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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 04.02.2004
Aktenzeichen: 8 UF 216/03
Rechtsgebiete: BGB, VAHRG


Vorschriften:

BGB § 1587 b IV
VAHRG § 3 a
Der Träger einer Beamtenversorgung wird durch den Vorbehalt des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nicht (unmittelbar) beeinflusst.
Beschluss

8 UF 216/03

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 4. Februar 2004 beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde des Landesbesoldungsamts Schleswig-Holstein gegen die im Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lübeck vom 17. September 2003 getroffene Regelung des Versorgungsausgleichs wird verworfen.

2. Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin ist wirkungslos.

3. Das Landesbesoldungsamt Schleswig-Holstein trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Der Beschwerdewert beträgt 647,16 €.

Gründe:

1. Die Parteien schlossen am 13. März 1989 die Ehe miteinander. Während der Ehezeit vom 1. März 1989 bis zum 31. März 2002 (Zustellung des Scheidungsantrages erfolgte am 11. April 2002, Berechnung der Ehezeit nach § 1587 Abs. 2 BGB) haben beide Parteien Versorgungsanwartschaften nur aus ihren Beamtenverhältnissen erworben. Das Landesbesoldungsamt Schleswig-Holstein hat in erster Instanz monatliche ehezeitliche Anwartschaften der Ehefrau von 751,96 € (Auskunft vom 6. August 2002) und von 846,00 € für den Ehemann (Auskunft vom 24. September 2002) mitgeteilt. Beide Parteien haben den Vorbehalt des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs beantragt, weil fraglich sei, ob die Ehefrau bei einem Quasi-Splitting ausreichende Rentenanwartschaften erlangen werde, um die Wartezeit von 60 Monaten zu erfüllen und so in den Genuss der zu begründenden Rentenanwartschaften zu gelangen.

In dem Verbundurteil vom 17. September 2003 hat das Familiengericht die Ehe geschieden - insoweit ist das Urteil seit dem 17. September 2003 rechtskräftig - und den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten. Es hat dazu ausgeführt, bei einem Ausgleichsbetrag von 47,02 € sei unsicher, ob die Ehefrau die Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung erreichen werde; dem Familiengericht scheine daher der Versorgungsausgleich im Wege des Quasi-Splittings nicht durchführbar, so dass entsprechend den Anträgen der Parteien der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorzubehalten sei.

2. Mit der form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde erstrebt das Landesbesoldungsamt eine öffentlich-rechtliche Regelung des Versorgungsausgleichs. Diese sei im Streitfall nicht unwirtschaftlich, denn nach § 52 SGB VI in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung folge bereits aus einer zu begründenden Rentenanwartschaft von 47,02 € eine Wartezeit von 60 Monaten (47,02 € : 25,31604 € : 0,0313 = 59,35 Monate, aufzurunden auf 60 Monate). Die Anordnung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs stelle im Hinblick auf § 3a Abs. 1 VAHRG einen Eingriff in die Rechtsstellung des Versorgungsträgers dar, weil das angefochtene Urteil bei Tod des ausgleichspflichtigen Beamten eine Leistungspflicht des Landesbesoldungsamtes bis zur Höhe der Hinterbliebenenversorgung auslöse, ohne dass das Landesbesoldungsamt dann die Möglichkeit der Refinanzierung durch Kürzung des Ruhegehalts des Verpflichteten hätte. Eine Befreiung von der Leistungspflicht nach § 3a Abs. 3 Satz 1 VAHRG trete nicht ein, weil die Voraussetzungen des § 1587f Nr. 5 BGB i. V. m. § 1587b Abs. 4 BGB im vorliegenden Fall tatsächlich nicht gegeben seien. Der Vorbehalt des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs beeinträchtige die Rechtsstellung des Versorgungsträgers auch insofern, als bei öffentlich-rechtlichem Versorgungsausgleich und dem daraus resultierenden Erwerb von 69 Wartemonaten - ermittelt auf der Grundlage der Anwartschaftsberechnung nach dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 - voreheliche Rentenanwartschaften der ausgleichsberechtigten Ehefrau aus einer Beitragszeit von 20 Monaten zu einem Rentenbezug führen würden mit der Folge, dass in diesem Umfang die Rentenanwartschaften auf das Ruhegehalt nach § 55 BeamtVG angerechnet werden könnten. Bei einer Ermittlung des Versorgungsausgleichs nach dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 ergebe sich zugunsten der Ehefrau ein Ausgleichsbetrag von 53,93 € (Anwartschaften des Ehemannes: 809,16 €, Anwartschaften der Ehefrau: 701,31 €, Wertdifferenz: 107,85 €).

