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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 28.05.2002
Aktenzeichen: 6 U 84/01
Rechtsgebiete: UWG, Preisangabenverordnung


Vorschriften:

UWG § 3
Preisangabenverordnung § 1
Es ist wettbewerbswidrig, in Anzeigen für den Verkauf von Kraftfahrzeugen zu werben und dabei bei Preisgegenüberstellungen von eigenen Preisen einerseits und unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers andererseits den Eindruck von Preisvorteilen zu erwecken, die in dieser Höhe nicht gewährt werden, wenn die Fahrzeuge noch bestellt werden müssen.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U 84/01

Verkündet am: 28. Mai 2002

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2002 durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts sowie die Richter am Oberlandesgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 25. September 2001 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen III des Landgerichts Kiel wird - unter teilweiser Änderung des angefochtenen Urteils - mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Verfügungsbeschlusses vom 20. Juli 2001 neu gefasst wird.

Der Verfügungsbeklagten wird untersagt, in Anzeigen für den Verkauf von Kraftfahrzeugen zu werben und dabei bei Preisgegenüberstellungen von eigenen Preisen einerseits und unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers andererseits den Eindruck von Preisvorteilen zu erwecken, die in dieser Höhe nicht gewährt werden, wenn die Fahrzeuge noch bestellt werden müssen.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Verfügungsbeklagten die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 10.000 € festgesetzt.

Von einer Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 ZPO a.F. abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat der Verfügungsbeklagten (künftig: Beklagten) zutreffend untersagt, die beanstandete Werbung im Kern zu wiederholen.

Zur Prozessführungsbefugnis, zur Anspruchsgrundlage und zum Verfügungsgrund nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Diese Punkte werden auch von der Berufungsbegründung nicht angegriffen.

Fraglich ist allein, ob die Anzeigenwerbung der Beklagten im Hamburger Abendblatt vom 23./24.06.2001 den Grundsätzen von Preisklarheit und Preiswahrheit (§ 1 Preisangabenverordnung) widerspricht und deswegen geeignet ist, bei einem nicht unerheblichen Teil der Verkehrskreise, an die sie sich wendet, irrige Vorstellungen hervorzurufen und Erwartungen zu wecken, die nicht übereinstimmen mit den tatsächlich von der Beklagten im Wettbewerb angebotenen Leistungen.

Dies ist mit dem Landgericht im Ergebnis zu bejahen.

Beim vorliegenden Sachverhalt ist eine Irreführung unter zwei Gesichtspunkten denkbar:

a) die in der Anzeige beschriebenen und mit einer Preisgegenüberstellung versehenen Fahrzeuge waren bei der Beklagten nicht zu dem angegebenen Preis zu erhalten,

b) vergleichbare Fahrzeuge, die die Beklagte nicht am Lager hatte, waren nicht zum entsprechenden Preis, sondern nur zu einem Preis zuzüglich etwa 700,00 DM Frachtkosten zu bestellen.

Zu a):

Fehlerhafte Angaben der Beklagten zu den in der Anzeige beschriebenen und mit einer Preisgegenüberstellung versehenen Fahrzeugen hat der Verfügungskläger (künftig: Kläger) nicht glaubhaft gemacht. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die aufgeführten Fahrzeuge bei der Beklagten zu dem angegebenen Preis zu erhalten waren.

Bezogen auf das konkret beschriebene Fahrzeug (Lupo Open Air, el. Faltverdeck) kann ein Verstoß der Beklagten gegen § 3 UWG i.V.m. § 1 Preisangabenverordnung nicht festgestellt werden. Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass der in der Anzeige beworbene Lupo Open Air mit elektrischem Faltverdeck bei der Beklagten nicht für 19.990,00 DM zu erwerben war. Zwar schildert der Zeuge in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 12.06.2001 (Bl. 16 d.A.) einen entsprechenden Sachverhalt. In seiner Vernehmung vor dem Landgericht hat der Zeuge aber bekundet, dass der Angestellte der Beklagten nach einem Gespräch über Fahrzeuge mit weiteren Ausstattungsmerkmalen erwähnt hat, dass das in der Anzeige angegebene Fahrzeug zum genannten Preis ohne Frachtkostenzuschlag zu erwerben war. Entsprechendes hat der Zeuge in seiner eidesstattlichen Versicherung und in seiner Zeugenvernehmung bekundet. Ein Frachtkostenzuschlag von 700,00 DM fiel danach nur bei Fahrzeugen an, die hätten bestellt werden müssen. Das am Lager befindliche und in der Anzeige beschriebene Modell war zum genannten Preis zu erwerben.

Zu b):

Zutreffend hat das Landgericht wegen "Vortäuschung eines preisgünstigen Gesamtangebots" (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 3 UWG Rdnr. 283) eine irreführende Werbung der Beklagten bejaht. Eine irreführende Werbung liegt auch dann vor, wenn zwar die Preisangabe für eine Ware zutreffend ist, jedoch der falsche Eindruck erweckt wird, die als preisgünstig herausgestellten Waren seien beispielhaft und kennzeichnend für die gesamte Preisgestaltung, während die übrigen Waren in Wahrheit anders kalkuliert sind bzw. Zuschläge erhoben werden.

