Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 21.01.2004
Aktenzeichen: 7 U 30/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 119 I 1
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Berufungskläger setzt eine Begründung des Antrags voraus, aus der - sei es auch in laienhafter Darstellung - erkennbar ist, in welchen Punkten das erstinstanzliche Urteil angegriffen werden soll.
7 U 30/03

Gründe:

Die Zurückweisung des Antrags beruht auf §§ 114, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da das Rechtsmittel bislang keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht. Das bisherige Vorbringen der Klägerin in zweiter Instanz genügt nicht den Anforderungen, wie sie von einer mittellosen Partei zu erfüllen sind, die für ihre Berufung Prozesskostenhilfe begehrt.

Der Rechtsmittelführer muss zumindest in Grundzügen aufzeigen, weshalb, in welchem Umfang und in welchen Punkten das erstinstanzliche Urteil angegriffen werden soll. Dies entspricht der Rechtsprechung zahlreicher Oberlandesgerichte (OLG Schleswig [5. Zivilsenat], NJW-RR 1999, 432; OLG Celle, MDR 2003, 470; OLG Saarbrücken, FamRZ 1993, 715; wohl auch OLG Frankfurt a.M., OLGReport 2003, 8 [9]; ebenso BFH/NV 1995, 255; BFH/NV 2002, 1312; vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 117 Rn. 21; MüKo-ZPO/Wax, 2. Aufl., § 117 Rn. 14), welcher sich der erkennende Senat angeschlossen hat (vgl. Beschl. v. 11.01.2001 - 7 U 200/00).

Auch wenn dabei keine den Erfordernissen des § 520 Abs. 3 ZPO vollumfänglich entsprechende Begründung verlangt werden kann, so bedarf es doch zumindest der - sei es auch laienhaften - Darstellung, aus welchen Gründen und in welchen Teilen die Partei das angefochtene Urteil als unrichtig ansieht (OLG Schleswig [5. Zivilsenat], NJW-RR 1999, 432 [433]; vgl. auch VGH Mannheim, NVwZ-RR 1998, 598).

An diesen Voraussetzungen fehlt es hier zur Gänze. Außer einem für das Berufungsverfahren in Aussicht gestellten Antrag enthält das Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin keinerlei Anhaltspunkte, die über die tatsächliche oder rechtliche Zielrichtung des Berufungsangriffes Aufschluss geben. Das Vorbringen beschränkt sich darauf, dass über die Gewährung von Prozesskostenhilfe von Amts wegen befunden werden möge.

Soweit dies von der Gegenansicht für ausreichend gehalten wird (BGH, NJW 1993, 732 [733]; VersR 1999, 1123 [1124]; Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 119 Rn. 54), vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen. Der Umfang des begehrten Rechtsschutzes darf nicht einseitig dem Beurteilungsbereich des über den PKH-Antrag entscheidenden Gerichts überstellt und seiner Einschätzung anheim gegeben werden. Es ist nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, dem Berufungskläger seine etwaigen tatsächlichen und rechtlichen Angriffsmöglichkeiten gleichsam vorzuzeichnen. Dies widerspräche dem Wesen und den Besonderheiten des Rechtsmittelverfahrens, wie sie ihren Ausdruck nicht zuletzt in dem - mit der ZPO-Reform sogar noch verschärften - Begründungserfordernis des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO gefunden haben.

Auch den Regelungen der §§ 114 ff. ZPO ist nicht zu entnehmen, dass eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten selbst dann zu erfolgen hat, wenn es - wie hier - gänzlich an einer auch nur skizzenartigen Bezeichnung der Angriffspunkte fehlt. Nach § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist in dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Mit § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO wird dieses Erfordernis für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im höheren Rechtszug übernommen, wenngleich es nicht mehr darum geht, das Streitverhältnis als solches klarzustellen, sondern allein um die Frage, inwieweit dieses - durch das erstinstanzliche Urteil vorgegebene - Streitverhältnis nunmehr weitergeführt wird (vgl. OLG Schleswig [5. Zivilsenat], NJW-RR 1999, 432 [433]). Liegt aber dem Antragsteller in der zweiten Instanz bereits ein Urteil vor, zu dessen Richtigkeit er sich äußern soll, so wird ihm dabei weniger abverlangt, als es für die erstmalige, weitaus umfassendere Darlegung vor dem erstinstanzlichen Gericht nach § 117 Abs. 1 ZPO erforderlich ist (OLG Celle, MDR 2003, 470). Dass selbst auf diese Minimalvoraussetzungen verzichtet werden müsste, findet in § 119 ZPO keine Stütze.

Ebenso wenig ist es von Verfassungswegen geboten, von einer zumindest im Ansatz tragfähigen Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs abzusehen (entgegen BGH, VersR 1999, 1123 [1124]). Zwar erfordern Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG die Gleichbehandlung bemittelter und unbemittelter Parteien zur Verwirklichung des Rechtsschutzes. Dabei verlangt das Grundgesetz aber nur eine "weitgehende" Angleichung des prozessualen Chancen (vgl. BVerfGE 51, 295 [302]; 63, 380 [394]; BVerfG, NJW 2000, 1937), nicht etwa eine "vollständige" (BVerfG, NJW 1999, 3186).

Diesen Anforderungen ist Genüge getan, wenn das Begründungserfordernis dahingehend erleichtert wird, dass vom bedürftigen Rechtsmittelführer keine juristisch qualifizierten Ausführungen erwartet werden, sondern eine ggf. laienhafte, nicht notwendig abschließende Bezeichnung derjenigen Punkte, die aus seiner Sicht im erstinstanzlichen Urteil übergangen oder unzutreffend abgehandelt wurden. Mit diesen Erleichterungen wird er zumindest weit gehend einer begüterten Partei gleichgestellt, die sich im Berufungsverfahren bereits von Anfang an umfassend anwaltlicher Hilfe bedienen kann.

Eine Verletzung der prozessualen Chancengleichheit liegt hier auch nicht darin, dass eine mittellose Partei innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Begründungsfrist eine wenigstens knappe Prüfung der Erfolgsaussichten vornehmen müsste, während die bemittelte, anwaltlich vertretene Partei regelmäßig eine Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist erreichen kann (vgl. aber BGH, NJW 1993, 732 [733]). Jedenfalls ist eine solche Benachteiligung dann nicht ersichtlich, wenn wie im vorliegenden Fall bereits ein Anwalt nach Einlegung der Berufung eine fünfmalige Verlängerung der Begründungsfrist erwirkt hat. Innerhalb dieser - einer begüterten Partei nicht ohne weiteres gewährten - Frist blieb ausreichend Zeit, sich mit dem angefochtenen Urteil in einer den dargelegten Anforderungen entsprechenden Weise auseinander zu setzen und dem Senat die tragenden Angriffspunkte mitzuteilen.

Anmerkung Der Senat hat durch Beschluss vom 8.3.2004 die unbegründet gebliebene Berufung als unzulässig verworfen.

Ende der Entscheidung

Zurück