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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 03.06.2004
Aktenzeichen: 7 U 61/03
Rechtsgebiete: BGB, LuftVerkG


Vorschriften:

BGB § 280
BGB § 311
LuftVerkG § 50 I
1. Auch vor Abschluss einer Vereinbarung über einen "Pivatflug" ist der die Beförderung durchführende Vertragspartner verpflichtet, auf das Fehlen einer Insassenunfallversicherung hinzuweisen.

2. Eine vergleichbare Verpflichtung trifft den bloßen Vermittler eines geschäftlichen Kontakts noch nicht.


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 61/03

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 03. Juni 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das am 24. April 2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 35.790,43 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 09.10.2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung des Beklagten zu 2) zurückgewiesen .

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin die Hälfte der Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1), der Beklagte zu 2) die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin sowie die weitere Hälfte der Gerichtskosten. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Kl. begehrt von der Bekl. zu 1. als Anbieterin von Rundflügen und dem Bekl. zu 2., der als Geschäftsführer der Bekl. zu 1. diese Rundflüge durchführt, Schadensersatz wegen Nichtabschlusses einer Insassenunfallversicherung.

Die Eltern der Kl., welche bei der Bekl. zu 1. mehrfach an Rundflügen teilgenommen hatten, unternahmen nach Kontakt zu der Bekl. zu 1. einen Rundflug mit einem vom Bekl. zu 2. geführten Wasserflugzeug. Bei einer Landung verunfallte dieses Flugzeug. Während der Bekl. zu 2. leicht verletzt überlebte, kamen die Eltern der Kl. ums Leben.

Für das eingesetzte Wasserflugzeug bestand keine Insassenunfallversicherung im Sinne des § 50 LuftVerkG. Hierauf waren die Eltern der Kl. durch die Bekl. nicht hingewiesen worden. Nach Darstellung der Kl. seien ihre Eltern auch nicht - wie die Bekl. behaupten - darauf hingewiesen worden, dass es sich bei dem Flug noch nicht um einen von der Bekl. zu 1. durchgeführten gewerbsmäßigen Flug, sondern um einen "Privatflug" des Bekl. zu 2. gehandelt habe.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Bekl. zu 2. blieb ohne Erfolg, während die Berufung der Bekl. zu 1. ihr gegenüber zur Klagabweisung führte.

Gründe:

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin L., der Beklagte zu 2) wurde persönlich gemäß § 141 ZPO angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks vom 03. Juni 2004 Bezug genommen.

Während die Beklagten auf Abänderung des angefochtenen Urteils, durch das sie als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, an die Klägerin 35.790,43 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 09.10.2002 zu zahlen, und Abweisung der Klage antragen, beantragt die Klägerin Zurückweisung der Berufung.

Die Berufung der Beklagten zu 1) hat Erfolg , diejenige des Beklagten zu 2) erweist sich hingegen als unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 2) gemäß §§ 1922, 280 Abs. 1 S. 1 BGB i.V. mit § 50 Abs. 1 LuftVerkG in der bis zum 01.08.2002 geltenden Fassung Anspruch auf Zahlung der Mindestversicherungssumme von hier zweimal 35.000,00 DM, also 70.000,00 DM entsprechend 35.790,43 €, aufgrund des Unfalles vom 28.05.2002, bei dem ihre Eltern, deren Alleinerbin sie ist, ums Leben gekommen sind.

Hingegen scheiden Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) aus, weil diese weder Vertragspartnerin der Erblasser für den Flug mit dem Wasserflugzeug geworden ist, noch die Beklagte zu 1) Pflichten bei der Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder der Anbahnung eines Vertrages (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB) verletzt hätte.

Zwar beabsichtigten die Erblasser, offensichtlich veranlasst durch die Werbemaßnahmen der Beklagten zu 1) für einen Rundflug mit dem Wasserflugzeug, mit der Beklagten zu 1) einen solchen Flug zu unternehmen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht aber fest, dass es zu einem Vertragsschluss mit der Beklagten zu 1) nicht gekommen ist. Die Zeugin L., Ehefrau des Beklagten zu 2) und bei der Beklagten zu 1) im Büro am Flughafen in W angestellt, hat bekundet, die Erblasser hätten sich bei ihr nach einem Flug mit dem Wasserflugzeug erkundigt. Sie hätte ihnen erklärt, dass "wir" - also die Beklagte zu 1) - demnächst Rundflüge anbieten wollten, das aber zur Zeit wegen einer noch fehlenden Genehmigung nicht ginge. Sie habe die Erblasser darauf verwiesen, dass diese möglicherweise privat mit ihrem Ehemann - dem Beklagten zu 2) - einen Flug unternehmen könnten, das müssten sie aber mit ihm besprechen.

