Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 09.01.2001
Aktenzeichen: 6 U Kart 36/00
Rechtsgebiete: GWB, UWG


Vorschriften:

GWB § 33
GWB § 22
GWB § 1
UWG § 1
Zur Frage, ob sich eine Taxigenossenschaft kartell- und wettbewerbswidrig verhält, wenn sie ihren Genossen empfiehlt, sich an die mit einer Kommune ausgehandelten Preise über sogenannte Frauennachtfahrten zu halten.

SchlHOLG, 6. ZS, Urteil vom 09. Januar 2001, - 6 U Kart 36/00 -


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U Kart 36/00 15 O 169/99 Landgericht

Verkündet am: 9. Januar 2001

Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

vertreten durch den Geschäftsführer

Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsklägerin,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen in Schleswig -

gegen

vertreten durch den Vorstand

Beklagte, Widerklägerin und Berufungsbeklagte,

- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. von Borzeszkowski in Schleswig -

hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2000 durch den Oberlandesgerichts und die Richter am Oberlandesgericht und für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 10. Oktober 2000 wird aufrechterhalten.

Die Klägerin trägt auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 7.000,- DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer für die Klägerin wird auf 30.000,00 DM festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das Beförderungsleistungen durch insgesamt 92 Mietwagen anbietet. Von diesen Mietwagen unterhält die Klägerin zwischen fünf und zehn Fahrzeugen selbst (Bl. 3, 117). Bei der Beklagten handelt es sich um eine genossenschaftlich organisierte Funk-Taxen-Zentrale, der selbstständige Taxi-Unternehmen angehören. Die Genossen der Beklagten verfügen über insgesamt 160 Taxen; derjenige Genosse, der den größten Fuhrpark hat, hält sieben Taxen (Bl. 3, 117).

Insgesamt gibt es in K etwa 230 Taxen und 160 Mietwagen (Bl. 3).

Für das Stadtgebiet K ist die Höhe des Beförderungsentgeltes durch eine Verordnung vom 21.04.1998 (Bl. 19) geregelt; gleiches gilt für Fahrten in die Gemeinden Kr, Mö und den Ortsteil Sch der Gemeinde Mo (Bl. 20).

Die Parteien bilden mit anderen Taxi/Mietwagen-Unternehmen die "A F"; diese Arbeitsgemeinschaft hat mit diversen K Umlandgemeinden Verträge, die die Durchführung von Frauennachtfahrten betreffen, abgeschlossen, u. a. mit den Gemeinden O, B, H, A, F und Q (Bl. 37, 47, 48 f., 52 f., 58 f.). Nach der mit der Gemeinde H getroffenen Regelung sollen beispielhaft die der Arbeitsgemeinschaft angeschlossenen Unternehmen für die Frauennachtfahrten den ortsüblichen Preis erheben (Bl. 53); von diesem Betrag soll die beförderte Person, die über einen von der Gemeinde ausgestellten Berechtigungsnachweis verfügen muss, einen Anteil bezahlen, der sich aus der Differenz zwischen dem tatsächlichen Fahrpreis und dem pauschalen Zuschussbetrag der Gemeinde ergibt (Bl. 53). Die Abrechnung mit der Gemeinde erfolgt über die Arbeitsgemeinschaft (Bl. 54). Gerichtet ist das Angebot bezüglich der Gemeinde H an Frauen sowie an Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren, zeitlich begrenzt auf die Nächte auf Samstag bzw. Sonntag zwischen 21:00 und 05:00 Uhr (Bl. 52, 53).

Im Sommer 1999 verhandelte die Beklagte mit der Gemeinde S über den Abschluss eines Vertrages zur Durchführung von Frauennachtfahrten (Bl. 3, 41, 42 f.). Wie sich aus dem Schreiben des Amt Dänischer Wohld vom 24.6.1999 (Bl. 41) ergibt, beabsichtigte die Gemeinde S entsprechende Verträge auch mit anderen Firmen zu schließen. Dem Schreiben der A F vom 30.06.1999 (Bl. 46) ist zu entnehmen, dass die Einbindung der anderen Teilnehmer in die Vertragsbeziehung mit der Gemeinde S gescheitert ist.

