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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 27.06.2001
Aktenzeichen: 4 W 2/01
Rechtsgebiete: ZPO, StGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
StGB §§ 218 ff. a.F.
BGB § 847
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Beschluss

4 W 2/01

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hensen, den Richter am Oberlandesgericht Burck und den Richter am Oberlandesgericht Frahm am 27. Juni 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 03. Juli 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Bescheidung über das Prozesskostenhilfegesuch an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Der beabsichtigten Klage der Antragsteller kann - jedenfalls zum Teil - hinreichende Erfolgsaussicht i. S. v. § 114 ZPO zukommen.

1) Ein behaupteter Behandlungsfehler wegen nicht erfolgreich durchgeführten Schwangerschaftsabbruchs bei der Ausschabung am 17. 1. 1995 führt zwar nicht zu einer Schadensersatzpflicht des Beklagten, denn die Strafbarkeit und Rechtswidrigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs schließt eine Ersatzpflicht hinsichtlich des Unterhaltsschadens aus. Das Landgericht hat insofern zu Recht darauf hingewiesen, dass schon die Voraussetzungen einer Indikation i. S. d. §§ 218 ff. StGB a. F. im Zeitpunkt der Ausschabung nicht vorlagen. Dabei ist für die Beurteilung des vorliegenden Geschehens im Januar 1995 maßgeblich die Rechtslage, wie sie durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Mai 1993 (BVerfG NJW 1993, 1751 ff) präzisiert worden ist.

2) Damit aber ist das Verhalten der Ärzte des Beklagten nicht umfassend rechtlich bewertet.

Ein den Schadensersatzanspruch begründendes Fehlverhalten kann nach dem Vortrag der Antragsteller, der durch das Gutachten des Prof. Dr. Neis vom 15. Dez. 1998 gestützt wird, jedoch darin liegen, dass bei faustgroßem Uterus das Bestehen einer Schwangerschaft nicht untersucht und deren eventuelles Fortbestehen nach dem Eingriff nicht überprüft worden war. Der Antragstellerin zu 1. war nämlich - nach ihrem Vortrag - ein zulässiger Schwangerschaftsabbruch innerhalb der 12-Wochenfrist nicht mehr möglich. Der dann entstehende Vermögensschaden würde auch im Schutzbereich des Behandlungsvertrages über die Sterilisation nebst Ausschabung liegen. Während es in den Entscheidungen BGH VersR 2000, 634 und OLG Naumburg, VersR 1999, 1244 in den Behandlungsverträgen nicht um eine - auch wirtschaftlich begründete - Vermeidung einer Schwangerschaft ging, liegt hier die Sache insoweit anders, als die primär auf die Durchführung der Sterilisation gerichtete Behandlung nach dem Vortrag der Antragsteller auch wirtschaftliche Gründe gehabt haben soll und, worauf maßgebend abzustellen ist, mit der Ausschabung ein Abbruch einer möglicherweise bereits bestehenden Schwangerschaft unstreitig gerade beabsichtigt war, so dass auch diesem Teil des Eingriffs bei der Bemessung des Schutzbereiches des Behandlungsvertrages ein Gewicht zukommen kann. Damit kann es also auch insoweit um die Abwendung einer unzumutbaren Belastung der Antragsteller durch ein Kind gegangen sein.

Die Antragsteller werden aber zu der behaupteten Konfliktsituation noch vorzutragen haben. Denn allein der Vortrag, die Antragstellerin zu 1. sei im Januar 1995 noch nicht verheiratet gewesen und habe lediglich für den Sohn Roman Mindestunterhalt erhalten, reicht noch nicht aus, einen rechtfertigenden Indikationstatbestand im Sinne eines schweren sozialen oder psychisch-personalen Konflikts anzunehmen (vgl. BGH VersR 1995, 964 ff unter Hinweis auf die vom Bundesverfassungsgericht (NJW 1993, 1751, 1754 f) gestellten Anforderungen an die Unzumutbarkeit der Belastung für die Schwangere).

Des Weiteren werden die Antragsteller dazu vorzutragen haben, bis zu welchem Zeitpunkt die Anfang 1995 möglicherweise nicht erträglichen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse dergestalt andauerten, dass eine Belastung mit Unterhaltsleistungen für das Kind Annastasia Josephine für sie unzumutbar erschien. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Antragsteller mittlerweile verheiratet sind und dass im Falle einer Prozesskostenhilfebewilligung zumindest dem Antragsteller zu 2. eine Ratenverpflichtung aufzuerlegen wäre, könnte eine Zumutbarkeit durch sich günstig entwickelnde wirtschaftliche Verhältnisse eingetreten sein, womit ein eventueller Anspruch auf Schadensersatz ab dem maßgebenden Zeitpunkt nicht mehr bestehen könnte (BGH VersR 1985, 965).

Auch bedarf es von Seiten der Antragsteller zur Begründung eines Schmerzensgeldanspruches substantiierteren Vortrages zu den behaupteten Belastungen der Antragstellerin zu 1. durch den Fortbestand ihrer Schwangerschaft. So besteht ein Schmerzensgeldanspruch nach § 847 BGB im Falle vorwerfbarer Verhinderung eines Schwangerschaftsabbruchs nur mit Einschränkungen (BGH VersR 1985, 240). Zur Bemessung dieses Anspruches werden Ausmaß und Qualität der behaupteten Ängste um eine vorgeburtliche Schädigung der Annastasia Josephine näher darzulegen sein.

Ende der Entscheidung

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