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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 09.10.2001
Aktenzeichen: 6 U Kart 38/01
Rechtsgebiete: GWB, UWG, EnWG


Vorschriften:

GWB § 19 IV Nr. 4
GWB § 20
GWB § 33
UWG § 1
UWG § 13
EnWG § 5
EnWG § 6
Ein Netzmonopolist mißbraucht seine marktbeherrschende Stellung, wenn er einen Netznutzungsvertrag nur mit dem Verbraucher als Endkunden schließen will und nicht mit einem Stromhändler zur Durchleitung elektrischer Energie.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U Kart 38/01

Verkündet am: 9. Oktober 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2001 durch die Richter am Oberlandesgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 31. Januar 2001 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Kiel wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 30.000 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die Verfügungsbeklagte (künftig: Beklagte) ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt befugt, der Verfügungsklägerin (künftig: Klägerin) die Durchleitung elektrischer Energie für die von der Klägerin zur Durchleitung angemeldeten oder noch anzumeldenden Kunden zu den entsprechenden Abnahmestellen und den Abschluss eines entsprechenden Netznutzungsvertrages mit der Begründung zu verweigern, Vertragspartner des Netznutzungsvertrages könne nur der Netzkunde sein.

Das angefochtene Urteil, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat - auch hinsichtlich seiner Begründung - Bestand nach Maßgabe nachstehender am Berufungsvorbringen der Parteien orientierten Ausführungen.

1. Verfügungsanspruch

Das Unterlassungsbegehren der Klägerin ist begründet gemäß §§ 19 Absatz 4 Nr. 4, 33 GWB sowie § 1 UWG i.V.m. § 13 UWG. Die Beklagte verstößt mit ihrer Forderung, einen Netznutzungsvertrag nur mit dem Endkunden zu schließen, gegen die vom Gesetzgeber in § 6 EnWG geregelten Grundgedanken des verhandelten Netzzugangs und missbraucht damit ihre marktbeherrschende Stellung als Netzmonopolist im Sinn des § 19 Absatz 1 GWB.

Da § 6 EnWG eine unmittelbar wettbewerbsregelnde Norm ist, handelt die Beklagte zugleich wettbewerbswidrig im Sinn des § 1 UWG. Das Beharren der Beklagten auf einen Abschluss eines Netznutzungsvertrages zwischen ihr und dem Endkunden stellt im Verhältnis zur Klägerin eine gegen die guten Sitten verstoßende Wettbewerbshandlung dar. Es führt zu einer individuellen Behinderung der Klägerin als Konkurrentin. Dabei handelt es sich um eine Wettbewerbshandlung. Das Beharren der Beklagten ist geeignet, den Absatz eigenen Stroms zum Nachteil der Klägerin zu fördern. Für die Förderung des eigenen Wettbewerbs reicht es aus, dass eine Handlung auf eine Erhaltung des bisherigen Kundenkreises zielt (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. UWG Rdn. 215). Dies bezweckt die Beklagte vor dem Hintergrund, dass zwischen den Parteien ein Verdrängungswettbewerb herrscht, wonach jeder von der Klägerin neu gewonnene Kunde als Kunde der Beklagten fortfällt.

1.1. Vertragliche Regelung

Entgegen der Ansicht der Berufung steht dem Unterlassungsbegehren nicht bereits eine individualvertragliche Regelung der Parteien entgegen.

Die Beklagte macht im Hinblick auf den zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrag (Anlage 1 zur Berufungsbegründung) geltend, die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass sie, die Beklagte, nicht auf Abschluss eines Netznutzungsvertrages mit dem Endkunden bestehe.

Tatsächlich regelt § 2 Abs. 1 des Rahmenvertrages, dass Voraussetzung für die Einbeziehung der einzelnen Kunden in den Rahmenvertrag der Abschluss von gesonderten Netzanschluss- sowie Netznutzungsverträgen zwischen den Stadtwerken (der Beklagten) und dem Kunden sei. Die inhaltliche Ausgestaltung des Rahmenvertrages orientiert sich an der Verbändevereinbarung II vom 13.12.2000, die in Ziffer 1.1. bestimmt, dass getrennt von der Stromlieferung grundsätzlich mit jedem Einzelkunden Netzanschluss- und Netznutzungsverträge abzuschließen seien.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Rahmenvertrag vom 10.8./18.8.2000 zwischen den Parteien allein mit seinem maschinenschriftlichen Inhalt zustande gekommen ist. Diesbezügliche Zweifel gehen zu Lasten der Beklagten, da sie mit dem Rahmenvertrag anspruchshindernde Voraussetzungen vorträgt.