Die Vertragsentwürfe mit der Gemeinde S - ob der Vertrag tatsächlich abgeschlossen worden ist, ist streitig - sahen vor, dass die Beklagte ihren Wagenpark für zu befördernde Personen mit einem Berechtigungsschein der Gemeinde S zur Verfügung stellen sollte (Bl. 12 f., 42 f.). Die Frauen/Jugendnachtfahrten sollten zu dem derzeit gültigen K Taxitarif durchgeführt werden; der jeweilige Fahrer sollte die Fahrten über die Zentrale der Beklagten und jene ihrerseits mit dem Amt Dänischer Wohld abrechnen. Die beförderte Person sollte an den Fahrer den Eigenanteil, der sich aus der Differenz zwischen dem tatsächlichen Fahrpreis und dem Pauschalzuschuss der Gemeinde S in Höhe von 15,00 DM ergibt, zahlen; von der Zentrale sollte der Fahrer anschließend den Ausgleich für den Differenzbetrag - zwischen dem Eigenanteil des Fahrgastes und dem tatsächlichen Fahrpreis - erhalten. Nach § 13 der jeweiligen Vertragsentwürfe (Bl. 13 R, 45) sollte bei einem Verstoß gegen die Vereinbarung eine Vertragsstrafe von 500,00 DM fällig sein. Als Verstoß galt auch die wiederholte Verweigerung des Transports von Berechtigten. Ferner sollte sich die Beklagte als Taxi-Unternehmen verpflichten, "die ihr angeschlossenen Fahrerinnen und Fahrer über den wesentlichen Inhalt dieses Vertrages und über die möglichen Sanktionen zu unterrichten".

Die Klägerin hält das Verhalten der Beklagten für wettbewerbs- und kartellrechtswidrig. Die Beklagte hat die mit Schreiben vom 1. Juni 1999 geforderte Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 04.06.1999 abgelehnt (Bl. 14 f., 17).

Die Klägerin hat geltend gemacht:

Die gesamte Vertragsgestaltung mit der Gemeinde S sei darauf angelegt, die Preisvereinbarungen auch bei den Genossen durchzusetzen. Sie, die Klägerin, führe dagegen die Frauennachtfahrten selbst bzw. durch Subunternehmer durch; das sei kartellrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines durch das Gericht für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhanges festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einem Betrag von 500.000,- DM zu unterlassen,

1. mit Festpreisen oder einheitlichen Preisberechnungsmethoden für die Fahrleistungen ihrer Genossen zu werben, soweit das Beförderungsentgelt frei vereinbart werden kann,

2. ihre Genossen anzuweisen, ihnen vorzuschreiben oder nahezulegen, einheitliche Preise zu berechnen oder einheitliche Preisberechnungsmethoden anzuwenden, soweit das Beförderungsentgelt frei vereinbart werden kann,

3. mit Dritten, insbesondere mit kommunalen Verwaltungsträgern, Festpreise oder bestimmte Preisberechnungsmethoden für die Beförderung von Personen außerhalb des Stadtgebietes zu vereinbaren, diese Preisvereinbarungen an ihre Genossen weiterzuleiten und selbst periodisch für die einzelnen Taxi-Unternehmen mit dem kommunalen Verwaltungsträger auf der Grundlage der Preisvereinbarung abzurechnen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und hilfsweise im Wege der Widerklage,

die Klägerin zu verurteilen,

1. die ihr angeschlossenen Unternehmer anzuweisen, ihnen vorzuschreiben oder nahezulegen, einheitliche Preise zu berechnen oder einheitliche Preisberechnungsmethoden anzuwenden, soweit das Beförderungsentgelt frei vereinbart werden kann,

2. mit kommunalen Verwaltungsträgern Festpreise oder bestimmte Preisberechnungsmethoden für die Beförderung von Personen zu vereinbaren, diese Preisvereinbarungen an die ihr angeschlossenen Unternehmer weiterzuleiten und selbst periodisch für die einzelnen ihr angeschlossenen Unternehmer mit dem kommunalen Verwaltungsträger auf der Grundlage der Preisvereinbarungen abzurechnen, soweit das Beförderungsentgelt frei vereinbart werden kann.

