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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 04.09.2008
Aktenzeichen: 5 U 168/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 32 b
ZPO § 321 a
ZPO § 513 Abs. 2
Ein erstinstanzliches Gericht nimmt seine Zuständigkeit dann nicht willkürlich an, wenn es bei der in Rechtsprechung und Literatur streitigen Auslegung der Norm, auf die es seine Zuständigkeit stützt, der umfassend und jedenfalls vertretbar begründeten Auffassung in einer jüngeren Entscheidung eines Oberlandesgerichtes folgt, selbst wenn sich der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich der Gegenmeinung angeschlossen hat.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 168/07

verkündet am: 04. September 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 10.07.2008 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 8. November 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten im Zusammenhang mit der Zeichnung einer atypisch stillen Beteiligung an der B AG - mit einer Einlage in Höhe von 12.000 DM zuzügl. eines 5 %igen Agios durch Vertrag vom 25.6.2001 - auf Schadensersatz in Höhe der geleisteten Zahlungen abzüglich erhaltener Entnahmen in Anspruch.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien erster Instanz und ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Beklagten haben einen Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt, über den nicht entschieden worden ist. Darin merken sie an - was unstreitig ist -, dass abweichend von dem letzten Satz auf S. 2 unten des Urteils nicht der Beklagte zu 2. sondern der Beklagte zu 1. (und zwar seit dem 1.12.2000) Vorstandsvorsitzender der B AG bis zu deren Insolvenz war. Demgegenüber handelt es sich - abweichend von S. 3 oben des Urteils - bei dem Beklagten zu 2. um den Initiator der B AG, der selbst bis zum 30.11.2000 die Position des alleinigen Vorstands der B AG inne hatte.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, es sei örtlich zuständig weil - im Anschluss einer Rechtsprechung des OLG München vom 27.7.2006, 31 AR 70/06 - die Vorschrift des § 32 b ZPO über die ausschließliche Zuständigkeit hier nicht anwendbar sei. Im Übrigen sei die Klage aus den §§ 823 Abs. 2, 830 BGB i. V. mit § 264 a StGB zulässig, weil der Präsentationsprospekt der B AG irreführende Angaben enthalte und die Verwendung dieses Prospektes "...." den Tatbestand des § 264 a StGB erfülle. Das Landgericht verweist insoweit auf das in Kopie in der Akte enthaltene Urteil des Senats vom 25.10.2007 - 5 U 52/07.

Die Beklagten haben einen Tag nach Verkündung des Urteils (im Termin vom 8.11.2007) mit Fax vom 9.11.2007 den zuständigen Einzelrichter des Landgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er habe nämlich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck willkürlich angenommen und dadurch das Grundrecht der Beklagten auf den gesetzlichen Richter verletzt. Nach Zurückweisung dieses Befangenheitsgesuches mit Beschluss der 16. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 21.11.2007 ist die sofortige Beschwerde der Beklagten durch Beschluss des 16. Zivilsenats des OLG Schleswig vom 18.2.2008 verworfen worden. Zur Begründung führt der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des 12. Zivilsenats des BGH (NJW-RR 2007, 411) aus, dass das Rechtsschutzinteresse für ein Beschwerdeverfahren in einer Ablehnungssache entfalle, wenn die Instanz unter Mitwirkung des abgelehnten Richters durch Urteil vollständig abgeschlossen und ein Berufungsverfahren möglich sei. Aus Gründen der Prozessökonomie sei in dem Berufungsverfahren selbst zu prüfen, ob ein Ablehnungsgrund vorliege. Wenn ein solches Ablehnungsgesuch begründet sei, müsse ein dennoch ergangenes Urteil im Hinblick auf den verfassungsrechtlich begründeten Anspruch der Prozessparteien auf ein neutrales, unbefangenes Gericht aufgehoben oder abgeändert werden.

Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung machen die Beklagten geltend:

