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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 19.06.2008
Aktenzeichen: 7 U 64/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 434
BGB § 437 Nr. 2
BGB § 441
Es stellt einen zur Minderung des Kaufpreises berechtigenden Sachmangel eines als Therapie- und Begleithund verkauften Hundes dar, wenn das Tier nach den vertraglichen Vereinbarungen des Parteien bestimmte Prüfungen absolviert haben soll, das Bestehen dieser Prüfungen aber von dem Verkäufer selbst bescheinigt worden ist, ohne dass er dazu (noch) die verbandsinterne Berechtigung besaß. Dies jedenfalls dann, wenn das Tier nach Gefahrübergang über lediglich rudimentäre Fähigkeiten eines Therapie- und Begleithundes verfügt.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 64/07

verkündet am: 19. Juni 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2008 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten - das am 11. Juli 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 26.996,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 22.08.2006 zu zahlen, wobei 22.393,00 € an das Landesbesoldungsamt Schleswig-Holstein (....), 1.500,00 € an die Debeka Krankenversicherungsverein a.G. (Service-Nr. ...) und 3.103,09 € an die Klägerin selbst zu leisten sind.

Im Übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges - einschließlich derjenigen des selbständigen Beweisverfahrens Landgericht Itzehoe 3 OH 12/05 - tragen die Klägerin 64% und die Beklagte 36%, die Kosten des Berufungsrechtszuges werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Die Klägerin, eine stark sehbehinderte und durch eine fortschreitende rheumatische Erkrankung auch körperbehinderte Frau, nimmt die Beklagte, die unter anderem eine Hundezucht betreibt, auf Gewährleistung wegen Mängeln eines Hundes in Anspruch.

Der Klägerin war im März 2003 von ihrem Augenarzt eine ärztliche Verordnung für einen Therapie-Behindertenbegleit-Blindenführhund ausgestellt worden. Nach Vorverhandlungen, die noch im März 2003 begonnen hatten ("Bewerbungsbogen" Bl. 21 d.A.), erwarb die Klägerin von der Beklagten mit Vertrag vom 14.08.2004 (Bl. 12/13 d.A.) die Collie-Hündin "A", genannt "B". Die Hündin war seinerzeit drei Jahre alt, der Kaufpreis belief sich auf 33.187,35 €; davon wurden von der Beihilfe des Landes Schleswig-Holstein 22.393,00 € übernommen, von der hinter der Klägerin stehenden privaten Krankenversicherung, der Debeka, weitere 1.500,00 €. Die Klägerin selbst hat an die Beklagte 722,00 € gezahlt.

Das Tier, das nach dem Vertrag als "Therapie- und Behindertenbegleithund" verkauft war, wurde noch am 14.08.2004 an die Klägerin übergeben. In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu Auseinandersetzungen wegen der Herausgabe des Hundes zu Zuchtzwecken an die Beklagte. Die Klägerin hat sodann mit Antrag vom 17. August 2001 ein selbständiges Beweisverfahren (Landgericht Itzehoe 3 OH 12/05) eingeleitet, da sie der Auffassung war und ist, "B" verfüge bei weitem nicht über die Fähigkeiten, die an einen Blindenführhund bzw. einen Therapie- und Behindertenbegleithund zu stellen seien. Mit Gutachten vom 1. Juli 2006 hat der Sachverständige G festgestellt, dass "B" allenfalls über rudimentäre Fähigkeiten eines Behindertenbegleithundes verfüge, es im Übrigen absolut ungewöhnlich sei, einen derartigen Hund noch zu Zuchtzwecken einsetzen zu wollen. Angesichts der Leistungen des Hundes, die denen normaler Haus- und Familienhunde vergleichbar seien, stehe der Kaufpreis völlig außer Verhältnis.

Die Klägerin hat erstinstanzlich Zahlung von 39.415,99 € nebst Zinsen sowie Herausgabe der Ahnentafeln und Abstammungsurkunden des Hundes verlangt, die Beklagte hat widerklagend Schadensersatz wegen der zwischenzeitlichen Sterilisation des Hundes verlangt, zudem unbeglichene Seminarkosten, insgesamt einen Betrag in Höhe von 11.108,95 €.