Die Klägerin hat beantragt,

die Hilfswiderklage abzuweisen.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin gemäß den §§ 33, 1, 22 GWB bestehe nicht. Zwar stünden die Genossen der Beklagten als Anbieter der Frauennachtfahrten als Unternehmer miteinander im Wettbewerb.

Es fehle aber an einem Verstoß gegen § 1 GWB, weil eine Wettbewerbsverhinderung weder bezweckt noch bewirkt werde. Für die Durchführung von sog. Frauennachtfahrten in den Umlandgemeinden der Stadt K bestehe aus Sicht dieser Gemeinden ein Interesse, Frauen und Jugendliche vor den Gefahren, die mit der Benutzung anderer Verkehrsmittel verbunden seien, zu schützen. Dieses Interesse sei anzuerkennen, und zwar bei wertender Betrachtungsweise auch im Hinblick auf die Freiheit des Wettbewerbs. Zu berücksichtigen sei dabei, dass die einzelnen in der Beklagten zusammengeschlossenen Unternehmen jedes für sich nicht in der Lage gewesen wäre, einen Vertrag für Frauennachtfahrten mit einer Umlandgemeinde der Stadt K abzuschließen. Jedem einzelnen der der Beklagten angehörenden Unternehmen fehle die Kapazität, um ein solches Projekt durchzuführen. Der Vertrag einzelner wäre wirtschaftlich nicht zweckmäßig und kaufmännisch nicht vernünftig. Die bereits abgeschlossenen Verträge - etwa mit den Gemeinden H und Q - zeigten, dass die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit und kaufmännische Vernunft auf der Seite der Anbieter für die Frauennachtfahrten einen Zusammenschluss mit mehrerer Unternehmen erfordere. Auch ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch bestehe nicht, da das Verhalten der Beklagten nicht gegen die guten Sitten verstoße. Die Rechtsausübung der Klägerin sei auch unzulässig, weil sie sich damit zu eigenem früheren Verhalten in Widerspruch setze.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Unterlassungsanträge weiter.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht dazu geltend: Die vom Landgericht herangezogenen Grundsätze der Immanenztheorie stünden hier einem Unterlassungsanspruch nicht entgegen. Wenn eine Beschränkung des Wettbewerbs aus Gründen des Gemeinwohls notwendig sei, bestünde nur die - hier von der Beklagten nicht ergriffene - Möglichkeit einer Freistellung nach § 8 GWB.

Durch Versäumnisurteil vom 10. Oktober 2000 hat der Senat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Einspruch eingelegt und weiter vorgetragen:

Es sei nicht richtig, dass für die Durchführung von Frauennachtfahrten eine größere Kapazität von Fahrzeugen erforderlich sei. In der Gemeinde F würden z.B. die Frauennachtfahrten für die Gemeinde von einem einzelnen Unternehmen durchgeführt werden. Es gebe auch sonst weitere kleine Frauennachtfahrtprojekte in der Bundesrepublik, die mit einer geringen Zahl von Fahrzeugen erfolgreich bedient würden. Die Beklagte habe weiterhin den Zuschlag auf eine Ausschreibung des Vereins erhalten und sich auch an einer Ausschreibung des Universitätsklinikums K für die Übernahme von Patiententransporten beteiligt (Bl. 191, 203). Zwischen ihrer, der Klägerin, und der Beklagten Tätigkeit bestehe ein erheblicher Unterschied. Sie, die Klägerin, sei als Generalunternehmerin tätig. Die steuerrechtliche Abwicklung sei unterschiedlich. Sie, die Klägerin, zahle die volle Umsatzsteuer, ebenfalls ihre Subunternehmer. Das sei anders bei der Beklagten.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben, das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte nach den erstinstanzlichen Anträgen zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil des Senats vom 10. Oktober 2000 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Weiter macht sie geltend:

