Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 11.04.2005
Aktenzeichen: 4 U 20/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 281 Abs. 1
BGB § 314 Abs. 4
1. Veranlasst der Mieter durch Pflichtverletzung den Vermieter zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund, so hat er diesem den durch die Kündigung entstandenen Schaden (sog. Kündigungsfolgeschaden ) gem. §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1, 314 Abs. 4 BGB zu ersetzen (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 64. Aufl., § 543 Rn. 61 mit Hinweis auf BGH NJW 2000, 2342 "Anspruch eigener Art"). Bei einem befristeten Mietvertrag kommt es insoweit nicht auf die streitige Frage einer Vorenthaltung der Mietsache i.S. v. § 546a BGB an, wenn es dem geschädigten Vermieter nicht gelungen ist, einen Nachfolgemieter zu finden.

2. Der Erklärungsempfänger einer "harten" Patronatserklärung hat neben dem Anspruch auf Erfüllung der Ausstattungspflicht - also der Unterstützung des Tochterunternehmens - auch einen unmittelbaren Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB, wenn der Patron seine Verpflichtung aus der "harten" Patronatserklärung nicht erfüllt, insbesondere das unterstützte Unternehmen entgegen seiner Zusicherung nicht ausreichend finanziell ausstattet (vgl. OLG R Naumburg 2000, 407 - 410 = JURIS Nr. KORE 417552000 S. 6 Rn. 62 m.w.N.). Der Schadensersatzanspruch des Erklärungsempfängers ist wegen des garantieähnlichen Charakters der Patronatserklärung von einem Verschulden des Patrons unabhängig. Für eine evtl. Zahlungsunfähigkeit ihrer Tochtergesellschaft hat der Patron einzustehen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu zahlen (OLG Naumburg, a.a.O. mit Hinweis auf OLG Düsseldorf WM 1989, 1642, 1643).

3. Die Insolvenz des Hauptschuldners (hier des Mieters) ist nicht Voraussetzung für eine direkte Inanspruchnahme des Patrons. Wer vereinbarungsgemäß für die Vertragserfüllung eines anderen zu sorgen hat, haftet bei zu vertretender Nichterfüllung grundsätzlich neben diesem als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in voller Höhe (BGHZ 43, 227, 229 ff.; BGH NJW 1992, 2093, 2095). Der BGH (a.a.O.) setzt weder die Einleitung eines Insolvenzverfahrens noch die erfolglose Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner für eine direkte Inanspruchnahme des Patrons voraus, sondern lässt jeden Nachweis der Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners genügen (BGH a.a.O. m.w.N.).


4 U 20/05

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 11. April 2005 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Die Beklagten werden gemäß § 522 Abs. II ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und deshalb beabsichtigt ist, sie aus den nachfolgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen, wenn die Berufung nicht aus Kostengründen (Nr. 1222 der Anlage 1 GKG) innerhalb der genannten Frist zurückgenommen werden sollte. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für den zweiten Rechtszug auf 228.517,70 € festzusetzen.

Gründe:

I. Die Mieterin (....Gastronomie Betriebs GmbH &Co KG), deren Gesellschafter die Beklagten sind, hatte mit der Klägerin am 4.7./10.7.2002 einen Mietvertrag über gewerblich genutzte Räume in Berlin -Mitte zu einem monatlichen Bruttomietzins in Höhe von rd. 16.000,-- € geschlossen. Der Vertrag war auf 5 Jahre befristet. Die Übergabe der Räumlichkeiten fand am 21.8.2002 statt. Die Beklagte zu 1) ist die Komplementärin der Mieterin. In Erfüllung des Mietvertrages (als Sicherheit neben der Stellung einer Bürgschaft) unterzeichnete der Beklagte zu 2) als Geschäftsführer der Mieterin bei Vertragsschluss eine Patronatserklärung mit folgendem Inhalt:"...Ich (der Geschäftsführer)...sichere zu, für die Zeit des Bestehens von Verpflichtungen aus diesem Mietvertrag die ...(Mieterin)... finanziell so auszustatten, dass diese alle Verpflichtungen aus dem genannten Mietvertrag stets erfüllen kann. Für den Fall, dass ich aus dieser Patronatserklärung in Anspruch genommen werde, steht mir das Recht zu, an Stelle der ....(Mieterin).... in alle Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag einzutreten....".

Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 28.11.2002 (Bl. 47 und 48 GA) fristlos wegen Zahlungsverzuges (§ 543 Abs. 2 Ziff. 3 a BGB n.F.), weil die Mieterin ihren vertraglichen Pflichten (sowohl hinsichtlich der Mietzinszahlung als auch der Erbringung der vertraglich vereinbarten Mietsicherheit) nicht nachgekommen war. Die fristlose Kündigung war der Mieterin am 29.11.2002 zugegangen. Die Klägerin begehrt von den Beklagten rückständige Mieten bzw. Nutzungsentschädigung für den Zeitraum vom 21.8.2002 bis 31.10.2003 in Höhe von insgesamt rd. 230.000,-- €.

II.

Die Berufung hat im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO keine Aussicht auf Erfolg. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung wird voll umfänglich Bezug genommen. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

1. Die Beklagte zu 1. haftet als Komplementärgesellschaft der Mieterin gemäß §§ 161, 128 HGB für die rückständigen Mieten bzw. Schadensersatz (nach der fristlosen Kündigung ab dem 29.11.2002) in dem Zeitraum vom 21.08.2002 bis 31.10.2003 (in Höhe von insgesamt rd. 230.000,-- €).

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass zwischen der Klägerin und der Mieterin seit dem 21.08.2002 ein Mietvertrag bestand, auf dessen Grundlage die Mieterin verpflichtet war, eine monatliche Miete in Höhe von brutto ca. 16.000,-- € zu zahlen. Es ist auch unstreitig, dass die Klägerin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 28.11.2002 fristlos wegen Zahlungsverzuges (§ 543 Abs. 2 Ziff. 3 a BGB n.F.) gekündigt hat, weil die Mieterin ihren vertraglichen Pflichten (sowohl hinsichtlich der Mietzinszahlung als auch der Erbringung der vertraglich vereinbarten Mietsicherheit) nicht nachgekommen war. Die fristlose Kündigung ist der Mieterin unstreitig am 29.11.2002 zugegangen.

Ausweislich der angefochtenen Entscheidung ist das Landgericht für den Zeitraum ab dem 29.11.2002 (bis zum 31.10.2003) von einer "Vorenthaltung der Mietsache" gemäß § 546 a BGB ausgegangen und hat insoweit eine Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Miete zuerkannt. Soweit die Beklagten nunmehr behaupten, dass eine "Vorenthaltung" nicht vorgelegen habe, weil die Schlüssel für das Mietobjekt schon vor Zugang der Kündigung zurückgegeben worden seien (dafür spricht das Schreiben des Ingenieurbüros .........GmbH vom 13.11.2002, Bl. 77 GA), kann dies im Ergebnis offen bleiben. Die Beklagte zu 1) haftet nämlich auch für den sog. Kündigungsfolgeschaden gemäß §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1, 314 Abs. 4 BGB. Veranlasst eine Partei durch Pflichtverletzung die andere Partei zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund, so hat sie dieser den durch die Kündigung entstandenen Schaden zu ersetzen (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 64. Aufl., § 543 Rn. 61 mit Hinweis auf BGH NJW 2000, 2342; der BGH nimmt insoweit auch einen "Anspruch eigener Art" an). Alleinige Ursache für die fristlose Kündigung der Klägerin war der Umstand, dass die Mieterin hier wie oben ausgeführt ihrer Mietzinszahlungsverpflichtung aus Ziff. 1 des Mietvertrages sowie ihrer Verpflichtung aus Ziff. 5.1. des Mietvertrages zur Erbringung einer Mietsicherheit in Form einer unbefristeten selbstschuldnerischen Bürgschaft nicht nachgekommen war. Der ungekündigte Vertrag hätte eine Laufzeit von 5 Jahren (bis zum 14.8.2007) gehabt.