Das Landgericht habe seine örtliche Zuständigkeit willkürlich bejaht, weshalb es bei verfassungsgemäßer Auslegung des § 513 Abs. 2 ZPO im Berufungsverfahren zulässig und geboten sei, diesen einen Verfassungsverstoß darstellenden Verfahrensmangel durch Verweisung des Rechtsstreits an das örtlich zuständige Gericht Stuttgart, den faktischen Sitz der B AG (vgl. dazu Bl. 117 d.A., am AG Stuttgart wird das Insolvenzverfahren geführt), zu beheben, hilfsweise das Urteil und das Verfahren des Landgerichts aufzuheben und die Sache an das Landgericht Lübeck zurückzuverweisen, damit dieses über die Frage der Zuständigkeit erneut entscheiden könne. Die Beklagten hätten nämlich bereits erstinstanzlich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck gerügt. Abweichend von der vom Landgericht zitierten Entscheidung des OLG München vom 27.7.2006, ZIP 2006, 1699, habe der BGH mit zwei Beschlüssen vom 30.1.2007 und 7.2.2007 entschieden, dass der ausschließliche Gerichtsstand des § 32 b I Satz 1 Nr. 1 ZPO auch auf öffentliche Kapitalmarktinformationen anzuwenden sei, die den sog. grauen Kapitalmarkt betreffen würden. Es sei mithin gleichgültig, ob in solchen Fällen eine Prospektpflicht bestanden hätte oder nicht. Dem Landgericht sei im übrigen rechtzeitig vor der Verhandlung auch noch mitgeteilt worden, dass selbst das OLG München - 31. Zivilsenat - seine Rechtsprechung aus dem Beschluss vom 27.7.2006 gem. Beschluss vom 30.10.2007 - 31 AR 245/07 - nicht mehr aufrechterhalten habe. Dennoch habe das Landgericht seine abweichende Begründung wörtlich aus dem überholten Beschluss des OLG München vom 27.7.2006 übernommen. Eine eigene Befassung des Richters mit der Auslegung des § 32 b ZPO sei dem Urteil nicht zu entnehmen. Dies rechtfertige den Vorwurf der Willkür. Auch der Vorwurf der Befangenheit werde zum Gegenstand der Berufungsbegründung gemacht. Hinzuweisen sei darauf, dass verschiedene Richter des Landgerichts Lübeck zwischenzeitlich in sachverhalts- und vortragsgleichen Parallelverfahren die Zuständigkeit nach § 32 b ZPO bejaht und den Rechtsstreit an das LG Stuttgart verwiesen hätten (Beschluss-Kopien Bl. 200 ff und Bl. 232 ff).

Es fehle im Übrigen eine ordnungsgemäße Begründung des Urteils, weil es insoweit nur auf das Senatsurteil vom 25.10.2007 verweise. Der dortige Kläger habe seine Beteiligung am 25.11.1999 gezeichnet, als noch der Beklagte zu 2. Vorstand der B AG gewesen sei. Diesem Urteil hätte zudem eine Prospektausgabe vom 1.5.1999 zugrunde gelegen und nicht wie hier der Prospekt "..." mit der Ausgabe von Dezember 2000. In seinem Urteil habe das Landgericht ohnehin den Beklagten zu 1. und zu 2. verwechselt und zudem eine Begründung für ein Verschulden des Beklagten zu 1. überhaupt nicht gegeben, der am Verfahren 5 U 52/07 nicht beteiligt gewesen sei. Der Vorwurf der Befangenheit des Einzelrichters werde auch darauf gestützt, dass das Urteil weder die angebliche Fehlerhaftigkeit des Prospektes noch den Vorsatz der Beklagten, insbes. den Vorsatz des Beklagten zu 1. ordnungsgemäß begründe.

Weil die fragliche Entscheidung des Senats ohnehin nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sei, handele es sich zudem um ein Urteil, das nicht mit Gründen versehen und aus sich heraus nicht verständlich sei.

Im Anschluss an eine Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22.3.2000, Vf.83-VI-06 (es handelt sich tatsächlich um eine Entscheidung des bayrischen Verfassungsgerichtshofs), sei im übrigen das Recht auf den gesetzlichen Richter bereits dann verletzt, wenn das Erstgericht seine Zuständigkeit - sei es auch irrtümlich - bejaht habe und diese Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht nachvollziehbar sei, weil sie mit sachlich einleuchtenden Erwägungen nicht gerechtfertigt werden könne. Dieser Fall liege hier vor, so dass noch nicht einmal ein Verstoß gegen das Willkürverbot erforderlich sei.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts aufzuheben und den Rechtsstreit an das örtlich und sachlich zuständige Landgericht Stuttgart - hilfsweise an das Landgericht Tübingen - zu verweisen, ganz hilfsweise die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin erwidert:

Im vorliegenden Fall sei das landgerichtliche Urteil nicht unter Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter zustande gekommen. Nicht jede gerichtliche Maßnahme, die auf einem Verfahrensirrtum beruhe, verletze dieses Recht. Hier liege ein Irrtum des Gerichts im Übrigen nicht vor, denn das Gericht habe sich sowohl in der mündlichen Verhandlung als auch in den Urteilsgründen ausführlich mit der Zuständigkeitsfrage und den dazu vorliegenden Entscheidungen des BGH und der verschiedenen Instanzgerichte auseinandergesetzt. Es habe schließlich mit sachbezogenen und nach Ansicht der Klägerin zutreffenden Rechtsgründen seine Zuständigkeit bejaht. Dabei handele es sich nicht um eine willkürliche und vor allem nicht um eine sich von der Zuständigkeitsnorm weit entfernende Begründung, wie sich schon daraus ergebe, dass andere Instanzgerichte, Literaturstimmen und auch das OLG München die Anwendbarkeit des 32 b ZPO bei einem Fall wie den Vorliegenden verneint hätten. Soweit sich das Landgericht in der Begründung auf das OLG München beziehe und diese Begründung übernehme, liege keineswegs Willkür vor, weil es gängige und völlig unspektakuläre Praxis aller Instanzen sei, die Entscheidungen anderer Gerichte zur Begründung eines Urteils zu zitieren.

