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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 22.05.2001
Aktenzeichen: 8 UF 210/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1605 I
BGB § 1612 II Satz 1
Zur Frage, inwieweit geschiedene Eltern gegenüber dem unterhaltspflichtigen Sohn auskunftsverpflichtet sind.

SchlHOLG, 1. FamS, Urteil vom 22. Mai 2001, - 8 UF 210/00 -


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil Im Namen des Volkes

5 F 559/99 AG Plön Verkündet am: 22. Mai 2001

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache (Kindesunterhalt)

hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 08. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Plön vom 26. Oktober 2000 teilweise geändert:

1.

Soweit der Beklagte zur Auskunftserteilung verurteilt worden ist, wird seine Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Vorlage von Steuererklärungen entfällt.

2.

Die weitere Beklagte wird verurteilt, dem Beklagten Auskunft über ihre Einkünfte durch Vorlage von Gehaltsabrechnungen aus der Zeit von Oktober 1998 bis September 1999 sowie in diesem Zeitraum ergangene Steuerbescheide zu erteilen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Von den Gerichtskosten tragen der Beklagte 3/4 und die weitere Beklagte 1/4. Der Beklagte trägt 3/4 seiner eigenen außergerichtlichen Kosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Klägerin trägt 1/4 der außergerichtlichen Kosten des Beklagten.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der 1979 geborene Kläger stammt aus der geschiedenen Ehe des Beklagten. Nach der Trennung seiner Eltern im Jahre 1993 blieb er bei dem Beklagten in der Ehewohnung in Fiefbergen. Seine Mutter lebt ebenfalls in diesem Ort. Der Kläger befindet sich in der Ausbildung zum Erzieher an einer Fachschule. Am 01. September 1999 zog er zu seiner Mutter, die als Verwaltungsangestellte beschäftigt ist.

Der Beklagte, der bei der Landesbank in Kiel angestellt ist, zahlte nach dem Auszug des Klägers an diesen wöchentlich 80,- DM, inzwischen monatlich 400,- DM. Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger von ihm Auskunft über die Höhe seines Einkommens sowie danach Unterhalt verlangt. Der Beklagte hat die Auskunftserteilung im Hinblick darauf, dass der Kläger bei ihm wohnen könne, abgelehnt. Der Kläger hat in der ersten Stufe beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihm Auskunft über seine wirtschaftlichen Verhältnisse durch Vorlage von Gehaltsabrechnungen aus der Zeit von Oktober 1998 bis einschließlich September 1999, in diesem Zeitraum ergangenen Steuerbescheiden und abgegebenen Steuererklärungen sowie einer geordneten Aufstellung von Gewinnbeteiligungen, Kapitaleinkünften und sonstigen Einnahmen zu erteilen.

Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und wiederum geltend gemacht, der Kläger könne bei ihm wohnen. Er hat Widerklage erhoben mit dem Antrag,

den Kläger zu verurteilen, ihm Auskunft über die Einkünfte seiner Mutter zu erteilen durch Vorlage von Gehaltsabrechnungen aus der Zeit von Oktober 1998 bis einschließlich September 1999 sowie in diesem Zeitraum ergangener Steuerbescheide und abgegebener Steuererklärungen.

Weiterhin hat er Klage erhoben gegen die Mutter des Klägers mit einem Antrag gleichen Inhalts.

Das Familiengericht hat der Auskunftsklage in vollem Umfange stattgegeben und den Einwand des Beklagten, er könne dem Kläger Naturalunterhalt leisten, für unbeachtlich gehalten. Die Widerklage gegen den Kläger ist mit der Begründung abgewiesen worden, dieser sei lediglich verpflichtet, Auskunft über sein eigenes Einkommen zu erteilen. Die Klage gegen die Kindesmutter sei unbegründet.

Mit seiner Berufung beantragt der Beklagte,

das angefochtene Urteil zu ändern, die Klage abzuweisen und den Kläger und die weitere Beklagte zu verurteilen, Auskunft über deren Einkünfte durch Vorlage von Gehaltsabrechnungen aus der Zeit von Oktober 1998 bis September 1999 sowie in diesem Zeitraum ergangene Steuerbescheide zu erteilen.

Der Kläger und die weitere Beklagte beantragen

Zurückweisung der Berufung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Der Wert der Beschwer (§ 511 a Abs. 1 Satz 1 ZPO) ist erreicht, weil der Beklagte nicht nur zur Auskunftserteilung verurteilt worden ist, sondern seine Widerklage und Drittklage abgewiesen worden sind.

In der Sache hat die Berufung zum Teil Erfolg.

1.

Der Beklagte ist dem Kläger gemäß § 1605 Abs. 1 BGB zur Auskunftserteilung verpflichtet. Über die Höhe seiner Einkünfte hat er auf Verlangen Belege vorzulegen. Das gilt für Gehaltsabrechnungen, Steuerbescheide sowie eine geordnete Aufstellung von Gewinnbeteilungen usw., nicht jedoch für Steuererklärungen. Diese sind kein geeigneter Beleg zum Nachweis seines Einkommens, weil sie auf seinen Angaben beruhen.