Die Klägerin hat ferner dargelegt und nachgewiesen, dass es ihr trotz erheblicher Anstrengungen erst zum 01.08.2004 gelungen war, das Objekt weiter zu vermieten.

2. Die Klägerin hat auch gegenüber dem Beklagten zu 2. einen Direktanspruch auf Zahlung der rückständigen Mietzinsen (Zeitraum vom 21.08.2002 bis 29.11.2002) bzw. des Kündigungsfolgeschadens (= entgangener Mietzins in dem Zeitraum vom 30.11.2002 bis 31.10.2003).

Der Erklärungsempfänger einer "harten" Patronatserklärung hat neben dem Anspruch auf Erfüllung der Ausstattungspflicht - also der Unterstützung des Tochterunternehmens - auch einen unmittelbaren Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB, wenn der Patron seine Verpflichtung aus der "harten" Patronatserklärung nicht erfüllt, insbesondere das unterstützte Unternehmen entgegen seiner Zusicherung nicht ausreichend finanziell ausstattet (vgl. OLG R Naumburg 2000, 407 - 410 = JURIS Nr. KORE 417552000 S. 6 Rn. 62 m.w.N.). Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist wegen des garantieähnlichen Charakters der Patronatserklärung von einem Verschulden des Beklagten zu 2. unabhängig. Für eine evtl. Zahlungsunfähigkeit ihrer Tochtergesellschaft hat die Patronin einzustehen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu zahlen (OLG Naumburg, a.a.O. mit Hinweis auf OLG Düsseldorf WM 1989, 1642, 1643).

Der Umfang der Verpflichtung aus einer Patronatserklärung hängt im Wesentlichen von der sich nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB zu beurteilenden Auslegung der Erklärung ab. Zu unterscheiden sind die Erklärungen in der Bandbreite der Verpflichtungen des Patrons vor allem nach sog. "weichen", also rechtlich unverbindlichen, und sog. "harten", d.h. rechtlich verpflichtenden Patronatserklärungen (vgl. BGHZ 117, 127 ff.). Der klassische Fall des "harten" Erklärungstyps ist die Ausstattungsverpflichtung, mit der der Patron sich verpflichtet, die Tochtergesellschaft finanziell so auszustatten, dass diese ihrerseits ihre Leistungsverpflichtungen erfüllen kann. Das ist hier der Fall. Ausweislich Ziff. 5.1.1 des Mietvertrages hatte sich die Mieterin gegenüber der Klägerin verpflichtet, zusätzlich (d.h. neben der normalen Mietsicherheit in Form einer Bürgschaft) eine Patronatserklärung des Beklagten zu 2) zu erbringen, in der sich der Patron verpflichtet, "den Mieter finanziell so auszustatten, dass er alle Verpflichtungen aus dem geschlossenen Mietvertrag stets erfüllen kann" (Bl. 16 GA). Die Patronatserklärung hatte mithin den Zweck, einer zusätzlichen Mietsicherheit.

Zu den "Verpflichtungen aus dem Mietvertrag" gehörten sowohl die Mietzinszahlungsverpflichtung gemäß § 1 des Mietvertrages als auch die Verpflichtung zur Erbringung einer Mietsicherheit gemäß Ziffer 5.1 des Mietvertrages. Insoweit ist der Beklagte zu 2) seiner Ausstattungsverpflichtung nicht nachgekommen. Er haftet deshalb gemäß § 280 Abs. 1 BGB (bzw. unmittelbar aus dem Patronatsvertrag) sowohl für die rückständigen Mietzinsen bis zum 29.11.2002 als auch für den nachfolgenden Mietausfallschaden.