Der Rahmenvertrag enthält - räumlich unter der Unterschrift des Vertreters der Klägerin aber über dem Stempel der Klägerin - den Zusatz: "Mit Vorbehalt gemäß unserem Schreiben vom 8.8.2000". Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dieser handschriftliche Zusatz trotz seiner räumlichen Stellung Bestandteil der schriftlichen Willenserklärung der Klägerin geworden. Der Vorbehalt ist zeitgleich abgegeben worden und für die Beklagte war erkennbar, dass die Klägerin nur unter Vorbehalt den Rahmenvertrag abschließen wollte. Dass die Parteien eine strenge Schriftform vereinbart hätten, die die Unterschrift auch dieses Vorbehalts erforderte, ist nicht erkennbar.

Der gesamte Rahmenvertrag ist unter den Vorbehalt einer gerichtlichen

oder behördlichen Überprüfung gestellt worden. Zwar betreffen die von der Klägerin in dem genannten Schreiben vom 8.8.2000 konkret aufgeführten Punkte, die für sie nicht akzeptabel seien, nicht den Netznutzungsvertrag. Jedoch enthält das Schreiben die Eingangsformulierung: "Hinsichtlich der vorgeschlagenen Regelungen möchten wir uns aus grundsätzlichen Erwägungen derzeit noch nicht auf diese einlassen und akzeptieren diese daher nur unter den (gemeint: dem) Vorbehalt einer gerichtlichen oder behördlichen Überprüfung." Daraus folgt die umfassende Natur des Vorbehaltes. Dadurch, dass die Beklagte den Rahmenvertrag am 18.8.2000 in Kenntnis des geltend gemachten Vorbehaltes unterschrieben hat, ist dieser Vertragsbestandteil geworden.

Die von den Parteien damit gewollte gerichtliche oder behördliche Überprüfung ist bislang nicht erfolgt und kann auch nicht inzidenter Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens sein. Eine der Parteien müsste Klage erheben auf Feststellung, dass der Rahmenvertrag den Anforderungen des EnWG und der Billigkeit entspricht. Die Vorbehaltsvereinbarung beinhaltet Elemente einer Vereinbarung einer Leistungsbestimmung durch Dritte gem. § 317 BGB. Dass eine derartige Überprüfung bislang erfolgt wäre, ist nicht ersichtlich. Von einer Wirksamkeit des Rahmenvertrages und damit von einem Recht der Beklagten, die Elektrizitätsdurchleitung von dem Abschluss eines Netznutzungsvertrages zwischen ihr und dem Endkunden abhängig zu machen, kann daher nicht ausgegangen werden.

1.2. § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG

Die Beklagte vertritt die Ansicht, aus § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG folge kein Durchleitungsanspruch der Klägerin. Das LG habe die Rechte, die sich für den Stromlieferanten aus der genannten Vorschrift ergäben, unzutreffend ermittelt. Die Klägerin habe keinen unmittelbaren Anspruch auf Netzzugang. § 5 EnWG regele vielmehr, dass der Zugang zum Elektrizitätsversorgungsnetz nach dem System des verhandelten Netzzugangs erfolge.

Der Senat hat in dem Verfahren 6 U Kart 97/2000 die Frage des Rechts auf unmittelbaren Netzzugang dahinstehen lassen. Das LG hat in dem angefochtenen Urteil im Abschnitt I. 1. a einen unmittelbaren Anspruch auf Zugang zum Netz bejaht. Gleichermaßen hat das OLG Dresden im Urteil vom 8.2.2001 (RdE 2001, 144 f.) angenommen, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG einen unmittelbaren Anspruch auf Netzzugang gewährt. Auf die ausführliche Begründung des genannten Urteils wird Bezug genommen. Der Senat neigt dazu, sich dem LG und dem Oberlandesgericht Dresden anzuschließen. Für den geltend gemachten Anspruch kann dies jedoch dahinstehen.