Einzelne Unternehmer seien nicht in der Lage, Verträge über Frauennachtfahrten mit den Umlandgemeinden abzuschließen, weil ihre zur Verfügung stehenden Kapazitäten nicht ausreichten. Die Durchführung von Frauennachtfahrten setze den Betrieb einer eigenen Funkzentrale mit einer 24-Stunden-Bereitschaft voraus. Eine rund um die Uhr besetzte Funkzentrale erfordere aber einen Personalaufwand, den ein normales Taxi- oder Mietwagenunternehmen üblicher Größe allein nicht leisten könne. Allein für den Schichtbetrieb in der Funkzentrale seien drei Mitarbeiter einzusetzen; Personalreserven für Wochenend-, Urlaubs- und Krankheitszeiten kämen noch hinzu. Dass ein einzelner Unternehmer, nämlich der Taxi-Betrieb, die Frauennachtfahrten der Gemeinde F durchführe, sei ein Sonderfall. Der Taxi-Betrieb sei in F ansässig, die Funkzentrale werde von der Unternehmensinhaberin persönlich von zu Hause aus betrieben. Diesen Fall könne man nicht verallgemeinern. Die Klägerin selbst behaupte auch nicht, dass für Frauennachtfahrten der Gemeinde S ein ähnliches Projekt zur Verfügung gestanden hätte. So gebe es denn auch in den Randgemeinden, die mit ihr, der Beklagten, und anderen K Taxi- und Mietwagenunternehmen Vereinbarungen über Frauen- und Jugendnachtfahrten abschlössen, keine ortsansässigen Unternehmen, die diese Aufgabe übernehmen könnten. Soweit sie, die Beklagte, den Zuschlag auf die Ausschreibung des Lotsenbetriebsvereins erhalten habe, liege diese Betätigung in einem anderen Feld. Diese Fahrten seien dem Sonderlinienverkehr i.S.v. § 43 PBefG zuzuordnen, wofür sie, die Beklagte, die erforderliche öffentlich-rechtliche Genehmigung erhalten habe. Auch die Teilnahme an der Ausschreibung für das Universitätsklinikum K betreffe einen anderen Fall. Die Ausschreibung betreffe Fahrten innerhalb des Tarifgebiets der Stadt K. Im Übrigen bleibe es streitig, dass die Klägerin tatsächlich als Generalunternehmerin und die ihr angeschlossenen Taxi-Unternehmer als Subunternehmer tätig seien.

Wegen des Sach- und Streitstands im einzelnen wird auf die von beiden Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und Protokollerklärungen Bezug genommen, auf die nachgelassenen Schriftsätze der Parteien jeweils vom 19. Dezember 2000 jedoch nur insoweit, als diese Schriftsätze Stellungnahmen zu neuem Vorbringen in den jeweiligen Bezugschriftsätzen enthalten (Bl. 244 f., 247 f.). Soweit die Schriftsätze vom 19. Dezember 2000 neues Vorbringen außerhalb des Schriftsatznachlasses enthalten, ist der Wiedereintritt in die mündlichen Verhandlung nicht erforderlich.

Entscheidungsgründe

Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte weder nach den §§ 33 Satz 1, 22, 1, 14 GWB (A.) noch nach § 1 UWG (B.) zu.

A.

Die Voraussetzungen eines kartellrechtlichen Unterlassungsanspruchs nach den §§ 33 Satz 1, 22, 1, 14 GWB sind nicht erfüllt.

1. § 1 GWB ist allerdings Schutzgesetz zugunsten der Klägerin. Das Kartellverbot schützt nämlich die am Kartell nicht beteiligten Marktteilnehmer, zu denen hier die Klägerin als Anbieterin von Personenbeförderungsleistungen gehört (vgl. Senatsurteil vom 16.12.1997 NJWEWettbew.R 1988, 117).

a) Eine unmittelbare Anwendung von § 1 GWB scheidet von vornherein aus.

aa. Es fehlt zum einen am Tatbestandsmerkmal einer "Vereinbarung zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen". Die Beklagte und ihre Genossen haben hinsichtlich der Frauennachtfahrten keine Verträge geschlossen. Verträge sind insoweit nur zwischen der Beklagten einerseits und den jeweiligen Kommunen andererseits abgeschlossen bzw. angebahnt worden.