3. Die Einrede des nichterfüllten Patronatsvertrages steht dem Beklagten zu 2 nicht zu. Ausweislich der Patronatserklärung (Bl. 40 GA) steht dem Beklagten zu 2) zwar für den Fall, dass er aus der Patronatserklärung in Anspruch genommen wird, ein Eintrittsrecht in den Mietvertrag zu, dieses Recht hat er jedoch gemäß § 242 BGB verwirkt. Die Klägerin durfte das Mietobjekt zum 01.08.2004 weiter vermieten. Zuvor hatte die Klägerin nämlich die Mieterin, vertreten durch den Beklagten zu 2), mit außergerichtlichem Schreiben vom 11.10.2002 auf die Einhaltung der mietvertraglichen Verpflichtungen hingewiesen (Bl. 42 und 43 GA), ferner hat sie den Beklagten zu 2) ausdrücklich mit Schreiben vom 10.09.2003 (Bl. 124 - 126 GA) aus der Patronatserklärung in Anspruch genommen und vorsorglich eine Nachfrist zur Ausübung des Eintrittsrechts bis zum 30.09.2003 unter der Voraussetzung der Leistung der vereinbarten Mietsicherheit gemäß Ziffer 5.1 des Mietvertrages gewährt. Von seinem Eintrittsrecht hat der Beklagte zu 2) jedoch keinen Gebrauch gemacht. Die Klägerin war deshalb aus Gründen ihrer Schadensminderungspflicht gehalten, das Objekt zum frühest möglichen Zeitpunkt an Dritte weiter zu vermieten.

4. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Insolvenz des Hauptschuldners (hier der Mieterin) nicht Voraussetzung für die direkte Inanspruchnahme des Patrons. Wer vereinbarungsgemäß für die Vertragserfüllung eines anderen zu sorgen hat, haftet bei zu vertretender Nichterfüllung grundsätzlich neben diesem als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in voller Höhe (BGHZ 43, 227, 229 ff.; BGH NJW 1992, 2093, 2095). Der BGH (a.a.O.) hält weder die Einleitung eines Insolvenzverfahrens noch die erfolglose Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner als Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Patrons für erforderlich, sondern lässt jeden Nachweis der Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners genügen (BGH a.a.O. m.w.N.). Die Zahlungsunfähigkeit der Mieterin ist hier in ausreichendem Umfang dargelegt und nachgewiesen. Auf die zutreffenden Ausführungen auf S. 10 des angefochtenen Urteils wird insoweit Bezug genommen. Schlagende Beweise sind sowohl der Umstand, dass die Mieterin seit Vertragsbeginn keinen Cent Miete gezahlt und auch die erforderliche Mietsicherheit nicht erbracht hat als auch insbesondere das Schreiben des Beklagten zu 2) vom 10.09.2002 (Bl. 41 GA) in dem es wörtlich heißt: ... teilen wir Ihnen ... mit, dass die Firma (=Mieterin) nicht in der Lage ist, den

5. abgeschlossenen Mietvertrag zu erfüllen. Die im Vorfeld des Vertragsabschlusses von unseren Banken gegebenen Finanzierungszusagen wurden nicht eingehalten. Vielmehr wurden im Zuge der restriktiven Kredit-Politik aller Großbanken die bereits vertraglich vereinbarten Kredite noch erheblich gekürzt... Es wäre deshalb unredlich, überhaupt den Versuch zu machen, den Vertrag zu erfüllen, weil die Unmöglichkeit insoweit absehbar ist, zu Lasten beider Vertragsparteien geht...". Von einem vorübergehenden Liquiditätsengpass bzw. kurzweiligen Zahlungsschwierigkeiten der Mieterin kann deshalb keine Rede sein.

Die Berufung hat nach alledem keine Aussicht auf Erfolg.

Ende der Entscheidung

Zurück