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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 04.11.2003
Aktenzeichen: 6 U 17/03
Rechtsgebiete: UWG, SGB V, BO Ärztekammer SH


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 13 II Nr. 2
SGB V § 115 a
SGB V § 115 b
BO Ärztekammer SH § 32
1. Zahlt eine Klinik für die postoperative Nachsorge an niedergelassene Ärzte Pauschalentgelte, stellen diese regelmäßig keine Weitergabe von der Klinik zustehendem Honorar für ärztlichen Leistungen dar, sondern der Sache nach ein Entgelt für die vorher erfolgte Zuweisung stationärer Patienten.

2. Das Verbot der Entgegennahme eines Entgelts für die Vermittlung von Patienten gemäß § § 32 BO Ärztekammer Schleswig-Holstein stellt keine unverbindliche Standesauffassung dar, sondern ist als Satzungsrecht für alle Mitglieder der Ärztekammer verbindlich.

3. Die Gewährung eines gegen § 32 BO Ärztekammer und §§ 115 a, 115 b SGV V verstoßenden Entgelts für die Vermittlung von Patienten ist wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG.


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U 17/03

Verkündet am: 4. November 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2003 unter Mitwirkung der Präsidentin des Oberlandesgerichts Görres-Ohde, des Richters am Oberlandesgericht Blöcher und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Leischner-Rickerts für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 18. Februar 2003 (11 O 123/02) geändert.

Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes niedergelassenen Augenärzten für die postoperative Nachbehandlung von Cataract-Patienten eine Betreuungspauschale von 51,13 € pro Patient anzubieten oder auszuzahlen,

2. an die Klägerin 175,06 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19. Juli 2002 zu zahlen.

Im übrigen wir die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 10.000 € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der klagende Verband begehrt von der Beklagten, einem Universitätsklinikum es zu unterlassen, mit Augenärzten, die ihm Cataractpatienten zuweisen, einen Nachbehandlungsvertrag abzuschließen, der diesem eine Nachbetreuungspauschale von 51, 13 € (100 DM) pro 14 Tage und Fall zusichere. Eine derartige Pauschale stelle eine wettbewerbswidrige "Fangprämie" dar und verstoße gegen berufsrechtliche Vorschriften. Der Beklagte wendet ein, dass auf diesem Wege - welcher von großen Teilen der berufsständischen Vereinigungen - gut geheißen werde - eine ausgewogene Nachsorge sichergestellt werde.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil Umstände für eine wettbewerbsrechtliche Unlauterbarkeit nicht vorlägen und auch die Ärztekammer Schleswig-Holstein den Vertrag weder beanstandet habe noch eine gefestigte Standesauffassung habe darlegen können.

Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg.

Gründe:

I.

Anstelle des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Es bestand kein Anlass, der Beklagten Schriftsatznachlass, zu gewähren,. Der in Bezug genommene Schriftsatz der Klägerin vom 9. Oktober 2003 enthält keine entscheidungserheblichen Tatsachen, sondern rechtliche Erörterungen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

Die in Rede stehende Vereinbarung (Bl. 20 - 23 d. A.), die die Beklagte unstreitig in der Vergangenheit verwendet hat und in der Zukunft verwenden will, verstößt gegen § 1 UWG i.V.m. § 32 der Berufsordnung der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom 5. März 2003 (BO) und §§ 115 a, 115 b SGB V.

1. Die Klägerin ist gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen der Beklagten befugt. Zu ihren Mitgliedern zählt auch der Berufsverband der Augenärzte Deutschland e. V.. Die Klägerin gehört damit einer erheblichen Anzahl von Gewerbetreibenden an, die gewerbliche Leistung gleicher oder verwandter Art auf dem selben Markt vertreiben. Dass die repräsentative Anzahl von Mitgliedern dem Wettbewerbsverband nur mittelbar, nämlich durch die Zugehörigkeit von Verbänden oder Vereinigungen zu dem Wettbewerbsverband angehören, steht dem nicht entgegen (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 13 UWG Rz. 23 c mit Rechtsprechungsnachweisen).

2. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Unterlassung des gerügten Verhaltens aus § 1 UWG zu. Danach ist eine Wettbewerbshandlung, die gegen sittlich fundierte und wertbezogene Rechtsnormen verstösst - und um solche handelt es sich entgegen der Ansicht des Landgerichts sowohl bei § 32 BO als auch bei § 115 a, b SGB V -, zugleich auch unlauter im Sinne des § 1 UWG.

a) Die von der Beklagten für die postoperative Nachbetreuung von Cataract-Patienten angebotene Betreuungspauschale verstößt gegen § 32 BO. Danach ist es einem Arzt nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Diesen Zweck verfolgt die Beklagte jedoch mit der Vereinbarung.

aa) Zwar verspricht die Beklagte den Augenärzten in dem Vertrag über die postoperative ärztliche Nachbetreuung nicht unmittelbar ein Entgelt für die Zuweisung von Patienten. Dem Wortlaut des Vertrages nach (Bl. 20 - 23 d. A.) gewährt sie ein Honorar von 51,13 € für die postoperative Betreuung des Patienten durch den Nachbetreuungsarzt. Nach eigenem Vortrag bietet die Beklagte diesen Vertrag jedoch den niedergelassenen Augenärzten an, die ihr in der Vergangenheit regelmäßig Patienten zur Cataract-Operation überwiesen haben. In der Regel wird auch die postoperative Betreuung, wie die Beklagte nicht bestreitet, von dem Arzt erbracht, der die Überweisung in das Krankenhaus vorgenommen hat. Dieser kann seine Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bzw. § 87 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abrechnen. Davon geht auch die Beklagte aus, wenn sie in dem angebotenen Vertrag in § 4 Abs. 1 Satz 2 einen Ausschluss dieser Abrechnungsmöglichkeit aufnimmt.

Ein sachbezogenes Bedürfnis, den niedergelassenen Augenarzt vertraglich zur Durchführung der postoperativen Betreuung gegen Honorar zu verpflichten, ist nicht ersichtlich. Durch das Versprechen eines Honorars wird vielmehr ein Anreiz dafür geschaffen, in Zukunft vermehrt Patienten an die Beklagte zu überweisen, weil auf diese Weise gewährleistet ist, dass der überweisende Augenarzt durch die übliche Rücküberweisung des Patienten an ihn das versprochene Honorar erhält.

bb) Bei den Zahlungen an die niedergelassenen Augenärzte handelt es sich nicht um eine (teilweise) Weitergabe ärztlichen Honorars an Vetreter oder Erfüllungsgehilfen, die Aufgaben der Beklagten wahrgenommen haben. Die Beklagte kann sich insofern nicht auf § 115 a, b SGB V berufen. Vielmehr stehen diese Vorschriften der in Rede stehenden Vereinbarung entgegen.

Das System der gesetzlichen Krankenversicherung - und diese betrifft die Vereinbarung in erster Linie - trennt zwischen ärztlicher Behandlung und Krankenhausbehandlung ( § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V). Die Krankenhausbehandlung wird gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V voll- oder teilstationär, vor- oder nachstationär sowie ambulant i.S.d. § 115 b SGB V erbracht, während die Tätigkeiten der niedergelassenen Ärzte ambulante Behandlungen im Sinne der §§ 72 ff SGB V sind. Grundsätzlich ist damit die stationäre Behandlung von Patienten Aufgabe des Krankenhauses, die weitere Behandlung hingegen Sache der niedergelassenen Ärzte. § 115 a und b SGB V gestatten dem Krankenhaus ausnahmsweise auch dann ärztliche Behandlungen durchzuführen und die damit verbundenen Kosten abzurechnen, wenn sich der Patient nicht mehr stationär aufhält (§ 115 a SGB V) oder das Krankenhaus bereits die Operation ohne dauernden Krankenhausaufenthalt des Patienten durchgeführt hat (§ 115 b SGB V). Nach diesen Vorschriften kann das Krankenhaus im Anschluss an eine derartige Krankenhausbehandlung innerhalb eines Zeitraums von 14 Tagen Versicherte (ambulant) behandeln, um den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen (sog. nachstationäre Behandlung).