Das Landgericht habe zwar bei der Nummerierung die beiden Beklagten vertauscht, hierbei handele es sich aber um einen offensichtlichen Schreibfehler. In der Urteilsbegründung habe das Landgericht zutreffend ausgeführt, warum beide Beklagte jeweils aus ihrer Position als Vorstand bzw. Eigentümer/Initiator heraus haften würden. Wenn der Beklagte zu 2. behaupten lasse, ihn träfe keine Verantwortung, weil er zum Zeitpunkt der Zeichnung der Klägerin nicht mehr Vorstand gewesen sei, müsse bedacht weden, dass er alles überragender Initiator und Hintermann der B AG gewesen sei. Er zeichne auch für den Prospekt mit der Ausgabe vom 1.12.2000 verantwortlich, was sich schon daraus ergebe, dass der Beklagte zu 1. erst an diesem Tag die Vorstandstätigkeit übernommen habe. Auch habe sich der Beklagte zu 2. nach dem 1.12.2000 noch an dem operativen Geschäft beteiligt. Der Beklagte zu 2. habe den Prospekt vom 1.12.2000 erstellt und hierin falsche Angaben gemacht. Der Beklagte zu 1. habe als verantwortlicher Vorstand ab dem 1.12.2000 den Prospekt nicht bis zur Zeichnung der Klägerin am 25.6.2001 korrigiert und richtig gestellt und sich damit eines Unterlassens schuldig gemacht.

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg, denn das Landgericht hat seine örtliche Zuständigkeit jedenfalls nicht willkürlich bejaht, weshalb die Berufung wegen § 513 Abs. 2 ZPO nicht auf den Gesichtspunkt mangelnder örtlicher Zuständigkeit erster Instanz gestützt werden kann und überdies auch keine Befangenheit des erstinstanzlichen Richters vorliegt (1.). In Ansehung des im Dezember 2000 von dem - erst Anfang jenes Monats als Vorstand der B AG neu angetretenen - Beklagten zu 1. unterzeichneten Prospekts "..." ergibt sich eine Haftung beider Beklagten aus den §§ 823 Abs. 2, 830 BGB i. V. mit § 264 a StGB (2.).

1.

Gem. § 513 Abs. 2 ZPO kann die Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

In der Literatur wird vor allem von Zöller/Gummer/Hessler (ZPO, 26. Aufl. 2007, § 513 RdNr. 10) vertreten, dass jedenfalls nach Einführung des § 321 a ZPO die positive Annahme der örtlichen Zuständigkeit durch die erste Instanz in der Berufung auch dann nicht gerügt werden kann, wenn dies willkürlich geschehen sei. Denn bei Gehörsverletzungen eröffne nunmehr § 321 a ZPO eine gerichtliche Überprüfung innerhalb der Instanz. § 513 Abs. 2 ZPO beschränke die Anfechtungsmöglichkeit im Rechtsmittelzug grundsätzlich (auch Baumbach/Hartmann, ZPO, 65. Aufl. 2007, verweisen zu § 513 Abs.2, dort RdNr. 4 a. E., darauf, dass die Versagung rechtlichen Gehörs nunmehr nach § 321 a ZPO gerügt werden müsse). Demgegenüber meint Rimmelspacher im Münchener Kommentar zur ZPO (3. Aufl. 2007, § 514 RdNr. 19), es könne entgegen dem Wortlaut des § 513 Abs. 2 ZPO in Berufungsverfahren überprüft werden, ob das Gericht seine Zuständigkeit willkürlich angenommen und damit den Beklagten seinem gesetzlichen Richter entzogen habe. Der Kommentator setzt sich allerdings auch in der jüngsten Auflage mit § 321 a ZPO nicht auseinander.

Die somit streitige Frage kann aber dahinstehen, weil hier im Ergebnis eine willkürliche Annahme der Zuständigkeit noch nicht vorliegt, selbst wenn das Landgericht bei der Auslegung von § 32 b ZPO von einer jüngeren Rechtsprechung des BGH abweicht und das gleiche Landgericht in anderer Besetzung zwischenzeitlich wiederholt parallele Rechtsstreitigkeiten an das LG Stuttgart verwiesen hat.

