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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 24.02.2004
Aktenzeichen: 8 UF 199/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1572
Weitgehende Eigenveranlassung von Krediten ( Verwendung von Geldern zur Befriedigung eigener Bedürfnisse wie Gaststättenbesuch ) kann dazu führen, dass die Belastung nicht als eheprägend zu qualifizieren sind.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

8 UF 199/03

Verkündet am: 24. Februar 2004

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen die im Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Rendsburg vom 11. September 2003 getroffene Entscheidung zum nachehelichen Unterhalt wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der am 24. Februar 1940 geborene Beklagte war mit der Klägerin in der Zeit vom 2. September 1961 bis zum 12. Januar 2004 (Teilrechtskraft des angefochtenen Verbundurteils seit dem 13. Januar 2004) verheiratet. Die fünf gemeinsamen Kinder der Parteien sind volljährig und wirtschaftlich selbständig. Die Klägerin bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die sich durch den Versorgungsausgleich nachehelich auf 635,50 € erhöht hat. Der Beklagte bezieht eine Altersrente, die durch den Versorgungsausgleich auf 802 € gesunken ist und daneben eine Unfallrente von monatlich 483,98 €.

Der unterhaltsrechtliche Streit in beiden Instanzen betraf und betrifft die Ermittlung des bereinigten Nettoeinkommens des Beklagten, insbesondere die Frage, ob aus einer Nebentätigkeit als Taxifahrer weiterhin Einkünfte bezogen werden und in welchem Umfange Zahlungen auf während der Ehezeit entstandene Schulden zu berücksichtigen sind, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob die Kredite ohne Wissen der lese- und schreibunkundigen Klägerin vom Beklagten aufgenommen und für eigene Zwecke ausgegeben worden sind.

Das Familiengericht hat dem Antrag auf einen monatlichen nachehelichen Unterhalt von 300 € im Umfang von 192,80 € stattgegeben und diesen durch die Leistungsfähigkeit des Beklagten beschränkten Anspruch aus § 1571 Satz 1 Ziffer 1 BGB wie folgt berechnet: Die Altersrente werde durch den Versorgungsausgleich auf monatlich rund 760 € sinken, die Unfallrente unverändert bei ca. 430 € liegen. Der Kreditabtrag von monatlich 199,40 € bei der Dresdener Bank sei zu berücksichtigen, weil die Klägerin den Vortrag des Beklagten nicht substantiiert widerlegt habe, der Kredit sei zum Ausgleich einer Kontoüberziehung aufgenommen und verwendet worden. Rückzahlungen auf ein Darlehen des Stiefvaters habe der Beklagte zwar nach der Trennung geleistet und im Umfang von monatlich durchschnittlich 128,57 € belegt, während des Zusammenlebens allerdings seien keine Zurückführungen erfolgt, so dass die ehelichen Lebensverhältnisse durch diese Last nicht geprägt worden seien. Ob der Beklagte noch Einkünfte aus einer Tätigkeit als Taxifahrer erziele, könne offen bleiben, weil eine solche Beschäftigung angesichts seines Alters überobligatorisch wäre.

Mit der Berufung beanstandet der Beklagte, dass die Rückzahlungen an den Stiefvater nicht berücksichtigt worden seien. Von seinen Renten seien außerdem die Prozesskostenhilfe-Raten für das Scheidungsverfahren von monatlich 45 € abzuziehen. Schließlich mindere sich sein Einkommen um monatliche Beiträge von 56,18 € für eine Unfallversicherung, wovon 12,96 € auf eine Versicherung der Klägerin entfielen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit ein höherer nachehelicher Unterhalt als 50 € monatlich verlangt wird.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und ist der Auffassung, der ausgeurteilte Unterhalt liege unter dem tatsächlich bestehenden Anspruch.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg, weil die vom Beklagten bedienten Kredite seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit lediglich mit einem hälftigen Anteil schmälern und ihm danach Unterhaltszahlungen in Höhe des ausgeurteilten Betrages von 192,80 € auch unter Beachtung eines Selbstbehalts von 920 € möglich sind.