Der Beklagte verweigert die Auskunft zu Unrecht. Eine Auskunftspflicht besteht nur dann nicht, wenn sie den Unterhaltsanspruch unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann (BGH FamRZ 85, 791). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das gilt insbesondere auch für die von dem Beklagten getroffene Unterhaltsbestimmung gemäß § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach können Eltern, die einem unverheirateten Kinde Unterhalt zu gewähren haben, bestimmen, in welcher Art und für welche Zeit im Voraus der Unterhalt gewährt werden soll, wobei auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht zu nehmen ist. Die Bestimmung des Beklagten, der Kläger könne wie bisher weiter bei ihm wohnen, schließt seine Auskunftspflicht nicht aus. Denn die Unterhaltsbestimmung erfasst den gesamten Lebensbedarf des unterhaltsbedürftigen Kindes (vgl. § 1610 Abs. 2 Satz 1 BGB), also nicht nur Wohnung und Verpflegung, sondern auch den verbleibenden Barbedarf, über den ein volljähriges Kind selbst bestimmen darf. Für die Höhe des Barbedarfs ist das Einkommen des Beklagten maßgeblich. Anhaltspunkte für die Bemessung des verbleibenden Barbedarfs sind auch die Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle, die sich der Höhe nach wiederum nach dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen richten. Es liegt hier deswegen nicht ein Fall vor, in dem eine Auskunftspflicht gemäß § 1605 BGB schlechthin ausgeschlossen ist.

Im Übrigen hat das Familiengericht die Unterhaltsbestimmung des Beklagten zu Recht als unwirksam angesehen. Denn sie erfasst nicht den gesamten Lebensbedarf des Klägers und ist somit unvollständig. Es genügt nicht, dass der Beklagte dem Kläger anbietet, dieser könne weiterhin bei ihm wohnen, sämtliche Dinge des täglichen Bedarfs wie Kleidung, Fahrtkosten, Taschengeld usw. würden ihm wie bisher weiter gewährt werden. Da die Bestimmung den gesamten Lebensbedarf des Kindes umfassen muss, ist es erforderlich, dass der Unterhaltspflichtige im Einzelnen anbietet, wie die Versorgung des Unterhaltsbedürftigen erfolgen soll, das gilt insbesondere auch für die Versorgung mit Lebensmitteln und für die Gewährung des verbleibenden Barunterhalts. Dazu genügt nicht die Angabe eines bestimmten Geldbetrages. Vielmehr muss der Kläger die Angemessenheit des Betrages überprüfen können. Dazu bedarf es seiner Kenntnis über die Höhe des Einkommens des Beklagten.

Im vorliegenden Falle sind auch die Belange des anderen Elternteils zu berücksichtigen, sodass es einer Interessenabwägung bedarf. Die einseitige Bestimmung ist in diesem Falle nur wirksam, wenn die Gründe des bestimmenden Elternteil so schwer wiegen, dass es dem anderen Elternteil unter Berücksichtigung seiner entgegenstehenden Interessen zugemutet werden kann, die beabsichtigte Art der Unterhaltsgewährung hinzunehmen (Wendl Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 2 Rn 31). Dieser Umstand ist bisher von dem Beklagten überhaupt nicht berücksichtigt worden.

2.

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet, soweit er von dem Kläger verlangt, Auskunft über die Einkünfte seiner Mutter, der weiteren Beklagten, zu erteilen. Diese Widerklage ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, weil der Beklagte die Mutter des Klägers selbst auf Auskunft in Anspruch nimmt.

3.

Soweit der Beklagte im vorliegenden Verfahren auch von der Kindesmutter Auskunft über deren Einkünfte verlangt, handelt es sich nicht um eine Widerklage i.S.v. § 33 Abs. 1 ZPO, sondern um eine selbstständige Klage gegen die Kindesmutter als weitere Beklagte. Eine solche Drittklage ist zulässig, die örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts ist gegeben.

In der Sache besteht auch eine Auskunftspflicht der Kindesmutter gegenüber dem Beklagten, weil dieser von einem volljährigen Kind auf Unterhalt in Anspruch genommen wird und sich deshalb Gewissheit verschaffen können muss, wie hoch sein Haftungsanteil ist. Diese Auskunftspflicht ergibt sich unmittelbar aus § 242 BGB als Folge der Rechtsbeziehungen der Eltern zueinander wegen ihrer gleichrangigen Unterhaltshaftung gegenüber volljährigen Kindern (BGH FamRZ 88, 268, 269). Der Einwand der Kindesmutter, der Beklagte werde rechtzeitig Auskunft über ihr Einkommen erteilen, wenn der Kläger seinerseits Auskunft über seine Einkünfte erteilt, ist unerheblich. Denn ein Zurückbehaltungsrecht kann sie gegenüber dem Auskunftsanspruch des Klägers nicht geltend machen (OLG Köln, FamRZ 87, 714).

Nach allem hat die Berufung des Beklagten zum Teil Erfolg.

Die Kostenentscheidung, die lediglich das Rechtsmittelverfahren betrifft, ergibt sich aus den §§ 92 Abs. 1, 2, 97 Abs. 1 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.



Ende der Entscheidung

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