Nach dem von den Anträgen der Klägerin bestimmten Streitgegenstand hat der Senat lediglich zu prüfen, ob die Beklagte berechtigt ist, die Durchleitung elektrischer Energie mit der Begründung zu verweigern, Vertragspartner des Netznutzungsvertrages könne nur der Netzkunde sein (womit der Verbraucher gemeint ist), wie sie es im Schreiben vom 18.8.2000 (Anlage As 2, Bl. 12 d.A.) ausdrücklich getan hat. Diese Frage ist unabhängig davon, ob § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG einen unmittelbaren Anspruch auf Netzzugang gewährt oder lediglich einen Anspruch auf Aufnahme von Vertragsverhandlungen. Selbst wenn die Klägerin lediglich einen Anspruch auf Aufnahme von Vertragsverhandlungen hätte, wäre der Verfügungsanspruch begründet. Denn die von der Beklagten geltend gemachte Vertragsbedingung und gewünschte Vertragsgestaltung ist unvereinbar mit dem gesetzlichen Ziel, den Wettbewerb auf dem Strommarkt zu fördern, und unvereinbar mit den Regelungen der §§ 19 Abs. 4 Nr. 4, 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 GWB, 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG. Die Beklagte ist als Netzmonopolist im Bereich Q. marktbeherrschendes Unternehmen in dem vorgenannten Sinne. Ihre Verhandlungsposition stellt im Kern eine Weigerung dar, der Klägerin gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Netzen zu gewähren. Bereits die Einnahme dieser Verhandlungsposition kommt einer Verweigerung der Durchleitung gleich. Für den Wunsch der Beklagten, Netznutzungsverträge nur mit den Endkunden zu erhalten, ist ein schützenswertes berechtigtes Interesse nicht erkennbar.

Schon nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG hat der Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen sein Versorgungsnetz für Durchleitungen anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Der Wortlaut des Gesetzes geht daher davon aus, dass der Stromlieferant das Versorgungsnetz für die Durchleitung nutzt, nicht der Endkunde. Die Durchleitung stellt die Nutzung dar, nicht die letztendliche Stromabnahme. Ist für die Durchleitung ein Vertrag erforderlich, so ist er mit dem Durchleitenden zu schließen. § 6 EnWG gibt dem neuen Stromlieferanten nicht lediglich das Recht, Energie einzuspeisen, sondern diese bis zur Abnahme durch den Endkunden durch das vorhandene Netz durchzuleiten. Dafür ist die Netznutzung Voraussetzung. Jedenfalls im Privatkundenbereich hat nur der Händler - sofern die weiteren Voraussetzungen vorliegen - einen Anspruch auf Abschluss eines Vertrages [Böhnel (Arbeitsgemeinschaft regionaler Energieversorgungsunternehmen), Netznutzung und Netznutzungsvertrag aus der Sicht der Arbeitsgruppe Netznutzung Strom der Kartellbehörden des Bundes und der Länder: Darstellung und Kritik, RdE 2001, 176, 183]. In diesem sind die Aspekte zu regeln, die allein deshalb einer vertraglichen Regelung bedürfen, weil die Stromlieferung nunmehr durch einen Dritten erfolgt. Dazu zählt die Frage des Entgelts.

Unzutreffend ist die Ansicht der Beklagten, der unstreitig mit ihr abzuschließende Anschlussvertrag mit dem Endkunden mache nur dann Sinn, wenn der Anschluss an das Netz der Beklagten auch dazu führe, dass der Kunde Strom erhalte, unabhängig davon, für welchen Stromlieferanten er sich entscheide. Daraus folgt nicht, dass sich Netzanschluss und Netznutzung nicht trennen lassen. Die aus § 10 EnWG resultierende Verpflichtung der Beklagten, jedermann an ihr Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen, kann unabhängig davon erfolgen, ob ein Netznutzungsvertrag mit dem Endkunden abgeschlossen ist. Liefert die Beklagte an den Endkunden Strom, ist sie selbst Netznutzerin. Für die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage eine etwaige Notversorgung des Endkunden mit Energie erfolgt, ist es unerheblich, wer Netzbetreiber ist. Nicht nachzuvollziehen ist das Argument, ohne Netznutzungsvertrag mit dem Endkunden müsste in diesem Fall die Lieferung zwingend eingestellt werden.