bb. Es liegt auch keine "aufeinander abgestimmte Verhaltensweise" i. S. v. § 1 GWB vor. Dieses durch die Kartellrechtsnovelle zum 01.01.1999 in Kraft getretene zusätzliche Tatbestandsmerkmal ist nur gegeben, wenn sich die beteiligten Unternehmen - hier die Beklagte und ihre Genossen - wegen der Frauennachtfahrten verständigt hätten, also über das hier streitige Verhalten willenseinig gewesen wären. Das ist hier nicht der Fall. Die Beklagte hat - jedenfalls ist dafür nichts vorgetragen - ihre Genossen nicht in die Vorüberlegungen und Verhandlungen einbezogen, sondern ihnen das mit der Gemeinde S ausgehandelte Ergebnis vorgesetzt.

b) Die Beklagte hat aber i. S. v. § 22 GWB eine Empfehlung ausgesprochen (aa.).

Nach § 22 Abs. 1 GWB sind Empfehlungen, die eine Umgehung der in diesem Gesetz ausgesprochenen Verbote durch gleichförmiges Verhalten bezwecken oder bewirken ebenso verboten wie entsprechende Kartellbeschlüsse.

aa. Eine solche Empfehlung i.S. dieser Vorschrift (früher § 38 Abs. 1 Nr. 11 GWB) hat die Beklagte ausgesprochen. Eine Empfehlung muss nämlich nicht ausdrücklich ausgesprochen werden. Sie kann sich auch aus den Umständen der abgegebenen Erklärung ergeben. Inhaltlich ist eine Empfehlung eine Erklärung, durch die der Empfehlende etwas für einen anderen als vorteilhaft bezeichnet und ihm anrät oder vorschlägt; sie ist von dem Bestreben getragen, den Willen des Empfängers zu beeinflussen, belässt ihm aber die Freiheit der Entschließung und ist ihrem Wesen nach unverbindlich (BGHZ 32, 123 - Kohlenplatzhandel; BGH GRUR 1987, 926, 928 - Taxi-Preisgestaltung). Kartellrechtlich relevant ist die Empfehlung, wenn sie dem Empfänger kenntlich macht, das seinen Konkurrenten die gleiche Empfehlung zugegangen ist und er damit dahingehend beeinflusst wird, auf die eigene Gestaltung des wettbewerblichen Verhaltens zu verzichten und die durch die Empfehlung vorgezeichnete Gleichförmigkeit mitzumachen (Ebel, Kartellrechtskommentar, § 22 Rdn. 4). Dass die Beklagte hier eine Empfehlung ausgesprochen hat, liegt schon aufgrund des Inhalts der beiden Vertragsentwürfe mit der Gemeinde S auf der Hand. Die Beklagte hat sich danach verpflichtet, die ihr angeschlossenen Genossen über den wesentlichen Inhalt des Vertrages und die möglichen Sanktionen (etwa bei wiederholter Verweigerung des Transports von Berechtigten) zu informieren. Die Genossen werden daher, schon um nicht gegenüber ihrem konkurrierenden Genossen in Rückstand zu geraten, die Preisabsprache der Beklagten mit der Gemeinde S für sich akzeptieren.

bb. Diese Empfehlung führt aber nicht zu einer Umgehung des Kartellverbots nach § 1 GWB. Sie bewirkt nämlich - das ist der entscheidende Punkt - nicht eine Wettbewerbsbeschränkung der Taxi-Unternehmer, die als Genossen der Beklagten angeschlossen sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für Bietergemeinschaften anerkannt, dass ein Verstoß gegen § 1 GWB dann nicht vorliegt, wenn eine selbstständige Teilnahme der einzelnen Mietglieder der Bietergemeinschaft an der Ausschreibung wirtschaftlich nicht zweckmäßig und kaufmännisch nicht vernünftig wäre (BGH BB 1984, 364, 365; Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl., § 1 Rdn. 454 m. w. N.). Die für Arbeits- und Bietergemeinschaften entwickelten Grundsätze betreffen ganz allgemein die Wahrscheinlichkeit des Marktzutritts und des potentiellen Wettbewerbs. Sie sind daher generalisierbar. Rechtsprechung und Literatur beantworten deshalb in der Regel anhand des sog. Arbeitsgemeinschaftsgedankens die Frage, ob ein Unternehmen überhaupt als Wettbewerber in Betracht kommt. Kann es selbstständig nicht am Markt auftreten, so liegt in einem gemeinsamen Handeln mit anderen keine Wettbewerbsbeschränkung (KG WuW/E OLG 3737, 3745; Immenga/Mestmäcker, a.a.O. Rdn. 455).