Das Landgericht hat nach Anhörung der Parteien sowie einer mündlichen Erläuterung des im selbständigen Beweisverfahren erstatteten schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen G sowohl Klage als auch Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei letztlich beweisfällig dafür geblieben, dass der Hund die Fähigkeiten eines Therapie- und Behindertenbegleithundes zum Zeitpunkt des Gefahrüberganges nicht gehabt habe; die Widerklage sei unbegründet, weil der Einsatz der Hündin zur Zucht den Vertragszweck gefährden würde, restliche Seminarkosten könne die Beklagte nicht verlangen, weil sie entsprechende Aufwendungen erspart hätte.

Zweitinstanzlich wiederholen und vertiefen die Parteien ihren wechselseitigen Vortrag.

Mit der Berufung verlangt die Klägerin Rückzahlung der von der Beihilfe des Landes Schleswig-Holstein sowie der privaten Krankenversicherung gezahlten Beträge, zudem Schadensersatz in Höhe von 3.103,09 € wegen vergeblicher Aufwendungen für die Teilnahme an Seminaren und damit zusammenhängende Fahrtkosten, Übernachtungs- und Verpflegungskosten (Aufstellung Bl. 41/42 d.A.).

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt,

während die Beklagte auf Zurückweisung der Berufung anträgt und im Wege der (unselbständigen) Anschlussberufung beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klägerin zu verurteilen, an sie 11.108,95 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2006 zu zahlen.

Der Senat hat die Parteien persönlich angehört.

Die Berufung der Klägerin erweist sich als begründet, die Anschlussberufung der Beklagten hingegen bleibt ohne Erfolg.

Die Klägerin kann gemäß §§ 434, 437 Nr. 2, 441 BGB den Kaufpreis für "B" um die von ihr in Höhe der vom Landesbesoldungsamt bzw. der Debeka erstatteten Beträge mindern, zudem gemäß §§ 434 Abs. 1 Satz 1, 437 Nr. 3, 284 BGB Ersatz vergeblicher Aufwendungen fordern.

Gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Dabei kann offen bleiben, ob "B" als - wie ärztlich verordnet - Blindenführhund verkauft worden ist, was sich aus dem Kaufvertrag der Parteien gerade nicht ergibt. Denn im Kaufvertrag heißt es: "... B hat folgende Prüfungen erfolgreich absolviert: Begleit- und Verkehrshundeprüfung, Therapiehundeprüfung und Behindertenbegleithundeprüfung..."; die entsprechenden Urkunden (Bl. 72-80 d.A.) wurden der Klägerin bei Abschluss des Kaufvertrages übergeben. Danach soll die Hündin die Begleithunde- und Verkehrssicherheitsprüfung am 9. März 2002, die Therapiehundeprüfung (Basisprüfung), die Therapiehundeprüfung (Fähigkeitsprüfung) und die Behindertenbegleithundeprüfung jeweils am 23. Juli 2003 bestanden haben. Bei all diesen Prüfungen war die Beklagte selbst auch immer als Richterin bzw. Prüferin ihres eigenen Hundes beteiligt, ausgestellt sind die Urkunden sämtlichst unter dem Logo "Therapiehunde ...". Das Logo "Therapiehunde ..." wurde vom ".. e.V." verwandt. Bereits am 20. Juli 2003 hatte die Beklagte ihren Vorsitz in diesem Verband niedergelegt, zugleich war sie auch als Mitglied ausgeschieden. Mit Schreiben ohne Datum (Bl. 203 d.A.) hatte der "... e.V." (kurz: ...) darauf hingewiesen, dass die Prüfungen, in der "B" ihre Fähigkeiten als Therapie- bzw. Behindertenbegleithund zuerkannt worden sind, nicht über den Verband gelaufen und "B" damit kein vom ... geprüfter Therapie- bzw. Behindertenbegleithund sei.

In den vertraglichen Passus, "B" habe folgende Prüfungen erfolgreich absolviert", liegt eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB des Inhalts, dass der Hund jedenfalls nicht irgendwelche, von der Beklagten selbst inszenierte und bewertete Prüfungen abgelegt hat, sondern zumindest diejenigen von dem ...e.V. offiziell anerkannten Prüfungen. Danach - neben den tatsächlichen Fähigkeiten - ist das erfolgreiche Bestehen quasi "offizieller" Prüfungen mit neutraler Bewertung ein im großen Maße wertbildender Faktor für einen Therapie- und Behindertenbegleithund. Daran fehlt es, denn jedenfalls zum Zeitpunkt der Abnahme der Therapiehundeprüfungen am 23.07.2003 war die Beklagte nicht (mehr) berechtigt, derartige Prüfungen unter dem Logo "Therapiehunde ..." abzunehmen, ganz unabhängig davon, dass es nach Auffassung des Senats auch nicht angängig ist, als Eigner eines Hundes zugleich Prüfer/Richter in eigener Sache zu sein.