Zulässig sind derartige nachstationäre Behandlungen durch das Krankenhaus jedoch nur in medizinisch geeigneten Fällen und auch nur dann, wenn sie im Krankenhaus stattfinden. Dies folgt schon aus der Systematik der Trennung zwischen der Krankenhausbehandlung und der Behandlung der Patienten durch niedergelassene Ärzte. Der so verstandene Wille des Gesetzgebers ist darüber hinaus auch aus dem Wortlaut der Normen abzuleiten. So gehen die Überschriften der §§ 115 a und b SGB V von Behandlungen "im Krankenhaus" aus. Damit übereinstimmend bestimmt § 115 a SGB V in Satz 5 der Vorschrift, dass "... eine notwendige ärztliche Behandlung außerhalb des Krankenhauses während der vor- und nachstationären Behandlung im Rahmen des Sicherstellungsauftrages durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte gewährleistet ... (wird)".

Damit fallen in den Behandlungsbereich des Krankenhauses neben der stationären Behandlung der Patienten nur solche Maßnahmen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einem stationären Krankenhausaufenthalt (oder ambulanter Krankenhausbehandlung im Falle des § 115 b SGB V) stehen. Für alle anderen Leistungen sind die niedergelassenen Ärzte zuständig. Ausnahmsweise, nämlich für eine Zeit von 14 Tagen nach einem Krankenhausaufenthalt oder einer ambulanten Operation können Krankenhausärzte zur Sicherung des Behandlungserfolges (Operationserfolges) ambulante Leistungen übernehmen. Allerdings, und dies ist nach Ansicht des Senats entscheidend, bleibt es für die ärztliche Behandlung außerhalb des Krankenhauses bei der Zuständigkeit der niedergelassenen Ärzte. Dies beinhaltet, so ist § 115 a Satz 5 SGB V zu verstehen, dass die niedergelassenen Ärzte die in eigener Zuständigkeit erbrachten Leistungen gegenüber dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. den privaten Krankenversicherern abrechnen.

Daraus folgt aber auch, dass die Beklagte in Wahrheit kein Honorar an die Vertragspartner weitergibt, wie sie behauptet: denn sie selbst hat in den vertraglich erfassten Fällen keine Krankenhausleistungen nach §§ 115 a, b SGB V erbracht, deren Entgelt sie vollständig oder teilweise weiterleiten könnte.

Der Senat findet auch keinen in der Sache liegenden Grund, warum die Beklagte einerseits von der gesetzlichen Ausnahmeregelung Gebrauch machen möchte, andererseits aber gleichzeitig die damit verbundenen Tätigkeiten auf denjenigen Personenkreis übertragen will, der nach der gesetzlichen Systematik ohnehin dafür zuständig wäre.

Soweit die Beklagte argumentiert, als Ausbildungskrankenhaus bestimmte im nachoperativen Bereich erforderliche Leistungen nicht oder nur durch übermäßigen Personalaufwand erbringen zu können, überzeugt dies nicht. Das Krankenhaus müsste und könnte diese Leistungen doch auch dann ordnungsgemäß erbringen, wenn die Patienten stationär (weiter) behandelt werden würden.

cc) Hinzu kommt ein formales Argument: § 115 a Abs. 3 SGB V bestimmt, dass die Festsetzung des Vergütungsumfanges für nachstationäre Behandlungen eine Vereinbarung zwischen den Trägern der Krankenhäuser und den Landesverbänden der Krankenkassen, den Verbänden der Ersatzkassen und dem Landesausschuss des Verbandes der privaten Krankenversicherungen erfordert. Einen derartigen übergreifenden Vertrag wird man aber auch verlangen müssen, wenn Krankenhäuser beabsichtigen, die ihnen zustehende Vergütung ganz oder teilweise weiterzugeben. Andernfalls, wenn wie hier bereits das jeweilige Krankenhaus befugt sein sollte, in diesem Sinne Verträge abzuschließen, würde die von § 115 a Abs. 3 SGB V, §§ 32, 12 BO bezweckte einheitliche Vergütungsregelung unterlaufen. Auch wenn, worauf die Beklagte zutreffend hinweist (Bl. 35 d. A.), Festbetragsvergütungen im Zuge der Modernisierung und Fortführung des Gesundheitswesens zunehmend in den Blickpunkt rücken, ist doch erforderlich, dass solche Vergütungsvereinbarungen allgemein verbindlich und im Einvernehmen mit den Krankenversicherungen festgelegt werden. In diesem Sinne interpretiert der Senat auch das von der Beklagten zu den Akten gereichte Schreiben des Vorsitzenden des Berufsverbandes der Augenärzte (Bl. 91 d. A.), der sich zwar für eine Honorierung der Zuweisung für die postoperative Betreuung ausspricht, gleichzeitig aber klarstellt, dass dabei jeglicher Anreiz für eine Zuweisung zu bestimmten Operateuren zu vermeiden ist.