Nach Auffassung des Senats sind die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze für Arbeitsgemeinschaften auch auf den vorliegenden Fall entsprechend anwendbar. Jeder einzelne Genosse der Beklagten - auch derjenige, der sieben (oder acht) Taxen hält - ist von der Kapazität seines Unternehmens nicht in der Lage, mit den Umlandgemeinden selbstständig Frauen- und Jugendnachtfahrtprojekte durchzuführen. Das liegt - von besonderen, nicht zu verallgemeinernden Ausnahmefällen - Gemeinde F - abgesehen - für den Senat auf der Hand. Die Gemeinden, die solche Projekte anstreben, müssen sicherstellen, dass die berechtigten Frauen und Jugendlichen in den Wochenendnächten ohne übermäßige Schwierigkeiten im gesamten Stadtgebiet K Fahrzeuge zur Heimfahrt herbeirufen können. Das ist nur gewährleistet, wenn die Vertragspartner in den fraglichen Nächten einen ausreichend großen Fuhrpark vorhalten. Es sind deshalb keine vernünftigen Gründe dafür ersichtlich, weshalb die Umlandgemeinden - wenn Wettbewerber mit einem großen Fuhrpark zur Verfügung stehen - solche prestigeträchtigen Frauen- und Nachtfahrtprojekte mit kleineren Unternehmen, die nur wenige Fahrzeuge zur Verfügung haben, realisieren sollten. Dass diese Einschätzung richtig ist, zeigen die bestehenden Verträge der Umlandgemeinden - beispielhaft H und Q -, die ihre Projekte mit der "A F" durchführen, der offenbar alle oder fast alle K Taxen und Mietwagen angehören.

Für die Anwendung des vom Bundesgerichtshof entwickelten Arbeitsgemeinschaftsgedanken ist es überdies nicht einmal erforderlich, dass jeder einzelne Unternehmer für sich objektiv nicht in der Lage wäre, mit den Gemeinden entsprechende Projekte durchzuführen. Es reicht, dass der selbstständige Versuch, solche Projekte mit den Gemeinden zu verwirklichen, wirtschaftlich nicht zweckmäßig und kaufmännisch nicht vernünftig ist. Diese Voraussetzung ist aber jedenfalls erfüllt. Für einen kleineren Unternehmer - auch wenn er sieben oder acht Taxen hält - rechnet sich der selbstständige Abschluss von Verträgen über Frauennachtfahrten in Umlandgemeinden schon deshalb nicht, weil er allein wegen dieser vertraglichen Bindungen auch in den umsatzschwächeren Wochenendnächten mehrere Fahrzeuge besetzen und rufbereit halten müsste, was unnötige und kaufmännisch nicht zu vertretende Personalkosten nach sich zöge.

Da es nach alledem ohne die Kooperation der Genossen - hier durch die Empfehlung der Funkzentrale - den zusätzlichen Markt für Frauennachtfahrten für die Genossen nicht gäbe, beschränkt die Empfehlung der Beklagten gerade den Wettbewerb nicht, sondern ermöglicht vielmehr erst ihren Genossen den Marktzutritt.