Mit einer nach Ablauf der Beschwerdefrist, aber binnen eines Monats nach Zustellung der Beschwerdebegründung eingelegten Anschlussbeschwerde beantragt auch die Ehefrau, die familiengerichtliche Regelung zum Versorgungsausgleich abzuändern und den Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Bestimmungen durchzuführen.

3. Die Beschwerde des Landesbesoldungsamtes ist unzulässig. Durch den Vorbehalt des schuldrechtlichen Versorgungsausgleich wird der Beschwerdeführer allenfalls bedingt und mittelbar in seiner Rechtsstellung betroffen, so dass ihm die Beschwerdeberechtigung fehlt.

a) Ein Versorgungsträger ist beschwerdeberechtigt, wenn die getroffene Entscheidung unmittelbar in seine Rechtsstellung eingreift, was bei einer von ihm durchzuführenden Übertragung oder Begründung von Rentenanwartschaften stets und daneben dann der Fall ist, wenn ein bei ihm bestehendes Rechtsverhältnis inhaltlich verändert wird; auf eine finanzielle Mehrbelastung kommt es nicht an (vgl. BGH FamRZ 1981, 132 ff.; BGH FamRZ 1989, 369 f. und 602). Hingegen fehlt es an einer Beschwer, wenn die Rechtsstellung des Versorgungsträgers nur reflexartig berührt, der Versorgungsträger also nur mittelbar betroffen wird (BGH FamRZ 1989, 602). Zwar hat der BGH in letztgenannter Entscheidung, wie das Landesbesoldungsamt zutreffend hervorhebt, die Beschwer des Versorgungsträgers bei einem nur reflexartig und mittelbar treffenden Nachteil in einem Fall verneint, in dem der Versorgungsträger privatrechtlich organisiert war und sich gegen den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich wandte mit dem Hinweis, es hätte von den Ausgleichsmöglichkeiten nach § 3b VAHRG Gebrauch gemacht werden müssen. Für den Eingriff in die Rechtsstellung des Versorgungsträgers ist indes seine Organisationsform ohne Belang. Ebenso rechtfertigt es keine unterschiedliche Beurteilung zwischen dem vom BGH entschiedenen und dem Streitfall, dass bei einem privatrechtlich organisierten Versorgungsträger der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich nach § 3b VAHRG und bei einem öffentlich-rechtlich organisierten Versorgungsträger nach § 1587b BGB durchgeführt wird, denn diese Vorschriften weichen nicht in ihrem Ausgleichsmechanismus voneinander ab, sondern nur in ihrem Anwendungsbereich je nach Art des in den Versorgungsausgleich fallenden Anrechts.