Das Argument der Beklagten, die physikalischen Gesetze führten dazu, dass man ein Stromnetz nicht ohne weiteres für einen Zugangsbegehrenden öffnen und Strom "durchleiten" könne, es seien komplizierte technische Fragen der Netzbelastung, des Netzausgleichs usw. zu klären, technische Voraussetzungen müssten geschaffen, Standards müssten geklärt und definiert werden, Messverfahren müssten vereinbart werden, Fragen der Abrechnung, der Haftung für Schäden auf beiden Vertragsseiten usw. müssten geklärt werden, spricht ausschließlich für den Abschluss eines Netznutzungsvertrages mit dem anbietenden Elektrizitätsversorgungsunternehmen und nicht mit dem Endkunden.

Zu Unrecht macht die Beklagte geltend, die Klägerin habe nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie mit sämtlichen vorgelagerten Netzbetreibern jeweils Durchleitungsverträge abgeschlossen habe, mithin in der Lage sei, den Strom bis zur Grenze des Versorgungsgebiets der Beklagten durchzuleiten. Zum einen kann diese Frage bezogen auf den Streitgegenstand dahinstehen. Zum anderen hat die Klägerin hierzu substantiiert vorgetragen (vgl. S. 11 der Berufungserwiderung, Bl. 218 d.A.). Der Darstellung der Klägerin, dass dem Netz der Beklagten in Schleswig-Holstein nur ein anderes Netz vorgelagert ist, ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

Gegen die Zulässigkeit der Forderung der Beklagten auf Abschluss von Netznutzungsverträgen mit den Endkunden spricht entscheidend, dass die Beklagte bei dieser Vertragsgestaltung durch die Höhe des Nutzungsentgelts darauf einwirken kann, zu welchen Bedingungen ein neuer Stromanbieter am Markt tätig werden kann, ohne dass dieser Einfluss nehmen könnte auf die Höhe des Nutzungsentgelts. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG muss jedoch gewährleistet sein, dass die Durchleitung zu Bedingungen zur Verfügung gestellt wird, die nicht ungünstiger sind, als sie von dem Netzbetreiber in vergleichbaren Fällen oder betriebsintern in Rechnung gestellt werden. Diese Bedingungen können vom Stromlieferanten und vom Netzbetreiber verhandelt werden, während Verträge mit Dritten nur bedingt der Einflussnahme durch Vertragsverhandlungen zwischen Stromanbieter und Netzbetreiber unterliegen.

Der Beklagten, die im Verhältnis zur Klägerin im Wesentlichen den Inhalt der Verbändevereinbarung II vereinbart wissen will, ist zuzustimmen, dass sich die Klägerin nicht lediglich auf die für sie günstigen Passagen aus diesem Regelungswerk berufen können wird wie Inkasso für alle Netznutzungsebenen durch den Endnetzbetreiber und Entbehrlichkeit des Nachweises von Einzelverträgen des Stromanbieters mit allen Netzbetreibern. Dies ist aber allein eine Frage des Inhalts des verhandelten Netzzugangs und gibt der Beklagten nicht das Recht, den Nutzzugang entgegen § 6 EnWG von Verträgen mit Dritten abhängig zu machen.

Dahinstehen kann letztlich die im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat angesprochene Frage, ob und gegebenenfalls zu welchen Bedingungen die Klägerin das von der Beklagten angebotene sogenannte Doppelvertragsmodell akzeptieren muss. Auch dies ist eine Frage des Inhalts des verhandelten Netzzugangs.

2. Verfügungsgrund

Für die einstweilige Verfügung besteht auch ein Verfügungsgrund.

Auch insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Gründe des angefochtenen Urteils.

Der Klägerin drohen Wettbewerbsnachteile hinsichtlich der Akquisition neuer Kunden. Die Klägerin hat zwar nur einen einzigen konkreten potentiellen Kunden benannt. Erhebliche wirtschaftliche Nachteile können für sie allerdings daraus erwachsen, dass sie wegen der Unsicherheiten bezüglich der inhaltlichen Gestaltung der abzuschließenden Verträge in Hinsicht auf die Akquisition neuer Kunden eingeschränkt ist. Solange sie nicht weiß, zu welchen Bedingungen sie die Nutzung des Stromnetzes der Beklagten erlangt, kann sie ohne wirtschaftliches Risiko keine Verträge mit Verbrauchern abschließen. Dies ist ihr nicht zuzumuten. Die Klägerin muss für die Akquisition und den Vertragsabschluss mit Neukunden jetzt wissen, zu welchen Bedingungen sie abschließen kann. Dabei sind die Kosten der Netznutzung wichtiger preisbildender Faktor.

