Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 16.07.2002
Aktenzeichen: 6 U 6/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 99
ZPO § 511
Wer eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, muß gleichwohl die Möglichkeit haben, eine endgültige Entscheidung darüber herbeizuführen, ob die Einstweilige Verfügung von Anfang an gerechtfertigt war oder nicht.
6 U 6/02

Beschluss

in dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2002 durch die Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Verfügungsbeklagten (künftig Beklagten) im Wege der einstweiligen Verfügung auf Antrag der Verfügungsklägerin (künftig Klägerin) untersagt, eine bestimmte Werbebroschüre im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zu verwenden. Die Beklagte zu 1., deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2. ist, hatte darin ihre Dienste als Werbeagentur angeboten und für Anzeigen in den von der Klägerin herausgegebenen Telefonbüchern geworben. Die Klägerin hatte gestützt auf § 14 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 5 Markengesetz einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend gemacht.

Das einstweilige Verfügungsverfahren hat sich in der verfügungsrechtlichen Hauptsache zwischen den Instanzen erledigt. Die Beklagten haben am 15. Januar 2002 (Blatt 189 der Akte) eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben mit der Begründung, sie hätten kein Interesse an der Verteidigung des streitgegenständlichen Prospektes. Die Klägerin hat daraufhin auf ihre Rechte aus der einstweiligen Verfügung - mit Ausnahme des Kostenausspruchs - verzichtet (Schreiben vom 16.01.2002, Blatt 191 d. A.).

Wegen des markenrechtlichen Inhalts des Streits der Parteien wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochten Entscheidung verwiesen. Die Beklagten haben mit der Berufung eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Kiel vom 12.10.2001 angestrebt.

In der Sache halten die Beklagten dem Urteil des Landgerichts entgegen, dass von einer Rufausbeutung schon deshalb keine Rede sein könne, weil der gute Ruf der Telefonverzeichnisse nicht zu Lasten der Klägerin ausgenutzt werde, vielmehr der Wettbewerb der Klägerin unterstützt würde. Auch werde durch die Werbung nicht der Eindruck einer bestehenden Sonderbeziehung vorgetäuscht, es werde nicht der Eindruck hervorgerufen, die Telefonbuchverlage leisteten Vorarbeiten für die konkreten Anzeigen der Kunden.

Die Verwendung der Marken auf Seite 3 des Prospektes sei nach Seite 6 des Urteils des europäischen Gerichthofes vom 23.02.1999 (WRP 1999, 407 ff.) erlaubt.

Die Beklagten haben beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die einstweilige Verfügung vom 12.10.2001 aufzuheben und insbesondere auch die Kosten der einstweiligen Verfügung und des Verfahrens der Verfügungsklägerin aufzuerlegen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat und die Verfahrenskosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen.

Die Beklagten haben sich der hilfsweisen Erledigungserklärung angeschlossen.

Die Klägerin vertritt vorrangig die Ansicht, die Berufung der Beklagten sei unzulässig. Die Beklagten hätten kein Rechtsschutzinteresse mehr, nachdem die Klägerin auf die Rechte aus dem Titel verzichtet habe. Eine Änderung der Kostenentscheidung mit dem Rechtsmittel der Berufung sei im Hinblick auf § 99 ZPO ausgeschlossen. Der BGH verneine eine Rechtsmittelbeschwer, wenn der Verurteilte "zwischen den Instanzen" die zugesprochene Leistung vorbehaltlos erbracht habe (BGH NJW 2000, 1120). Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sei in diesem Sinne die vorbehaltslose Erfüllung der zugesprochenen Leistung, nämlich des Unterlassungsanspruches.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 02.04.2002 (Blatt 184 ff. der Akte) und des Schriftsatzes der Beklagtenvertreter vom 19.06.2002 (Blatt 222 ff. der Akte) sowie der Berufungserwiderung vom 07.06.2002 (Blatt 211 ff. der Akte) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig (1.).

Gemäß § 91a ZPO haben die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (2.).

1. Zulässigkeit

Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist zu entscheiden, weil auch die übereinstimmende Erledigungserklärung im Rechtsmittelzug zunächst voraussetzt, dass das Rechtsmittel statthaft und zulässig ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Auflage, § 91a Randnummer 20) und weil die Klägerin den Rechtsstreit nur für den Fall der Zulässigkeit der Berufung für erledigt erklärt hat.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig.

Die Beklagte ist durch das die Untersagungsverfügung des Landgerichts vom 12. Oktober 2002 bestätigende Urteil des Landgerichts vom 13. Dezember 2001 beschwert. Sie greift das Urteil nicht nur hinsichtlich des Kostenausspruchs an.

Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt eine Beschwer des Rechtsmittelklägers voraus, die nicht allein im Kostenpunkt bestehen darf, sowie das Bestreben, diese Beschwer mit dem Rechtsmittel zu beseitigen (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Auflage, Vor § 511 Randnummer 10 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind entgegen der Ansicht der Klägerin erfüllt.