Willkürlich ist eine Entscheidung nämlich nur dann, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Eine Entscheidung über die Zuständigkeit ist insbesondere willkürlich, wenn sie sich bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen soweit von dem diese Normen beherrschenden Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen, vielmehr unverständlich und offensichtlich unhaltbar ist (BVerfG NJW 1970, 2155 bei juris Tz. 18; Rimmelspacher, aaO; vgl. auch Zöller/Vollkommer, aaO, Einleitung RdNr. 102 a und RdNr. 115). Ein Verstoß gegen Art. 3 I GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot wird allgemein dann bejaht, wenn ein Richterspruch unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar erscheint und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Dafür genügt fehlerhafte Gesetzesauslegung allein nicht, wohl aber die Nichtberücksichtigung einer offensichtlich einschlägigen Norm oder die krasse Missdeutung ihres Inhalts. Erfasst sind mit diesen Formulierungen Fälle grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts, die den Richterspruch unter keinen denkbaren Aspekt rechtlich mehr vertretbar machen. Von willkürlicher Rechtsanwendung kann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt hier keine Willkür des erstinstanzlichen Gerichts vor. Nach § 32 b Abs. 1 Ziff. 1 ZPO ist für Klagen, mit denen der Ersatz eines aufgrund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen verursachten Schadens geltend gemacht wird, ausschließlich das Gericht am Sitz des betroffenen Emittenten zuständig. Diese Norm ist jedenfalls im Hinblick auf die Reichweite der erfassten Fallkonstellationen auslegungsbedürftig. So ist in der jüngsten Rechtssprechung des BGH entgegen der Annahme verschiedener Instanzgerichte entschieden worden, dass die Vorschrift vertragliche Schadensersatzansprüche gegenüber einer Bank oder einem anderen Vermittler wegen Verletzung eines Anlageberatungsvertrages nicht erfasst, selbst wenn sich der jeweilige Beklagte bei der Beratung auch auf öffentliche Kapitalmarktinformationen bezogen hat (BGH NJW 2007, 1365 f Tz. 12).

Im Rahmen der Auslegung des § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO hat das OLG München in zwei Beschlüssen aus dem Jahr 2006 (ZIP 2006, 1699 und NJW 2007, 163) entgegen der Auffassung einiger anderer Oberlandesgerichte mit ausführlicher Begründung entschieden, dass der ausschließliche Gerichtsstand des § 32 b ZPO nicht für Klagen gilt, die Kapitalanlagen des grauen Kapitalmarktes betreffen. Dabei handelt es sich um solche Anlagen, für die jedenfalls zum Zeitpunkt ihrer Emission noch keine Prospektpflicht galt, wie unstreitig auch im vorliegenden Fall. Das Oberlandesgericht München hat diese Auffassung zuletzt in der zitierten jüngeren Entscheidung ausführlich wie folgt begründet und dort dem BGH zur Entscheidung vorgelegt:

"...Auch der ausschließliche Gerichtsstand für bestimmte Klagen auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen (§ 32b ZPO) greift nach der Rechtsprechung des Senats nicht ein. Die hier den Klageansprüchen zugrunde liegenden Beteiligungen der Klägerin im Jahr 2003 an VIP 3 und im Jahr 2004 an VIP 4 sind solche des damals noch nicht geregelten grauen Kapitalmarkts. Für die aus diesen Kapitalanlagen resultierenden Schadensersatzansprüche gilt § 32b ZPO nach Auffassung des Senats nicht (Senatsbeschluss vom 27.7.2006 a.a.O; zustimmend Weck, AG 2006, R 470).

Der Wortlaut der Vorschrift, auf den sich die abweichende Meinung anderer Gerichte stützen kann, schließt ihre Anwendbarkeit auf den "grauen Kapitalmarkt" allerdings nicht von vornherein aus. Der in § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO verwandte Begriff der "öffentlichen Kapitalmarktinformation" ist in § 1 Abs. 1 Satz 3 KapMuG grundsätzlich offen definiert. Die Aufzählung verschiedener Typen öffentlicher Kapitalmarktinformationen in Satz 4 ist nicht abschließend, wie das Wort "insbesondere" zeigt. Es fällt jedoch auf, dass sie ausschließlich den Wertpapier- und sonstigen geregelten Kapitalmarkt betrifft. Der Grund hierfür erhellt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung war auf Kapitalanlagen in Wertpapieren beschränkt (BT-Drucks. 15/5091). Die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 1 KapMuG und des § 32b ZPO auf "Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen" geht auf die Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages zurück (BT-Drucks. 15/5695). Maßgeblich für diese Empfehlung war die Erwägung, dass durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2630) auch andere Vermögensanlagen prospektpflichtig geworden waren (BT-Drucks. 15/5695 S. 23). Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz hat weite Bereiche des bisherigen grauen Kapitalmarkts in den reglementierten Markt überführt, d.h. der Prospektpflicht unterworfen, Anforderungen an den Inhalt aufgestellt und die Haftung bei fehlerhaftem und bei fehlendem Prospekt spezialgesetzlich geregelt (vgl. §§ 8f, 8g, 13, 13a VerkaufsprospektG in der seit 1.7.2005 geltenden Fassung). Die Einbeziehung derartiger Ansprüche nach dem Verkaufsprospektgesetz in den Anwendungsbereich des § 1 KapMuG sowie in die Zuständigkeitsnorm des § 32b ZPO, die insoweit die bisherige Zuständigkeitskonzentration am Sitz der Börse oder der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ersetzt (vgl. § 13 Abs. 2 VerkaufsprospektG in der bis 31.10.2005 geltenden Fassung) erscheint ohne weiteres plausibel und folgerichtig.