Demnach kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass ihr Verhalten von § 115 a und b SGB V gedeckt ist. Vielmehr wird deutlich, dass die in der beanstandeten Vereinbarung vorgesehene Vergütung nicht Entgelt für erbrachte Leistungen des niedergelassenen Arztes meint, sondern dass eine Patientenvermittlung gegen Entgelt vereinbart wird. Dementsprechend hat die Beklagte bereits in erster Instanz (vgl. Klagerwiderung Bl. 38 d. A.) argumentiert, es solle "... ein Netzwerk zwischen Klinik und niedergelassenen Ärzten" aufgebaut werden.

b) Aus den oben ( 2 a bb) ) dargestellten Gründen verstößt die vertragliche Vereinbarung der Beklagten nicht nur gegen § 32 BO, sondern auch gegen § 115 a und, soweit die Beklagte die Vereinbarung auf Fälle ambulanter Operationen ausdehnen will, auch gegen § 115 b SGB V.

c) Die Zulässigkeit der vertraglichen Vereinbarung und der darin enthaltenen Abrechnung ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des OLG Nürnberg (WRP 1997, 1212, 1218). Nach dem dort beurteilten "verkürzten Versorgungsweg" erhält ein behandelnder HNO-Arzt von einem von ihm beauftragten Hörgerätehersteller einen bestimmten Geldbetrag für seine Tätigkeit im verkürzten Versorgungsweg. Insoweit ist der Fall mit dem vorliegenden vergleichbar. Die Art und Weise der Abrechnung unterscheidet sich jedoch insoweit maßgeblich, als beim verkürzten Versorgungsweg zwischen dem Hörgerätehersteller und den gesetzlichen Krankenkassen ein Vertrag besteht, wonach der an den HNO-Arzt zu zahlende Betrag aus der Gesamtvergütung abzuführen ist, die der Hersteller von der Krankenkasse für das Hörgerät erhält. Die Zahlungen erfolgen daher nicht auf Rechnung des Herstellers, sondern werden als durchlaufende Posten von der Krankenversicherung geleistet und sind daher als Vergütung für die vom Arzt zu erbringenden Leistungen anzusehen (OLG Nürnberg a.a.O.). Um einen derartigen "durchlaufenden Posten" handelt es sich hier, wie oben dargestellt, jedoch nicht.

d) Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind sowohl § 32 BO, als auch § 115 a und b SGB V wertbezogene Rechtsnormen, deren Verletzung einen Verstoß gegen § 1 UWG unmittelbar begründet .

Zu den wertbezogenen Normen gehören auch diejenigen Vorschriften, die dem Schutz der Volksgesundheit dienen und daher wegen ihrer gesundheitspolitischen Zielsetzung als sittlich-rechtlich fundiert anzusehen sind (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rz. 615). Dies gilt auch für das ärztliche Standesrecht, das neben dem Schutz der Ärzteschaft bei deren Wettbewerb untereinander auch den Schutz der Bevölkerung vor unsachlicher Beeinflussung und die Abwehr langfristiger negativer Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung bezweckt (OLG Nürnberg WRP 1997, 1212, 1217).

aa) Das Landgericht hat einen Wettbewerbsverstoß zu Unrecht mit der Begründung verneint, dass von einer gefestigten Standesauffassung hinsichtlich der Auslegung der §§ 12, 32 BO nicht (mehr) gesprochen werden könne.

