vom 02. Oktober 2001, - 4 U 154/99 -


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 154/99 4 O 441/98 LG Flensburg

Verkündet am: 02. Oktober 2000

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter über das Vermögen und die sie vertretende

wegen Masseschuld

hat der 4. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20.09.2000 durch die Richter Hensen, Burck und Frahm für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 17.09.1999 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Flensburg teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu zahlen 36.919,84 DM nebst 4 % Zinsen ab 13.12.1997.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen; die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 26 %, der Beklagte 74 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt für die Klägerin 13.080,16 DM und für den Beklagten 36.919,84 DM.

I. Durch Vertrag vom 26.11.1987 hatte die Kauffrau S ein ihr gehörendes Grundstück in F, bebaut mit einem Büro- und Ausstellungsgebäude sowie einer Tankstelle, an die A verpachtet. Diese errichtete darauf zusätzlich eine Ausstellungs-/Zelthalle.

Mit Schreiben vom 15.02.1994 erklärte Frau S gegenüber der Pächterin die fristlose Kündigung des Vertrags wegen Zahlungsverzugs (§§ 531 Abs. 2, 554 Abs. 1 BGB) und machte ihr Verpächterpfandrecht geltend. In einem zeitgleichen Schreiben an den Beklagten erklärte sie vorsorglich auch ihm gegenüber in seiner Eigenschaft als Sequester für die Pächterin die fristlose Kündigung und wies ihn auf ihr Verpächterpfandrecht hin.

Am 01.03.1994 wurde der Konkurs über das Vermögen der Pächterin eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Durch Kaufvertrag vom 23.08.1994 veräußerte er unter Einschaltung des Auktionshauses D freihändig die Zelthalle an die Klägerin für 50.000,00 DM (zzgl. Mwst.). Diese mietete vom Zwangsverwalter, der inzwischen für das Grundstück S bestellt worden war, durch Vertrag vom 28.09.1994 auf begrenzte Zeit die Standfläche der gekauften Halle.

Durch Kaufvertrag vom 04.10.1994 veräußerte Frau S ihr Grundstück an die D GmbH, der das Grundstück am 24.02.1995 übergeben wurde. Daraufhin kam es zu einem Rechtsstreit zwischen ihr und der Klägerin über das Eigentum an der Zelthalle (3 O 87/96 LG Flensburg). Diese wurde im Frühjahr 1996 im Einvernehmen der beiden Parteien jenes Rechtsstreits an einen Dritten für 43.700,00 DM veräußert. Durch Urteil vom 24.01.1997 erkannte das Landgericht F, dass der Erlös an die D GmbH auszukehren sei, weil sie gutgläubig das Eigentum an der Zelthalle erworben gehabt habe.

In einer Vereinbarung vom 31.08./17.09.1998 trat Frau S ihre Ansprüche gegen den Beklagten wegen der Veräußerung der Zelthalle an die Klägerin ab.

Daraufhin hat diese den Beklagten auf Zahlung von 50.000,00 DM in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage.

Die Akten 3 O 87/96 LG Flensburg und 50 N 56/93 AG Flensburg waren informationshalber Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II. Das Rechtsmittel ist nur zu einem geringeren Teil begründet.

1. Gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 4 KO (i.V.m. § 398 BGB) kann die Klägerin den Beklagten wegen einer vorweg zu berichtigenden Masseschuld in Anspruch nehmen, weil er als Nichtberechtigter wirksam über das Pfandrecht der Frau S an der Zelthalle verfügt hat und ihr deshalb aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet war.

Frau S hatte an der Zelthalle, bei der es sich um einen Scheinbestandteil i.S.v. § 59 Abs. 1 S. 1 BGB gehandelt hatte, wegen des rückständigen Pachtzinses ein Verpächterpfandrecht erlangt (§§ 581 Abs. 2, 559 BGB) und somit Anspruch auf abgesonderte Befriedigung (§§ 4, 49 Abs. 1 Nr. 2 KO). Gleichwohl war der Beklagte, da Frau S als Inhaberin eines gesetzlichen besitzlosen Pfandrechts das Recht zur Selbstverwertung (§ 127 Abs. 2 KO) nicht zustand, an sich seinerseits gemäß § 127 Abs. 1 KO zur Verwertung berechtigt. Indes durfte er die Verwertung nur nach Maßgabe der Vorschriften über die Zwangsvollstreckung oder über den Pfandverkauf betreiben. Das ist hier jedoch, wie sein gemäß § 141 ZPO legitimierter Vertreter eingeräumt hat, nicht geschehen.