Nichts deutet hingegen darauf hin, dass damit auch diejenigen Kapitalanlagen erfasst werden sollten, die nach wie vor ungeregelt sind, sei es dass sie ihrer Art nach keiner Prospektpflicht unterliegen, sei es, dass sie zwar als Neuemission heute prospektpflichtig wären, aber - wie hier - als Altemission dem zeitlichen Anwendungsbereich der 2005 eingeführten Prospektpflicht nicht unterliegen. Für auf solche Anlagen des nicht reglementierten Kapitalmarkts bezogene, mangels spezialgesetzlicher Regelung auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung gestützten Schadensersatzansprüche gab es im Übrigen weder vor noch nach Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes eine spezielle Zuständigkeitsnorm; es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber daran etwas ändern wollte.

Hiergegen lässt sich auch nicht einwenden, dass das Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren als auf zunächst fünf Jahre befristetes Erprobungsgesetz erlassen wurde, dem deshalb möglichst viele Anwendungsfälle unterfallen sollten. Die Befristung wurde im Gesetzgebungsverfahren bereits zu einem Zeitpunkt diskutiert und für sinnvoll angesehen, als der Gesetzentwurf die "sonstigen Vermögensanlagen" überhaupt noch nicht erfasst hatte (vgl. Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung und Gegenäußerung der Bundesregierung hierzu, BT-Drucks. 15/5091 S. 47, 52).

Im Ergebnis zieht der Senat aus Entstehungsgeschichte und Regelungszusammenhang den Schluss, dass § 32b ZPO nicht Vermögensanlagen des ungeregelten so genannten grauen Kapitalmarkts umfasst. Er hält seine Auslegung auch in Kenntnis der abweichenden Entscheidungen anderer Gerichte nach wie vor für richtig.

3. Auf der Grundlage der vorstehend vertretenen Rechtsauffassung hätte der Senat die Bestimmung vorzunehmen. Hieran sieht er sich durch die Entscheidungen der Oberlandesgerichte Nürnberg und Koblenz (je a.a.O.) gehindert. Diese Oberlandesgerichte gehen davon aus, dass § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO in einem Fall wie dem vorliegenden greift, und zwar - anders als etwa die von den Parteien im Verfahren vorgelegten Beschlüsse der Oberlandesgerichte Dresden (28.6.2006, 1 AR 38/06), Stuttgart (6.7.2006, 5 AR 3/06) und Frankfurt am Main (31.7.2006, 21 AR 65/06) - auch soweit Ansprüche aus Verletzung des Beratungsvertrages gegen den Vermittler der Kapitalanlage (hier: Beklagte zu 2) geltend gemacht werden. Bei Zugrundelegung dieser Rechtsansicht der Oberlandesgerichte Nürnberg und Koblenz wäre hier für alle Beklagten der besondere Gerichtsstand des § 32b ZPO gegeben und die Bestimmung abzulehnen. Der Senat müsste folglich eine andere als die von ihm beabsichtigte Endentscheidung treffen. Die Abweichung ist somit entscheidungserheblich und die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen (§ 36 Abs. 3 ZPO)."

Der BGH hat in der daraufhin ergangenen Entscheidung vom 7.2.2007, X ARZ 423/06, zwar anders entschieden, zur Begründung dort aber - bei Juris RdNr. 11 - lediglich verwiesen auf seine Entscheidung vom 30.1.2007 (X ARZ 381/06, ZIP 2007, 602 f). Auch die dortige Begründung ist aber sehr knapp und setzt sich mit der Argumentation des OLG München gerade nicht im Einzelnen auseinander. Dort heißt es nämlich (Rz.10 bei Juris) lediglich:

"...Allerdings setzt die Anwendung der Vorschrift nicht voraus, dass Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, die auf bestimmten spezialgesetzlichen Regelungen beruhen; sie umfasst alle Haftungstatbestände. Voraussetzung ist nur, dass der Schaden, für den Ersatz verlangt wird, aufgrund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen entstanden ist (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 15/5091 S. 33 zu Nr. 2; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 32 b Rdn. 5). Der Begriff der öffentlichen Kapitalmarktinformation ist in § 1 Abs. 1 Satz 3 Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG) definiert. Danach sind öffentliche Kapitalmarktinformationen solche, die für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmte Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten enthalten, die einen Emittenten von Wertpapieren oder Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen. Dieser Begriff war im Regierungsentwurf enger gefasst und ist auf Empfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 15/5695 S. 23) erweitert worden auf "alle Anbieter sonstiger Vermögensanlagen". Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts München (aaO) werden damit auch diejenigen Kapitalanlagen erfasst, für die eine Prospektpflicht gesetzlich nicht geregelt ist. Die Vorschrift setzt eine Prospektpflicht nicht voraus, sie knüpft vielmehr daran an, dass der Schaden aufgrund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen verursacht worden ist..."

Das OLG München hatte sich aber gerade auch mit dem Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz und seiner Entstehungsgeschichte auseinandergesetzt. Es ist dort nicht übersehen worden, dass der Rechtsausschuss einen erweiterten Anwendungsbereich empfohlen hatte und dieser dann auch in das Gesetz übernommen worden ist. Das OLG München zieht aber zur Auslegung heran, welche Erwägungen für diese Erweiterung maßgeblich waren und verweist insoweit auf das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, wonach aber gerade Kapitalanlagen, bei denen keine Prospektpflicht galt, nicht erfasst werden sollten. Die gesamte differenzierte Argumentation wird vom BGH nicht näher aufgegriffen und ist mithin jedenfalls nicht zwingend widerlegt.

Vor diesem Hintergrund erscheint nicht einmal sicher, ob der Streit durch die Entscheidung des X. Zivilsenats überhaupt in der Rechtsprechung als geklärt angesehen werden kann. Jedenfalls ist die Rechtsmeinung des OLG München - gestützt auf die dort umfassend dargelegte Entstehungsgeschichte - nicht etwa abwegig oder fern liegend. Die vom Landgericht im vorliegenden Fall aufgegriffene und wiederholte Begründung dieses Oberlandesgerichts entbehrt nicht jedes sachlichen Grundes, selbst wenn das OLG München zwischenzeitlich - ohne zusätzliche Argumentation - der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich das Landgericht mit der überwiegend vertretenen abweichenden Rechtsansicht nicht auseinandergesetzt hätte, obwohl es die Auffassung des BGH in seinem Urteil allerdings nicht erwähnt. Denn diese abweichende Auffassung ist zuvor schriftsätzlich vorgetragen worden. Nach dem Protokoll war die Frage der örtlichen Zuständigkeit in der Sitzung vom 8.11.2007 auch Gegenstand umfassender Erörterung. Zudem wird aus der Begründung des Befangenheitsgesuchs der Beklagten deutlich, dass ausführlich über die örtliche Zuständigkeit diskutiert worden ist und der abgelehnte Richter mit einer "äußerst komplizierten Begründung, zu der auch die Materialien des Gesetzgebungsverfahrens herangezogen wurden" seine Auffassung zur örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck ersichtlich keinesfalls nur pauschal dargelegt hat. Das aber ist gerade kein willkürliches richterliches Verhalten und auch keine willkürliche Interpretation des Gesetzes, auch wenn der Richter der Auffassung des X. Zivilsenats des BGH nicht gefolgt ist.

Hat er insoweit aber nicht willkürlich gehandelt und ist er vielmehr mit einer sachlich einleuchtenden Begründung einer noch vertretbaren Rechtsauffassung gefolgt, liegt auch unter Berücksichtigung der von der Berufung zitierten Rechtsprechung des bayerischen Verfassungsgerichtshofs keine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter und kein Grund der Besorgnis der Befangenheit vor.

2.

Das Landgericht hat die Beklagten auch zu Recht antragsgemäß verurteilt. Beide Beklagte haften als Mittäter nach den §§ 823 Abs. 2, 830 BGB i. V. mit § 264 a StGB. Im wesentlichen trifft die Begründung der Verurteilung des Beklagten zu 2. durch das rechtskräftige Senatsurteil vom 25.10.2007 - 5 U 52/07 (ebenso das rechtskräftige Senatsurteil vom 31.1.2008 - 5 U 112/07 - sowie die beiden nicht rechtskräftigen, nämlich in der Revision anhängigen Urteile vom 27.9.2007 - 5 U 58/07 - und vom 10.1.2008 - 5 U 97/07 -) auch im vorliegenden Fall und auch für den Beklagten zu 1. zu.