Richtig ist, dass Verstöße gegen standesrechtliche Ordnungen, soweit sie keine Rechtsnormen darstellen, nur dann ohne weiteres auch einen Verstoß gegen § 1 UWG begründen können, wenn eine einheitliche und gefestigte Standesauffassung innerhalb des Berufsstandes besteht, nach der das im Einzelfall zu beurteilende Verhalten zu missbilligen ist (BGH GRUR 1972, 709, 710 - Patentmark; BGH NJW 1996, 3081, 3083 - Laborbotendienst; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rz. 673). Dieses Erfordernis wurde z. B. für die von der Bundesrechtsanwaltskammer gemäß § 177 Abs. 2 Nr. BRAO festgestellten Richtlinien angenommen. Dies beruht darauf, dass die Verletzung einer nicht mit Gesetzesrang ausgestatteten Ordnung nur dann wie eine Gesetzesverletzung gewertet werden kann, wenn eine solche Standesauffassung tatsächlich bei den Berufsgenossen vorhanden ist (Baumbach/Hefermehl, a.a.O.).

Bei den §§ 12, 32 BO handelt es sich jedoch nicht um eine solche unverbindliche Standesauffassung. Vielmehr ist die Berufsordnung eine von der Ärztekammer Schleswig-Holstein, in dem alle approbierten Ärzte Zwangsmitglieder sind, aufgrund der Ermächtigung in § 31 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Heilberufegesetzes erlassene Satzung. Die Satzung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts enthält für ihre Mitglieder verbindliche Rechtsnormen (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl., § 4 Rn. 14 ff). Der darüber hinausgehenden Feststellungen, dass das zu beurteilende Verhalten im Einzelfall nach einer gefestigten Standesauffassung zu missbilligen ist, bedarf es daher nicht. Dementsprechend nimmt auch die Rechtsprechung bei Verstößen gegen die Berufsordnungen der Ärzte regelmäßig ohne Hinzutreten weiterer Voraussetzungen einen Verstoß gegen § 1 UWG an (vgl. BGH GRUR 1989, 758, 759 - Gruppenprofil; OLG Schleswig, MedR 2001, 579 ff; OLG Koblenz, Urteil vom 20.05.2003, 4 U 1532/02, Bl. 206 - 213 d. A.).

Im Übrigen spricht gegen die Richtigkeit der Annahme des Landgerichts, es gebe angesichts der Stellungnahme der Landesärztekammer Schleswig-Holstein keine entsprechende gefestigte Standesauffassung mehr, auch die Tatsache, dass die Landesärztekammer Schleswig-Holstein bei der Neufassung der Berufsordnung vom 5. März 2003 die Vorschrift des § 32 BO in der Fassung vom 29. November 2000 unverändert übernommen hat.

bb) Dass die §§ 115 a und b, 27 und 39 SGB V wertbezogene gesetzliche Vorschriften im Sinne des § 1 UWG sind, bedarf der näheren Erläuterung nicht.

cc) Soweit die Annahme eines Wettbewerbsverstosses zusätzlich voraussetzt, dass die verletzten Vorschriften zumindest sekundäre wettbewerbsbezogene Funktion haben, das gerügte Verhalten also marktbezogen ist ( BGH GRUR 2001,354,356 ), trifft dies sowohl auf § 32 BO als auch auf § 115 a,b SGB V zu.

§ 32 BO soll gerade eine Wettbewerbsverzerrung zwischen Ärzten verhindern, die eintritt, wenn die Entscheidung über die Zuweisung zu einem bestimmten Arzt oder an ein bestimmtes Krankenhaus durch Entgeltzahlung beeinflusst wird.

Die aus §§ 27,39,115 a,b SGB V folgende Trennung der Aufgabengebiete ( s.o.) schützt nach Ansicht des Senates beide Seiten nicht nur reflexartig, sondern vielmehr zielgerichtet vor unzulässiger Übernahme und Abrechnung fremder Tätigkeiten.

e) Die beanstandete Vereinbarung ist geeignet, die dadurch vertraglich gebundenen Ärzte zu veranlassen, aus finanziellen Gründen Patienten an die Beklagte zuzuweisen. Damit verschafft sich die Beklagte einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Ärzten oder Augenkliniken, die ebenfalls Cataractoperationen durchführen ; dem entspricht der Vorteil der vertraglich mit der Beklagten verbundenen Ärzte gegenüber den übrigen niedergelassenen, jedoch nicht beteiligten Augenärzten.