Die Klägerin war hier auch nicht gehalten, der Beklagten die Möglichkeit zur Nachbesserung zu geben. Zwar steht grundsätzlich auch bei einem Tierkauf dem Verkäufer dieses Recht zu (vgl. BGH NJW 2006, S. 988), dies gilt aber dann nicht, wenn es - wie hier - um Umstände geht, die der Verkäufer objektiv gar nicht nachbessern kann. Unabhängig davon wäre der Klägerin eine Nachbesserung durch die Beklagte auch unzumutbar gewesen, jedenfalls angesichts der gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Herausgabe der Hündin zu Zuchtzwecken.

Der Höhe nach beläuft sich der Minderungsbetrag (jedenfalls) auf die von der Beihilfe des Landes Schleswig-Holstein und der privaten Krankenversicherung der Klägerin erstatteten Beträge (22.393,00 € + 1.500,00 €).

Es bedarf auch nicht des Rückgriffs auf Schadensersatzansprüche der Klägerin aus § 280 Abs. 1 BGB deswegen, weil die Beklagte die Klägerin darüber hätte aufklären müssen, dass der Zuchteinsatz eines Therapie- und Begleithundes nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen G dazu führen kann, dass der Hund - entsprechende Fähigkeiten einmal vorausgesetzt - diese zumindest zum Teil einbüßt. Denn nach den Bekundungen des Sachverständigen im Rahmen seiner Anhörung vor dem Landgericht soll ein solcher Zuchteinsatz, zumal nach Übergabe an den zu Therapierenden bzw. Begleitenden völlig unüblich sein, vielmehr sei es üblich - wie auch von der Klägerin letztlich durchgeführt - eine Hündin nach dem Verkauf sterilisieren zu lassen. Allein schon die Läufigkeit einer Hündin, erst recht aber der Einsatz zu Zuchtzwecken, stellt die Verwendbarkeit bzw. den Nutzen des Tieres für einen Behinderten grundlegend in Frage. Dies stellt ganz offenbar "Basiswissen" in entsprechenden Züchter- und Ausbilderkreisen dar, der Beklagten hätte dies bekannt sein müssen, entsprechend hätte sie die Klägerin auch aufklären müssen.

Neben der Minderung kann die Klägerin auch Ersatz nutzloser Aufwendungen verlangen. Dabei handelt es sich - wie von der Klägerin geltend gemacht - um Mehrkosten für Seminargebühren, damit zusammenhängende Fahrtkosten, Übernachtungen und Verpflegungskosten. Diese sind der Höhe nach unstreitig und belaufen sich auf 3.103,90 €.

Zinsen wie beantragt und zuerkannt gebühren der Klägerin gemäß §§ 286, 288 BGB.

Aus dem Vorstehenden folgt zugleich die Unbegründetheit der mit der Anschlussberufung weiter verfolgten Widerklage der Beklagten. Schadensersatzansprüche wegen der durch die Sterilisation der Hündin vereitelten weiteren Nachzucht stehen ihr ebenso wenig zu wie Ansprüche auf restliche Seminarkosten. Letztere müsste sie ohnehin sofort an die Klägerin zurückerstatten ("dolo- petit-Einwand"), unabhängig davon, in welchem Umfange die Beklagte Aufwendungen erspart hat. Hinsichtlich der geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen der entgangenen Nachzucht verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil.

Der nicht nachgelassene, nachgereichte Schriftsatz der Beklagten vom 04.06.2008 gibt keinen Anlass, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten. Soweit die Beklagte meint, der Senat habe hier Dinge verwertet, auf die die Klägerin sich gar nicht berufen habe, irrt sie.

Abgesehen einmal davon, dass das Landgericht das Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 24.06.2007 weder nach § 296 ZPO noch nach § 296 a ZPO behandelt hat, ist der Vortrag der Klägerin in den entscheidenden Punkten völlig unstreitig; dass die Klägerin möglicherweise andere rechtliche Schlüsse gezogen hat, ist unerheblich. Die rechtliche Bewertung des angetragenen Sachverhalts ist Sache des Gerichts.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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