Dass das Warenangebot der Beklagten auf Grund des freien Imports aus EG-Ländern insgesamt deutlich preisgünstiger ist als das deutscher Vertragshändler, steht außer Frage. Von Bedeutung ist allein, dass die Beklagte mit der vergleichenden Gegenüberstellung ihres Preises "frei HH" mit der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers plus Fracht und der Nennung eines Prozentsatzes, den der Kunde beim Kauf sparen kann, den Eindruck erweckt hat, dies beziehe sich auf alle von der Beklagten genannten Fahrzeuge, nicht nur auf die ausdrücklich beschriebenen und am Lager befindlichen, sondern auch weitere 2000 Modelle. Die Beklagte meint, aus dem Text der Anzeige folge, dass sich die Angaben allein auf die beschriebenen, am Lager befindlichen Fahrzeuge bezögen ("alle oben angebotenen Fahrzeuge zur Besichtigung am Lager, ..."). Aus dem Zusatz: "... weitere 2.000 Modelle im Angebot" folge, dass die weiteren 2.000 Modelle gerade nicht solche seien, die am Lager seien und besichtigt werden könnten. Dem ist zuzustimmen, was die Lagerhaltung und die Verfügbarkeit der Fahrzeuge anbelangt, nicht jedoch in Bezug auf die Preisbemessung. Zwar nennt die Beklagte für die weiteren 2.000 Modelle keine Preise. Auch ist der prozentuale Preisvorteil jeweils nur den spezifiziert beschriebenen Lagerfahrzeugen zugeordnet und zudem bei jedem aufgeführten Fahrzeug anders. Durch die Nennung prozentualer Vorteile und durch die Gegenüberstellung von Endpreisen einschließlich Frachtkosten erweckt die Beklagte aber den Eindruck, dass man bei ihr Fahrzeuge mit entsprechenden Ausstattungsmerkmalen und "frei Hamburg" mit dem genannten Preisvorteil erwerben könne, dass also Frachtkosten in den Preisen der Beklagten stets einkalkuliert sind und sodann Preisvorteile in genannter Höhe anfallen. Für den verständigen Verbraucher entsteht beim Lesen der Anzeige dieser Eindruck insgesamt, also nicht nur für die beschriebenen Fahrzeuge, sondern auch für Fahrzeuge, die noch bestellt werden müssen. Tatsächlich ist aber der Preisvorteil bei zu bestellenden Fahrzeugen je nach Preis um etwa 2 - 3 % niedriger, weil zusätzlich zu den angeführten Preisen etwa 700,00 DM Frachtkosten zu zahlen sind.

Eine Irreführung läge nicht vor, wenn der "durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher" den Inhalt der Anzeige dahin verstünde, dass die genannten Preisvorteile sich nur auf die konkret beschriebenen Fahrzeuge beziehen. Dies kann nicht angenommen werden. Zwar dürfte dem verständigen Verbraucher klar sein, dass er bei anderen als den konkret aufgeführten Fahrzeugen stets mit Preisvarianten rechnen muss. Dies gilt schon wegen der differenzierten Modell- und Zubehör-Politik der Hersteller. Der Verbraucher wird aber damit rechnen, dass die weiteren 2000 Modelle zu Preisvorteilen angeboten werden, die dieselbe Größenordnung haben wie bei den in der Anzeige aufgeführten Fahrzeugen, dass die Beklagte sie ebenso kalkuliert. Die Beklagte kalkuliert jedoch zu bestellende Fahrzeuge grundsätzlich anders als die genannten Lagerfahrzeuge. Deswegen hat die Werbung der Beklagten einen irreführenden und folglich nicht tolerierbaren "Lockvogel"-Effekt. Denn die Beklagte bildet die Preise für zu bestellende Fahrzeuge nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme so, "dass dann Frachtkosten hinzukämen" (vgl. Aussage des Zeugen Richter, Bl. 54 d.A.). Die Beklagte hat also bei der Kalkulation der im einzelnen beschriebenen Fahrzeuge die Frachtkosten zum Zweck der Anpreisung schlicht weggelassen. Sie hat dies auch nicht etwa damit, dass der Absatz von Lagerfahrzeugen stets durch besondere Maßnahmen gefördert werden müsse, um die mit der Lagerhaltung verbundene Kapitalbindung möglichst gering zu halten, oder aus anderen Gründen gerechtfertigt. Dies wäre auch nicht erkennbar gemacht worden und hätte für den Verbraucher auch nicht auf der Hand gelegen, weil es sich bei den beworbenen Lagerfahrzeugen der Beklagten nicht um offensichtliche "Ladenhüter", sondern um gängige Modelle handelte.

Der Tenor des Unterlassungsausspruchs ist von Amts wegen nach § 938 ZPO zu ändern gewesen. Die einstweilige Verfügung in der Fassung vom 20. Juli 2001 untersagt der Beklagten, in Anzeigen für den Verkauf von Kraftfahrzeugen zu werben, ohne bei Preisgegenüberstellungen die Frachtkosten in den Hauspreis der Antragsgegnerin einzuberechnen oder gesondert anzugeben. Dies allein schließt eine Irreführung hinsichtlich der Preisgestaltung nicht aus. Denn die Beklagte könnte die Frachtkosten einberechnen oder gesondert angeben und gleichwohl zu einem niedrigeren Preis kommen, wenn sie den Grundpreis weiter reduziert. Letzteres ist ihr aber unbenommen, da sie in der Preisgestaltung völlig frei ist. Maßgeblich ist, dass die Beklagte in entsprechenden Anzeigen deutlich macht, dass die genannten prozentualen Preisvorteile sich nur auf konkret beschriebene Fahrzeuge beziehen und dass bei zu bestellenden Fahrzeugen geringere Preisvorteile zu erwarten sind. In der Änderung des Tenors liegt keine Reduzierung des Antrags der Verfügungsklägerin, sondern eine zulässige Modifizierung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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