Der Wettbewerbsbezug des beanstandeten Verhaltens der Beklagten entfällt auch nicht deshalb, weil sie öffentliche Aufgaben erfüllen will. Entscheidend ist hier, ob die öffentliche Hand das Ziel verfolgt, in den Wettbewerb einzugreifen. Ist das Tätigwerden zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben nach Art und Umfang sachlich notwendig, wird eine etwaige Wettbewerbsabsicht grundsätzlich in den Hintergrund treten. Ist jedoch, wie hier, das Verhalten der öffentlichen Hand sachlich nicht geboten, ist die Wettbewerbsabsicht erheblich (vgl. KG GRUR-RR 2001, 91, 92). Einen sachlich gerechtfertigten Grund, derartige Vereinbarungen abzuschließen, sieht der Senat wie dargestellt nicht. Der Senat teilt die Annahme des Landgerichts nicht, der Betrag von 51,13 € sei angesichts der geringen Höhe nicht geeignet, die Entscheidung eines Augenarztes in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Honorar erforderlich sein sollte, um ein "Netzwerk zwischen Klinik und Niedergelassenen" (Bl. 38 d. A.) aufzubauen, wenn dieses Honorar nicht geeignet ist, die Entscheidung des Arztes zu beeinflussen.

Die Auffassung des Landgerichts lässt sich auch nicht auf die im Urteil zitierte Entscheidung des Kammergerichts (GRUR-RR 2001, 91) stützen, Jener Entscheidung lagen Geldgeschenke in Höhe von höchstens 30.- DM monatlich zugrunde, die eine kassenärztliche Vereinigung gemäß einer Vereinbarung mit einer Versicherung dafür auslobte, dass ein Arzt einen Patienten in eines von mehreren von der Versicherung nach Qualtitätsgesichtspunkten empfohlenen Krankenhäusern überwies. Zum einen war die Höhe des Geschenkes somit deutlich niedriger als der von der Beklagten angebotene Betrag von 51,13 € pro Patient. Zum anderen betrifft die Entscheidung anders als der vorliegende Fall lediglich die Förderung fremden Wettbewerbs durch Empfehlung einer neutralen öffentlich-rechtlichen Körperschaft zu Gunsten ausgewählter Anbieter, die bestimmte Qualitätsansprüche erfüllten. Diese wurde für zulässig gehalten, weil die bezweckte bessere Verzahnung von ambulanter und stationärer Behandlung auch den Interessen der Patienten dienen könne. Die Verzahnung von ambulanter und stationärer Behandlung dient aber dann nicht den Interessen der Patienten, wenn - wie hier - durch die Zahlung eines Geldbetrages die Entscheidung des Augenarztes beeinflusst wird, wohin er einen Patienten für eine Operation überweist, unabhängig von der Qualität der zu erwartenden Behandlung.

3. Die Klägerin hat schließlich Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 175,06 € aus den §§ 683, 670 BGB. Als Wettbewerbsverband kann sie anteiligen Ersatz der Personal- und Sachkosten in Form einer Kostenpauschale verlangen, die sie in zulässiger Weise auf 163,61 € zuzüglich Mehrwertsteuer beziffert hat (Bl. 9 f d. A.). Der Anspruch auf Verzugszinsen besteht jedoch erst seit dem Zeitpunkt, in dem der Kläger mit der Abgabe der Unterlassungserklärung der Beklagten nach Treu und Glauben rechnen durfte, nämlich mit dem Ablauf der vom Kläger gesetzten Frist am 8. Juli 2002 (Bl. 15 d. A.) (vgl. KG NJW-RR 1987, 995, 996).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, wobei die verhältnismäßig geringfügige Zuvielforderung der Klägerin bezüglich der Zinsen unberücksichtigt bleiben konnte.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Senat sieht auch keinen Anlass, die Revision gegen dieses Urteil zuzulassen.

Der Entscheidung kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu und sie weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ab.

Ende der Entscheidung

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