Dass die Zeugin L. trotz ihres auf der Hand liegenden persönlichen Interesses am Ausgang des Rechtsstreits als Ehefrau des Beklagten zu 2), der zugleich Geschäftsführer der Beklagten zu 1) ist, deren Angestellte wiederum die Zeugin ist, nicht die Unwahrheit gesagt hat, zeigt sich zum einen daraus, dass der Kern der Aussage der Zeugin trotz Nachfragen gleich blieb, zudem die Zeugin im Rahmen ihrer Aussage Einzelheiten des Ablaufes der Geschehnisse erinnert hat; angesichts des eher unsicheren und suchenden Aussageverhaltens der Zeugin hätte diese über ein erhebliches schauspielerisches Talent verfügen müssen, wäre ihre Aussage unwahr und vorher eingeübt gewesen. Letzteres ist allein schon deshalb auch unwahrscheinlich, weil die Zeugin erst kurzfristig vor dem Termin telefonisch über den Prozessbevollmächtigten der Beklagten geladen worden ist.

Ist damit mit der Beklagten zu 1) kein Vertrag über den Rundflug zustande gekommen, scheiden auch Ansprüche wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten aus. Denn die Vertragsverhandlungen zwischen den Erblassern und der Beklagten zu 1) waren in dem Zeitpunkt beendet, in dem die Zeugin L. ihnen erklärte, dass ein Flug mit der Beklagten zu 1) infolge fehlender Genehmigung noch nicht möglich sei. Eine Pflicht der Beklagten zu 1) - sei es durch den Beklagten zu 2) als ihren Geschäftsführer oder die Zeugin als ihre Angestellte - darauf hinzuweisen, dass bei einem Privatflug kein obligatorischer Unfallversicherungsschutz nach § 50 Abs. 1 LuftVerkG besteht, ist nicht erkennbar, dies auch nicht vor dem Hintergrund, dass der private Flug mit dem Geschäftsführer mit der Beklagten zu 1) stattfinden sollte. Wollte man der Beklagten zu 1) eine derartige Warn- oder Hinweispflicht auferlegen, würde man die Verpflichtung eines potentiellen Vertragspartners, der die Vertragsverhandlungen abbricht, überziehen, auch wenn dabei zugleich auf die Möglichkeit eines Vertragsschlusses mit einem Dritten hingewiesen wird. Denn ein lediglich in Aussicht genommener Vertragspartner ist nicht verpflichtet, auf eventuelle Risiken eines Vertragsschlusses mit einem Dritten hinzuweisen. Einer der Ausnahmefälle, in denen dies aufgrund langjähriger, ständiger Geschäftsbeziehung oder eines besonderen Vertrauens in einen Rat bzw. eine Auskunft des ursprünglich in Aussicht genommenen Vertragspartners anders sein könnte, liegt offensichtlich nicht vor. Vielmehr oblag es vom Grundsatz her den Erblassern zu entscheiden, ob sie anstelle der Beklagten zu 1) mit einem anderen Vertragspartner kontrahieren wollten und entsprechend auch eventuelle Risiken dieses möglichen anderweitigen Vertragsschlusses abzuwägen.

Hingegen war nach Auffassung des Senats der Beklagte zu 2), mit dem die Erblasser letztlich privat den tragisch endenden Flug unternommen haben, verpflichtet darauf hinzuweisen, dass die für Luftfahrtunternehmen obligatorische Insassenunfallversicherung weder bestand noch er gesetzlich verpflichtet war, eine solche für "Privatflüge" zu unterhalten. Denn nach Auffassung des Senats ist es aus Sicht eines potentiellen Fluggastes für seine Entscheidung, ob er mit einem bestimmten Vertragspartner einen Flug unternimmt oder nicht, von Bedeutung, ob eine Insassenunfallversicherung besteht, die unabhängig von einem eventuellen Verschulden des Piloten aus einem Unfall sich ergebende Ansprüche - wenn auch nur bis zu einer bestimmten Höhe - reguliert, oder ob in einem solchen Fall allein verschuldensabhängige Ansprüche, die dann ggf. noch eingeklagt werden müssen, gegeben sind. Über diese Frage hätte der Beklagte zu 2), als die Erblasser mit ihm einen privaten Flug mit dem Wasserflugzeug vereinbarten, diese aufklären müssen. Die Unterlassung der Aufklärung stellt sich als Pflichtverletzung i.S. von § 280 Abs. 1 BGB dar mit der Folge, dass der Beklagte zu 2) auf das positive Interesse haftet. Denn nach den Grundsätzen des sog. beratungsrichtigen Verhaltens ist davon auszugehen, dass die Erblasser den Flug nicht unternommen hätten, hätten sie gewusst, dass die für Luftfahrtunternehmen obligatorische Insassenunfallversicherung bei dem Privatflug weder bestehen musste noch bestand. Seitens des insoweit darlegungs- und ggf. beweispflichtigen Beklagten zu 2) ist weder etwas dafür dargetan, noch wäre dies ersichtlich, dass die Erblasser "auf jeden Fall" einen Flug mit dem Wasserflugzeug unternommen hätten, auch wenn sie über die erheblichen versicherungsrechtlichen Unterschiede bei Privatflügen und Flügen mit einem Luftfahrtunternehmen informiert worden wären.

Für eine Entlastung i.S. von § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ist seitens des Beklagten zu 2) ebenfalls weder hinreichendes vorgetragen noch gar bewiesen.

Zinsen wie zuerkannt gebühren der Klägerin gemäß §§ 286, 288 BGB i.V. mit dem Anwaltsschreiben der Beklagten vom 08. Oktober 2002.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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