Der Vorbehalt des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs hat gegenwärtig für das Landesbesoldungsamt keine unmittelbare Auswirkung: In die Rechtsbeziehungen des Landesbesoldungsamtes zu den Parteien wird nicht eingegriffen, und ob es später überhaupt zu einem (verlängerten) schuldrechtlichen Versorgungsausgleich kommen wird, hängt von unsicheren Bedingungen ab, insbesondere davon, ob die ausgleichsberechtigte Ehefrau den Ehemann überlebt. Diese nur drohende, aus der beamtenrechtlichen Hinterbliebenenversorgung folgende Belastung stellt keinen durch die familiengerichtliche Regelung ausgelösten aktuellen Eingriff in die Rechtsstellung des Landesbesoldungsamtes dar. In Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Meinung ist danach eine unmittelbare Beeinträchtigung und damit eine Beschwer des Trägers einer Beamtenversorgung zu verneinen, wenn der Versorgungsausgleich nicht nach § 1587b durchgeführt, vielmehr stattdessen einer schuldrechtlichen späteren Regelung vorbehalten bleibt (ebenso OLG Düsseldorf FamRZ 1992, 189 f., Zöller/Philippi, 24. Aufl., § 621e Rdnr. 30 m. w. N.; Borth, Versorgungsausgleich, 3. Aufl., Rdnr. 971 m. w. N.; anderer Ansicht OLG Celle FamRZ 1980, 268).

b) Ob die Rechtsauffassung des Landesbesoldungsamtes zutrifft, es könne sich einem verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nicht nach § 3a Abs. 3 Satz 1 VAHRG entziehen, weil diese Vorschrift voraussetze, dass eine anderweitige Regelung nach § 1587b Abs. 4 BGB tatsächlich habe getroffen werden dürfen, bedarf keiner Klärung, denn auch diese Erwägung knüpft an einen wirtschaftlichen Nachteil, der sich nicht unmittelbar aus der angefochtenen Entscheidung, sondern dem Eintritt weiterer Bedingungen ergibt. Es kann daher an dieser Stelle sein Bewenden haben mit dem Hinweis darauf, dass nach Auffassung des Senats vieles für eine Auslegung des § 3a Abs. 3 Satz 1 VAHRG dahin spricht, nur auf die Tatsache einer anderweitigen Regelung durch das Gericht nach § 1587b Abs. 4 BGB abzustellen und nicht in einem späteren Verfahren zu prüfen, ob das Gericht die Voraussetzungen dieser Norm zutreffend bejaht hat (vgl. in diesem Sinne etwa die Kommentierung bei Palandt/Brudermüller, 63. Aufl., § 3a VAHRG Rdnrn. 18 bis 20).

c) Die schuldrechtliche Durchführung des Versorgungsausgleichs wird aller Voraussicht nach dazu führen, dass aus den vorehelichen Rentenanwartschaften, die in 20 Beitragsmonaten erworben sind, keine Rente an die Ehefrau gezahlt werden wird mit der Folge, dass eine Kürzung der Versorgungsbezüge nach § 55 BeamtVG nicht in Betracht kommen wird. Dieser drohende Nachteil beruht wiederum nicht auf der unmittelbaren Folge der angefochtenen Entscheidung, sondern ergibt sich aus der Rechtslage, wie sie ohne die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs besteht und wie sie von den Parteien auch dadurch herbeigeführt werden kann, dass diese ohne familiengerichtliche Genehmigung den Versorgungsausgleich in öffentlich-rechtlicher Form nach § 1408 Abs. 2 BGB ausschließen oder mit familiengerichtlicher Genehmigung eine Vereinbarung nach § 1587o BGB treffen. Auch in diesen Fällen müsste der Versorgungsträger die von den Parteien getroffene Regelung mangels unmittelbarer Beschwer ohne Möglichkeit eines Rechtsmittels hinnehmen (vgl. Borth, a. a. O.).

4. Die Verwerfung der Beschwerde als unzulässig führt zur Wirkungslosigkeit der Anschlussbeschwerde der Ehefrau (§ 524 Abs. 3 ZPO). Die Wirkungslosigkeit tritt kraft Gesetzes ein, ihre Feststellung im Tenor erfolgt lediglich zum Zwecke der Klarstellung.

5. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, 17a GKG (Berechnung des Beschwerdewerts: 12 x 53,93 € = 647,16 €).



Ende der Entscheidung

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