Ob diese Auffassung auch dann gilt, wenn die durch eine Empfehlung zusammengeschweißten Genossen den Markt vollständig oder jedenfalls überwiegend beherrschen, kann offen bleiben. Hier jedenfalls gibt es außer den 160 Taxen der Beklagten weitere 70 Taxen und 160 Mietwagen, mit deren "Spitzenorganisationen" die Umlandgemeinden (ebenso gut) Frauen- und Jugendnachtfahrtprojekte verwirklichen könnten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht auch eine mögliche steuerrechtlich unterschiedliche Behandlung zwischen Generalunternehmer und Subunternehmer einerseits und Genossenschaft und einzelner Genossen andererseits der Übernahme des Arbeitsgemeinschaftsgedankens nicht entgegen. Wenn die Steuertatbestände identisch sein sollten, liegt es an der Steuerverwaltung, gleiche Maßstäbe anzulegen. Sind die Steuertatbestände unterschiedlich, müssen sie auch unterschiedlich behandelt werden. Mit der kartellrechtlichen Frage, ob sich die Genossen zusammenschließen dürfen, um einen bestimmten Markt überhaupt zu erreichen, hat die Frage der steuerlichen Behandlung nichts zu tun.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die Auffassung des Senats auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs vom 30.06.1987 (GRUR 1987, 926; NJW-RR 1988, 50 - Taxigenossenschaft). In der dortigen Entscheidung ging es nicht um die Beteiligung der Genossen an Projekten, die vergleichbar einer Arbeitsgemeinschaft nur von allen Genossen zusammen mit Erfolg durchgeführt werden konnten. Diese Frage spielt nach dem Sachverhalt keine Rolle. Es ging dort um Preisempfehlungen für Fahrten für Krankenanstalten und die Deutsche Bundesbahn.

cc) Die von der Klägerin mit der Einspruchsschrift ohne nähere Begründung gerügte Teilnahme der Beklagten an einer Ausschreibung des Lotsbetriebsvereins begründet keinen streitgegenständlichen Kartellverstoß. Unabhängig davon, dass für die Einzelheiten des Verhaltens der Beklagten substantiiert nichts vorgetragen ist und es offenbar um Sonderlinienverkehr geht (vgl. Bl. 226), heißt es in der Ausschreibung gerade, dass nur solvente Bewerber, die über einen ausreichend großen Fuhrpark verfügen, berücksichtigt werden können (Bl. 205, 212).

Auch die von der Klägerin nicht näher substantiiert ausgeführte Beteiligung der Beklagten an der Ausschreibung "Übernahme der Patiententransporte für das Universitätsklinikum" (Bl. 191) legt keinen streitgegenständlichen Kartellverstoß dar. Nach der substantiiert nicht bestrittenen Erwiderung der Beklagten handelt es sich insoweit um Personenbeförderung innerhalb des K Tarifbereichs, für den feste Tarife gelten, die im Übrigen nach § 51 PBefG genehmigt werden müssen. Demnach kann es sich also nicht um Preisempfehlungen im frei verhandelbaren Bereich handeln, die allein Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind.

2. Die Klägerin kann ihren Unterlassungsanspruch auch nicht auf eine Empfehlung zur Umgehung von § 14 GWB stützen. Diese Vorschrift (entsprechend § 15 GWB a. F.) ist nur dann einschlägig, wenn es nicht um Vereinbarungen oder gleichförmiges Verhalten im Sinne von § 1 GWB geht. § 1 GWB regelt den Fall, dass Marktteilnehmer gemeinsam die Wettbewerbsbeschränkung erstreben, sich also insoweit zu einem gemeinsamen Zweck verbunden haben. § 14 GWB regelt demgegenüber die vertikale Wettbewerbsbeschränkung. Selbst wenn § 14 GWB - und möglicherweise nicht § 1 GWB - hier anwendbar wäre, würde aber ein Anspruch jedenfalls an den obigen Ausführungen scheitern, dass eine Wettbewerbsbeschränkung durch die Empfehlungen gerade nicht bezweckt oder bewirkt wird.

B. Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gemäß § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs (Verstoß gegen Vorschriften des GWB) stehen der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil - wie oben ausgeführt - kartellrechtliche Verstöße nicht vorliegen.

Nach alledem bleibt es bei der vom Landgericht erkannten Klagabweisung. Deshalb muss sich der Senat nicht mit der von der Beklagten erhobenen Hilfswiderklage befassen (vgl. BGH NJW 1999, 3779).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat auf Anregung der Klägerin die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Anwendung des Arbeitsgemeinschaftsgedankens auf eine Taxigenossenschaft ist - soweit ersichtlich - bislang höchstrichterlich noch nicht behandelt worden.

Ende der Entscheidung

Zurück