Die durch das angefochtene Urteil begründete materielle Beschwer der Beklagten, die darin liegt, dass die für sie nachteilige Einstweilige Verfügung ohne die Berufung fortbestünde, ist nicht durch die strafbewehrte Unterlassungserklärung der Beklagten vom 15. Januar 2002 und den Verzicht der Klägerin auf die Rechte aus dem Urteil - mit Ausnahme des Kostenausspruchs - fortgefallen. Die Unterlassungserklärung der Beklagten hat mit der Abgabe der Unterlassungserklärung gegenüber der Klägerin lediglich die Wiederholungsgefahr beseitigt und damit ein erledigendes Ereignis geschaffen; sie beinhaltet nicht die vorbehaltslose Erfüllung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs. Bei Eintritt eines erledigenden Ereignisses nach der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz, aber vor Rechtsmitteleinlegung, entfällt die Beschwer, wenn der zugesprochene Anspruch erfüllt ist und es dabei sein Bewenden haben soll (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Auflage, Vor § 511 Randnummer 23 m.w.N.). Der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1953 (LM § 91a ZPO Nr. 4) zugrundeliegende Fall der vorbehaltlosen Erfüllung der auf Zahlung gerichteten Klageforderung durch den Beklagten mit der Folge des Wegfalls der Beschwer kann auf den vorliegenden wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nicht übertragen werden. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf abgestellt, dass die Erfüllung des Klageanspruchs zum Erlöschen des Schuldverhältnisses führe und dies den Wegfall jeder Beschwer für den Beklagten nach sich ziehe. Anders als ein auf Zahlung gerichteter Klageanspruch ist der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch dagegen nicht auf eine einmalige Leistung gerichtet, sondern auf Dauerleistung (Völp, Änderung der Rechts- oder Sachlage bei Unterlassungstiteln, GRUR 1984, 486, 487). Als Dauerschuldverhältnis begründet er eine Verpflichtung des Schuldners zu dauernder Unterlassung (Völp, a.a.O.). Der durch die strafbewehrte Unterlassungserklärung herbeigeführte Wegfall der Wiederholungsgefahr bedeutet daher keine Erfüllung des Klageanspruchs; von einem Wegfall jeder Beschwer kann also keine Rede sein (KG Urteil. v. 24.06.1988 OLGZ 1989, 330 ff = WRP 1988, 773, 774 in "Aus der Praxis - für die Praxis, Zur Kostentragungspflicht nach Drittunterwerfung").

Die Verzichtserklärung der Klägerin vom 16.01.2002 lässt das Rechtsschutzinteresse der Beklagten an der Berufung nicht fortfallen. Sie gibt den Beklagten zwar die Möglichkeit der Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO. Auch hätten die Beklagten ein Rechtsschutzinteresse für ein Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO (Bundesgerichtshof Urteil. v. 01.04.1993 - I ZR 70/91, BGHZ 122, 172, 179 = WRP 1993, 764). Die Beklagten müssen sich darauf aber nicht verweisen lassen. Sie müssen trotz der Unterlassungserklärung die Möglichkeit haben, eine endgültige Entscheidung darüber herbeizuführen, ob die Einstweilige Verfügung von Anfang an gerechtfertigt war oder nicht (KG Urteil. v. 24.06.1988 OLGZ 1989, 330 ff = WRP 1988, 773, 775 in "Aus der Praxis - für die Praxis, Zur Kostentragungspflicht nach Drittunterwerfung"; OLG Düsseldorf WRP 1982, 318; OLG Hamburg WRP 1983, 425, 426), wie dies von der Rechtsprechung bei Erledigung zwischen den Instanzen auch dem im ersten Rechtszug unterlegenen Kläger zugebilligt wird (Bundesgerichtshof Urteil vom 29.04.1992 - XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1033; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil vom 13.06.1997 - 4 U 164/96, MDR 1997, 1160; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Auflage, § 91a Randnummer 38; Zöller/Gummer a.a.O. Vor § 511 Randnummer 23 m.w.N.). Die Beklagten, die den Rechtsstreit in der Hauptsache selbst nicht für erledigt erklären können und die Klägerin nicht dazu zwingen können, die auch nach dem Urteil im ersten Rechtszug noch mögliche (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Auflage, § 91a Randnummer 21 m.w.N.) Erledigungserklärung abzugeben, haben keine andere Möglichkeit, als Berufung einzulegen, wenn sie das Unterlassungsbegehren der Klägerin als von Anfang an unbegründet ansehen.

Die Beklagten haben sich daher auch nicht allein gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils gewandt, wenn sich auch das wirtschaftliche Interesse der Beklagten an einer Änderung der Entscheidung erheblich reduziert oder dem Kosteninteresse angenähert haben mag. Das Motiv für die Einlegung des Rechtsmittels ist unbeachtlich (Zöller/Herget, ZPO, 23. Auflage, § 99 Randnummer 4). Die Beklagten haben auch die Beseitigung des Titels zur Hauptsache begehrt, sei es durch Klagabweisung wegen zwischenzeitlicher Erledigung oder durch Erledigungserklärung der Klägerin. Die Verzichtserklärung der Klägerin allein hat den Titel nicht beseitigt. Seine Existenz begründet die Gefahr der Mehrfachvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung und der strafbewehrten Unterlassungserklärung.