Die Klägerin ist dem Grunde nach gemäß § 1572 BGB unterhaltsberechtigt, weil von ihr wegen ihrer körperlichen Gebrechen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Die durch den Versorgungsausgleich von zuvor 432 € auf 635 € angestiegene Rente deckt nicht ihren Mindestbedarf, und eine Nebentätigkeit ist der herz- und zuckerkranken Klägerin, die im Dezember 2003 einen leichten Schlaganfall erlitt und anschließend drei Wochen lang stationär behandelt werden musste, nicht möglich und zumutbar.

Die Altersrente des Beklagten ist durch den Versorgungsausgleich von zuvor 1005 € auf 802 € monatlich gesunken. Die Unfallrente beträgt unverändert 484 € monatlich. Beiträge zu einer Unfallversicherung der Klägerin sind nicht zu berücksichtigen, weil die Klägerin bereits im Mai 2003 die Kündigung dieser Versicherung verlangt hat. Auch die Zahlungen von 43 € für eine eigene Unfallversicherung kann der Beklagte der Klägerin nicht entgegenhalten, weil nach der von ihm behaupteten Aufgabe seiner Nebentätigkeit als Taxifahrer kein Bedürfnis mehr für eine Unfallversicherung besteht und der Beklagte unterhaltsrechtlich gehalten ist, seine Leistungsfähigkeit jedenfalls in einem solchen Umfang herzustellen, dass ein Mindestbedarf der Klägerin sichergestellt werden kann. Die Abträge von monatlich 199 € bei der Dresdener Bank und von 100 € bei seinem Stiefvater können allenfalls zur Hälfte in Ansatz gebracht werden, denn bei seiner Anhörung im Senatstermin vom 10. Februar 2004 hat der Beklagte kein familienbedingtes Bedürfnis nach einer Kreditaufnahme in einem Umfang von 21 000 DM bei der Dresdener Bank und von gut 7000 DM seit November 2001 bei seinem Stiefvater Eduard P. darlegen können. Zwar erscheint es plausibel, dass es zu finanziellen Engpässen kam, als das Krankengeld des Beklagten im Jahre 1999 vorübergehend auf 46 DM pro Tag gesenkt wurde und die Miete für die damalige Ehewohnung von 1300 DM monatlich weiterhin aufgebracht werden musste. Einen akuten Geldbedarf im Jahre 1999 in einem Umfang, wie die Kreditaufnahmen tatsächlich erfolgt sind, hat der Beklagte indes ebenso wenig dargelegt wie eine Verwendung dieser Kredite, die auf sein Konto gezahlt worden waren, für familienbezogene Aufwendungen. Der Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe sich sehr viel in Gaststätten aufgehalten - "seine Kneipe war sein Leben" -, hat er nicht substantiiert widersprochen, so dass von einer weitgehenden Eigenveranlassung der Kreditaufnahmen, zumindest einer größtenteils zu eigenen Zwecken erfolgten Verwendung der Gelder auszugehen ist, während die Einkünfte, die die Klägerin als Reinigungskraft erzielte, vollen Umfangs als Haushaltsgeld verbraucht wurden. Ob die Kredite mit einem noch geringeren Anteil als 50 % das unterhaltsrelevante Einkommen schmälern, kann dahinstehen, weil bereits eine nur hälftige Berücksichtigung zur Zurückweisung der Berufung führt:

Altersrente des Beklagten 802,00 € Unfallrente 484,00 € berücksichtigungsfähiger Kreditabtrag - 150,00 € Rente der Beklagten - 635,00 € Einkommensdifferenz 501,00 €.

Nach dem Halbteilungsgrundsatz ergibt sich ein Bedarf von 251 €. Der Unterhaltsanspruch wird jedoch mit Rücksicht auf den Selbstbehalt des Beklagten von 920 € auf 216 € begrenzt (802 € + 484 € - 150 € - 920 € = 216 €). Dieser Anspruch übersteigt den ausgeurteilten Betrag von 192,80 €, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat: Die Verurteilung des Beklagten beruht nicht auf einer Absenkung des Selbstbehalts, sondern darauf, dass im Einzelfall Schulden des Beklagten nicht vollen Umfangs berücksichtigt worden sind.

Ende der Entscheidung

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