So hat auch das OLG Dresden im Urteil vom 8. Februar 2001 (Anlage 3 zur Berufungsbegründung, dort S. 30 = RdE 2001, 144 f., wo jedoch die Gründe zum Verfügungsgrund nicht abgedruckt sind, mit Anmerkung von Büdenbender) die Voraussetzungen des in jenem Verfahren erforderlichen besonderen Verfügungsgrundes bejaht mit der Begründung, mit der Verweigerung der Durchleitung würden die Marktchancen der Klägerin in dem Netzgebiet der Beklagten erheblich beeinträchtigt, gerade bei der Aufnahme einer Kundenbeziehung sei die ordnungsgemäße Erfüllung der neu eingegangenen Vertragsbeziehung von maßgeblicher Bedeutung.

Die Beklagte rügt zu Unrecht, die besonders strengen Anforderungen, die an eine Leistungsverfügung zu stellen sind, seien im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Anders als bei Geltendmachung eines unmittelbaren Anspruch auf Netzzugang wie in dem vom OLG Dresden im Urteil vom 8. Februar 2001 (a.a.O.) zu entscheidenden Fall, stellt das Begehren der Klägerin keine besonders hohe Anforderungen an die Feststellungen eines Verfügungsgrundes. Zwar führt die Untersagungsverfügung zu einer vorläufigen Erfüllung des Unterlassungsanspruches. Doch will die Klägerin nur untersagt wissen, dass ihr die Durchleitung elektrischer Energie mit der Begründung verweigert wird, Vertragspartner des Netznutzungsvertrages könne nur der Endverbraucher sein. Die Klägerin macht mit der einstweiligen Verfügung keineswegs einen unmittelbaren Anspruch auf Netzzugang geltend. Der Antrag der Klägerin umfasst dieses Begehren nicht.

Im übrigen ist § 25 UWG anwendbar, der erlaubt, von den Erfordernissen der §§ 935, 940 ZPO hinsichtlich der Darlegung und Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes abzusehen.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, die kompletten rechtlichen und tatsächlichen Fragen, die bei der Ausgestaltung des Netzzuganges gem. § 6 Abs. 1 EnWG zu beantworten sind, könnten nicht in einem summarischen Verfahren gelöst werden; dies stehe einem Verfügungsgrund entgegen. Dies kann dahinstehen. Im vorliegenden Verfahren sind keine tatsächlichen Fragen zu klären. Die zu beantwortenden rechtlichen Fragen betreffen nicht den gesamten Komplex der Ausgestaltung des Netzzuganges nach § 6 Abs. 1 EnWG, sondern lediglich die Frage, ob die von der Beklagten aufgestellte Bedingung für die Durchleitung von Elektrizität rechtlich zulässig ist.

Die Beklagte ist der Ansicht, eine möglicherweise fehlerhafte rechtliche Weichenstellung im summarischen Verfahren sei vor dem Hintergrundes des Verdrängungswettbewerbs der Parteien allenfalls dann akzeptabel, wenn der Wettbewerbsnachteil der Klägerin bei nicht ergehender Leistungsverfügung denjenigen der Verfügungsbeklagten bei Ausbringung der Leistungsverfügung deutlich überwöge. Dem ist auch hier entgegenzuhalten, dass Gegenstand des Verfügungsverfahrens nicht die unmittelbare Durchleitung des Stroms der Klägerin ist. Außerdem hat die Beklagte wirtschaftliche Nachteile, die ihr daraus erwachsen könnten, dass ein Netznutzungsvertrag nicht mit dem Endkunden zustande kommt, nicht überzeugend darzulegen vermocht. Die Beklagte führt insoweit an, der Netzanschlussvertrag zwischen ihr und dem Endkunden ergebe nur dann einen Sinn, wenn daraus auch die Verpflichtung der Beklagten resultiere, dem Endkunden den von ihm gewünschten Strom anzuliefern. Aus dem Netzanschlussvertrag folge, dass das Netz der Beklagten auch i.S.d. Kunden genutzt werde. Aus diesem Grunde könne es keinen Zweifel daran geben, dass die Beklagte auch ein berechtigtes Interesse daran habe, die Einzelheiten der Netznutzung mit dem Stromkunden zu klären. Diese Argumentation ist nicht zwingend. Wirtschaftliche Nachteile hat die Beklagte damit nicht belegt.

3. Nebenentscheidung

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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