2. Wegen der Zulässigkeit der Berufung kommt die hilfsweise Erledigungserklärung der Klägerin zu tragen. Diese ist zulässig, weil sie nur von einer innerprozessualen Bedingung, nicht von einer Entscheidung in der Hauptsache abhängig ist.

Nach § 91a ZPO haben die Beklagten nach billigem Ermessen die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil das Unterlassungsbegehren der Klägerin zulässig und begründet gewesen ist. Der Senat schließt sich den Gründen der angefochtenen Entscheidung an, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Im Kraftfahrzeughandel hat der EuGH (EuGH, GRUR Int 1999, 438 = EuZW 1999, 244 = WRP 1999, 407 - BMW/Deenik) die Werbung mit einer Marke als unerlaubt angesehen, die den Eindruck erweckt, dass eine Handelsbeziehung zwischen dem Händler und dem Markeninhaber besteht, insbesondere dass das Unternehmen des Wiederverkäufers dem Vertriebsnetz des Markeninhabers angehört oder eine Sonderbeziehung zwischen den beiden Unternehmen besteht. Eine solche Werbung sei nicht erforderlich, um den Wiederverkauf der Ware und damit das Ziel der Erschöpfungsregel sicherzustellen, außerdem verstoße sie gegen die Pflicht, den berechtigten Interessen des Markeninhabers nicht in unlauterer Weise zuwiderzuhandeln und beeinträchtigt den Wert der Marke, deren Unterscheidungskraft oder Wertschätzung in unlauterer Weise ausgenutzt werde. Bestehe hingegen keine Gefahr, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehe, es bestehe eine Handelsbeziehung zwischen dem Wiederverkäufer und dem Markeninhaber, so stelle es keinen berechtigten Grund nach Art. 7 II MarkenRiLi dar, dass der Wiederverkäufer aus der Benutzung der Marke einen Vorteil ziehe, in dem die Werbung für den Verkauf der Markenware, die im Übrigen korrekt und redlich sei, seiner eigenen Tätigkeit den Anschein hoher Qualität verleihe (EuGH, GRUR Int 1999, 438 = EuZW 1999, 244 = WRP 1999, 407 - BMW/Deenik).

Eine Markenausbeutung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 3 Markengesetz in Form eines unlauteren Imagetransfers isst durch die Werbebroschüre der Beklagten erfolgt, weil die Werbung in ihrer konkreten Ausgestaltung den Anschein erweckt, zwischen den Parteien bestünden besondere Beziehungen und weil eine solche Werbung nicht erforderlich ist, um die Agenturtätigkeit der Beklagten im Innenverhältnis zu den Kunden zu fördern. Die von den Beklagten zu Recht angeführten Gesichtspunkte, dass mit ihrer Tätigkeit und ihrer Werbung auch die Interessen der Klägerin gefördert würden und dass nach der Rechtssprechung des EUGH grundsätzlich die Verwendung der Marke im Hinblick auf Artikel 5 bis 7 der Richtlinien 89/104 berechtigt sein kann, haben demgegenüber zurückzutreten. Der Senat verweist insoweit auf die Ziffern 50 ff. der Entscheidung BMW/Deenik des EUGH vom 23.02.1999 Aktenzeichen: C - 63/97 (EuGH, GRUR Int 1999, 438 = EuZW 1999, 244 = WRP 1999, 407, 412, 413 - BMW/Deenik). Insbesondere das Ablaufschema auf Blatt 2 des Prospektes erweckt den Eindruck, die Beklagte zu 1) und die Klägerin seien organisatorisch miteinander verknüpft. Die Beklagte zu 1) und die Klägerin tauchen wiederholt in dem Ablaufschema auf. Die Größe der Wiedergabe der Telefonbuchtitel auf Seite 4 des Prospektes stellt ebenfalls eine deutliche Markenausbeutung dar. Die Anziehungskraft der Marke wird gleichsam als Aufmerksamkeitswerbung verwendet (Fezer, Markenrecht, 3. Auflage, § 14 Markengesetz Randnummer 427).

III.

Ausgehend von einem Hauptsachestreitwert im ersten Rechtszug von 40.000 € (s. Beschluss in der Beschwerde 6 W 4/02 von heute) ist ein verminderter Streitwert von 10.000 € für das Berufungsverfahren angemessen, der jedoch über dem reinen Kosteninteresse der Beklagten liegt (s.o. Ausführungen zur Zulässigkeit).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren ist einheitlich festzusetzen. Die (hilfsweise) übereinstimmende Erledigungserklärung hat nicht zu einer Kostenreduzierung geführt, weil alle Gebühren nach dem vollen Streitwert angefallen sind.

Ende der Entscheidung

Zurück