Zu einer Verwertung durch freihändigen Verkauf, wie hier als (angebliches) Eigentum der Gemeinschuldnerin erfolgt, war der Beklagte hingegen nicht berechtigt. Für seine Behauptung, Frau S habe in einem Telefonat mit ihm auf ihr Pfandrecht verzichtet, ist er beweisfällig geblieben. Deshalb hat er gemäß § 816 Abs. 1 S. 1 BGB die Masse aus § 59 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 4 KO gegenüber Frau S verpflichtet (vgl. auch Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 127 Rn. 4 b). Er hat nämlich einen gutgläubig lastenfreien Erwerb der Zelthalle durch die Klägerin herbeigeführt, die ihrerseits den Besitz durch Anmietung der Standfläche erlangt hatte.

2. a) Die abgetretene Forderung aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB erfasst jedoch nicht den vollen Erlös von 50.000,00 DM aus der Veräußerung der Halle. Das Absonderungsrecht, über das der Beklagte als Nichtberechtigter, gleichwohl aber wirksam verfügt hat, wurde nämlich durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 KO limitiert. Danach konnte es nur wegen des Pachtzinses geltend gemacht werden, den die Gemeinschuldnerin im letzten Jahr vor der Konkurseröffnung (01.03.1994) schuldig geblieben war. Insoweit ist jedoch der Betrag, den das Landgericht für den Zeitraum 11/1993 bis 2/1994 angenommen hat, übersetzt:

In jenen Betrag sind nämlich Nachforderungen auf den Zeitraum 10/1989 bis 2/1993 eingegangen (vgl. Bl. 44 d.A.), die aufgrund der eine automatische Erhöhung vorsehenden genehmigten Anpassungsklausel in § 2 Abs. 2 des Pachtvertrags (vgl. Bl. 47 und 52) bereits damals fällig geworden waren, so dass es dafür weder des Mahnschreibens vom 05.02.1994 noch der erstmaligen Nachforderung in 11/1993 (vgl. Bl. 53 f) bedurfte. Folglich errechnet sich die zitierte Forderung wie folgt (vgl. Bl. 41 f, 44):

Rückstand 3-9/1993: 962,42 x 7 6.736,94 DM Rückstand 10 und 11/1993: 887,80 x 2 1.775,60 DM offener Mietzins 12/1993-2/1994: insgesamt 28.407,30 DM insgesamt 36.919,84 DM

b) Gegenüber dieser Forderung ist mit der Einrede der Verjährung (§§ 197, 222 Abs. 1 BGB) nichts auszurichten. Die Klage ist nämlich im Hinblick auf § 201 BGB in 11/1998 rechtzeitig mit der Wirkung der Unterbrechung (§§ 209 Abs. 1, 217 BGB) erhoben worden. Im übrigen kommt der Klägerin auch § 223 Abs. 1 BGB zustatten; nur insoweit hat auch das Landgericht auf jene Vorschrift abgehoben, nicht jedoch - entgegen der Annahme der Berufung - gegenüber § 852 BGB.

Des Weiteren kann der Beklagte auch nicht mit Erfolg einwenden, die Zedentin, Frau S, müsse sich den anteiligen Erlös aus der Mitveräußerung der Zelthalle an die D GmbH auf ihre Forderung auf rückständigen Pachtzins anrechnen lassen. Insoweit war sie nämlich ihrerseits die Klägerin als (zwischenzeitlicher) Eigentümerin der Halle gemäß § 116 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet, weil sie einen gutgläubigen Erwerb daran gemäß § 932 BGB herbeigeführt hat. Zum Ausgleich hat sie dann der Klägerin in der Vereinbarung vom 31.08./17.09.1998 ihre eigenen Ansprüche gegen den Beklagten bzw. die Masse wegen des Verlusts ihres Pfandrechts durch Veräußerung der Zelthalle abgetreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO und die Festsetzung der Beschwer auf § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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