Die Parteien sind sich zweitinstanzlich einig, dass die Klägerin hier den Prospekt der B AG "..." in der Fassung von Dezember 2000 erhalten hat. Die Klägerin hat auf dem Zeichnungsschein unter dem 20.6.2001 durch gesonderte Unterschrift bestätigt, die "..." erhalten zu haben. Diese Fassung der "..." war bislang nicht Gegenstand der Entscheidungen des Senats. Der Senat hat sich vielmehr mit Vorauflagen befasst, zuletzt in seinem rechtskräftigen Urteil 5 U 112/07 mit der Fassung vom 1.5.1999 (dort zugleich vergleichend mit der Fassung von September 2000, wie sie hier Bl. 21 ff zur Akte gereicht worden ist). In allen in den früheren Urteilen behandelten entscheidungserheblichen Punkten ist aber der Prospekt "..." in der Fassung von Dezember 2000 wortgleich mit den beiden genannten Vorauflagen von Mai 1999 und September 2000. Ein Unterschied ergibt sich nur insoweit, als die Einführung des Prospektes von dem seit dem 1.12.2000 anstelle des Beklagten zu 2. amtierenden Vorstand, nämlich dem Beklagten zu 1., unterschrieben worden ist.

Die Klägerin hat zudem vor Vertragsabschluss das sog. "...-Info", Ausgabe April 2000, erhalten. Dort wird darauf hingewiesen, dass sich die B AG auf Gewinnkurs befinde. Kapitalanlagen, Immobilien- und der Geschäftswert würden eine stabile und gesunde Substanz bilden. Die Sanierung und Fertigstellung der "Top-Immobilien in..." verlaufe weiter nach Plan. Der letzte Bauabschnitt werde im 4. Quartal dieses Jahres (2000) fertig gestellt und damit könne der langfristige Mieter D in ... sein Seniorenkonzept genau nach Plan in Betrieb nehmen.

Beide Beklagten sind taugliche Täter eines Kapitalanlagebetruges. Täter kann nämlich jedermann sein, der in Werbeträgern oder in Zusammenhang mit dem Vertrieb von Kapitalanlagen unrichtige Angaben macht oder nachteilige Angaben verschweigt. Dies gestattet die Einbeziehung sämtlicher für den Prospektinhalt verantwortlicher Personen (vgl. Leipziger Kommentar zum StGB/Tiedemann, 11. Aufl. 2005, § 264 a RdNr. 17 und Tröndle/Fischer, StGB, 53 Aufl. 2006, § 264 a RdNr. 22).

Der Beklagte zu 1. war seit dem 1.12.2000 als alleiniger Vorstand der B AG für den Prospektinhalt des Prospektes "..." mit Stand von Dezember 2000 verantwortlich.

Der Beklagte zu 2. war als alleiniger Vorstand bis einschließlich 30.11.2000 jedenfalls für das genannte ...-Info verantwortlich, aber - und das ist entscheidend - auch für den zugleich der Klägerin überreichten Prospekt "...". Denn dieser ist mit Ausnahme des Austausches der Person des Vorstandes wortgleich mit der Vorgängerauflage, die noch von September 2000 stammt. Es ist im Übrigen nicht im Streit, dass der Beklagte zu 2. der wesentliche Initiator der B AG war. Die Berufung weist darauf hin, der Beklagte zu 2. sei nicht Aufsichtsrat gewesen und als Aktionär habe er keinen Einfluss auf das operative Geschäft und damit auch keinen Einfluss auf den Prospekt von Dezember 2000 gehabt, an dessen Erstellung er nicht mitgewirkt habe. Der Prospekt ist aber unmittelbar nach dem Wechsel im Vorstand auf den Weg zu den Anlegern gebracht worden und gleicht inhaltlich der Vorgängerauflage von September 2000. Die Berufung trägt nicht vor, dass sich der Beklagte zu 2. in irgendeiner Weise im Zusammenhang mit dem Wechsel im Vorstandsamt oder in der Folgezeit darum bemüht hat, diesen Prospekt vom Markt zu nehmen. Das Landgericht hat zu Recht auf die Garantenstellung des Beklagten zu 2. und darauf hingewiesen, dass er verpflichtet gewesen wäre, die fortlaufende Benutzung dieses Prospektes zu Täuschungshandlungen (mit einer inhaltsgleichen neuen Auflage) zu unterbinden.

Das Landgericht hat zur weiteren Begründung auf das Urteil des Senats in der Sache 5 U 52/07 Bezug genommen. Die Berufung erwähnt zu Recht, dass der Beklagte zu 1. (anders als der Beklagte zu 2.) an diesem Verfahren nicht beteiligt war. Die Kenntnis dieses Urteils auch des Beklagten zu 1. - der den gleichen Prozessbevollmächtigten wie der Beklagte zu 2. beauftragt hat - wird aber nicht in Abrede genommen. Jedenfalls im Berufungsverfahren liegt Kenntnis der Urteilsgründe auch bei dem Beklagten zu 1. vor und stützt sich im Übrigen die Klägerin auf dieses Urteil. Die entscheidenden Punkte, weswegen der Senat unter Hinweis auf die Darstellung in dem Prospekt "..." in jenem Urteil den objektiven Tatbestand § 264 a StGB als erfüllt angesehen hat, gelten auch im vorliegenden Fall und für beide Beklagte:

Die Berufungserwiderung fasst (Bl. 368 d.A.) zusammen, dass das gesamte Konzept der B AG aufgrund der extrem hohen Kosten von 50 % und der kaum feststellbaren Eigenkapitalrendite auf einem sittenwidrigen Schneeballsystem beruht habe. Das Geld der Anleger hätte tatsächlich nur dann - und noch ohne eine Verzinsung - überhaupt zurückgezahlt werden können, wenn die Rendite so hoch ausgefallen wäre, dass sich das (nach Abzug der weichen Kosten) eingesetzte Kapital verdoppelt hätte. Tatsächlich habe sich bei den bestehenden Anlagen der B AG aber keinerlei nennenswerte Eigenkapitalrendite ergeben. Das sind zusammengefasst die Feststellungen des Senats in den oben genannten Urteilen. Die somit auch im vorliegenden Fall von der Klägerin vorgetragenen "weichen" Kosten der B AG von 50 % des gesammelten Anlegerkapitals sind wie in den Vorprozessen von den Beklagten (hier auch von dem Beklagten zu 1.) nicht bestritten worden.

Damit lassen sich aber auch in der Person des Beklagten zu 1. die subjektiven Voraussetzungen eines Kapitalanlagebetruges zu dem Zeitpunkt der Zeichnung der Klägerin Ende Juni 2001 - also 7 Monate nach Antritt seiner Vorstandstätigkeit - feststellen. Auch der Beklagte zu 1. nimmt nämlich nicht in Abrede, dass ihm zu diesem Zeitpunkt die Situation der von der B AG gekauften Immobilien in D und die sich insoweit ergebenden Renditeerwartungen im Verhältnis zu den Kreditkosten bekannt waren. Er kannte auch das Phänomen der Entstehung erheblicher Fremdkosten in Höhe von 50 %, weshalb ihm zwangsläufig bekannt gewesen sein muss, dass die Renditeprognosen des Prospektes "..." von über 7 % im Immobilienbereich und gar 15 % im Bereich der Unternehmensbeteiligungen und Kapitalmarktanlagen gänzlich unrealistisch waren. Er wusste als Vorstand der AG auch, dass der Prospekt keine Angaben zu den Fremdkosten im Rahmen der Gesamtaufwendungen macht, andererseits aber in diesem Bereich erhebliche Kosten in der Größenordnung von 50 % des gesammelten Anlegerkapitals anfallen würden, womit Renditeerwartungen zwangsläufig nicht mehr bestanden. Ebenso wusste er, dass der Prospekt "..." den Eindruck erweckt, es würden nur sichere Anlagen getätigt, während die Satzung der AG die Möglichkeit erheblich risikoreicherer Geschäfte - unter Heranziehung fremder Dienstleister - eröffnete.

An der Kausalität fehlt es nicht. Es entspricht nämlich der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist (BGH NJW 2000, 3346 ff., bei Juris Rn. 20). Selbst wenn der Prospekt erst am Tag der Unterzeichnung des Zeichnungsscheins durch die Klägerin - nämlich am 20.06.2001 - überreicht worden sein sollte, fehlt es nicht an der Ursächlichkeit für die Anlageentscheidung, denn der Beitritt ist erst durch die Annahmeerklärung der B AG am 25.06.2001 zustande gekommen. Zudem ist im Zeichnungsschein die Widerrufsmöglichkeit binnen Wochenfrist ausdrücklich vermerkt und gegengezeichnet worden, von der die Klägerin aber keinen Gebrauch gemacht hat. Erst nach Ablauf dieser Frist war die Anlageentscheidung bindend gefallen

3.

Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht, sie seien allenfalls als Gesamtschuldner neben dem Vermittler C zu verurteilen, der bereits durch Urteil des LG Lübeck vom 30.09.2005, Az.: 2 O 206/04, zur Zahlung von 6.053,69 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt worden sei. Dem kann nicht gefolgt werden. Herr C ist am vorliegenden Rechtsstreit nicht beteiligt. Ein allein gerichtlich in Anspruch genommener Gesamtschuldner hat keinen Anspruch darauf, dass seine (nur) gesamtschuldnerische Haftung in der Urteilsformel zum Ausdruck kommt (Palandt/Grünberg, BGB, 67. A. 2008, § 421 Rn. 13).

4.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht. Insbesondere weicht der Senat zur Frage, ob die erste Instanz ihre Zuständigkeit willkürlich bejaht hat, nicht von anderer obergerichtlicher Rechsprechung ab und folgt vielmehr den allgemein anerkannten Grundsätzen.

Ende der Entscheidung

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